Mark Twain - Der Prinz und der Bettelknabe

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 13.072 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von sandhofer.

  • Hallo!


    Beim Durchstreifen der Bibliothek fand ich heute zufällig das Buch Der Prinz und der Bettelknabe von Mark Twain.
    Eine vielfach verfilmte oder neu aufgelegte Geschichte, aber das Buch von Mark Twain hat mir immer am besten gefallen. Wer kennt sie nicht, die Geschichte vom Prinzen und dem Bettelknaben? :klatschen:


    „Ich möchte eine Geschichte niederschreiben, wie sie mir von jemadenm erzählt wurde, der sie von seinem Vater gehört hat, welcher sie wiederrum von seinem Vater hat, welch letzter sie auf gleiche Weise von seinem Vater erfuhr - und so weiter, zurück und noch ferner zurück, dreihundert Jahre und mehr, immer von Vätern an Söhne weitergegeben und so erhalten. Sie kann Historie sein, sie kann auch nur eine Legende, eine alte Sage sein. Vielleicht hat sie sich zugetragen, vielleicht hat sie sich auch nicht zugetragen: aber sie könnte sich zugetragen haben. Vielleicht haben die Weisen und die Gelehrten diese Geschichte für wahr gehalten: vielleicht haben nur die Ungelehrten und die Schichten sie geliebt und an sie geglaubt.“
    (Mark Twain; Der Prinz und der Bettelknabe)


    Im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts werden die Kinder Tom Canty und Eduard (engl. Edward) Tudor geboren.
    Während Eduard von Anfang an im Luxus schwelgt, ist Tom Mitglied einer armen Familie. Erwartet Eduard eine Zukunft als König von Wales, hat Tom nur ein das Dasein als Lumpenträger zu erwarten.
    Der junge Canty lernt von einem Priester lesen. Durch die Lektüre und seine Träumereien wird er mit seinem Leben im Schmutz unzufrieden.
    Durch Zufall begegenen sich Eduard und Tom eines Tages. Aus dem Wunsch heraus zu wissen wie es sich in den Kleidern des anderen anfühlt tauschen sie diese. Sie betrachten sich im Spiegel und stellen dabei fest wie ähnlich sie sich sehen. Das führt zu einer verhängnisvollen Verwechslung. Eduard wird verjagt und Tom bleibt im Schloss. Die verzweifelten Versuche Cantys die Wahrheit zu erklären, führen nur dazu, dass er für verrückt gehalten wird. Währenddessen muss Eduard mit dem harten Leben im Armenviertel klarkommen.
    Schließlich soll der falsche Prinz sogar zum König gekrönt werden.


    Es handelt sich um ein äußerst kurzweiliges Buch, das seinen Reiz auch bei erneutem Lesen nicht verliert.
    Die Verwechslungsgeschichte rüttelt auf. Dass die Geburt schon den Verlauf des weiteren Lebens beeinflussen kann, ist noch heute so. Ein Buch das Mut macht sich nicht mit seiner Rolle im Leben abzufinden, sondern herauszufinden warum etwas ist wie es ist und ob sich etwas ändern lässt.
    Es handelt sich aber um keine steife Abhandlung vom Gegensatz zwischen Arm und Reich, auch Scherze sind zu finden.


    5ratten


    Liebe Grüße


    Nirika

    „Jeg ser, jeg ser …<br />Jeg er vist kommet på en feil klode! <br />Her er så underligt …“<br /><br />Sigbjørn Obstfelder - Jeg ser

  • Mark Twain - The Prince and the Pauper


    Zum Inhalt: Tom Canty ist ein armer Junge, der von seinen Eltern zum Betteln geschickt wird. Besonders unter seinem Vater, der trinkt und kriminell ist, leidet er sehr, die Mutter kann sich nicht durchsetzen. Im Gegensatz dazu ist Edward Tudor, der am selben Tag geboren wird wie er, natürlich vom Glück begünstigt. Der Prinz wächst wohlbehütet im Schloß auf, inmitten einer Dienerschar und seiner Familie. Als Tom einen Blick auf den Königshof erhaschen will, begegnen sich die beiden durch Zufall. Edward nimmt Tom mit ins Schloß, wo sie feststellen, wie ähnlich sie sich sehen und aus Spaß die Kleider tauschen. Nur macht Edward den Fehler, in den Bettellumpen vor die Tür zu gehen und wird propmt vors Tor gesetzt.
    Die beiden Jungen lernen jetzt die Seite des jeweils anderen kennen. Tom wird für krank und verrückt gehalten, da er natürlich niemanden erkennt und keine Fremdsprachen mehr spricht. Einzig seine Vorliebe, auf der Straße mit den anderen Kindern König zu spielen und sich recht gewandt ausdrücken zu können, hilft ihm. Edward gerät durch Zufall in die richtige Familie und lernt gleich die Härte des Lebens der Armen kennen. Er muss sich mit Toms gewalttätigem Vater auseinandersetzen und wird verschleppt. Einzig der Soldat Miles hilft ihm. Doch dann erfährt Edward, dass sein Vater gestorben ist und Tom gekrönt werden soll. Jetzt muss er sich nach Westminster durchschlagen und doch beweisen, wer er wirklich ist.


    Meine Meinung: Die Geschichte ist natürlich ein Klassiker, den jeder schon Mal in irgendeiner Form gesehen oder gelesen hat. Überraschungen gibt es von daher natürlich keine. Das Buch hat mich dennoch gut unterhalten, allerdings fand ich es einen Tacken zu moralisch. Edward wird durch das Leid, dass er als Betteljunge erfährt, natürlich ein guter und nachsichtiger König, da verrate ich sicher nicht zu viel. Die Botschaft ist natürlich auch richtig, allerdings mag ich an Mark Twain vor allem seinen Humor und der kommt in diesem Buch einfach nicht richtig zum Tragen. Zwar sind einige Begegungen Toms am Königshof recht lustig, aber eigentlich tut einem der arme Kerl, der sich im höfischen Leben zurechtfinden muss, auch eher leid. Im Vergleich zu anderen Büchern von Mark Twain mus sich einfach sagen, dass man Humor und moralische Botschaft gewiss besser miteinander verbinden könnte.


    4ratten

    :lesen: Naomi Novik - Uprooted

  • Mark Twains Geschichten mag ich ja sehr gern. Mit Kinderbüchern tue ich mich aber mit zunehmendem Alter offensichtlich immer schwerer. :belehrerin: Sie neigen zu überzuckerten Happy-End-Lösungen.


    Der Eduard-Tom-Vertauschgeschichte gebe ich nur


    3ratten

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.

  • Mark Twain: Der Prinz und der Bettelknabe (1881)

    Mark Twains (d.i. Samuel Langhorne Clemens, 1835-1910) historischer Roman behandelt eine angebliche Verwechslung des jungen Prinzen und nachmaligen Königs Edwards VI. von England, Sohn Henrys VIII., mit einem Betteljungen, wonach beide für längere Zeit in den angenommenen Rollen bleiben müssen.


    Inhalt

    Tom Canty lebt in einem Armenviertel Londons als Sohn eines Säufers, Diebes und Schlägers mit seiner Mutter, seinen beiden Schwestern und der ebenfalls gewalttätigen Großmutter von Bettelei. Nur der dort ebenfalls lebende Vater Andrew, ein ehemaliger Mönch, der Heinrichs Klosterauflösung zum Opfer fiel, kümmert sich um die Bildung des Jungen, bringt ihm Lesen, Schreiben und ein wenig Latein bei. Außerdem leiht er ihm Bücher insbesondere über die Geschichte der englischen Könige. Tom träumt sich in die Rolle eines königlichen Prinzen hinein und spielt mit den Kindern seines Viertels entsprechende Rollenspiele. Als er eines Tages sehnsüchtig am Parkzaun des Westminster-Palastes entlangstreift, wird er von der Wache festgenommen, aber von Prinz Edward befreit, der wegen dieser Übergriffigkeit seiner Soldaten erbost ist. Er nimmt Tom mit in seine Zimmer, die Jungen tauschen zum Spaß ihre Kleidung und erkennen beim Blick in den Spiegel, dass sie sich extrem ähnlich sehen. So kommt es, wie es kommen muss. Als der Königssohn in Toms Kleidung hinunter zur Wache eilt, um sich wegen eines Schlags auf Toms Hand zu beschweren, wird er von den Soldaten weggejagt. Tom dagegen halten die adeligen Bediensteten für Edward und sind sehr besorgt, dass dieser plötzlich wahnsinnig geworden sei, weil er sich an keine Umstände seines Lebens erinnert und ständig behauptet, der Betteljunge Tom zu sein. Sie versuchen dies aber gegenüber der Öffentlichkeit zu verbergen, und Tom lernt mit den Wochen dazu, so dass er unauffällig sein Amt versehen kann, obwohl er zunächst gerne zu seinem früheren Status zurückkehren würde. Der König stirbt und der „Prinz“ wird nunmehr auf seine Krönung vorbereitet.


    Währenddessen lernt Edward die Härten des Lebens der Armen kennen, wird von seinem angeblichen Vater geschlagen, soll zum Betteln gezwungen werden, kann ihm aber entfliehen und lernt dabei den adeligen Soldaten Miles Hendon kennen, der sich fortan um ihn kümmert und ihm auch seine Rolle als Prinz gönnt, auf der Edward hochfahrend besteht. Hendon nimmt Edward nach allerlei Abenteuern mit in seine Heimat, die er jahrelang aufgrund seiner Soldatenkarriere nicht gesehen hat, doch im Herrenhaus regiert jetzt sein jüngerer Bruder, ein Bösewicht, der Vater und ältere Bruder sind gestorben. Dieser jüngere Bruder hat Miles‘ Jugendliebe geheiratet und bringt sie wie die Dienerschaft unter Drohungen dazu, Miles‘ Existenz zu leugnen. Dieser wird sogar mit Edward ins Gefängnis geworfen, nach einer Prügelstrafe aber wieder frei gelassen. Beide kommen rechtzeitig zur Krönung in London an, um ihre jeweiligen Identitäten einzuklagen. Sie verschaffen sich Zugang zur Krönungszeremonie, Edward kann mit Toms williger Hilfe seine Identität klären und wird nun richtig gekrönt. Aufgrund seiner Erfahrungen der Armut und Hilfsbedürftigkeit, auch der Willkür von Verwaltung und Justiz wird Edward VI. in seiner kurzen Regierungszeit ein milder König, der einige Reformen anstößt, aber aufgrund seiner Minderjährigkeit und seines frühen Todes nicht viel erreichen kann. Miles und Tom werden in ihrem Rang erhöht und führen ein glückliches Leben.(Auf Edward folgte die katholische Maria, die Tochter aus der ersten Ehe Heinrichs, die unter dem Namen „Bloody Mary“ berüchtigt wurde, das gehört aber nicht mehr zum Inhalt des Romans.)


    Stil und meine Meinung

    Der Roman wird linear, aber mit Perspektivwechseln zwischen den beiden Protagonisten in der Er-Perspektive erzählt, ist auch für Kinder und jugendliche Leser gedacht, bei denen allerdings einiges an Kenntnissen der englischen Geschichte und Gesellschaftsstruktur vorausgesetzt wird. Twain erzählt hier „englischer“ als in seinen berühmten Romanen um Tom Sawyer und Huckleberry Finn, ist stark darum bemüht, in fast dickensscher Weise die Armut und ungerechte Behandlung der unteren Bevölkerungsschichten zu schildern. Der Roman ist spannend und farbig erzählt und in meiner Ausgabe (Insel-Taschenbuch Werkausgabe in zehn Bänden) mit zahlreichen zeitgenössischen Illustrationen geschmückt.


    Mir persönlich gefallen Twains amerikanische Romane und seine Reiseerzählungen besser, aber gut unterhalten habe ich mich allemal gefühlt.

  • Das erinnert mich an die Schulzeit, Englisch in der 5. (bei den meisten von euch 9.) da haben wir das auch gelesen und nachgespielt :)

  • Ich wusste bisher irgendwie nie, dass das eigentlich von Mark Twain ist!

    Es ist auch sowohl vom Plot als auch von der Schreibe her kein typischer Mark Twain. Deshalb war ich vielleicht etwas enttäuscht, obwohl der Roman in sich durchaus stimmig ist.

  • Immer wieder spannend, wie unterschiedlich wir alle Bücher lesen!


    Ich war von diesem hier absolut bezaubert, vor allem vom "little king". Ich weiß jetzt schon, dass dieses Buch mein Bild von Edward VI fatalerweise für immer prägen wird. ;) Ich fand diese Mischung aus unerschütterlicher Arroganz, Fassungslosigkeit, aber vor allem Mut und Loyalität, mit der Edward seine haarsträubenden Abenteuer erlebt, sehr anziehend, vor allem, was mir immer wichtig ist bei Romanen, so menschlich (königlich!) und vielschichtig.


    Dazu kamen noch der unerschütterliche Miles und der ebenfalls etwas verstörte Tom, der sich auch tapfer schlägt. Am besten haben mir aber die Teile Edwards gefallen. Das Ende war dann nur folgerichtig, hat mich aber auch noch einmal entzückt, wie Toms Höhenflug rapide durch schlechtes Gewissen abgelöst wird und er selbst alles tut, um das Missverständnis aufzuklären. Erfrischend anders als das Topos, dass der Identitätsdieb (wenn auch versehentlich hier) böse sein muss.

    Neben der Menschlichkeit, die mich so begeistert hat, kommt hier noch ein gewaltiger Schuss Humor dazu. Das war mein erster Twain.


    Was mich hier allerdings wundert ist die Einordnung als Kinderbuch. Abgesehen von den politischen Verwicklungen ist es schon relativ grausam, Toms hartes Leben, das Edward kurzfristig übernimmt und all die Justizopfer, denen die beiden Jungs hier noch helfen können. Das wundert mich allerdings immer, warum Held = Kind ein Buch automatisch zu Kinderbuch macht. Oder gibt es da entschärfte Fassungen? Oder bin ich mittelalterliche Frau :D so dünnhäutig?


    Egal, das Buch fand ich wundervoll und wir treffen es nochmal wieder, wenn es um meine Jahreshighlights geht. :love:

  • Kinderbücher waren früher oft deutlich grausiger als heute. Man denke nur an den Struwwelpeter :entsetzt:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Das wundert mich allerdings immer, warum Held = Kind ein Buch automatisch zu Kinderbuch macht.

    Das ist - zumindest im deutschsprachigen Raum - irgendwie Standard. Siehe "Max und Moritz" von Wilhelm Busch, "Der goldene Kompass" von Philip Pullman ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)