Anita Brookner - Seht mich an

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    Für Frances sieht jeder Tag aus wie der andere: sie geht zu ihrer Arbeit in der medizinischen Bibliothek und kehrt dann wieder in die Wohnung zurück, in der sie nach dem Tod ihrer Mutter mit deren Haushälterin lebt. An den Wochenenden geht sie spazieren oder besucht eine ehemalige Kollegin. Sie ist zufrieden, aber nicht wirklich glücklich.

    Doch dann lernt sie Alix und Nick kennen. Das Paar ist alles, was Frances gerne sein würde: sie sind charmant, selbstbewusst und haben interessante Freunde. Frances kann es kaum glauben, dass sich die Beiden für sie interessieren. Aber das tun sie und ihre Freundschaft eröffnet Frances ein neues, wunderbares Leben.

    Anfangs habe ich mich für Frances gefreut. Hinter ihr steckt viel mehr als die graue Maus, die die Meisten auf den ersten Blick sehen. Aber weil die Menschen ihr nicht mehr als diesen ersten Blick gönnen, trauen sie ihr nicht viel zu und mit der Zeit hat sie diese Meinung übernommen. Dabei wäre sie gerne anders und Alix und Nick bieten ihr die Möglichkeit auf ein anderes Leben.

    Die Freundschaft mit Alix gibt Frances ein bisher unbekanntes Selbstbewusstsein. Auch wenn sie sich im Umgang mit Alix’ Freunden oft noch unsicher fühlt, beginnt sie doch, Dinge zu ändern. Sie fängt an, zu schreiben und lernt einen Mann kennen.

    Trotz aller Freude für Frances habe ich auch gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Nicht nur, dass die neuen Freunde zu oberflächlich schienen für die ernsthafte Frances. Ich hatte den Eindruck, als ob sie eine Art Projekt gerade für Alix war. Es hat ihr gefallen, die arme Waise, wie sie Frances gerne nennt, unter ihre Fittiche zu nehmen. Jetzt, wo sie selbstbewusster wird, gefällt ihr das nicht. Sie ist eifersüchtig auf jeden Erfolg, den Frances hat. Sie braucht keine Freundin, die ihr ebenbürtig ist, sondern eine, die zu ihr aufsieht.

    Dabei will Frances nichts mehr, als dass man sie beachtet, wie Anita Brookner in ihrem Titel eindrücklich sagt. Sie will wahrgenommen werden. Nicht als das Anhängsel von Alix oder die Tochter einer Toten, wie sie ihre Haushälterin immer noch sieht. Aber bei ihrem Wunsch beachtet zu werden, übersieht sie, dass auch andere Menschen genauso wie sie gesehen werden wollen. Es dauert, bis sie das erkennt und ich habe das Gefühl, dass sie es erst danach schafft, sich so zu sehen, wie sie wirklich ist.

    Anita Brookner erzählt Frances’ Geschichte in ruhigem Ton, trotzdem hat mich Seht mich an in seinen Bann gezogen. Die Autorin beschreibt die Charaktere so, dass ich mir sie gut vorstellen und auch verstehen kann. Man hat den Eindruck, als ob nicht viel passiert. Aber wie der erste Blick, den man auf Frances wirft, täuscht dieser Eindruck. Es ist eine vielschichtige Geschichte, für die man sich Zeit nehmen sollte, um alle Facetten zu sehen.

    4ratten


    Liebe Grüße

    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.