Kaufen* bei
Amazon
Bücher.de
Buch24.de
* Werbe/Affiliate-Links
Gerhard Seyfried hat neben seinen berühmten Wimmel-Comics aus den Achtzigern auch einige Romane, im Wesentlichen historische, verfasst. In dem hier vorgestellten Roman (2008) setzt er sich mit dem Geschehen im China des Jahres 1900 auseinander, als sich der Waffenbund der sogenannten Boxer gegen die Kolonialmächte, insbesondere gegen die Pekinger Gesandschaften, aber auch in besonderem Maße gegen ihre christianisierten Landsleute stellte und diese angriff.
Inhalt
Die Geschichte wird aus der Perspektive vierer Protagonisten erzählt.
Arletta Lind nimmt eine Stellung als Privatlehrerin bei der Unternehmerfamilie Lenck an, die ein Handelsunternehmen in Tsingtau, der deutschen Gründung auf der Halbinsel Shan Tung begründet hat. Sie soll den zehnjährigen Sohn der Familie, Thomas, unterrichten und reist mit ihm, Frau Lenck und der älteren Tochter Isabella mit dem Reichspostdampfer nach Tsingtau, von wo aus die Familie und sie kurze Zeit später eine Besichtigungsreise nach Peking unternehmen. Max von Reichenow ist Kapitänleutnant auf dem Kreuzer SMS Hertha und gehört zum Geschwader, das vor der chinesischen Küste stationiert ist. Sein Chef schickt ihn nach Peking, um sich mit dem Freiherrn von Ketteler, dem deutschen Gesandten in Peking, abzustimmen. In Berlin wartet seit zwei Jahren eine Verlobte auf ihn, der sich immer nur auf Schiffen im Ausland befindet, und die auch der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Janus Ballhaus liebt, der von Berlin aus die Vorgänge in China und die gefährliche und überhebliche Politik Kaiser Wilhelms Zwo mit dem kritischen Blick des Oppositionellen verfolgt. Schließlich begibt sich Ferdinand Roeder, in Shanghai lebender Journalist und Reporter für mehrere große Berliner Zeitungen, nach Peking, da er in Shanghai eine unglückliche Liebesbeziehung und die Gefährdung durch Opiumhöhlen hinter sich lassen will, weil er sich gerade von dieser Rauschgiftabhängigkeit befreit hat.
In Peking treffen diese vier Ende Mai aufeinander und erleben die kommenden Ereignisse aus ihrem je persönlichen Blickwinkel mit. Bei einem Geburtstagspicknick auf der Großen Mauer verschwindet Thomas während eines Sandsturms (s.Titel „Gelber Wind“) und kann trotz intensiver Suche nicht wiedergefunden werden. Die bedrückte Familie Lenck kehrt mit Reichenow, der sich in Arletta verliebt hat, nach Peking zurück. Dort treffen immer mehr Nachrichten von Gewaltaktionen der sogenannten „Boxer“ ein, eine Vereinigung junger Männer, die sich im Schattenboxen und Angriffstechniken schult, an ihre Unverletzbarkeit glaubt und mit Schwertern und Messern gegen die Missionare undchristianisierten Chinesen kämpft. Immer mehr junge Männer stoßen zu den Boxern, da der Bau der Eisenbahnen durch die Kolonialmächte England, Japan, Russland, USA, Frankreich, Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien, alle von den Chinesen als „fremde Teufel“ bezeichnet, landwirtschaftliche Betriebe und Dörfer zerstört und die Menschen in die Arbeitslosigkeit getrieben hat. Zugleich ist in der Verbotenen Stadt, Sitz der Kaiserinwitwe Cixi, die den jungen Kaiser entmachtet hat, ein großes Machtgerangel zwischen den Prinzen zugange, ob man gegen die Boxer vorgehen und die Fremden schützen oder die Aufständischen im Gegenteil unterstützen solle, um die fremden Teufel ein für alle Mal loszuwerden. Es kommt zu Angriffen auf das Gesandschaftsviertel, und die Gesandten senden Telegramme mit Hilfeaufrufen an ihre Länder und die vor der Küste bei Taku stationierten Kampfschiffe. Kleinere Kontingente von Schiffsmatrosen gelangen noch in das Gesandschaftsviertel, bevor die Telegrafenleitungen zerstört werden und sich die Fremden in ihren Häusern und Straßen verbarrikadieren müssen. Eine größere Hilfsarmee unter dem britischen General Seymour kommt auf dem Landweg nicht nach Peking voran, weil die Bahnlinien zerstört worden sind und die Armee immer wieder in Scharmützel verwickelt wird. Als der deutsche Gesandte von Ketteler sich in einer Sänfte zum chinesischen Regierungssitz aufmacht, um gegen die fehlende Unterstützung des Gesandschaftsviertels durch die reguläre chinesische Armee zu protestieren, wird er aus dem Hinterhalt erschossen. Die Lage im Viertel der Fremden verschärft sich immer mehr. Viele der kleinen Kontingente von bewaffneten Matrosen werden in Kämpfen verwundet und erschossen, und es trifft auch Privatpersonen. Auch die Lebensmittel müssen immer mehr kontingentiert werden und der Platz wird eng, auch weil man den ins Viertel geflüchteten chinesischen Konvertiten Unterkunft gewährt. Währenddessen gelangen wegen der kaputten Telegrafenverbindungen viele Falschinformationen nach Europa, dass das Gesandschaftsviertel vollständig zerstört und alle Europäer tot seien. Kaiser Wilhelm beschließt, eine Armee von Seesoldaten zum Schutz der deutschen Interessen und zur Bestrafung der Aufständischen loszuschicken und hält seine berüchtigte „Hunnenrede“ – „Kommt ihr vor den Feind, so wird derselbe geschlagen! Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! Wer euch in die Hände fällt, sei euch verfallen! Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Überlieferung und Märchen gewaltig erscheinen lässt, so möge der Name Deutscher in China auf 1000 Jahre durch euch in einer Weise bestätigt werden, dass es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen!“ -(Wikipedia). Aber die deutschen Truppen kommen erst sehr spät in Peking an, schon vorher wird das Gesandtenviertel durch die andere Kolonialmächte befreit. Wie auch die anderen rächen sich auch die päter eintreffenden deutschen Verbände durch Folterung, standrechtliche Erschießungen ohne vorherige Untersuchung und ausgreifende Plünderungen –sogar der Verbotenen Stadt, aus der inzwischen Xixi mit ihrem Hofstaat geflohen ist. Am Ende wird auch Thomas, der entführt worden war, aber sich befreien konnte, in einem Kloster wieder gefunden, und nach 55 Tagen Belagerung wird ein großes Fest gefeiert.
Stil und meine Meinung
Ich habe für dieses Buch sehr lange gebraucht und mich häufig über die ausführlichen militärischen Details geärgert, die die Lektüre sehr mühsam machen. Seyfried hat für diesen Roman sehr gründlich recherchiert, dieses Wissen aber ziemlich ungefiltert vor dem Leser ausgebreitet und verliert sich oft in solchen nautischen oder militärhistorischen Einzelheiten. Welche Matrosen von welchem Kampfkreuzer wo gekämpft haben und wie genau die einzelne Waffen funktionierten, ist sicherlich für manche interessant, aber nicht für die breite Leserschaft.
Was zunächst auch irritiert, ist der kompromisslos durchgehaltene zeitgenössische Blickwinkel aus den Augen der vier Protagonisten, die zwar unterschiedlich zur Politik des deutschen Reiches und dessen imperialistischen Ansprüchen stehen, aber grundsätzlich aus dem Wissensstand und dem soziokulturellen Kontext ihrer Zeit heraus denken. Hier muss man häufig schlucken, aber eigentlich ist das aufrichtiger als die häufig gewählte, sehr moderne Sichtweise der Helden durchschnittlicher historischer Romane.
Nach beendeter Lektüre bin ich froh, dass ich durchgehalten habe: Ich habe viel über diesen nicht oft behandelten Aspekt europäischer Kolonialgeschichte erfahren und würde mir nur wünschen, dass Seyfried bei eventuellen weiteren historischen Romanen hinsichtlich der historischen – insbesondere militärisch-nautischen - Details auch mal Fünfe grade sein lässt.