Juli Zeh/Simon Urban - Zwischen Welten

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  • Juli Zeh/Simon Urban - Zwischen Welten


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    Gebundene Ausgabe: 448 Seiten

    Verlag: Luchterhand (25. Januar 2023)

    ISBN-13: 978-3630877419

    Preis: 24,00 €

    auch als E-Book und als Hörbuch erhältlich


    Inhalt wichtig, Umsetzung nicht mein Ding


    Inhalt:

    Vor zwanzig Jahren studierten Stefan und Theresa in Münster Germanistik, bevor sich ihre Wege trennten. Theresa brach das Studium ab, um den väterlichen Bauernhof in Brandenburg weiterzuführen. Stefan ist mittlerweile stellvertretender Chefredakteur bei Deutschlands bedeutendster Wochenzeitung Der Bote. Als die beiden sich zufällig in Hamburg treffen, ist das nicht positiv. Trotzdem wollen sie per WhatsApp und E-Mail in Kontakt bleiben …


    Meine Meinung:

    Immer wieder kommt ein Brief- oder E-Mail-Roman auf den Markt. Und normalerweise habe ich damit auch überhaupt keine Probleme. Bisher fand ich das Format immer passend zur jeweiligen Handlung. Bei „Zwischen Welten“ war das leider nicht so. Hier fand ich das Format nicht glaubwürdig.


    Theresa und Stefan sind beruflich sehr, sehr stark eingespannt, schreiben sich aber sehr häufig seitenlange E-Mails, in denen wichtige Themen angerissen, aber nicht ausreichend vertieft werden. Auf die Lesenden warten lange Monologe mit einer Aneinanderreihung von Schlagwörtern, plakative Aussagen und Selbstzerfleischung oder auch Beleidigungen des Gegenübers. Dabei gehen die Protas oft überhaupt nicht aufeinander ein, sondern reden aneinander vorbei. Jeder erzählt von sich und seinen aktuellen Problemen. Neben den E-Mails verschicken sie auch immer wieder WhatsApp-Nachrichten, die meist aber belanglos sind und deren Inhalt oft nur ein „Warum meldest du dich nicht?“ ist.


    Ich fand den Roman sehr anstrengend zu lesen, fühlte mich von den klischeebeladenen Monologen überhaupt nicht angesprochen, sodass vieles von dem eigentlich wichtigen Inhalt (Klimakatastrophe, Krieg in der Ukraine, Landwirtschaftspolitik und vieles mehr) an mir abprallte, was sicher nicht im Sinne der Autorin/des Autors war.


    ★★★☆☆

  • Danke für die Rezi! Weil mich das Buch grundsätzlich interessiert, habe ich in verschiedenen Medien bereits darüber gelesen (s. Übersicht beim Perlentaucher), aber die Meinungen sind recht gemischt. Das Buch sollte ein Rundumschlag werden zu den Themen Klimawandel, Genderpolitik und Rassismus uvm., was ja an sich schon mal nicht verkehrt ist, das Thema ist auf jeden Fall interessant. Aber die Umsetzung finden nicht alle gelungen, so wie Du ja selbst auch. Die Form soll dem Inhalt nicht gerecht werden. Schade. Also glaube ich, dass ich lieber die Finger davon lasse.

  • Das Buch sollte ein Rundumschlag werden zu den Themen Klimawandel, Genderpolitik und Rassismus uvm., was ja an sich schon mal nicht verkehrt ist, das Thema ist auf jeden Fall interessant.

    Ich finde das ja eher abschreckend, wenn so viel Gesellschaftspolitik und dazu noch alle wichtigen Themen auf einmal verhandelt werden. Auch das Reinlesen im Buchladen hat mich erst mal abgeschreckt. Ich glaube nicht, dass man solch ein Thema mit ein paar E-Mails in so direkter Weise wirklich gut abhandeln kann. Der Verriss in der FAZ ist schon böse, aber "Schulaufsatzstil" war auch mein Leseeindruck. Mal schauen, ob er noch auf irgendwelchen Bestenlisten landet.

  • Dass mir der Roman "Zwischen Welten" von Juli Zeh und Simon Urban nicht besonders gut gefallen hat lag nicht vorrangig an der Struktur, diese passte meines Erachtens ganz gut, sondern an der Art und Weise, wie zu viele Themen zu oberflächlich behandelt wurden, und nicht zuletzt an den unsympathischen und widersprüchlichen Figuren.


    Offenbar haben sich die AutorInnen des Romans vorgenommen, möglichst alle aktuell gesellschaftlich strittigen Themen in ihrem Werk unterzubringen, das war mir ehrlich gesagt zuviel. Zwar tauchen diese Themen dann wiederholt auf (Rassismus, Krise der Landwirtschaft), aber häufig mit denselben Argumenten und Aspekten, ich hatte phasenweise das Gefühl, mich in einer Wiederholungsschleife zu befinden. Und die Haltungen der ProtagonistInnen zu den Themen sind dann auch nicht konsequent - und das war für mich die größte Schwäche der Figuren.


    Stefan hat von Anfang an genervt, das Abziehbild eines hippen Journalisten aus der Großstadt, der alle, aber auch wirklich alle Klischees erfüllt (bis hin zur Hafermilch im Kaffee). Es entsteht direkt der Eindruck, dass er nur auf einzelne Projekte bezogen weiß, was er will, für seine Lebensgestaltung und seine Ansichten gilt das offenbar nicht durchgängig. Wenigstens in der Hinsicht, dass dieser Schlingerkurs bis zum Ende durchgehalten wird, kann man der Figur eine gewisse Konstanz bestätigen.

    Über Theresa dachte ich zunächst, sie wäre die Figur, mit der ich besser zurechtkomme, weil sie pragmatischer und lebenstüchtiger erscheint und weniger rumjammert. Aber in dem Moment, als sie die (angesichts ihrer wirtschaftlichen Situation) völlig irrationale Entscheidung trifft, die Aufzucht ihrer Kälber zum Tierwohl zu verbessern, passte dieser Eindruck eben nicht mehr. Natürlich war das eine nette Entscheidung, aber für eine Landwirtin in dieser Situation doch wohl ziemlich lebensfremd. Und das ist nur eins der Beispiele dafür, dass auch Theresa in eine ziemliche Achterbahn der Gefühle geworfen wird: für wen soll sie sich entscheiden - Ehemann Basti oder Stefan, Land oder Stadt, Anpassung an die Realität oder Aufstand dagegen?


    So holzschnittartig, wie diese Grundkonstellation klingt, verlaufen leider oft auch die "Dialoge" von Stefan und Theresa. Anfangs treten sich beide oft sehr aggressiv gegenüber, später kommen sie wenigstens vernünftig in Gespräche darüber, dass sie sich eben nicht einig sind. Schlimm sind die Passagen, in denen die Romantik ins Spiel kommt, egal auf welcher Ebene: Gibt es wirklich Menschen mit Mitte-Ende 40, die noch glauben, die Welt wäre in der Grundanlage gerecht und könnte verbessert werden, wenn man sich nur genug Mühe gibt?


    Die Grundidee hinter dem Roman hat sicher Potential, aber bei der Ausarbeitung scheint mal zuviel gewollt zu haben. Vieles, was die ProtagonistInnen miteinander diskutieren, sind nämlich wirklich gute Ansätze, aber diese werden dann nicht weiter ausgeführt, weil schon das nächste wichtige Thema verhandelt werden muss. Ich kann natürlich nicht wissen, ob die Figuren so überzeichnet sein sollten, aber wenn man in einem Roman darauf setzt, dass bedingt durch die Struktur der Fokus auf der Gefühlswelt der ProtagonistInnen liegt, wären mir realistischere Figuren einfach lieber gewesen.


    2ratten