Madeleine L'Engle - Durch Zeit und Raum

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    Zu Thanksgiving freuen sich die Murrys auf ein großes Familienfest, zu dem alle mal wieder an einem großen Tisch vereint sind. Meg erwartet ihr erstes Kind und die Zwillinge von der Uni angereist. Doch noch bevor das Festmahl aufgetischt wird, bringt ein Anruf alles aus dem Gleichgewicht. Am Apparat ist der Präsident höchstpersönlich, und er hat sehr alarmierende Neuigkeiten: der südamerikanische Diktator "Mad Dog" Branzillo steht kurz davor, einen Atomkrieg auszulösen und es ist gut möglich, dass nicht mehr als 24 Stunden bleiben, bis verheerende Zerstörung über die Welt hereinzubrechen droht..


    Es gibt aber noch eine Chance: Charles Wallace, der mit besonderen Begabungen ausgestattete Jüngste der Familie, soll zum Retter werden. Er sieht dieser Aufgabe einigermaßen verzweifelt entgegen, bis er an seinem Lieblingsplatz im weitläufigen Garten auf einen ungewöhnlichen Verbündeten trifft. Das Einhorn Gaudior wird sein Gefährte und Beschützer auf dieser wichtigen Reise, die die beiden buchstäblich durch Zeit und Raum führt. Charles lernt Menschen aus verschiedenen Epochen kennen, erlebt die Welt aus ihrer Perspektive und erkennt den roten Faden, der sie alle verbindet und schließlich einen Ausweg aus der furchtbaren Krise bedeuten könnte.


    Was ich schon an den ersten beiden Büchern des "Time Quintet" mochte, sind die knapp gehaltenen, aber doch wunderschönen Beschreibungen der Natur und des Weltalls, aus denen Staunen und Bewunderung über die Schöpfung bzw. den Kosmos spricht. Der schmächtige, etwas nerdige Charles als Held ist zwar ein ziemlich typischer Vertreter seiner Zunft, aber nichtsdestotrotz sympathisch. Er ist kein Supermann, der vor nichts Angst hat und für alles eine Lösung weiß, auch wenn sich dann doch vieles zum Guten fügt. Aber das verdankt er auch seinen Mitstreitern, allen voran dem Einhorn und seiner Schwester Meg, die ihm durchs "Kythen", ihre besondere Art der gedanklichen Verbindung, Kraft und Mut gibt und sein Anker in der Gegenwart bleibt.


    Wie viel Kinder und Jugendliche heute mit dem Buch anfangen können, fällt mir allerdings etwas schwer zu beurteilen. Die Thematik ist bedrückend, die Angst vor dem Atomkrieg war zur Entstehungszeit des Buches in den späten 70er Jahren sicher noch stärker in den Köpfen der Menschen als heute und ein ziemlich schweres Thema für ein Kinder-/Jugendbuch, wobei die Fronten zwischen Gut und Böse ziemlich klar sind und die Weltordnung einfach zu begreifen ist.


    Die Zusammenhänge der Reisen durch Zeit und Raum sind komplex, nicht zuletzt wegen der (beabsichtigten) Namensähnlichkeiten, und die Ausflüge in die Vergangenheit sind vermutlich schwer einzuordnen, wenn man wenig bis nichts über die Hexenjagden wie in Salem, den US-Bürgerkrieg oder den Umgang der Siedler mit den indigenen Völkern weiß. Der Übersetzung von Wolf Harranth merkt man überdies ihr Alter an. Ich fand den Nostalgiefaktor nett und habe mich über einige Wörter gefreut oder amüsiert, die ich seit Jahr(zehnt)en nicht mehr gehört hatte, aber ich vermute, dass die heutige junge Leserschaft eher weniger anspricht.


    Ich selbst fand das Buch stringenter erzählt als den zweiten Teil und mochte die Parallelen zwischen den Zeitebenen. Das eine oder andere fügt sich vielleicht ein bisschen zu gut, aber es war auch nicht unpassend im Gesamtkontext. Schade fand ich, dass die pfiffige und eigensinnige Meg hier nur eine unterstützende Rolle in dem ganzen Abenteuer einnehmen darf und eher passiv bleibt.


    Alles in allem hat mir das Buch gut gefallen mit seinem leicht mythisch-märchenhaften Ansatz, ein sehr irdisches Problem zu lösen. Da findet man es fast ein wenig schade, dass wir in der realen Welt nicht auf Charles Wallace und sein Einhorn zurückgreifen können.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen