Rafik Schami - Sophia oder Der Anfang aller Geschichten

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  • Rafik Schami - Sophia oder Der Anfang aller Geschichten


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    Gebundene Ausgabe: 480 Seiten

    Verlag: Carl Hanser (24. August 2015)

    ISBN-13: 978-3446249417

    Preis: 27,00 €

    auch als Taschenbuch, als E-Book und als Hörbuch erhältlich


    Ein gelungener Blick nach Syrien


    Inhalt:

    Als junger Mann war Karim unsterblich in Sophia verliebt, doch die entschied sich für eine Vernunftehe. Trotzdem rettete sie Karim später einmal das Leben, als er von der Geheimpolizei verfolgt wurde. Nun wird Sophias Sohn Salman, der mit seiner Frau Stella und seinem Sohn Paolo in Rom lebt, während eines Besuchs in Syrien wie aus heiterem Himmel des Mordes an einer Frau beschuldigt. Jetzt ist es Salman, der auf die Hilfe Karims angewiesen ist, um unbeschadet das Land wieder verlassen zu können …


    Meine Meinung:

    Es gelingt Rafik Schami mit diesem Roman sehr gut, die Leserschaft in das alltägliche Leben in Syrien einzuführen. Alltägliches Leben heißt zum einen wunderbare Gastfreundschaft, zum anderen aber auch ständige Angst vor Bespitzelung, Korruption und Misstrauen gegen Andersgläubige. Aus der Sicht des seit vierzig Jahren außer Landes lebenden Salman wirken viele Strukturen veraltet und gefährlich. Genau so nimmt sie auch die westliche Leserschaft wahr. Das ist sehr gut gemacht und lässt die Lesenden direkt am Geschehen teilhaben.


    Was mir nicht so gefiel, war die große Anzahl an Personen, die zum Teil keine tragende Funktion hatten, aber viel zu meiner Verwirrung beitrugen. Auch das Hin- und Herspringen zwischen Karims und Salmans Perspektive zu verschiedenen Zeiten kostete mich einiges an Geduld. Hier hätte ich mir eine klarere Struktur gewünscht.


    Alles in Allem ist „Sophia“ aber ein wichtiger und lesenswerter Roman.


    ★★★★☆

  • (Anmerkung: Vor einigen Jahren gelesen.... )



    Eine Hommage an die (Himmels)macht der Liebe - und von politischer Brisanz!


    "Als Mädchen war Sophia heftig in Karim verliebt, dennoch heiratete sie einen reichen Goldschmied. Als Karim jedoch unschuldig unter Mordverdacht geriet, rettete sie ihm das Leben. Wann immer sie ihn brauche, verspricht er, wird er ihr helfen. In seinem neuen Roman erzählt Rafik Schami von der Macht der Liebe, die nicht nur verjüngt, sondern auch Mut gibt." (Quelle: Verlagstext)



    Der neue Roman des bekannten syrischen Schriftstellers Rafik Schami, der seit mehr als 40 Jahren in Deutschland lebt, dessen Geschichten jedoch oft mit seiner Heimat Syrien in Verbindung stehen und besonders mit seiner Geburtsstadt Damaskus, wurde in einem wunderschön gestalteten, einem orientalischen Kachelmuster gleichenden Hardcover-Umschlag in blau-grünen Farben sowie grünem Lesebändchen vom Hanser Verlag 2015 publiziert.

    Das Buch ist bereits ein optischer "Blickfang", schlägt man die Seiten auf, nimmt der Autor den Leser an der Hand und lässt ihn durch seine Augen Syrien und Damaskus während der letzten 50 Jahre, jedoch noch vor Kriegszeiten (ab 2011, der Roman endet im Jahre 2010), sehen.....



    Meine Meinung:


    Wir lernen in dem Roman, der stilistisch in der dem Autor eigenen orientalisch-arabisch-verschlungenen Erzählweise geschrieben wurde, Karim und Sophia kennen, die Hauptprotagonisten (neben Aida), die sich in jungen Jahren ineinander unsterblich verlieben. Dennoch heiratet Sophia einen reichen Goldschmied und man ist als Leser gehalten, mit voller Konzentration zu lesen, da nun die Handlung in Zeitsprüngen hauptsächlich von den Lebenswegen von Karim, der Sophia einst das Versprechen gab zu helfen, wann immer sie in Not geraten sollte, und Salman, dem einzigen Sohn Sophias, der als als Gewürz- und Lebensmittelhändler nach anderen europäischen Stationen in Rom zu Reichtum und einem vermeintlichen Leben "in Freiheit" gebracht hat, handelt...

    Trotz großer Absicherung, dass seitens der (zahlreichen!) syrischen Geheimdienste nichts (mehr) gegen Salman's Reise an den ersehnten "Ort der Kindheit" in Damaskus vorliegt, wird er von einem Neider aus der eigenen Familie denunziert und muss untertauchen. Der Versuch, außer Landes zu kommen, ist ein gefährliches Unterfangen, doch Salman hat Helfer und - auch das nötige "Bakhschisch"....

    Der Autor lässt die politische (und auch religiöse) Geschichte Syriens unter dem totalitären Assad-Regime vor den Augen des Lesers entstehen, die er zurecht mehr als kritisch sieht ("verschwiegen, brutal und ein Meister der Verschwörungen" - so die Assoziationen zu Assad). Auch die Geschichte des Libanons wird gestreift und vor dem Bürgerkrieg und der völligen Zerstörungen in Syrien durch die Fanatiker des IS waren diese arabischen Länder wohl ebenso schön wie "ein Traum aus 1001 Nacht". Hier empfand ich angesichts der aktuellen Brisanz und der Flüchtlingswellen aus Syrien eine starke Betroffenheit und auch Beklommenheit (zumal ich selbst in einer binationalen Beziehung lebe), die sich auch bis zum Ende des Romans nicht wieder legen sollte.


    Das Buch regt in vielfacher Hinsicht zum Nachdenken über Diktaturen, Geheimdienste, Lebensentwürfe, religiöse Verblendungen und Fanatismus an und Rafik Schami bedauert, dass viele Menschen als Überlebensprinzip die Gleichgültigkeit wählen (wobei ich hier von der syrischen Bevölkerung, die er anführt, auch auf unsere westlichen Gesellschaften schließen würde), aus der niemals eine Veränderung erfolgt...

    Besonders gut gefallen haben mir die zahlreichen "Nebenfiguren", z.B. Amal, die viel Aussagekraft im Gesamtbild der Geschichte um Karim, Sophia, Salman und Aida besitzen. "Freundschaft und Liebe, (so Karim), sind die höchsten Güter, die ein Mensch erlangen kann" (Zitat). Viele solcher wunderbaren und wahren, teils philosophischen Sätze sind in diesem Roman enthalten - es lohnt sich, sie zu finden!

    Die späte, aber sehr tiefe Liebe Karim's zu Aida stellt den sympathischen und authentischen Karim vor einen persönlichen Scheideweg: Seine Tochter Maha, die immer mehr dem religiösen Fanatismus verfällt, muss diesen Weg ohne den Vater weiter gehen: Karim bekennt sich zu seiner Liebe zu Aida, die ihm das Spielen der Oud mit viel Geduld beibringt und ihrerseits aus der klassischen arabischen Frauenrolle erfolgreich ausbricht....


    Fazit:


    Ein ganz eigener, filigran und wie ein Zauberteppich gewebter Sprachstil, voller Offenheit und Emotionalität sowie sprachlicher Tiefe machen diesen Roman zu einem großen Lesegenuss; die Schicksale Karims, Sophias, Aida's und Salman's zu begleiten, setzt anfangs große Konzentration des Lesers voraus: Nach und nach fügen sich die vielen "Webknoten" jedoch zu einem Bild: Der Roman gewährt einen Einblick in die arabische Kultur und syrische Denkweise, die der "Dichter zwischen den Welten" dem Leser offenbart. Auch an interessanten kulturellen Vergleichen spart Rafik Schami nicht und stellt bei allen Konflikten und Auseinandersetzungen die Himmelsmacht und Religion der Liebe mit Recht und Vehemenz ganz obenan!

    Was sich mir als kleines "Manko" aufdrängte, ist die Tatsache, dass fast alle Protagonisten wohlhabend, gebildet und in der Lage sind, ein gutes Leben zu führen und in Notlagen auch Mittel und Wege zu finden, ihr Leben selbst gestalten zu können, es möglicherweise zu verändern; etwa durch die Flucht: Die eher arme syrische Bevölkerung hingegen, die ausharren muss - und nicht die intellektuellen Fähigkeiten aufweist, die zu einer möglichen Ausreise führen könnten, wurden nur etwas am Rande "gestreift": Schade!

    Dennoch ein überaus lesenswerter Roman aus der Feder von Rafik Schami, von dem ich bereits zahlreiche Bücher las. Eine Leseempfehlung und 4 Sterne sowie 92° auf der "Belletristik-Couch" von mir für diesen ansonsten wunderbaren Roman mit viel Tiefgang und arabischer "couleur".


    4ratten

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)