Trude Teige - Als Großmutter im Regen tanzte

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    Deutschenmädchen - die unerzählte Geschichte einer starken jungen Norwegerin


    "Als Großmutter im Regen tanzte" von Trude Teige (erschienen 2023 im S. Fischerverlag, Frankfurt/M.; HC, geb., 380 S.) erzählt zum einen die Geschichte von Tekla, einer jungen Norwegerin, die sich in den deutschen Soldaten Otto verliebt und ihm nach Deutschland folgt; von ihrer Tochter Lilla und als zweite Hauptfigur neben Tekla von ihrer Enkelin Juni, die sich 60 Jahre später ins Haus der Großeltern begibt, um dort vor ihrem gewalttätigen Mann eine Auszeit zu finden, um in Ruhe zu überlegen, wie sie sich ihr weiteres Leben vorstellt.


    Norwegen, Ende des 2. Weltkrieges:


    Zum Entsetzen der Familie verliebt sich die junge Tekla in Otto, der ein wahrer "Pferdeflüsterer" ist und ihrem Pferd gut zuzureden vermag; obwohl ihr verboten ist, weiteren Kontakt mit ihm zu haben ("Deutschenhure"), treffen sich die beiden heimlich und Tekla kann nicht von dem schmucken jungen Deutschen lassen. Beide heiraten und Tekla beschließt, mit ihm in seine deutsche Heimatstadt Demmin zu reisen; trotz aller Warnungen, dass in Deutschland kein Stein mehr auf dem anderen stehen soll. Eine schwierige Reise, die über ein Lager führt, in dem beide eine ganze Weile ausharren müssen, beginnt und Otto beschreibt Tekla das Haus seiner Eltern so gut, dass sie sich alles bildhaft vorstellen kann (ein Gut mit Stallungen, einem schönen und großen Gutshaus, Stallungen (beide wollen mit den Pferden ausreiten und Otto ihr die schöne Umgebung zeigen, sobald sie angekommen sind); eine Mamsell und viele Diener, die alle "Heinz" heißen, da sich der Vater von Otto ihre Namen nie merken kann.... Nach einer zermürbenden Reise, in der Tekla auch viele Gesichter sieht, die an Verzweiflung und Kümmernissen den Krieg widerspiegeln, gibt ihr dieses Bild des Gutshauses Hoffnung und Kraft: Bis beide - nun getrennt von dem befreundeten deutsch-norwegischen Paar Sonja und Stephan, die in Hannover eine Bleibe finden wollen - in Demmin ankommen und Tekla erkennt, dass sie nichts bereuen darf, da sie dann schwach wird: Sie muss stark sein. Auch für Otto, der sich angesichts der russischen Soldaten, die nun das elterliche Gut bewohnen, gedemütigt fühlt - wie lange wird er diese für ihn unerträgliche Situation noch aushalten können? Beide beschließen, im Frühling Richtung Westen aufzubrechen, da sie für sich keine Zukunft mehr im Bleiben sehen.....


    60 Jahre später:


    Juni, Enkelin von Tekla, flieht während eines Segeltörns vor ihrem immer gewalttätigeren, trinkenden Ehemanns auf die kleine Insel, auf der einst die Großeltern (Tekla und Konrad) lebten und auf der sie gerne als Kind gewesen ist, wenn sie mit Lilla, ihrer Mutter, zu Besuch war: Sie braucht Ruhe und eine Auszeit, um eine Entscheidung treffen zu können, wie ihr Leben fortan verlaufen sollte und trifft Georg, der ebenso wie sie nach einer zermürbenden Scheidung eine Auszeit benötigt und das Haus seines Onkels instandsetzen will: Auch seine Doktorarbeit will der Historiker auf der Insel schreiben, als die beiden sich anfreunden, nachdem Jahn, der Ehemann Junis, plötzlich auftaucht....


    Juni beginnt Georg ihre Familiengeschichte zu erzählen; dass sie als Kind nie verstanden hat, weshalb sich Lilla, ihre Mutter stets mit Tekla stritt - und schließlich in die Stadt zog, sich mehr und mehr von den Eltern entfremdete: Juni liebte ihre Großmutter sehr; sie war eine energiegeladene und immer bunt angezogene Frau, die es liebte, im Garten im Regen zu tanzen ("Regen ist der Applaus des Lebens"). Eines Tages findet sie ein Bild von Tekla und einem deutschen Soldaten: Wer ist dieser Mann, der ihre Großmutter verliebt anlächelt? Um dies herauszufinden, beschließt Juni gemeinsam mit Georg, die Reise nach Deutschland anzutreten, die ihre Großmutter ganz kurz nach dem Krieg unternommen hat.


    Der bildhafte Erzählstil von Trude Teige lässt den Leser zweifach in die Geschichte der Liebe eines norwegischen Mädchens zu einem deutschen Soldaten - und dem Nachzeichnen dieser Reise durch ihre Enkelin Juni auf sehr emotionale, oftmals sehr bewegende und auch schmerzhafte Weise eintauchen: Es handelt sich um ein Stück Zeitgeschichte, die bisher unerzählt blieb und auch wenn die Romanfiguren fiktiv sind, so glaube ich mit Sicherheit, dass es authentische Geschichten dazu gibt und gegeben hat: Ebenso wie in Frankreich war es für Mädchen und Frauen eine Schande (Verrat), sich mit einem "Feind", einem deutschen Soldaten einzulassen: Oft wurde diesen Frauen die Haare geschoren (als Symbol für den Verrat und die Schande, die sie über sich selbst und ihre Familien brachten) und sie wurden in Frankreich auch durch die Städte gefahren, wo sie bespuckt und beschimpft wurden. Ebenso wie Tekla mag es einigen jungen Norwegerinnen ergangen sein, dass sie selbst in Kriegszeiten den Menschen in der Uniform sahen - und sich verliebten (Die Liebe macht bekanntlich vor nichts Halt, auch nicht im Krieg). Es zeugt von viel Mut, sich zu dieser Liebe zu stellen - und die betreffenden Frauen konnten weder mit Verständnis noch mit Unterstützung rechnen, wie im Falle von Tekla geschehen: Die Familie ließ sie offensichtlich fallen, was erst viel später geklärt werden konnte.


    Tekla malte in ihrem Atelier meist farbenfrohe Bilder - und Juni fällt erst nach deren Tod auf, dass dort auch einige Bilder Teklas stehen, die eher düster und grau sind; brennende Häuser sind auch auf einem Bild zu sehen: Was hat die Großmutter auf ihrem Weg nach Demmin erlebt? Warum hat sie sich fast immer mit Lilla, ihrer Tochter, gestritten? Was führte dazu, dass sich nicht nur Tekla und Lilla, sondern auch Lilla und Juni mehr und mehr fremd wurden? Weshalb blieben Fragen offen, die hätten beantwortet werden können?


    All' dies fragt man sich beim Lesen und versucht zu verstehen, nachzuempfinden, weshalb zuweilen großes "Schweigen" einsetzt, das von Traumatas stammt, die nie aufgearbeitet wurden: Genau diese Thematik behandelt dieser sehr einfühlsame und wundervoll geschriebene Roman, dessen "Heldinnen" (und Helden: Der Großvater war mir absolut symphatisch, ebenso wie Alfred, der Nachbar Junis, der Tekla und Konrad gut kannte - Junis Großeltern) man auf ihren jeweiligen Lebenswegen nachspürt: Ein literarisches Stück Zeitgeschichte, das so gut wie unerzählt blieb bisher, das von einer jungen Norwegerin und deren NachfahrInnen handelt, die zwar fiktiv sind, jedoch inspiriert von sehr realer Kriegs- und Nachkriegsgeschichte des 2. Weltkriegs, in dem Nazideutschland auch Norwegen besetzte. Wem in diesem Zusammenhang die Geschichte Demmins unbekannt ist, sollte unbedingt googlen: Auch hier wurde lange geschwiegen, bis zum Fall der Mauer 1989, was mich bis heute entsetzt ist hierbei die Tatsache, wie sich Geschichte oft wiederholt oder es auch Parallelen gibt (z.B. mussten sich auch die letzten 110.000 Deutschen, die aus Königsberg in die DDR "umgesiedelt" wurden, in Schweigen hüllen, die Vergangenheit ihrer einstigen Heimatstadt betreffend).


    Fazit:


    Eine Geschichte über die heilende Kraft der Liebe in dunklen Zeiten, die es absolut lohnt, sie zu lesen: Ich empfehle sie auf jeden Fall weiter und danke der Autorin dafür, dass sie ein Stück unerzählte Zeitgeschichte aus dem Dunkel hervorholte; norwegischen (und anderen) Frauen damit eine Stimme gibt. Auch wenn die Zeichen heute wiederum auf "Sturm" stehen, so sollte die Zeit des Schweigens - und der Traumata - durchbrochen werden! Absolute Leseempfehlung und 5*


    5ratten

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

    Einmal editiert, zuletzt von Sagota ()

  • Ich komme aus einer total kaputten Familie und habe zu meinem Leidwesen erst sehr spät erfahren, dass meine Oma väterlicherseits nach dem Krieg mit meinem Opa von Norwegen nach Deutschland kam. Sie blieben in der DDR und sie hat nie wieder die Möglichkeit gehabt, nach Hause - Stavanger - zu reisen.

    Der Mann hat ihr auch kein Glück gebracht. Sie hat vier Kinder geboren, einen Haufen Arbeit gehabt und war mit meinem Opa als Alkoholiker geschlagen. Die Kinder sind auch nicht das Wahre vom Ei.

    Leider starb meine Oma, ohne dass ich als Erwachsene die Gelegenheit zu einem Gespräch hatte. Das letzte Mal sah ich sie als kleines Kind.

    Denn ich, ohne Bücher, bin nicht ich. - Christa Wolf


    2022 - 64

    2023 - 91


    Gesamt seit März 2007: 1012

  • o liebe Anne; das ist wirklich sehr traurig.... für Deine Großmutter - und natürlich auch für Dich: Fühl' Dich mal dolle gedrückt, wenn Du magst :trost:


    Das würde bei mir auch Trauer auslösen.... bei mir ist der Hintergrund, dieses Buch lesen zu wollen, jener, dass mein Vater (seines Zeichens Monarchist und mit den Nazis GsD nie was am Hut, im Gegenteil) dennoch relativ spät eingezogen wurde - und in Norwegen stationiert war. Da die Kriegsgeneration ja gemeinhin schwieg, weiß ich sehr wenig darüber, was er dort erlebte (aber dadurch kam ich in die frühere DDR, wo in Torgau sein Freund aus jener Zeit wohnte, den wir besuchten; er war als einziger in der Lage, einen 4-Spänner auch auf sehr schwierigen Wegen zu halten....


    Ich weiß von meinem Vater, (der bei seiner Hochzeit mit meiner Mutter bereits 39 Jahre alt war; 1951), dass er sich damals sagte, er wollte nicht vor dem Krieg heiraten - da er nicht wusste, ob er zurückkommen würde (was ich als sehr verantwortungsvoll sah). Ich habe ja einen altnordischen Namen und denke immer öfter, dass dies mit seiner Zeit in Norwegen zu tun haben könnte. Ich meine, er habe sich dort auch in ein norwegisches Mädchen verliebt. Genaues weiß ich aber nicht (vermute, er war eher schüchtern). Vom Wehramt in Berlin habe ich einige Daten (aber leider nicht viel) herausbekommen und weiß bis heute nicht, wo genau er stationiert war. Wohl aber, dass er in Finnland in einem Lazarett gewesen ist (er hatte am Unterarm eine Verletzung durch eine Granate erlitten, die ihn aber nicht daran hinderte, auch nach dem Krieg seinen erlernten Beruf weiter auszuüben - Gärtnermeister..... Ich glaube, er war auch in Torgau als Gärtner in einem Gefängnis beschäftigt, wo er sich um das Gemüse zu kümmern hatte.


    Das Üble für Deine Großmutter war sicher, dass diesen Frauen die norwegische Staatsbürgerschaft abgenommen wurde, dadurch konnten sie nicht ohne Weiteres wieder zurückgehen, so steckte auch Tekla, die Romanfigur, lange in Berlin fest - das wirklich nur noch aus Ruinen bestand und viele Menschen ja noch nach dem Krieg und den Bomben an Hunger starben... (Winter 1946). Manches (Erwähnenswerte) habe ich in diesem Roman nicht in die Rezi gepackt (die ohnehin etwas lang wurde), aber so froh ich noch heute darüber bin, dass mein Vater kein Nazi-Anhänger war, so sehr schäme ich mich (was auch totgeschwiegen wurde, wenn der andere Cousin meiner Mutter aus München zu Besuch war), dass der Bruder dieses Cousins KZ-Aufseher (Durchgangslager Neue Bremm - Früher eine höllische Adresse! wie der Buchtitel lautet, das ich aus der Bibliothek auslieh) war und durch seine Brutalität auch einen Spitznamen hatte, den ich in einem anderen Buch herausfand: Das Schweigen war auch in meiner Kindheit immer latent vorhanden (und ich habe vieles gefragt, auch über dieses Lager, das auf meinem Schulweg lag, heute Gedenkstätte). Antworten bekam ich meist keine....

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • P.S. Der Cousin (Bruder des Lieblingscousins meiner Mutter) wurde übrigens hingerichtet; meine Lieblingstante sollte (beauftragt von der Mutter des Betreffenden) über die Dörfer ziehen und Unterschriften sammeln, dass er doch "ein Guter war" - mit Steinen habe man nach ihr geworfen und sie hat das abgebrochen, hat sie mir ca. 50 Jahre später mal erzählt.

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Liebe Sagota , vielen lieben Dank für das ausführliche Erzählen. Ich hab mal nach der Autorin geschaut, sie stammt ja aus Norwegen. Und hat wohl auch sehr gut recherchiert.

    Deine Buchvorstellung habe ich mir noch ein zweites Mal durchgelesen. Ja, die Geschichte steht wohl für viele Frauen in der Nachkriegszeit.


    Auf Amazon habe ich ein Grußwort von ihr gefunden: "...Ich habe Aufzeichnungen dieser “Deutschenmädchen” studiert und eine von ihnen auch persönlich getroffen. Für die Recherche zum Roman reiste ich auch nach Berlin. Und nach Demmin in Mecklenburg-Vorpommern, um mehr zu erfahren über die Tragödie, die sich dort im Mai 1945 abspielte, als die Russen nach Westen vorrückten. Nicht minder aufsehenerregend als die Geschichte selbst scheint mir, wie unbekannt sie selbst für die meisten Deutschen lange war.”


    Die Fett-Markierung ist von mir. Das kann ich mir vorstellen. Viele Frauen mochten und konnten nicht darüber reden.


    Ich habe mir das Buch bestellt und hoffe, damit ein bisschen meiner Oma näherzukommen.

    Denn ich, ohne Bücher, bin nicht ich. - Christa Wolf


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  • Das wirst Du sicherlich, liebe Anne - der Roman ist auch wunderschön geschrieben und nicht nur traurig. Den Großvater habe ich kaum beleuchtet, den mochte ich sehr (Ehemann von Tekla namens Konrad, Du wirst ihm und seinen unglaublich schönen Weisheiten begegnen). Es spricht auch immer wieder Menschlichkeit aus dem Buch in Form von Personen, die Tekla in großer Not sehr beigestanden und geholfen haben (zuviel wollte ich nicht verraten in der Rezi).


    Und ja, Dein Eindruck ist richtig: Es wurde sehr gut recherchiert und auch ich weiß erst seit einigen Jahren von dem Massensuizid in Demmin. Vermutlich werden auch jetzt in Kriegsgebieten wieder Frauen vergewaltigt, es ist kaum auszuhalten und eine Schande, dass sich dies immer und immer wiederholt. Trude Teige schreibt sehr atmosphärisch; auch das komplett zerstörte Berlin und das Elend der Bevölkerung zwischen diesen Ruinen wurde sehr bildhaft dargestellt; aber eben auch die menschliche Solidarität - wenn es ums nackte Überleben geht.


    Ich kannte bereits die Autorin von einer Krimireihe aus Norwegen, die mir ebenfalls gut gefällt und die ich noch weiterlesen will (natürlich eine Ermittlerin namens Kaysa ...)


    Es gibt noch einige wenige andere Bücher, die ich über dieses Thema gelesen habe (einmal ging es um einen jungen Mann, der es schaffte, seine jüdische Identität zu überspielen, indem er in Norwegen in eine deutsche Wehrmachtsuniform schlüpfte - er hat überlebt - auch nach einem Tatsachenbericht bzw. wahren Hintergrund.


    Ich glaube, es war dieses hier (von Mutter und Tochter)

    Randi Crott/Lilian Crott Berthung - Erzähl es niemandem!


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    Falls Du es nicht kennst, kann ich auch sehr empfehlen!

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Vermutlich werden auch jetzt in Kriegsgebieten wieder Frauen vergewaltigt, es ist kaum auszuhalten und eine Schande, dass sich dies immer und immer wiederholt.

    Da reicht ja ein Blick in die Ukraine, gar nicht so weit weg von uns. Und in einer Doku habe ich erfahren, was Frauen und Kinder in den großen Flüchtlingslagern in Afrika erdulden müssen. Das ist ein großes Fass, das wir hier aufmachen würden.


    Ich freue mich jetzt erst mal auf das Buch. Danke für den kleinen Austausch :love:

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  • Das waren auch meine Gedanken.....

    War mir auch eine Freude, mich mit Dir austauschen zu können. Toll, dass Du Dich diesem schmerzbesetzten Thema stellst - und gut, dass es Autorinnen gibt, die gerne unerzählte Geschichten schreiben :winken:


    (und Leserinnen wie Du und ich, die diese lesen wollen ;) )

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Ihr habt mich mit Eurer Konversation hier so neugierig auf das Buch gemacht, das ich es heute auch gekauft habe. Ich mochte die Kajsa-Coren-Krimis von Trude Teige sehr gerne, hatte aber nicht auf dem Schirm, dass sie auch andere Romane schreibt. Und da ich das Thema total interessant finde ("Erzähl es niemandem" habe ich auch ganz fasziniert gelesen) musste ich den Roman einfach haben. ;)


    Von dem Massenselbstmord in Demmin habe ich schonmal in einem wirklich interessanten Buch von Florian Huber gelesen: "Kind, versprich mir, dass du dich erschießt", darin beschäftigt er sich mit der Selbstmordwelle in Zusammenhang mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in ganz Deutschland.


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  • Im Regen tanzen, das hat Junis Großmutter Tekla immer voller Freude getan. Das letzte Mal kurz bevor sie danach aus der Wiese nicht mehr aufgestanden ist. Nachdem nun auch Junis Mutter verstorben ist, macht sie im geerbten Haus eine Entdeckung, die sie bis in den zweiten Weltkrieg zurück forschen lässt. Sollen die Familienverhältnisse etwa ganz anders sein als sie dachte?


    Erzählt wird aus der Sicht von Juni unterbrochen von Sequenzen aus Teklas Leben aus jungen Jahren. Von Anfang an war mir klar, dass ich dieses Buch mag. Der Erzählstil ist sehr angenehm und man fühlt sich irgendwie wohl beim Lesen, obwohl die erzählte Geschichte so gar keine zum Wohlfühlen ist. Das Buch wirkt gut recherchiert. Wie man am Ende im Nachwort erfährt, hat sich die Autorin von einer norwegischen Frau, die sich in einen deutschen Soldaten verliebt hat, inspirieren lassen. Die Geschichte aber ist fiktiv. Bei manchen Szenen braucht man schon starke Nerven, denn die Erlebnisse von Tekla im Krieg sind leider ganz furchtbar. Ich möchte hier aber nicht ins Detail gehen um nichts vorwegzunehmen.


    Ich finde das Buch lebt auch von seiner Spannung, denn es dauert bis das Familiengeheimnis gelüftet wird.

    Ich habe gesehen dass es zumindest von der norwegischen Originalfassung einen zweiten Teil geben soll. Ich weiß zwar nicht, in welcher Form und wovon das Buch dann handeln wird, aber ich bin schon sehr gespannt. Die Autorin hat mich auf jeden Fall überzeugt.


    5ratten

  • Ich finde es wunderbar, Juva , dass wir Dich angesteckt haben.

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  • Sowas nennt sich dann im wahrsten Sinne des Wortes "Multiplikatoren" ^^ im Buchmarketing ;)


    Juva

    Die Kajsa-Coren-Krimis haben mich auch begeistert; die Reihe will ich unbedingt noch zu Ende lesen. (Ich glaube, es fehlen noch zwei). Freut mich auch sehr, dass Dich und marimirl dieses Thema interessiert:

    Ich werde mal versuchen herauszufinden, wie viele Soldaten der Wehrmacht im 2. WK überhaupt in Norwegen stationiert waren; mein Vater war einer davon - der dann in einem finnischen Lazarett gewesen ist (Granatsplitter-Verletzung am linken Unterarm). Es ist schwer, da über einschlägige Behörden GENAUES herauszufinden... (Archiv, Berlin)


    Ich bin rückblickend nicht nur froh, dass er nie nationalsozialistischer Gesinnung war (im Gegenteil), er war Monarchist - aus gutbürgerlichem Hause, wo dies vermutlich auch Tradition war in politischer Hinsicht), sondern auch, dass er trotzdem auch nach dem Krieg seinem Beruf voller Leidenschaft nachgehen konnte und die linke Hand durchaus zum Gärtnern zu gebrauchen war.... Heute in einem newsletter folgendes gelesen:


    Willst Du einen Tag glücklich sein, trinke. Willst du ein Jahr glücklich sein, heirate.

    Willst du ein ganzes Leben glücklich sein, werde Gärtner. :blume: :blume: :blume: die haben ihn wohl auch 'geheilt' in gewisser Weise....

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Ich habe gesehen dass es zumindest von der norwegischen Originalfassung einen zweiten Teil geben soll. Ich weiß zwar nicht, in welcher Form und wovon das Buch dann handeln wird, aber ich bin schon sehr gespannt. Die Autorin hat mich auf jeden Fall überzeugt.

    Ich denke, dass es dieses Buch ist: Morfar pustet med havet


    Das scheint die Geschichte von Konrad zu sein.

  • Da ich auf das Buch doch sehr gespannt war konnte ich es nicht lange ungelesen liegen lassen - zum Glück! Ich finde den Roman toll, nicht nur, weil es spannend ist, Teklas Geschichte zu verfolgen, sondern auch, weil diese zwar gefühlvoll, aber nicht rührselig erzählt wird.


    Die Parallelen in den Biografien der - sehr unterschiedlichen - Frauen der Familie fallen ins Auge, wirken aber nie konstruiert, sondern passen gut in die Geschichte: So kann man in Junis und Georgs Geschichte Tekla und Konrad widergespiegelt sehen, jedenfalls hatte ich direkt den Gedanken, dass hier eine ähnliche Familie entstehen könnte. Auch die Konflikte zwischen Töchtern und Müttern, die sich wiederholen, prägen die gesamte Familie und beim Enthüllen der ganzen Geschichte habe ich es als traurig empfunden, dass Lilla nicht erfahren hat, dass ihre Mutter sie letztendlich schützen wollte, weil sie sie trotz der Umstände ihrer Zeugung so sehr geliebt hat.


    Insgesamt hat mir der Roman ausgesprochen gut gefallen, ich habe ihn heute in einem Rutsch durchgelesen, weil mich die Geschichte nicht losgelassen hat. Vielen Dank für diese tolle Empfehlung!


    5ratten

  • Ich fand es leider nicht ganz so toll, möchte Euch meine Rezension aber trotzdem nicht vorenthalten, zumal ich ihn insgesamt durchaus auch als relevant empfunden habe:


    Was die Vergangenheit birgt


    Einmal von einem der Alptraumszenarien in Deutschland - dem Nationalsozialismus und der unmittelbar darauf folgenden Zeit - aus einer anderen als der deutschen, in diesem Falle der norwegischen Perspektive zu lesen: Das ist schon etwas ganz Besonderes. Zumal das Szenario ein recht außergewöhnliches ist.


    Wie so häufig, spielt die Handlung auf zwei Ebenen: Auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Mann kehrt Juni in das Haus ihrer verstorbenen Großeltern zurück, das sie von ihrer Mutter - auch diese lebt nicht mehr - geerbt hat. Dort hat sich nichts geändert - alles ist so, wie sie es erinnert, was schön und traurig zugleich ist. Sie stöbert in alten Dokumenten und entdeckt, dass ihre Großmutter - damals noch blutjung - offenbar am Ende des Krieges in Deutschland war. Und dass sie offenbar einen deutschen Soldaten - diese hatten ja Norwegen besetzt - näher kannte.


    Juni geht der Sache nach, dringt immer tiefer ein und findet Verbindungen auch zu sich selbst.


    Ein wirklich berührender historischer Roman, bei dem - so mein Eindruck - die dramatischen Geschehnisse in Demmin im Osten Deutschlands nicht ganz im Detail recherchiert wurden - über den dortigen Massensuizid im Mai 1945 habe ich bereits viel gelesen und auch einige Dokumentationen gesehen. Andererseits ist dies ein Roman, in dem alles seine eigene Geschichte haben darf.


    Auch wenn ich manchmal ein bisschen befremdet war, habe ich diesen sehr besonderen Roman doch genossen - wenn man etwas, das viel Qual und Schmerz darstellt, überhaupt genießen kann. Doch die Autorin Trude Teige versteht es, ein gewisses Licht, eine Zuversicht durchscheinen zu lassen - und das bezieht sich nicht nur auf die Großmutter, die im Regen tanzte!


    Eine empfehlenswerte Lektüre für alle, die gern Romane über die jüngere deutsche Geschichte lesen.

    3ratten

  • Juni muss raus aus ihrer unguten Beziehung und flüchtet sich auf die kleine norwegische Insel, auf der das Elternhaus ihrer Mutter steht, um nachzudenken und wieder zu sich zu kommen. Unweigerlich steigen dabei viele Erinnerungen in ihr auf, an ihre Mutter, die immer ein schwieriger Mensch war, an ihre Großmutter Tekla, die bei Wolkenbrüchen nicht ins Haus lief, sondern im Regen tanzte, und an den Großvater, eine ruhige, starke Präsenz.


    Umso überraschter ist Juni, als sie Hinweise darauf findet, dass es in Teklas Leben noch einen anderen Mann gegeben hat, einen Deutschen, von dessen Existenz sie noch nie etwas gehört hat. Und während sie versucht, ihre eigenen Probleme in den Griff zu bekommen, setzt Juni parallel alles daran, mehr über Teklas junge Jahre und die Rolle des deutschen Soldaten auf dem alten Foto herauszufinden.


    Es ist eine schwere, traurige Geschichte, die sie aufdeckt. Nicht, weil Otto und Tekla sich nicht gegenseitig zärtlich zugetan waren, aber weil sie sich in einer Zeit kennenlernten, in der ihre Liebe nicht sein durfte. Deutschenhure wurde Tekla geschimpft, öffentlich gedemütigt und schließlich mit Otto und anderen Paaren in derselben Situation am Ende des Krieges nach Deutschland geschickt. Der Traum, in Ottos Heimat ein glückliches neues Leben anzufangen, ist schnell zerplatzt - bereits bei der Ankunft in einem Land voller Ruinen ist klar, dass es nicht einfach werden wird. Doch was alles wirklich auf sie zukommt, hätte sich Tekla nicht in ihren schlimmsten Träumen ausgemalt.


    Trude Teiges mitreißender Stil und der geschickte Aufbau des Buches mit zwei Zeitebenen nach bewährter "Familiengeheimnis-Manier" lassen die Seiten dieses berührenden Romans nur so dahinfliegen, was in krassem Kontrast zu den heiklen Themen steht, die das Buch anschneidet. Schon Junis Beziehung in der Gegenwart ist von Gewalt überschattet, doch was ihre Großmutter erleben musste, weil sie sich in den "falschen" Mann verliebt hat, ist noch viel härtere Kost. Teklas steinigen Weg schildert das Buch auf unsentimentale und trotzdem einfühlsame Art und spricht dabei auch Aspekte deutscher Geschichte an, die mir selbst bislang unbekannt waren wie den Massenselbstmord der Bürger von Demmin.


    Das Buch setzt Frauen wie Tekla ein sehr schönes Denkmal. Es wird viele wie sie gegeben haben, die heftige Erlebnisse durchlebt und durchlitten haben und später nie wieder darüber sprachen. Geprägt hat es sie, ihr Leben und auch ihre Nachkommen dennoch auf irgendeine Weise, und es ist bewundernswert, was für ein positiver Mensch Tekla geblieben oder geworden ist und dass Juni sie als lebensfrohe und liebevolle Frau in Erinnerung behalten hat.


    Eine Empfehlung!


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Wow, ist hier schon viel über dieses Buch geschrieben worden! Ich bin ganz zufällig vor zwei Wochen bei amazon darüber gestolpert und habe es mir auf den Kindle geladen, letzte Woche habe ich dann auch gleich damit begonnen.


    Ich bin jetzt bei der Hälfte angelangt und kann sagen, dass ich die Geschichte bis jetzt als außergewöhnlich und sehr interessant empfinde. Die Gegenwartsepisode macht in diesem Fall, gegensätzlich zu vielen anderen Büchern mit zwei Zeitebenen, genauso traurig wie die Erzählungen der Vergangenheit. Wenn man dazu noch neueste Umfragen dazu liest, wie ein Drittel der Männer zum Thema Gewalt in der Partnerschaft steht, wundert einen jedoch nichts mehr.


    Mir gefallen besonders die Schilderungen der norwegischen Landschaft, die Bilder die die Autorin von Himmel und Umgebung zeichnet, sind einfach wunderbar. Die Reise in die Vergangenheit ist hart. Man mag sich nicht vorstellen, wie es gewesen sein muss, damals zu leben.

    Oder heute in Kriegs- und Krisengebieten. Da bleibt offenbar wenig Menschlichkeit übrig.


    Um die selbstsüchtigen und hochfliegenden Pläne einzelner zu bedienen, wird auf Befehl gemordet, gefoltert, gequält, blinde Zerstörung ausgeübt. Kein Respekt gegenüber den Menschen, der Umwelt oder lange gewachsenen Strukturen. Ich kann gar nicht sagen, wie sehr mich das anwidert. Von dem Massenselbstmord in Demmin hatte ich noch nie gehört. Es ist aber nicht verwunderlich, dass Menschen zu diesem letzten Mittel gegriffen haben. Besatzer waren unerträglich brutal und grausam und die Perspektive schien aussichtslos. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie viele Menschen auch heute ähnlich empfinden müssen.


    Nun bin ich gespannt zu lesen, wie es weiter geht.

    Früherer Nutzername "Alexa" :)

  • Ich musste während des Lesens auch immer mal an meinen Opa denken, der im Krieg in Norwegen war und nie über seine Erlebnisse geredet hat, sondern nur davon sprach, wie schön die Landschaft war.

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    Leonard Cohen





  • Es ist natürlich schon auf meine Wunschliste gewandert

    Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane

  • Ich musste während des Lesens auch immer mal an meinen Opa denken, der im Krieg in Norwegen war und nie über seine Erlebnisse geredet hat, sondern nur davon sprach, wie schön die Landschaft war.

    Genau so ergeht es mir beim Lesen dieser Themen, meinen Papa betreffend. Ein Foto gibt es (irgendwo in Norwegen aufgenommen), auf dem er vor einem Pferd steht. Gesprochen hat er sehr wenig von dieser Zeit... (die mit Sicherheit auch traumatisch für ihn war).

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)