Tobias Ginsburg - Die Reise ins Reich: Unter Rechtsextremisten, Reichsbürgern und anderen Verschwörungstheoretikern

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    Ich bin zufällig auf das Buch aufmerksam geworden und fand den Ansatz des Autors interessant, sich undercover in der Szene zu bewegen, und letztendlich war es auch genau dieser Aspekt, der mich für das Buch begeistern konnte.


    Da ich schon einiges über Rechtsextremismus und die Reichsbürger gelesen habe (und damit offenbar informierter bin, als es der Autor dem gemeinen Leser zutraut - was ich von seiner diesbezüglichen Einschätzung halten soll weiß ich noch nicht so genau) waren mir viele Informationen nicht neu, aber die Art und Weise, wie sie hier vermittelt werden, besonders dass immer die menschliche Komponente eine Rolle spielt, haben mich ins Thema mitgenommen. Ich konnte nachvollziehen, wie schwer es dem Autor (der selbst Jude ist) gefallen ist, sich die Sprüche von Holocaustleugnern anzuhören, und wie geschockt er auch von anderen Aussagen war, obwohl er ja wusste, worauf er sich bei dieser Recherche einlässt.


    Besonders die Entwicklung seines Alter Ego "Tobias Patera", unter dem er (nach dem Aufbau einer entsprechenden falschen Identität) in verschiedenen Gruppen recherchiert hat und beispielsweise auch an konkreten Plänen beteiligt wurde, die sich gegen unseren Rechtsstaat richten, wird gut geschildet und reflektiert. Am Ende des dritten Teils wirkt der Autor regelrecht erschöpft und scheint erleichtert, den "zusätzlichen" Patera endlich los zu sein.


    Der vierte Teil wurde für die Neuauflage des Buches ergänzt und befasst sich mit der Rolle der Rechtsextremen und Reichsbürger in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, obwohl das ja noch sehr präsent ist war ich trotzdem wieder erschrocken darüber, wie sich viele Menschen verhalten. Nach der Lektüre dieses Buches ist mir mal wieder durch den Kopf gegangen, dass das die wirklichen Parallelgesellschaften sind, die von den Rechtsextremen gerne bei den Ausländern vermutet werden.


    Dem Autor muss man unbedingt zugute halten, dass er sich bereitwillig auf seine Gesprächspartner eingelassen hat, wie absurd deren Ideen auch erscheinen mögen, und er versucht hat, sich ihre Motive erklären zu lassen. Er bleibt auch den abstoßendsten Gestalten gegenüber menschlich, teilweise mitleidig, und das ist eine der großen Stärken dieses Buches: Menschen werden nicht abgestempelt und verurteilt (wie dies ja gerade auf der "Gegenseite" stattfindet), sondern stattdessen der Versuch gemacht, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Dass das oft nur bedingt möglich ist und manche krude Theorie der näheren Prüfung natürlich nicht standhält wird aber auch nicht verschwiegen.


    Mir hat das Buch gut gefallen, wieder mal Stoff zum Nachdenken gegeben und ich werde bestimmt noch das eine oder andere Mal reinblättern.


    5ratten