Alexa Hennig von Lange - Vielleicht können wir glücklich sein

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    Titel: Vielleicht können wir glücklich sein
    Autorin: Alexa Hennig von Lange


    Allgemein:

    336 S.; DuMont Verlag, 2024


    Reiheninfo:

    1. Die karierten Mädchen

    2. Zwischen den Sommern

    3. Vielleicht können wir glücklich sein


    Zitat von Verlag

    Inhalt:

    Mitte der Vierzigerjahre rückt die Front immer näher an Deutschland heran. Klara ist inzwischen Mutter von vier kleinen Kindern, während ihr Mann Gustav in Schlesien ums Überleben kämpft. Zwischen Bombennächten, Hunger, Terror und Angst versucht Klara ihren Kindern eine schöne Kindheit zu bereiten – doch die Schuldgefühle, das jüdische Mädchen Tolla weggegeben zu haben, wüten in ihr. Als der Krieg vorbei ist und Europa in Trümmern liegt, muss Klara sich fragen, was sie retten konnte von ihren Träumen und Hoffnungen.

    Über fünfzig Jahre spä Nach dem Tod ihrer Großmutter entdeckt Isabell einen Karton mit Tonbändern, auf die Klara ihre Lebenserinnerungen gesprochen hat. Mit ihrer Tochter auf dem Schoß, lauscht Isabell der vertrauten Stimme und begibt sich auf eine emotionale Zeitreise. Zu spät erkennt sie, wer ihre oft unnahbar wirkende Großmutter wirklich war – und sie fragt Was hätte ich getan, um die zu schützen, die ich liebe?


    Meine Meinung:

    Die nationalsozialistische Diktatur ist nicht einfach so über Deutschland bekommen. Sie ist den Menschen nicht einfach passiert. Deutschland wurde nicht davon überrollt. Im Gegenteil, es waren unsere Großeltern, Urgroßeltern, Vorfahren also, die dazu beigetragen haben. Mit allem was sie getan oder nicht getan haben, wurde die Diktatur ermöglicht und gestützt. Die Menschen waren eben nicht passiv und ja, es war gerade auch im Alltag nicht immer alles so gefährlich und unmöglich etwas zu tun, wie es uns gerne glauben gemacht wurde. Die Schweigekultur nach 1945 hat zu dem dazu beigetragen, das heute jeder fünfte sogar meint, ihre Großeltern seien im Widerstand gewesen (Funfact: Das kann gar nicht stimmen. Und tut es auch nicht.)

    Sich die Diktatur schön zu reden, das ist in Deutschland die neue Superkraft...


    Alexa Hennig von Lange hat über einen sehr privaten Zugang, versucht, sich diesen ganz normalen Menschen zu nähern. Sich der Frage zu stellen, was eigentlich im Alltag dieser Zeit so passiert. Wer stützt wann und wie und warum die bestehenden Zustände. Was passiert mit der eigenen Menschlichkeit? Die Kassetten ihrer eigenen Großmutter waren ein Ausgangspunkt, allerdings hat die Autorin dann schnell gemerkt, das viele Fragen offen blieben. Dinge über die ihre Großmutter auch in der Rückschau nicht gesprochen hat. z.B. über Verbrechen, die eindeutig sichtbar vor ihrer Haustür stattfanden.


    Einerseits ist vieles dabei schonungslos ehrlich. Andererseits sitzt die Autorin dann doch auch diesem Mythos auf, das es ja schon so viele anständige Deutsche gab und alle Figuren die sie in den Fokus setzt sind daher natürlich vor allem irgendwie dagegen und mehr so hineingeraten in diese ganze Sache. Und sowieso eigentlich wirklich gar nicht dafür, nur diese dummen dummen Umstände...

    Klara setzt sich eigentlich kaum mit ihrer eigenen Schuld auseinander, obwohl sie mit Tollas Geschichte und Leben immer wieder konfrontiert ist, will sie die Wahrheit nicht sehen. Fühlt sich gar von der Existenz Susannes, angegriffen, weil diese es wagt Dinge aus zu sprechen und ihr den Spiegel vor zu halten. Der interessante Konflikt wird hier aber meiner Meinung zu gefällig gelöst. Ich finde persönlich, das die Geschichte an den wichtigen Stellen nicht mehr wagt. Nicht mehr in den Blick nimmt, das es eben nicht einfach so passiert ist. Das Passivität eben nicht der Schlüssel dazu war. Sondern aktives Handeln. Dazu muss man keinen aktiven Mord begangen haben. Ja, die Schuldfrage, die Täterfrage ist komplex. Aber meiner Meinung nach kann man sich dem eben nicht entziehen. Klara verschließt sich immer wieder vor der Konfrontation.

    Es ist nicht so, das man sie nicht auch versteht. Sie hat vier kleine Kinder. Ihre Karriere war ihr wichtig , gleichzeitig hat sie schon sehr genau gewusst, wem sie sich da andient. Das wird in der Reihe durchaus deutlich. Ihre Schuld an Tollas Schicksal sorgt für ein Lebenslanges Trauma. Klara hüllt sich in Schweigen bis zum Schluss. Die Entschuldigungen ihres Handelns werden in die nächste Generation übertragen. Schade fand ich, das es eigentlich recht wenig Kapitel in der Jetztzeit gibt, da ich finde, das dieser Konflikt dort auch noch stärker hätte diskutiert werden sollen. Gleichzeitig haben wir eigentlich nicht richtig gelernt, die richtigen Fragen zur richtigen Zeit zu stellen. Ich habe wie Isabelle nicht mehr die Möglichkeit unbequemes anzusprechen. Alles sträubt sich, das Thema überhaupt noch in Familien zu diskutieren, weil viele sich sofort angegriffen fühlen, wenn man nach hakt. Es tut weh, sich Wahrheiten stellen zu müssen, die eindeutig darauf hinweisen: Im Widerstand waren die wenigsten. Kaum jemand hat jüdische Nachbarn gerettet, die Wahrheit ist: Ein ganzes Volk hat davon profitiert. Und indirekt profitieren wir noch immer. Viele Wirtschaftsunternehmen haben ihr Vermögen über Zwangsarbeit erhalten. Zuufällig tauchen in den meisten Firmenhistorien die Jahre zwischen 1933 und 1945 gar nicht erst auf...


    Opa war kein Nazi?? In Deutschland (und Österreich) eher unwahrscheinlich. Und dieser Wahrheit müssen wir ins Gesicht blicken. Heute mehr denn je.


    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus: