Thomas Mann: Lotte in Weimar

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    Thomas Mann „Lotte in Weimar“


    Auf Hinblick zu Goethes 100. Todsjahr 1932 plant Thomas Mann Ende der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts, ein Buch über Goethe zu schreiben. Ein Grund, warum sich dieses Vorhaben nicht durchführen ließ, war seine Arbeit am Josephsroman. 1932 erscheinen aber zwei Goethe-Essays, die 1935 in dem Band „Leiden und Größe der Meister“ aufgenommen wurden.


    Der Goethe-Roman „Lotte in Weimar" entsteht in den Jahren 1936 – 1939. Charlotte Kestner, geb. Buff, Werthers Lotte, reist vierundvierzig Jahre nach ihrer Trennung von Werther/Goethe nach Weimar, um Verwandte zu besuchen. Bevor sie mit Goethe zusammentrifft, wird sie aber im Hotel "Zum Elephanten“ von Menschen aus Goethes näherem Umkreis besucht, die erstens sehr neugierig sind, Goethes ehemaliges Lottchen zu sehen und zweitens in ihren Reden aus ihrer Sichtweise über Goethe erzählen. Letztendlich wird dem Leser ein inneres Bild Goethes offenbart. Der Geheime Rat selbst erscheint erst im siebenten Kapitel.


    Thomas Mann wollte auch seine Seelenverwandtschaft mit Goethe kundtun. In der Thomas Mann - Biografie von Klaus Harpprecht heißt das Kapitel über „Lotte in Weimar“ darum „Johann Wolfgang von Mann“ (Seite 951). Daraus folgt die Konsequenz, je mehr ich mir über Goethe und Thomas Mann angelesen habe, desto mehr kann ich den Roman verstehen. Da ich vor vielen Jahren über Goethes Leben gelesen habe, freute ich mich natürlich, wenn mir manches bekannt vorkam, z.B. die Identitätslehre von Schelling. Schwer tat ich mich allerdings mit Thomas Manns Kunsttheorie und mit den historischen Hintergründen um Napoleon. Als von Goethes innerer Kälte gesprochen wurde, erinnerte ich mich an Thomas Manns innerer Distanziertheit, die auf manch Zeitgenossen kühl wirkte. So kann man Bezüge zwischen August von Goethe und Klaus Mann herstellen. Auf den Bezug zwischen Ottilie Pogwisch und der Ottilie in den Wahlverwandtschaften wird im Roman hingewiesen. Sowieso finde ich das Privatleben der Familie Goethe sehr interessant wie auch einige Zeitbezüge zum Nationalsozialismus: Es wird von einem mittelalterlichen Massaker an Juden erzählt und August von Goethes anhimmeln von Napoleon erinnert mich doch an Adolf Hitlers Mitläufer (auch wenn man das selbstverständlich nicht gleichsetzen darf; ihr versteht, was ich meine).


    Fazit: „Lotte in Weimar“ war für mich schwerer zu verdauen, als die umfangreicheren Romane. Vieles schlug ich in Biografien über Goethe und Thomas Mann nach. Einiges habe ich dazugelernt, vieles ist mir entgangen. „Lotte von Weimar“ war eine Arbeitslektüre. Allerdings ist es doch immer so gewesen, dass bei Erstlektüre von Thomas Mann – Romanen immer viele Fragen offengeblieben sind. Aufjedenfall habe ich mehr Zugang zu Johann Wolfgang von Goethe bekommen und plane vorerst die Lektüre der Wahlverwandtschaften.

    Ein Bonus: Th. Mann schreibt viel über Jugend und Alter. Dieses Thema taucht in Puzzlefragmenten immer wieder auf. Das versteht man ohne Sekundärstudien. Ich liebe ja dieses Thema.


    3ratten (Meine Bewerung fällt schlechter aus als die von Stefan Zweig :breitgrins: )


    Liebe Grüße
    mombour

    Einmal editiert, zuletzt von mombour ()

  • Hallo mombour!


    Nach der (nicht unwesentlich durch mein Verschulden) missglückten Leserunde habe ich "Lotte in Weimar" vor einiger Zeit nun auch gelesen. Für mich war die Lektüre wie eine Schifffahrt: ich musste Klippen umschiffen, für deren Erkundung ich nicht genügend Zeit hatte: so der historische Kontext, d.h. die unterschiedliche politische Bewertung Preußens/ Napoleons. (Statt dessen habe ich die unterschiedlichen Einstellungen nur als psychologische Beschreibung der Charaktere gelesen.) Ebenso vieles über den "realen" Goethe, das ich noch nicht weiß- ich bin also größtenteils mit der bloßen Annahme des fiktiven Goethe an das Werk gegangen und habe mich ab und zu gefreut, wenn ich etwas wiedererkannt habe: so die Gedanken zum Faust 2.
    Gut gefallen hat mir das Kreisen um Goethe in den Gesprächen im "Elephanten", das immer auch gleichzeitig ein Kreisen um die anderen Charaktere war, und dann den Bruch: Goethe in der Ich- Form ! (Mut?) ..., der auch nur um sich selbst kreist, wie alle anderen um ihn. Die Stärken der sprachlichen Ausgestaltung haben sich, wie ich finde, durch die Kontrastbildung bspw. zur Geschichte der Mme Schopenhauer wunderbar aufgedrängt.
    Das Ende erschien mir gespenstisch und als bestmögliche "Auflösung".
    Im Allgemeinen eine sehr interessante Fragestellung zur Kunst: die Kunst, die wie ein Gesetz über allen/m schwebt.
    Allerdings fiel es mir für eine Sekunde lang schwer, Mann aus meinem Kopf zu bekommen: wie er an seinem Schreibtisch sitzt und wie ein braver Schüler Informationen über Goethe zusammenträgt, seine Briefe studiert etc.


    Liebe Grüße,
    nachttraum.

  • Ich habe diesen Roman auch nur begrenzt geniessen können, obwohl ich Thomas Mann sehr mag. Anfangs gefielen mir die ausufernden Dialoge (Monologe?) noch ausgezeichnet, sie entbehren nicht einer gewissen Komik. Bald aber wird es dann etwas ermüdend und ich finde, die im Duktus der Goethezeit geschriebenen, sich unaufdringlich den Gesprächen entwindenden Charakterbilder sind zwar für sich genommen gelungen, wollen aber nicht recht ein Ganzes ergeben. Ich habe den Eindruck, man hätte nach Belieben z.B. Adele Schopenhauer weglassen und ihren ungleich interessanteren Bruder hinzufügen können, und architektonisch würden sich keine einschneidenden Veränderungen ergeben haben.
    Trotzdem las ich die meisten Kapitel gerne, wobei mir z.B. die inneren Monologe Goethes (die auch schön zeigen, wie von so jemandem andere Menschen, sofern sie nicht Hilfskräfte sind, als Störung wahrgenommen werden können, wodurch möglicherweise das Kühle und Abweisende entsteht, das man Goethe nachsagt) mehr sagten als etwa das lange Kapitel zur Zeitgeschichte, das im Zentrum des Romans steht. Für die meiner Einschätzung nach nicht völlig gelungene Übersetzung ins Leben der subtil gezeichneten Gestalten, die Th. Mann auftreten lässt, entschädigten mich die letzten Seiten, in denen Er Selbst als "echter Goethe" auftritt, dort werden erstmals ganz ungezwungen Worte gewechselt. Diese beinahe befreiende Szene führte mir ausserdem vor Augen, wie anstrengend für alle Beteiligten zu jener Zeit der floskelhafte, obligatorische Konversationston gewesen sein muss, in den man auf Abendgesellschaften und dergleichen wie in ein verbales Korsett eingezwängt war.
    4ratten

    Tell all of my friends, I don&#039;t have too many: just some rain-coated lovers&#039; puny brothers. Dallow, Spicer, Pinkie, Cubitt - rush to danger, wind up nowhere.<br />Patric Doonan - raised to wait. I&#039;m tired again, I&#039;ve tried again...<br />and now my heart is full. Now my heart is full and I just can&#039;t explain, so I won&#039;t even try to.<br />(Morrissey)

  • So, ich habe die Lotte jetzt endlich gelesen bzw. mir vorlesen lassen. Und ich fand es unglaublich zäh, langatmig und uninteressant. Alles andere, was ich bisher von T. Mann gelesen habe, gefiel mir besser.


    1ratten

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.