Alena Schröder - Bei euch ist es immer so unheimlich still

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    Herausgeber ‏ : ‎ dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG; 1. Edition (1. August 2023)

    Sprache ‏ : ‎ Deutsch

    Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 336 Seiten

    ISBN-10 ‏ : ‎ 3423283394

    ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3423283397



    Inhaltsangabe:



    Ildingen, 1950er Jahre. Evelyn Borowski hat alles, was sie sich je erträumt hat: Ein Eigenheim mit Garten, einen fürsorglichen Mann und das lang erwartete Töchterchen Silvia. Trotzdem ist sie nicht glücklich: Sie vermisst ihren Beruf als Ärztin und fühlt sich fremd und allein in dieser süddeutschen Kleinstadt. Betti, Ihre Freundin und Schwägerin, ist unverheiratet und kümmert sich deshalb um die Eltern. Mit losem Mundwerk und rasantem Fahrstil sorgt sie für reichlich Ärger.



    1989, in Berlin liegt Aufbruch in der Luft. Silvia Borowski aber macht einen Schritt zurück. In einem geklauten Polo fährt sie Hals über Kopf Richtung Süden. Neben ihr die erst wenige Wochen alte Tochter Hannah. Was erwartet sie in ihrem Heimatort, aus dem Silvia vor vielen Jahren überstürzt geflohen ist? Ist sie stark genug, sich der Vergangenheit zu stellen?



    Autoreninfo:



    Alena Schröder, geboren 1979, arbeitet als freie Journalistin und Autorin in Berlin. Sie hat Geschichte, Politikwissenschaft und Lateinamerikanistik in Berlin und San Diego studiert und die Henri-Nannen-Schule besucht. Nach einigen Jahren als Redakteurin in der Brigitte-Redaktion arbeitet sie heute frei u.a. für die Brigitte, das SZ-Magazin und Die Zeit. Sie ist Autorin mehrerer Sachbücher sowie fiktionaler Bücher.



    Meine Meinung:



    Titel: Es geht weiter mit den Borowskis...



    Ohne den Hinweis meiner Bibliotheksleiterin wäre mir nie aufgefallen, dass es sich bei dem vorliegenden Buch um eine Art Fortsetzung bzw. Vorgeschichte zu "Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid" handelt. Ich habe lediglich dazu gegriffen, eben weil mir vorher genanntes Buch so gut gefallen hatte.



    Zunächst möchte ich die Covergestaltung loben. Man sieht auf den ersten Blick, dass es sich um ein Buch von Alena Schröder handelt. Der helle Hintergrund in Kombination mit den Vögeln und den Blüten verströmt eine gewisse Leichtigkeit.



    Dieses Mal geht es um Evelyn und ihre Tochter Silvia und wir wechseln zwischen den 50ern im ländlichen Ildingen und 1989 in Berlin und später auch in Ildingen. Ich mag es, dass hier zwei Perspektiven und Zeiten beleuchtet werden, denn das erhöht die Spannung, da meist der Break kommt, wenn es gerade richtig heiß hergeht. Zudem wird hier nochmal sehr klar, was von den Frauen der damaligen Zeit erwartet worden ist und dass man sich am besten Fall an die Rollenbilder der Gesellschaft hält und bloß nicht daraus ausbricht.



    Gut gefallen hat mir hier wieder mal, dass die Autorin den Fokus auf die weiblichen Figuren legt mit all ihren Problemen, Ängsten und Sorgen. Ich konnte mich in beide sehr gut einfühlen, auch wenn ich vielleicht Evelyns harte Art schon sehr anstrengend fand, aber sie ist nun mal eine Frau ihrer Zeit. Ich mochte sehr, dass es gerade bei ihr am Ende eine Entwicklung zum Positiven gibt.



    Der Knaller waren für mich die letzten hundert Seiten, denn was da noch alles aufgedeckt wird, das habe ich so nicht kommen sehen. Nachdem ich das Buch zugeklappt hatte, musste ich erstmal durchatmen.



    Fazit: Ein berührender Familienroman, der mich sehr gut unterhalten hat. Den kann man einfach nur empfehlen.



    Bewertung: 5ratten und :tipp:

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

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    Alena Schröder: Bei euch ist es immer so unheimlich still. Roman, München 2023, dtv Verlagsgesellschaft, ISBN 978-3-423-28339-7, Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 334 Seiten, Format: 13,8 x 3,55 x 21,5 cm, EUR 24,00, Taschenbuch: ISBN 978-3-423-22070-5, EUR 14,00, Kindle: EUR 10,99, auch als Hörbuch lieferbar.


    „Mama will nicht, dass ich ihr helfe“, hatte Silvia erwidert und dabei umständlich einen neuen Faden in ihre Sticknadel gefädelt. „Ich bin zu langsam. Und Mama ist nicht erschöpft, Mama ist traurig. Weil sie keine Ärztin mehr sein kann wegen mir.“ (Seite 159)


    Familiengeheimnisse – von der Nachkriegszeit bis zur Wende


    Geheimnisse gibt es in der Familie Borowski reichlich. Das eine oder andere wurde schon im Roman JUNGE FRAU, AM FENSTER STEHEND, ABENDLICHT, BLAUES KLEID aufgedeckt. Da ging es um Evelyn, die von ihrer Mutter Senta im Stich gelassen und von einer Tante aufgezogen wurde. Jetzt ist Evelyns Tochter Silvia an der Reihe, uns ihre Geheimnisse anzuvertrauen und gleich noch eines aus der Generation ihrer Eltern zu enthüllen.


    Bis wir Leser:innen über die folgenreichen Ereignisse aus der Vergangenheit im Bilde sind, springt die Geschichte kreuz und quer durch die Jahrzehnte – von der Nachkriegszeit bis zu Wende.


    Evelyn bleibt eine Fremde


    Ildingen, eine schwäbische Kleinstadt, in den 1950er-Jahren: Mit falschen Papieren ist die Internistin Evelyn nach dem Krieg nach Ildingen gekommen und hat dort alsbald in die Akademikerfamilie Borowski eingeheiratet. Den Einheimischen passt es natürlich nicht, dass sich ausgerechnet eine „Neigschmeckte“ von weiß-Gott-woher den begehrtesten Junggesellen schnappt, aber niemand traut sich, etwas gegen die einflussreichen Borowskis zu sagen.



    Die Ärztin wünscht sich sehnlichst ein Kind. Wer den ersten Band gelesen hat, fragt sich alarmiert WARUM? Sie ist kein bisschen mütterlicher als ihre eigene Mutter, und sie wird für ihr Kind ihren geliebten Beruf aufgeben müssen. Das ist eine Express-Fahrkarte in die Katastrophe!


    Wie die Mutter, so die Tochter


    1956 kommt Tochter Silvia zur Welt und die Geschichte wiederholt sich in leicht abgewandelter Form: Silvia ist ein kränkliches und schwaches Kind, das nicht essen oder trinken mag, ständig vor sich hin weint und sich vor allem möglichen fürchtet. Evelyn ist frustriert, weil sie als Hausfrau und Mutter keinerlei Erfolgserlebnisse hat. Sie vermisst schmerzlich die Anerkennung, die mit ihrem Beruf verbunden war.


    Das Ende vom Lied: Silvia wächst überwiegend bei den kinderreichen Nachbarn und bei Tante Betti auf und landet nach einem „Vorfall“ in einem Internat. Evelyn atmet auf. Endlich ist dieses Kind weg, und sie kann wieder im Krankenhaus arbeiten!


    Silvia wird „wegorganisiert“


    70er-Jahre: In den Ferien kommt Silvia zwar heim, aber da wird sie flugs zur Tante wegorganisiert.

    doch die Sache geht gründlich schief. Es kommt zu einem weiteren „Vorfall“, den Silvia, 15, nur knapp überlebt und eine ihr nahestehende Person gar nicht.


    Mit 16 packt Silvia Borowski ihre Sachen, verschwindet aus dem Internat und schlägt sich in verschiedenen Ländern mit Aushilfsjobs durch. 17 Jahre lang lässt sie nichts mehr von sich hören.


    Zurück in den Kleinstadtmief


    Berlin 1989: Silvia, inzwischen 33, jobbt sich immer noch durch, lebt in einer Hausbesetzer-WG und hat eine zwei Monate alte Tochter. Der Vater des Kindes ist über alle Berge. Bei der Partnerwahl hat sie noch nie ein glückliches Händchen gehabt! Irgendwann hat sie von allem die Nase voll, klaut einem Freund das Auto und fährt mit Hannah zu ihrer Mutter nach Ildingen.


    Evelyn, seit kurzem im Ruhestand, wirkt ähnlich verwahrlost wie ihr Haus und ihr Garten und ist nicht eben begeistert davon, dass die verlorene Tochter nebst Baby unangekündigt bei ihr auf der Matte steht. Silvia zieht mit ihrer Tochter dennoch in ihr altes Kinderzimmer. Zu dem längst fälligen offenen Gespräch zwischen Mutter und Tochter kommt es allerdings nie.


    Silvia nimmt Kontakt zu ein paar Leuten auf, die sie noch von früher kennt, aber die können ihre Fragen auch nicht beantworten. Zum Beispiel, warum Tante Betti nicht im Familiengrab beigesetzt wurde. Und wo sie stattdessen begraben liegt. Heimlich kramt Silvia in den Papieren ihrer Mutter und fördert recht verstörende Unterlagen zutage. Irgendwann wird Evelyn reden müssen …!


    Familie: lieblos und sprachlos


    Hier sind mehrere Generationen in Lieb- und Sprachlosigkeit aufgewachsen. Dazu kommen dann noch die Kriegsjahre, in denen alle möglichen Ungeheuerlichkeiten vorgefallen sind – und schon hat man ein undurchdringliches Dickicht an Familiengeheimnissen, Lügen und Vertuschungen. Wenn es wichtiger ist, was „die Leut‘“ denken als alles, was Menschen fühlen, wünschen oder sich erträumen, dann sind wir mitten im spießigen Kleinstadtmief, und daraus kann nichts Gutes erwachsen.


    Ich bin ungefähr in Silvias Alter, kenne diese Art von schwäbischem Kleinstadtkosmos und finde, die Autorin hat die Atmosphäre sehr gut getroffen. Wehe, es war jemand ein bisschen anders als die anderen!


    Es muss nicht immer Mord und Totschlag sein. Diese Geschichte bezieht ihre Spannung aus der Frage, wer hier was zu verbergen hat – und warum. Manches, was die Leute da veranstalten, um sich nur ja keine Blöße zu geben, lässt einen fassungslos zurück.


    Schaffen Borowskis die Wende?


    Ich vermute, dass die Autorin Silvias Rückkehr ins schwäbische Ildingen nicht zufällig ins Jahr 1989 gelegt hat. Vielleicht gibt’s nicht nur in Deutschland eine Wende, sondern auch in der Familie Borowski und es gelingt Silvia und Hannah, diese Kette aus Lieblosigkeit und Schweigen zu brechen. Ich würde es ihnen gönnen!


    Die Autorin


    Alena Schröder, geboren 1979, arbeitet als freie Journalistin und Autorin in Berlin. Sie hat Geschichte, Politikwissenschaft und Lateinamerikanistik in Berlin und San Diego studiert und die Henri-Nannen-Schule besucht. Nach einigen Jahren in der ›Brigitte‹-Redaktion arbeitet sie heute frei u.a. als ›Brigitte‹-Kolumnistin. Gemeinsam mit Till Raether spricht sie in ihrem Podcast »sexy und bodenständig« über das Schreiben.