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Kurz vor Weihnachten ereignet sich in einem Dorf im französischen Jura ein schreckliches Verbrechen: die Angestellte der kleinen Post wird mit 28 Messerstichen ermordet. Niemand hat etwas bemerkt, obwohl das Gebäude mitten im Ort liegt und sich die Tat kurz vor der Öffnung der Post ereignet hat. Die Menschen im Ort sind sich sicher, dass keiner von ihnen die Tat begangen haben kann. Ein Sündenbock ist deshalb schnell gefunden: der Schauspieler Gérald Thomassin, der erst seit Kurzem in dem Ort wohnt. Aber auch wenn er sich in den Augen der Einwohner mehr als verdächtig verhalten hat, finden sich keine Beweise für seine Schuld. Erst Jahre später wird ihm doch noch der Prozess gemacht.
Die Journalistin Florence Aubenas hat über sechs Jahre lang recherchiert, um dem Verbrechen auf die Spur zu kommen. Sie beginnt ihre Geschichte am Ende: an dem Tag, an dem Thomassin nicht zum Prozess erscheint. Das ist für den Schauspieler ein typisches Verhalten, denn mehr als einmal wird er als unzuverlässig dargestellt. Sein erstes Erscheinen im Dorf zeigt noch einen anderen Mann. Thomassin hat gerade keine Arbeit und sucht sich das Dorf als Bleibe zwischen zwei Aufträgen heraus. Warum er ausgerechnet dorthin geht, wirkt auf mich wie aus einer Laune heraus. Im Ort gefällt er sich als skurriler Charakter, der es nicht nötig hat, Freunde zu finden oder sich an Regeln zu halten. Er spinnt Geschichten um seine Vergangenheit, jede davon noch unwahrscheinlicher als die vorangegangene. Die wenigen Menschen, mit denen er regelmäßig Umgang hat, gehören selbst zu den Außenseitern im Ort. Jeder dieser Punkte macht ihn nicht unbedingt zum Verdächtigen, aber dadurch, dass ihn niemand näher kannte, konnte sich auch niemand für ihn aussprechen.
Das Leben im Dorf wirkt Anfangs beschaulich, aber je mehr Florence Aubenas erzählt, desto mehr gibt sie über die Bewohner preis. Die scheinbare Harmonie zeigt Risse und je mehr Zeit vergeht, desto ehrlicher wird über die Tote gesprochen. Nicht, dass sie als schlechter Mensch dargestellt wird. Aber die viele Begebenheiten, die aus ihrem Leben erzählt werden, geben auch kleine Hinweise auf mögliche Täter. Ich kann mir gut vorstellen, dass das Zusammensetzen dieser Hinweise für die Autorin ein fast unmögliches Puzzle gewesen sein muss.
Florence Aubenas ergreift keine Partei in ihrem Buch. Sie hält eine gewisse Distanz zu den Menschen und der Tat. Für mich war dieser Abstand stellenweise zu groß, ihre Erzählung wirkte stellenweise unpersönlich. Nicht wirklich langweilig, aber zu ruhig für das, was die Autorin erzählt.
Liebe Grüße
Kirsten