Anna-Maria Caspari - Ginsterhöhe

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  • Ein Dorf in der Eifel


    Ginsterhöhe, historischer Roman von Anna-Maria Caspari, 400 Seiten, erschienen im Ullstein-Verlag.
    Eine berührende Familiengeschichte aus der dunkelsten Zeit des 20. Jahrhunderts.
    Albert Lintermann kehrt 1919 aus dem Krieg in sein Heimatdorf Wollseifen, in der Eifel zurück. Sein Gesicht ist entstellt und seelische versehrt begegnen ihm viele mit Abscheu und Entsetzen. Bei seiner Frau Bertha jedoch trifft es ihn am meisten. Nach einer rekonstruierenden Gesichtsoperation und mit Hilfe seiner Freunde findet er jedoch wieder ins Leben zurück. Ganz besonders helfen ihm auch Leni, die Verlobte seines gefallenen Freundes und der italienische Gastwirt Silvio dabei. Mit der Zeit heilen die Wunden und auch sein Hof wächst und gedeiht. Bis die Nationalsozialisten in Wollseifen Einzug halten.
    Das Buch besteht aus drei Teilen, die Zeitabschnitte von 10 Jahren beinhalten. Insgesamt gliedert sich das Buch in 28 überschaubare Kapitel. Am Ende der Kapitel, in kursiver Schrift deutlich hervorgehoben und mit Datum überschrieben, die Aufzeichnungen des Dorfschullehrers Martin Faßbender. In diesen Aufzeichnungen aus seinen Tagebüchern, werden das allgemeine Zeitgeschehen und die wichtigsten Eckpunkte in der Dorfgeschichte dokumentiert. Schlagfertige Dialoge, z.T. in Mundart beleben die Erzählung. In der Vorderen Umschlagklappe befindet sich eine Karte der Umgebung in der die Geschichte spielt, immer wieder war sie mir hilfreich. Die hintere Klappe beinhaltet historische Bilder von Wollseifen, dies fand ich ganz besonders gut um sich das Dorf vorstellen zu können.
    Die Autorin hat sich gut vorbereitet, eine hervorragende Recherchearbeit kann ich nur bestätigen. Der flüssige Schreibstil und die bildhafte Beschreibung des Settings haben Wollseifen und Umgebung vor meinem inneren Auge entstehen lassen. Unmittelbar mit Alberts Ankunft war ich schon mittendrin im Geschehen. Hier wird eine ganz dunkle bittere Zeit beschrieben, das Ende des ersten bis zum Ende des zweiten Weltkrieges. Und doch findet man dort in der Eifel Menschen, die mit Gottvertrauen und Tapferkeit agieren, nicht aufgeben und immer wieder versuchen, das Leben für sich und die Angehörigen nach besten Möglichkeiten gut einzurichten. Schicksalsschläge werden hingenommen und tapfer wird weitergelebt. Für großes Jammern blieb keine Zeit, dafür war zu viel Arbeit, die Menschen waren damit beschäftigt fürs tägliche Brot zu sorgen. Albert und Silvio, auch dessen Frau Maria, der Lehrer, Leni, Marie Felten, alle packen an, das macht die Figuren sympathisch und authentisch. Solch grausame Fanatiker wie Meller mit seiner braunen Gesinnung, die gab es zu dieser Zeit zur Genüge. Jedes Wort das Caspari hier schreibt könnte genauso passiert sein. Ich habe mich bestens unterhalten gefühlt. Ich habe die, wenn auch verhaltene, Spannung genossen, mehr kann man nicht erwarten.
    Eine gute Unterhaltung, eine emotionale Geschichte mit tief gezeichneten Charakteren, mit den nötigen Bösewichtern und Rückschlägen und auch mit genügend Humor. Ich habe die Lektüre genossen und empfehle das Buch gerne weiter. Von mir 5 Sterne.


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  • Historisch berührende Chronik eines Eifeldorfes


    "Ginsterhöhe" stammt aus der Feder von Anna-Maria Caspari, deren Autorinnenname ich mir ab sofort merken werde, da sie es im vorliegenden Roman sehr verstanden hat, das Schicksal der Bewohner (und des Dorfes Wollseifen selbst) im teils unseligen 20. Jahrhundert auf spannende, gut recherchierte und mit historischen Fakten versehene Weise nachzuzeichnen.

    Erschienen ist der Roman im Ullstein-Verlag (400 Seiten, brosch., 2022) und sehr empfehlenswert ist es m.E. für alle, die gerne Romane lesen, in denen sich reale historische Fakten mit Fiktion auf spannende und gut lesbare Art mischen.


    Wollseifen, Nordeifel, 1919:


    Albert Lintermann kehrt aus den Schützengräben des 1. Weltkrieges zurück; am Leben, jedoch versehrt und im Gesicht schwer gezeichnet. Sein Freund Hennes konnte die Rückkehr nicht mehr erleben: Er fiel im Krieg und hinterlässt Leni, seine Verlobte und eine Tochter, deren Bekanntschaft er niemals wird machen können...

    Vom Vater abgeholt, ist Albert kaum zu Hause, als er bereits die Erstarrung von Bertha, seiner jungen Frau, erleben muss, die sich fortan für längere Zeit von ihm abwendet. Er überbringt Leni, der Verlobten von Hennes, die ihn ganz normal behandelt und froh ist, dass der Freund wenigstens überlebte, die bittere Nachricht vom Tode Hennes.


    Der Roman ist in Teil I bis III zeitlich gegliedert und die dunklen Wolken (Inflation, hohe Arbeitslosigkeit, Erstarken des Nationalsozialismus) fühlt man zum einen bereits heraufkommen, zum anderen werden sie von der Autorin sehr gut beschrieben: Wollseifen ist ein traditionelles Eifeldorf, in dem die Einwohner gerne leben, es viel Gemeinschaftssinn gibt und die Bewohner mit ihrem Auskommen und Leben zufrieden sind, auch wenn der Boden karg und das Klima rau ist. Ein Mann, der ein großes Gut übernommen hat und fortan "dazu gehören" will; wohlhabend ist, ist Meller - allerdings macht er sich von Beginn an gemein mit den Nationalsozialisten, ist antisemitisch eingestellt und trotz all seiner Bemühungen wird er mit Vorsicht genossen, da er auch als unberechenbar und skrupellos gilt.

    Im Verlauf des Romans wirft er ein Auge auf Leni - und will ihr Ja zu einer Heirat erzwingen, indem er um sie wirbt: Nach der Hochzeit wird sie einen wenig sie umschmeichelnden, sondern eher einen widerwärtigen Nazi zum Manne haben.


    Man erfährt im Roman, wie sich das Dorfleben gestaltet, wie schwer die Arbeit ist mit Land und Vieh; aber auch von Festen und Brauchtum, das sicher noch heute in den Dörfern der landschaftlich schönen Eifel gepflegt wird. Ich hatte beim Lesen besonderes Interesse an der Beschreibung der Arbeit in der Landwirtschaft (damals noch mit einfacheren Mitteln als heute), da mein Großvater ebenfalls Landwirt in derselben Zeitspanne gewesen ist. So habe ich "von Haus aus" (ohne ihn leider kennengelernt zu haben) großen Respekt vor dieser Arbeit, die auch den Kindern vieles abverlangte (z.B. die Kühe auf die Weide zu bringen, bevor sie in die Schule gehen durften, so hat es mir meine Mutter erzählt).


    Mit Silvio, Kneipenwirt und bester Freund von Albert, gehen wir auf Schmuggeltour nach Belgien, um z.B. dem Lehrer des Dorfes, Faßbender, seinen Café und seinen Tabak mitbringen zu können. Es werden Feste gefeiert und Hochzeiten, und nachdem Albert sich in Bonn von einem hervorragenden Chirurgen operieren lässt und wieder "ansehnlicher" aussieht, nähert sich ihm auch Bertha wieder an; die Familie wächst: Zu Anne-Marie, der ältesten Tochter, gesellen sich zwei Söhne...


    Die historischen Fakten (wie die Bücherverbrennung, Reichskristallnacht, Einmarsch in Polen am 1. September 1939 wie auch der Anschluss Österreichs etc.) entnehmen wir den Tagebucheinträgen des Dorflehrers Faßbender, der sich zunehmend sorgt und sich fragt, "wo dies enden solle" - ein Freigeist, der mir sehr sympathisch war (zum Glück für ihn blieb es ihm durch seine Pensionierung erspart, die fragwürdigen Unterrichtspläne der Nazis umzusetzen).


    Wir lernen einige starke Persönlichkeiten und deren Schicksale kennen; allen voran Leni, aber auch "die Gräfin", die alleine mit einigen Bediensteten und einer behinderten Tochter ein großes Gut bewirtschaftet und sich mit Pferdezucht erfolgreich über Wasser hält - bis zum Zeitpunkt zumindest, als die Nazis aufmarschieren - und den Untergang eines Landes herbeiführten. Lenis Tochter Hildegard, die Tochter von Hennes, hat mich sehr fasziniert, da sie Trost und Kraft durch "Handauflegen" Mensch und Tier spenden konnte: Solche Menschen mit 'heilenden Händen' gibt es in der Tat.

    Brutalität und Grausamkeit sowie Verblendung der Nazi-Propaganda wird im Roman von Meller personifiziert; ein hintertriebener, schwacher und unheilvoller Charakter, der selbst seinen Sohn Siegfried ins Verderben stürzt...


    So verfolgt man die jeweiligen Schicksale der Dorfbewohner und erlebt die Evakuierung mit, die mit dem Bau der Schulungsanlage "Vogelsang" - eine Burg, die die Nazis einen Steinwurf von Wollseifen entfernt errichteten, nach dem Kriege mit (auch im Krieg fielen etliche Bewohner des Dorfes den Bombardements zum Opfer). Die Dorfbewohner müssen ihren Ort zurücklassen - und hoffen, wiederkommen zu können. Was niemals mehr der Fall sein wird, da das Gelände zum Truppenübungsplatz der Briten und dann der Belgier als Sperrgebiet ausgewiesen wird: Erst seit 2006 ist es möglich, die kläglichen Überreste von Wollseifen, einem einst blühenden Dorf in der Nordeifel, erwandern zu können. Lediglich eine kleine Kapelle und ein Trafohäuschen sind davon geblieben.


    Fazit:


    Mich hat dieser Roman aus den genannten Gründen heraus (und da ich mich ohnehin für Zeitgeschichte sehr interessiere) sehr berührt; ich kannte die Geschichte bisher nicht und spreche der Autorin meinen Dank für diesen sehr gelungenen Roman aus, der historische Fakten mit fiktiven BewohnerInnen verwebt und Wollseifen für einige Lesestunden, die sich lohnen, sozusagen wiederauferstehen lässt. Ein Dorf, dem die Geschichte des 20. Jahrhunderts mit zwei Weltkriegen übel mitspielte - und am übelsten seinen tapferen BewohnerInnen! Eine absolute Leseempfehlung und 5 * gibt es von mir für diese historisch interessante und auf Fakten basierende berührende Geschichte!


    5ratten :tipp:


    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

    2 Mal editiert, zuletzt von Sagota ()

  • Das bewegende Schicksal eines kleinen Dorfes in der Eifel


    Das kleine Dorf Wollseifen in der Eifel leidet unter den Folgen des 1. Weltkrieges, genau wie alle anderen im Land. Für den jungen Bauern Albert Lintermann ist es sogar noch viel schwerer. Er ist schwer verletzt nach Hause gekommen. Seine Frau kann ihn nicht mehr ohne Abscheu ansehen, doch Albert kämpft für seinen Platz im Leben, genauso wie die Dorfgemeinschaft für ihre Zukunft den Kampf aufgenommen hat. Sieht es zunächst so aus, als könnte das Dorf bestehen und weiter wachsen, werden die Nationalsozialisten auf Wollseifen aufmerksam. Das Schicksal von Albert und seinem Heimatdorf nimmt seinen Lauf und ihre Bewohner können nichts dagegen unternehmen.


    Die Geschichte von Wollseifen und Albert beginnt zunächst damit, dass Albert aus dem Krieg nach Hause zurückkehrt. Er versucht in sein altes Leben zurückzukehren, was sich zunächst als nicht so einfach erweist. Die Schilderungen waren zwar sehr einfühlsam, konnten mich aber nicht wirklich überzeugen. Zunächst hatte ich Probleme damit, mich auf diese Geschichte einzulassen. Am Beginn war sie mir zu schlicht. Es wird das tägliche Leben geschildert, Gespräche geführt, die ich als nicht besonders aufregend empfunden habe. Ich habe tatsächlich einen zweiten Anlauf gebraucht, um mit Albert und den Bewohner dieses kleinen Ortes warm zu werden.


    Erst nachdem ich dann die Geschichte nach einiger Zeit weitergelesen habe, hatte sie mich in ihren Bann gezogen. Die zweite Hälfte habe ich dann in nur wenigen Stunden gelesen. Jetzt hat vor allem das Schicksal des ganzen Dorfes mich in seinen Bann gezogen. Es ist schon fast unglaublich, was sich dort in der Eifel abgespielt hat. Die Autorin schildert die Ereignisse von 1919-1949, wie sie sich in dem Eifeldorf zugetragen haben. Das Schicksal dieses Dorfes ist historisch belegt und mithilfe der fiktiven Protagonisten wie Albert, Bertha und Leni bekommen sie auch ein lebendiges Gesicht. Das Leben dieser Menschen mag zwar fiktiv sein, aber es wird auch so geschildert, dass es sich genauso zugetragen haben könnte. Die Geschichte an sich habe ich als glaubwürdig empfunden.


    Der Erzählstil von Anna-Maria Caspari ist zwar eher unspektakulär und schlicht dabei aber trotzdem fesselnd. Sie hat es nämlich geschickt verstanden, von dem persönlichen Schicksal Alberts zu erzählen und dieses Schicksal dann mit dem Dorf zu verbinden. In einem Nachwort geht die Autorin noch einmal auf Fiktion und Wahrheit ein und gibt dem Buch damit einen gelungenen Abschluss.


    Fazit:


    Auch wenn mich „Ginsterhöhe“ nicht von der ersten Seite an überzeugen konnte, habe ich die Geschichte von Wollseifen und seinen Bewohner gern gelesen. Am Ende war es eine bewegende Geschichte über Schicksale, die einen nicht mehr loslassen wollen.


    4ratten