Alexej Nawalny - Patriot

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    Patriot von Alexej Nawalny


    Das wird jetzt persönlich und lang. Ihr seid gewarnt.


    Vor etwa sieben Jahren installierte ich Telegram auf meinem Handy. Recht schnell entdeckte ich die Kanäle, die meisten auf Russisch. Dort tauchte oft der Name Alexej Nawalny auf, nicht selten in Verbindung mit irgendwelchen Protestdemos und Wahlkampf. Der will Präsident werden? Na, dann hole ich schon einmal das Popcorn.

    Bald schon verfolgte ich fast alle seine Aktionen, scrollte ständig durch die Live-Ticker, wenn in Russland mal wieder Menschen auf die Straße gingen, um gegen Putin und die allgegenwärtige Korruption zu demonstrieren. Selbst auf einer Familienfeier saß ich in der Ecke und las mich mal staunend, mal entsetzt durch alle Beiträge. Irgendwann landete ich dann auf YouTube, wo Nawalny jeden Donnerstag streamte. Ich sah mir die meisten seiner Enthüllungsvideos an, folgte ihm auf Instagram und Twitter, machte mir Sorgen, wenn er mal wieder verhaftet oder angegriffen wurde.

    Als 2020 die Nachricht vom Giftanschlag kam, kostete diese mich tatsächlich den Schlaf.

    Am 16.02.2024 war ich erschüttert, als hätte ich einen engen Freund oder ein Familienmitglied verloren. Bis heute kann ich mir kaum alte Videos mit Nawalny ansehen. Ich habe ein Gedicht über ihn in meinem Büro hängen, ich habe es auswendig gelernt. Ich habe eine Kurzgeschichte über den den Tod der Hoffnung geschrieben (und ich habe noch niemals zuvor etwas Persönliches in einem Text verarbeitet).

    Diese Lebendigkeit, der Mut, die uns für immer genommen wurden, ist nicht zu ertragen.


    Als die Autobiografie angekündigt wurde, war klar, die würde ich kaufen. Aber auch lesen? Höchstens heulend und schniefend.

    Das Gegenteil war der Fall.


    Alexej Nawalny begann mit dem Schreiben seiner Autobiografie während seines Aufenthalts in der Charité, wo er sich von den Folgen der Vergiftung mit dem militärischen Kampfstoff Nowitschok erholte. Einige Kapitel schrieb er später im Gefängnis. Der Rest sind Tagebucheinträge, der letzte ist vom 2. September 2022. Danach hatte er nicht mehr viele Möglichkeiten zum Schreiben, man nahm ihm die Schreibuntensilien weg, isolierte ihn nach und nach von seinen Anwälten, er kam immer wieder in Einzelhaft und wurde in eines der härtesten Gefängnisse Russlands im hohen Norden verlegt, wo man ihn schließlich ermordete.


    Das Buch beginnt mit dem wohl dramatischsten Ereignis seines Lebens, dem Giftanschlag. Danach folgen Kapitel über Kindheit und Arbeit. Alles, den Anschlag eingeschlossen, beschreibt er mit Augenzwinkern und Heiterkeit. Ich musste oft lachen beim Lesen. In jedem Satz ist der Nawalny zu erkennen, den man in den Jahren zuvor erleben konnte: humorvoll, unverwüstlich, mit sehr spitzer Zunge und voller Hoffnung auf das wunderbare und glückliche Russland der Zukunft.

    Die Tagebucheinträge lesen sich schon etwas schwieriger. Man merkt, dass er mit der Situation zu kämpfen hatte, doch er versuchte auch hier, stets in allem das Gute zu sehen, sich an Kleinigkeiten zu erfreuen.


    Wäre Alexej Nawalny nicht Anwalt und Politiker geworden, er wäre ein großartiger Autor geworden. Der Schreibstil seines Buches beweist das.


    Original vs. dt. Übersetzung


    Ich habe die deutsche Übersetzung nur oberflächlich durchgesehen. Gleich die erste Stelle, die ich spontan aufschlug, enthielt einen Fehler.


    Zitat

    Seite 219


    Über Telegram erhielt ich die Einladung, der Sitzung beizuwohnen [...]

    Äh, hier haben die Übersetzer:innen wohl den Messenger gemeint. Die beschriebene Szene spielt 2007, der Messenger wurde erst 2013 entwickelt. Ich verglich also mit dem Original und dort steht sinngemäß: "Die Einladung kam per Telegramm". Gemeint ist eindeutig eine telegrafisch übermittelte Information. (Das Telegramm an dieser Stelle ist besonders absurd, denn Absender und Empfänger befanden sich im selben Büro.)

    Im Original wird ein paar Absätze später die Rede aufgeführt, die Nawalny vor seinen Parteikollegen bei Jabloko (russ. für Apfel) hält. In der deutschen Übersetzung fehlt die Rede.


    Der Vorteil der dt. Übersetzung sind aber eindeutig die Instagram-Beiträge. Über seine Anwälte kommunizierte er mit seinen Anhängern über Instagram. Es ist ein Jammer, dass diese Beiträge im Original fehlen. Meine Vermutung ist, dass Personen, die das Original kaufen, sowieso bereits alle seine Social-Media-Texte kennen, daher hat entweder der Verlag oder die Familie entschieden, auf diesen Teil im Buch zu verzichten. Diese Beiträge gewähren einem aber einen noch tieferen Einblick in den Menschen und Politiker Alexej Nawalny, beleuchten sein Leben im Gefängnis, ohne sie ist diese Autobiografie einfach nicht vollständig, wirkt sogar etwas sprunghaft. Hoffentlich wird das in der nächsten Auflage korrigiert.


    Wer etwas über Russland der vergangenen Jahrzehnte erfahren möchte, der ist mit diesem Buch gut beraten. Und für Menschen, die sich für die Person Nawalny interessieren, ist es ein Muss.


    :tipp:


    ***

    Aeria