Volker Ullrich - Deutschland 1923: Das Jahr am Abgrund

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    Da sich das Krisenjahr 1923 jetzt zum hundersten Mal jährt gibt es bereits verschiedene Publikation und sind noch einige angekündigt. Gerade bei solchen historischen "Jubiläen" fällt es dann oft schwer, sich zwischen verschiedenen Veröffentlichungen zu entscheiden. Ich bin froh, dass ich "Deutschland 1923: Das Jahr am Abgrund" von Volker Ullrich gelesen habe.


    Der promovierte Historiker und preisgekrönte Journalist setzt sich detailliert und kenntnisreich mit den Geschehnissen des Jahres 1923 auseinander, obwohl er, wie er im Vorwort schreibt, aufgrund der Corona-Pandemie nicht so viel Archivrecherche betreiben konnte wie eigentlich geplant. Das merkt man dem Buch aber nicht an, der umfangreiche Quellen- und Anmerkungsapparat lässt nichts zu wünschen übrig. Darüber hinaus ist dieses Sachbuch einfach gut geschrieben und die verschiedenen Kapitel decken die relevanten Themenbereiche zum Jahr 1923 ab.


    Inhaltlich hat mir vor allem gut gefallen, dass hier neben den bekannten Ereignissen des Jahres 1923, wie beispielsweise der Besetzung des Ruhrgebiets, der Hyperinflation und dem Hitlerputsch, auch weniger bekannte Entwicklungen dieses Jahres, etwa die Schwierigkeiten auf Reichsebene aufgrund der kommunistischen Regierungsbeteiligungen in Sachsen und Thüringen oder die Separationsbestrebungen im Rheinland und der Pfalz thematisiert werden. Darüber hinaus werden die einzelnen Kapitel, die sich diesen und anderen Teilthemen widmen, immer wieder miteinander verknüpft, diese Querverweise ermöglichen ein tieferes Verständnis der Materie. Abgerundet wird das Buch zum einen mit einem Blick in die kulturellen Entwicklungen des Jahres 1923, die auch in Abhängigkeit von den politischen und wirtschaftlichen Tendenzen gesehen werden müssen, und einem Ausblick auf das Jahr 1924, insbesondere die Ereignisse rund um die Annahme des Dawes-Plans in Deutschland, sowie darüber hinaus bis zum Ende der Weimarer Republik.


    Zitat

    "Dennoch führte kein gerader Weg zur Machtübertragung an Hitler. Der Untergang der Weimarer Republik war keineswegs zwangsläufig. Sie hatte 1923 eine erstaunliche Überlebensfähigkeit bewiesen, und sie hätte vielleicht auch noch die schweren Jahre von 1930 bis 1932 überstehen können, wenn an der Spitze des Staates ein Mann wie Ebert gestanden hätte, der entschlossen gewesen wäre, die parlamentarische Demokratie mit allen Mitteln zu verteidigen." (S. 352)

    Diesem Fazit des Autors kann ich mich nur anschließen, es rundet dieses kenntnis- und facettenreiche Buch über das Krisenjahr 1923 perfekt ab.


    5ratten

  • Hallo Juva,


    ich finde deine Rezension sehr interessant und aufschlussreich. :) Danke dafür!

    Zu dem eingerahmten Zitat: Friedrich Ebert konnte die Demokratie der Weimarer Republik nicht mehr verteidigen, denn er starb 1925 an einer Appendizitis. Den herausoperierten Appendix Eberts konnte man früher im Medizinhistorischen Museum der Charité bestaunen, es war das einzige Präparat, welches nicht anonymisiert wurde.

  • Auf den plötzlichen Tod Eberts geht der Autor auch ein, die darauffolgende Wahl Hindenburgs wird von vielen Historikern ja als ein wichtiger Schritt hin zum Ende der Weimarer Republik gesehen. Insofern kann man ja durchaus sagen, dass das (leider) ein Blinddarm von welthistorischer Bedeutung war, eigentlich ein logischer Schritt, diesen nicht zu anonymisieren.