Beiträge von Erendis

    Ove ist ein mürrischer, spießiger 59-Jähriger, der alleine in seinem Reihenhaus in einer schwedischen Vorstadt lebt. Nach dem Verlust seiner Arbeitsstelle ist er verbittert und hoffnungslos und sieht keinen Sinn mehr in seinem Leben. Fehlt ihm doch das Gefühl, gebraucht zu werden und ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft zu sein. Doch gerade in seinen dunkelsten Stunden zieht nebenan eine quirlige, schwedisch-arabische Familie ein, die sein Leben ganz schön auf den Kopf stellt. Er ist zunächst überhaupt nicht begeistert von seinen neuen Nachbarn, die er als schreckliche Nervensägen empfindet.


    Doch die aus dem Iran stammende, lebhafte Parvaneh, Familienoberhaupt und zweifache Mutter, schließt Ove sofort in ihr Herz und amüsiert sich über seine grummelige, barsche Art. Denn sie spürt sofort, dass unter der rauen, distanzierten Schale ein gutherziger, aber einsamer Mensch steckt. Und so beginnt für Ove eine Zeit voller kleiner Abenteuer, in der er viele seiner Nachbarn in einem ganz neuen Licht zu sehen lernt und in der er gebraucht wird wie kaum jemals zuvor…


    Diesen Roman wollte ich schon so lange lesen und habe es nun endlich geschafft. Und ich habe es keine einzige Sekunde bereut. Das Personal dieses Buches ist so liebenswert, dass ich das Buch am liebsten gar nicht mehr aus der Hand gelegt hätte. So sehr sind mir die Figuren ans Herz gewachsen und so sehr habe ich mit Ove mitgelitten und auch nicht selten über seine verbohrte Art gelacht, die im Laufe des Buches immer seltener, aber doch immer wieder durchkommt.


    Ove erscheint mit seiner Verbohrtheit, seinen Vorurteilen und seiner unfreundlichen Art anfangs als Protagonist sehr unsympathisch. So lernt man ihn zu Beginn bei einem gewohnheitsmäßigen Kontrollgang durch die Reihenhaussiedlung kennen, wobei er überprüft, ob auch wirklich jeder Nachbar die dort herrschenden Regeln einhält. Disziplin und Ordnung, das Befolgen von Regeln scheinen ihm im Leben am wichtigsten zu sein. Doch bald lernt der Leser, dass Ove eigentlich ein tief verzweifelter, einsamer Mensch ist, der nach einem schweren Schicksalsschlag sogar plant, sich das Leben zu nehmen. Rückblenden in seine Vergangenheit zeigen zudem, dass Ove nicht immer so war und dass er im Grunde ein liebenswerter Mensch ist.


    Trotz der eigentlichen Tragik der Geschichte ist das Buch zum Schreien komisch, besonders weil Oves Gedankenwelt sehr authentisch und doch einfühlsam dargestellt wird. Auch die anderen (menschlichen und tierischen) Protagonisten haben alle ihre Stärken und Schwächen und sind liebevoll gezeichnet, so dass der Leser sie mühelos in sein Herz schließen kann.

    Die Atmosphäre des Romans ist sehr schwedisch angehaucht, man taucht förmlich in das moderne schwedische Vorstadtleben ein. Der Schreibstil ist schnörkellos und humorvoll, so dass ich stundenlang in dem Buch schmökern konnte, ohne es aus der Hand zu legen.


    Fazit:

    „Ein Mann namens Ove“ ist eine sehr witzige, aber auch sehr melancholische und tiefgründige Geschichte, die ich jedem, der ein paar schöne, herzerwärmende Lesestunden verbringen will, nur wärmstens ans Herz legen kann.


    5ratten

    Achtung: Die nachfolgende Rezension kann Trigger enthalten!


    In diesem Buch geht es um eine Krankheit, die in unserer Gesellschaft leider viel zu häufig noch immer als Tabuthema behandelt wird – die Depression. Offen und schonungslos erzählt Uwe Hauck von seinem Selbstmordversuch und wie es dazu kam, und wir Leser dürfen ihn anschließend ein Jahr lang auf seinem Weg zur Besserung begleiten, der ihn durch drei unterschiedliche Kliniken führt und auf dem er eine Menge über sich selbst und andere lernt.


    Das Buch gibt einen ehrlichen Einblick in das Gefühlsleben und die Gedankenwelt eines Menschen, der an einer psychischen Erkrankung leidet. Dabei lockern humorvolle Passagen die tiefgründige und oft nachdenklich stimmende Erlebniserzählung immer wieder auf. So brachten mich etwa Anekdoten über sehr originelle Therapieformen des Öfteren zum Schmunzeln. Wie Uwe Hauck in dem Buch feststellt, findet man bei psychisch kranken Menschen oftmals den besten schwarzen Humor – und das belegt er gleich selbst in seinem Buch. Auch die Gespräche zwischen dem Autor und seinen Mitpatienten, die immer wieder in die Erzählung eingestreut sind, enthalten sehr viele feinsinnige Gedanken und Lebensweisheiten, aus denen jeder Leser etwas für sich mitnehmen kann. Kein Wunder, dass Uwe Hauck diese Gespräche unter Patienten als hilfreicher als viele der „professionellen“ Therapien empfunden hat.


    Uwe Hauck spart in seinem Buch aber auch nicht mit Gesellschaftskritik. Sind doch der hohe Stellenwert, den unsere Gesellschaft dem Beruf beimisst und der daraus entstehende Druck auf den einzelnen Arbeitnehmer alles andere als förderlich für die psychische Gesundheit. Der Mensch wird darauf getrimmt, zu funktionieren und nach außen hin immerzu positiv und extrovertiert zu wirken, was dazu führt, dass viele Menschen sich gezwungen fühlen, in der Öffentlichkeit stets eine Maske zu tragen. Klar, dass dies auf Dauer nicht gut gehen kann. Wie Uwe Hauck an mehreren Stellen in seinem Buch anmerkt, ist der wahre Irrsinn dieser Welt oft außerhalb der Klapse zu finden, wo viel zu viele untherapierte Verrückte am Werk sind und besonders sensiblen Menschen das Leben schwer machen.


    Bereits während seiner Klinikaufenthalte twitterte Uwe Hauck regelmäßig unter dem Hashtag „#ausderklapse“, mit dem Ziel, die Öffentlichkeit über diese gefährliche, potenziell lebensgefährliche Krankheit aufzuklären und gleichzeitig auch Vorurteile über die daran erkrankten Menschen sowie über psychiatrische Kliniken abzubauen. Der Erfolg seiner Social Media-Aktivitäten gab ihm Recht, so dass er seither wichtige Aufklärungsarbeit über psychische Krankheiten leistet und dadurch hilft, das Stigma von den betroffenen Menschen zu nehmen und Verständnis in der Gesellschaft zu schaffen.


    Der Schreibstil des Buches ist unterhaltsam, geistreich und auch für Laien gut verständlich, da der Autor auf Fachchinesisch verzichtet und den Fokus merkbar darauf legt, vom Leser verstanden zu werden und einen ehrlichen Einblick in sein Seelenleben zu gewähren. Es sei deshalb nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich nicht um ein Fachbuch handelt, sondern um einen Erlebnisbericht, der neben dem eindeutig vorhandenen Informationswert auch unterhalten soll.


    Alles in allem ist dieses Buch sowohl für Leser zu empfehlen, die selbst an Depressionen und Angststörungen erkrankt sind, als auch für deren Angehörige und für nicht Betroffene. Selbst erkrankte Leser erhalten durch das Buch viele wertvolle Impulse zum Umgang mit ihrer Krankheit, andere Leser gewinnen durch das Buch einen informativen und ehrlichen Einblick in das Gefühlsleben und die Gedankenwelt solcher Menschen und lernen zu verstehen, was diese Krankheit bei einem Menschen anrichten kann und wie man als Außenstehender damit umgehen kann (und wie besser nicht). Klare Leseempfehlung von mir!


    5ratten

    Inhalt:


    Der Schwede Allan Karlsson steigt an seinem 100. Geburtstag aus dem Fenster seines Altenheims in Malmköping und macht sich aus dem Staub. Er verspürt so gar keine Lust auf die geplanten Feierlichkeiten mit lokaler Prominenz und Presse, zumal er gewisse Differenzen mit der energischen Altenpflegerin Alice hat. Eine Flucht vor dem Ganzen erscheint ihm da schon deutlich spannender.


    Im Reisezentrum klaut er dann einem unsympathischen jungen Mann spontan einen Koffer und fährt in einem Reisebus davon. Er landet in Byringe Bahnhof, mitten im Wald, wo der 70-jährige Kleinganove Julius Jonsson lebt, der Allan erst einmal Einlass gewährt. Im Laufe der Nacht fließt der Alkohol in Strömen und die beiden betagten Herren freunden sich an. Ihr Trinkgelage wird von dem Besitzer des Koffers unterbrochen, der diesen gerne wieder hätte. Aufgrund eines unglücklichen Zwischenfalls sind die beiden Freunde schließlich gezwungen, möglichst unauffällig eine Leiche zu beseitigen. Bei dieser Gelegenheit lernen sie den Imbissbudenbesitzer Benny Ljungberg kennen, der so ziemlich alles studiert hat, was man studieren kann, aber leider keinen einzigen Abschluss besitzt. Spontan engagieren sie ihn als Chauffeur. Auf der Flucht vor der Polizei lernen die drei Freunde schließlich noch die attraktive Gunilla Björklund kennen, die mit Schimpfwörtern nur so um sich wirft und sich einen Elefanten namens Sonja als Haustier hält.


    Aus der Flucht des Alten wird ein großes, nationales Medienereignis, die unwahrscheinliche Clique spielt Katz und Maus mit ihren Verfolgern, zu denen neben Polizei und Staatsanwaltschaft auch noch ein gefährlicher Gangsterboss gehört…


    Meine Meinung:


    Jonas Jonassons Debütroman erzählt die skurrile, schräge Lebensgeschichte eines Hundertjährigen, die sicherlich nicht jedermanns Humor trifft. Ich persönlich habe mich jedoch beim Lesen köstlich amüsiert. Der trockene, stellenweise schwarze Humor des Romans traf meinen Geschmack ziemlich gut und die Diskrepanz zwischen der vornehmen Ausdrucksweise des Erzählers und der abstrusen Handlung lässt die Geschichte herrlich komisch wirken, besonders in Kombination mit den zuweilen zynischen Dialogen.


    Der Autor verwebt zwei Handlungsstränge miteinander: Passagen, die in der Gegenwart spielen und in denen wir Allan und seine Freunde auf ihrer Flucht begleiten, wechseln sich ab mit Passagen, die von der turbulenten Vergangenheit des Protagonisten erzählen. Durch viele haarsträubende Zufälle wird Allan im Laufe seines langen Lebens oft Zeuge von bedeutenden politischen Ereignissen auf der ganzen Welt, wird oft sogar aktiv in sie verwickelt – und das, obwohl er sich eigentlich so gar nicht für Politik interessiert. Der Protagonist begegnet zahlreichen wichtigen Persönlichkeiten der Zeitgeschichte, unter anderem haben Stalin, Truman, Mao und Churchill ihren Auftritt und spielen eine Rolle in der ereignisreichen Lebensgeschichte des Allan Karlsson. Auf diese Weise kann der Leser gemeinsam mit Allan einen Streifzug durch die neuere Weltgeschichte unternehmen. Die Handlung ist natürlich alles andere als realitätsnah, aber dafür zumeist unterhaltsam, kurzweilig und sprühend von Ideen.


    Die Charaktere sind allesamt sehr verschroben und gerade deshalb auch sehr liebenswert gezeichnet – und außerdem typisch schwedisch. Besonders den Hauptprotagonisten mit seiner etwas exzentrischen, aber stets gelassenen Art (Motto: „Es ist wie es ist, und es kommt wie es kommt.“) habe ich ins Herz geschlossen.


    Das Buch ließ sich aufgrund des einfach gehaltenen Schreibstils sehr flott weglesen, nur zum Ende hin gab es nach meinem Empfinden ein paar Längen in den Passagen, die in Allans Vergangenheit spielen, was meinen positiven Gesamteindruck leicht geschmälert hat. Für ein paar vergnügliche Lesestunden gibt es von mir


    4ratten

    Janet Fitch – Weißer Oleander


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    Inhalt:


    Die gefühlskalte, narzisstisch veranlagte Poetin Ingrid Magnussen lebt und arbeitet in Los Angeles und zieht dort alleine ihre Tochter Astrid auf. Obwohl Ingrid sich gegenüber ihrer Tochter eher unterkühlt verhält und sie häufig vernachlässigt, wird sie von dem Mädchen bewundert und verehrt. Doch als Ingrid von ihrem Lebensgefährten Barry verlassen wird, vergiftet sie ihn aus verletztem Stolz mit weißem Oleander. Daraufhin wird sie zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Zurück bleibt ihre Tochter Astrid, die zu diesem Zeitpunkt zwölf Jahre alt ist und fortan ohne ihre geliebte Mutter aufwachsen muss.


    Sie wird jahrelang von Pflegefamilie zu Pflegefamilie geschoben und muss lernen, mit den unterschiedlichsten Menschen und Rahmenbedingungen zurechtzukommen. Dabei muss sie mehrmals die Erfahrung des Verlassenwerdens machen und hat nur zu oft das Gefühl, nirgends auf der Welt einen Platz zu haben. Hinzu kommt noch, dass ihre Mutter Ingrid versucht, vom Gefängnis aus weiterhin Einfluss auf Astrid zu nehmen und über deren Leben zu bestimmen. Dabei ist sie weniger am Wohlergehen ihrer Tochter interessiert als an ihrem eigenen, denn sie braucht das Gefühl, von Astrid gebraucht und bewundert zu werden. Doch das Mädchen entwickelt sich allmählich zu einer immer stärkeren Persönlichkeit und erkennt die Notwendigkeit, sich von ihrer dominanten Mutter zu lösen und sich ein eigenes Leben aufzubauen.


    Meine Meinung:


    Janet Fitchs Debütroman „Weißer Oleander“ erzählt die berührende und packende Geschichte eines Mädchens, das mit zwölf Jahren plötzlich auf sich allein gestellt ist und ohne ihre Mutter aufwachsen muss und dabei die unterschiedlichsten Menschen kennen und manchmal auch lieben lernt. Er erzählt auch die Geschichte einer sehr schwierigen Mutter-Tochter-Beziehung, in der die dominante Mutter kaum fähig ist, Gefühle für ihre Tochter zu zeigen, und doch alles daran setzt, sie in ihrer Abhängigkeit zu halten.


    Die Atmosphäre des Buches ist sehr dicht und melancholisch, der eher düsteren Thematik angemessen, und doch erscheint immer wieder ein Hoffnungsschimmer am Horizont. Ganz besonders gut gefallen hat mir der poetische, bildreiche Schreibstil der Autorin, der jedoch nie schwülstig oder gekünstelt wirkt und perfekt zu dieser bittersüßen Geschichte passt.


    Die Figurenzeichnung fand ich sehr glaubhaft und ich konnte jederzeit mit Astrid mitfühlen, während ich mich über ihre narzisstische Mutter ärgerte. Auch die unterschiedlichen Nebencharaktere in den Pflegefamilien sind allesamt mit ihren Eigenheiten und ihrer ganz eigenen Persönlichkeit ausgestattet, so dass ich manche davon lieben und manche regelrecht hassen lernte.


    „Weißer Oleander“ ist ein wunderbarer, kluger Coming of Age-Roman, der mich nachhaltig berührt und nach dem Lesen noch tagelang beschäftigt hat. Klare Leseempfehlung von mir!


    5ratten

    Ich habe mir gerade alle bisherigen Folgen des Literaturschock-Podcasts angehört und bin sehr angetan davon, sowohl von den Empfehlungen als auch von den Flops. Die negativen Kritiken sind auch immer gut begründet und für mich nachvollziehbar. Die Empfehlungen sind augenblicklich auf meiner Wunschliste gelandet. :zwinker: Auf die Autoreninterviews bin ich schon sehr gespannt.


    Die Länge / Kürze der Folgen finde ich sehr angenehm, gerade richtig für zwischendurch, auch für Menschen mit kürzerer Aufmerksamkeitsspanne, so wie mich. :breitgrins:
    Ich freue mich schon auf die nächste Folge.

    Annemarie Schoenle - Du gehörst mir


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    Inhalt:


    Die freie Journalistin Melanie Wagner, Tochter eines bekannten, politisch aktiven Künstlers und Geliebte eines verheirateten Kollegen, lernt auf einer Feier den charmanten und erfolgreichen Anwalt Wolf Eckart kennen. Er verhält sich ihr gegenüber sehr galant, wie ein Gentleman der alten Schule, was Melanie fasziniert. Sie verliebt sich denn auch Hals über Kopf in ihn. Bereits nach zwei Monaten willigt sie ein, ihn zu heiraten. Dabei ignoriert sie die Warnungen ihres Vaters und ihrer Freunde, die ihr von einer schnellen Heirat abraten, da ihnen Wolf nicht ganz geheuer erscheint.


    Schon bald ahnt auch Melanie selbst, dass mit ihrem Mann etwas nicht stimmt. Wolf leidet unter krankhafter Eifersucht und verhält sich extrem paranoid, was so weit geht, dass er schließlich jeden Schritt seiner Frau überwacht und kontrolliert. Die freiheitsliebende Melanie fühlt sich zunehmend gefangen und ihr wird klar, dass sie in der Falle sitzt, zumal Wolf aufgrund seiner Eifersucht versucht, sie von den anderen Menschen in ihrem Leben – auch von ihrem geliebten Vater - zu isolieren. Melanie ahnt, dass ihr Ehemann ihr gefährlich werden kann, und doch versucht sie mit Hilfe eines ausgefeilten Planes, sich aus der ausweglos scheinenden Situation zu befreien.


    Meine Meinung:


    Mit „Du gehörst mir“ ist der Grimme-Preisträgerin Annemarie Schoenle ein psychologisch geschickt erzähltes, tiefgründiges Psychodrama gelungen, das mich besonders zum Ende hin zu fesseln vermochte. Der Roman beginnt eher ruhig mit der ausführlichen Schilderung des Kennenlernens der beiden Protagonisten, doch zur Mitte hin nimmt die Handlung dann Fahrt auf und die Auflösung fand ich sehr überraschend.


    Der Leser nimmt abwechselnd den Blickwinkel von Melanie und den des eifersüchtigen Ehemannes Wolf ein. Mit psychologischem Feingefühl bringt die Autorin uns so die Innenwelt eines krankhaft eifersüchtigen Menschen näher, und schildert dabei die abgründige Gedankenwelt des psychisch kranken Wolf auf eine Weise, die mir Schauder über den Rücken jagte. Zugleich erhalten wir auch Einblick in die Psyche des Opfers und ich konnte Melanies Furcht vor ihrem Ehemann förmlich spüren.


    Die Thriller-Anteile fallen in „Du gehörst mir“ jedoch nach meinem Eindruck eher gering aus, vielmehr liegt der Fokus auf der psychologischen Ebene und der Betrachtung des Innenlebens der beiden Protagonisten. Atemlose Spannung, wie man sie aus anderen Thrillern kennt, kommt nur selten auf, dennoch hat mich der Roman gefesselt und fasziniert, was aber mehr der psychologischen Ebene geschuldet war, weniger dem Spannungsbogen der Story.


    Für die beiden Charaktere selbst konnte ich keine übermäßigen Sympathien entwickeln, nicht für Melanie und schon gar nicht für Wolf, aber das war meiner Meinung nach auch nicht zwingend erforderlich, da es ohnehin vor allem darum geht, was zwanghafte Eifersucht mit einem Menschen und mit dessen „Objekt der Begierde“ macht. Und dieser Aspekt kommt, wie ich finde, sehr gut zur Geltung.


    Der Schreibstil ist klar und schnörkellos, das Buch lässt sich daher sehr flüssig lesen.


    Sehr interessant fand ich noch den Aspekt, dass für den Charakter Jobst Wagner, Melanies Vater, eine reale Künstlerbiografie verarbeitet wurde, wie man im Nachwort lesen kann. Dies macht die detailgetreuen Beschreibungen von Jobsts politischen Kunstwerken noch einmal deutlich interessanter und gibt der Geschichte eine realitätsnähere Dimension.


    Alles in allem ist „Du gehörst mir“ ein Roman für Liebhaber psychologischer Dramen, die sich gerne mit dem psychologischen Innenleben der Protagonisten auseinandersetzen. Wer einen hochspannenden Thriller sucht, wird hier jedoch ein wenig enttäuscht werden und sollte vielleicht eher zu einem anderen Buch greifen.


    4ratten

    Terry Pratchett – Voll im Bilde

    Inhalt:

    Die Scheibenwelt steht Kopf – in der Hauptstadt Ankh-Morpork erfinden die Alchemisten die Beweglichen Bilder und erbauen einen kleinen Ort namens Holy Wood, in dem Träume zum Leben erweckt werden sollen. Die neu entstandene Kleinstadt bevölkert sich sogleich mit jeder Menge Glücksrittern, die in diesem neuen Berufszweig Fuß fassen wollen. Zahllose hoffnungsvolle Schauspieler warten auf den großen Durchbruch. Trolle, Zwerge und Menschen arbeiten einträchtig miteinander, mit dem gemeinsamen Ziel, einen guten Streifen zu produzieren. Bald übernehmen clevere Geschäftsleute, allen voran Treibe-Mich-Selbst-In-Den-Ruin Schnapper, die Produktion der Beweglichen Bilder und drängen die ursprünglichen Erfinder zurück in die zweite Reihe.


    Der Ort Holy Wood übt eine unerklärliche Anziehungskraft sowohl auf menschliche als auch auf tierische Bewohner der Scheibenwelt aus. So auch auf den ewigen Zaubereistudent Victor Tugelbend, der ganz unverhofft auch noch an eine Schauspielerrolle gerät. Schnell wird er ein bekannter Star und verdreht gemeinsam mit seiner hübschen, selbstbewussten Filmpartnerin Ginger den Bewohnern der Scheibenwelt den Kopf. Doch eines bleibt lange unbemerkt: Holy Wood reißt ein Loch in die Realität, was eine Verschiebung der Wirklichkeit und ungeahnte Gefahren aus anderen Dimensionen mit sich bringt. So steht der von Natur aus faule Victor plötzlich vor der Aufgabe, gemeinsam mit Ginger die Scheibenwelt zu retten…


    Meine Meinung:

    „Voll im Bilde“ hat mich – wie bisher alle von mir gelesenen Scheibenwelt-Romane – wieder einmal großartig unterhalten und ich musste sehr häufig in mich hinein schmunzeln.


    Der Beginn der Geschichte hat mich zunächst ein wenig verwirrt, da zahlreiche, scheinbar zusammenhanglose Handlungsstränge parallel ablaufen, so dass das Folgen der Handlung große Aufmerksamkeit erfordert. Es gelingt Terry Pratchett jedoch sehr gut, die verschiedenen Erzählstränge nach und nach zusammenzuführen und Licht ins Dunkel zu bringen, so dass letztendlich alles logisch erscheint und einen Sinn ergibt.


    Sehr gelungen fand ich die vielen Anspielungen auf das reale Hollywood und die Filmbranche, sowie die augenzwinkernde Kritik an deren Kommerzialisierung und den Starkult, der mit ihr einhergeht. Diesen leicht gesellschaftskritischen, manchmal auch philosophischen Unterton schätze ich sehr an den Pratchett-Romanen.


    Die Geschichte selbst ist wie immer sehr schräg, was vor allem an dem wunderbar verschrobenen Personal der Scheibenwelt und natürlich an dem unglaublichen Einfallsreichtum des Autors liegt. Ganz besonders die Zauberer waren immer für einen Lacher gut. Den Wunderhund Gaspode und die sprechenden Tiere fand ich als Tierfreundin natürlich auch ganz bezaubernd.


    Insgesamt bietet „Voll im Bilde“ eine komplexe, witzige Scheibenwelt-Geschichte, die mit sehr viel Liebe zum Detail aufwartet und dem Leser ein Wiedersehen mit liebgewonnenen Figuren – genannt sei hier etwa der Bibliothekar – ermöglicht.


    Das war ganz sicher nicht mein letzter Scheibenwelt-Roman. Zum Glück habe ich noch einige vor mir, auf die ich mich schon sehr freue.


    Von mir gibt es


    4ratten und :marypipeshalbeprivatmaus:

    Bamberg im Jahr 1626: Weihbischof Friedrich Förner schürt mit seinen flammenden Hexenpredigten Hass und Misstrauen unter den Stadtbewohnern. Nach einer schlechten Ernte und einem harten Winter, in einer Zeit des Hungers und der Existenznöte, hat Förner hierbei leichtes Spiel. Die Menschen suchen einen Sündenbock und flüchten sich in den Aberglauben an Hexen und Zauberer, im Fränkischen Druten genannt. Das kommt dem frommen Weihbischof sehr gelegen, denn er fiebert darauf hin, Hexen auf dem Scheiterhaufen brennen zu sehen. Doch hat er in der Stadt noch immer einige Widersacher, die sich noch lebhaft an die letzte Periode der Hexenverfolgung erinnern und dem Wahnsinn diesmal Einhalt gebieten wollen.


    Der Leser verfolgt die verwobenen Schicksale verschiedener Charaktere, die alle mehr oder weniger stark vom neu ausbrechenden Hexenwahn betroffen sind. Im Zentrum steht die Familie des Krippenschnitzers Veit Sternen. Dessen junge Ehefrau Marie ist die Tochter des angesehenen Braumeisters und Ratsherren Pankratz Haller. Veit hat seinen fast erwachsenen Sohn Simon, ebenfalls ein angehender Krippenschnitzer, und seine vierzehnjährige Tochter Selina mit in die Ehe gebracht, wobei Marie insbesondere mit ihrer Stieftochter Selina eine schwierige Beziehung hat. Diese ist seit einer schweren Krankheit taub und leidet überdies noch immer unter dem Tod ihrer leiblichen Mutter und den Verlust ihrer früheren Heimat Italien.


    Veit Sternen nimmt es nicht so genau mit der Treue und so ist seine Frau Marie immer wieder mit Nebenbuhlerinnen konfrontiert. Darunter ist seit Neuestem auch die abgeschieden lebende Otterfrau Ava, die ihrerseits neben Veit noch zwei hartnäckige Verehrer hat und sich als Fischverkäuferin und Kräuterfrau verdingt. In der Stadt wird über Ava geredet und es herrscht allgemeines Misstrauen, obwohl sie schon vielen Frauen mit ihren Kenntnissen aus misslichen Lagen geholfen hat. Obwohl Ava eine Eigenbrötlerin ist, kümmert sie sich um eine Bande von Bettlerkindern, die allesamt Waisen sind.


    Außerdem ist da noch Agnes, die zwar einen Ehemann und drei Kinder hat, die aber dennoch von Veit Sternen besessen ist, obwohl sie ihn nur ein einziges Mal verführen konnte. Agnes verfolgt Veit eifersüchtig und ist fest entschlossen, ihn sich zurückzuerobern, notfalls auch, indem sie eine Widersacherin an Förner verrät…


    Brigitte Riebes Schreibstil vermochte es einmal mehr, mich sofort in den Sog der Geschichte hineinzuziehen. Der Roman hat mich ungemein gut unterhalten. Das barocke Bamberg, gebeutelt vom Hexenwahn, wird sehr atmosphärisch zum Leben erweckt und ich konnte die angespannte Stimmung in der Stadt förmlich spüren. Der Schreibstil ist angenehm unaufgeregt und ruhig, aber dennoch sehr packend.


    Trotz der zahlreichen Figuren hatte ich keine Probleme mit der Zuordnung, denn die Autorin versteht es, den Charakteren Leben einzuhauchen und aus ihnen unverwechselbare und facettenreiche Menschen zu machen. Der Leser bekommt die Geschichte aus ganz unterschiedlichen Perspektiven erzählt, so dass er sich vom Innenleben jedes Protagonisten ein umfassendes Bild machen kann.
    So blicken wir etwa hinter die kalte und bösartige Fassade des Weihbischofs Friedrich Förner – übrigens eine historische Figur – und erfahren viel über seine Denkweise und über das, was ihn antreibt, so dass sich an manchen Stellen in meine Abscheu auch etwas Mitleid mischte.


    „Die Hüterin der Quelle“ ist ein sehr kurzweiliger historischer Roman, der sich durch eine sehr gründliche Recherche auszeichnet und mir daher auch interessante Erkenntnisse eingebracht hat. So war mir beispielsweise nicht klar, dass die Hinterbliebenen eines Opfers der Hexenverbrennungen auch noch finanziell für die Hinrichtung aufkommen mussten.
    Ausgestattet ist der Roman mit einem historischen Nachwort sowie einer Karte von der Stadt Bamberg zur Zeit der Handlung.


    Alles in allem hat mich der Roman sehr gut unterhalten und ich kann ihn guten Gewissens allen Lesern historischer Romane (und nicht nur diesen) weiterempfehlen.


    5ratten


    Noch kurz zum Bechdel-Test: Auch dieser wird bestanden. Es gibt ein paar interessante Frauen im Roman (die natürlich auch einen Namen haben) und es finden öfter Gespräche zwischen Frauen statt. Es kommt zwar relativ selten vor, dass sie sich über etwas anderes als Männer unterhalten, aber es kommt vor. Zum Beispiel über ein magisches Ritual. Oder über Kinder.

    Inhalt:

    Eva Rossbach hat einen beklemmenden Traum, der immer wiederkehrt: sie erwacht in einem Sarg und kann sich nicht befreien, gerät in Panik, droht zu ersticken. Die Traumerlebnisse kommen Eva seltsam realistisch vor. Nach dem Erwachen hat sie Schmerzen und weist die Verletzungen auf, die sie im Traum erlitten hat. Verletzt sie sich im Schlaf selbst? Das ist zumindest denkbar. Schließlich passiert es Eva häufig, dass sie sich plötzlich irgendwo befindet und sich nicht mehr erinnern kann, wie sie dort hingekommen ist.


    In Köln wird eine Frau ermordet aufgefunden. Sie liegt in einem Sarg, lebendig begraben und offensichtlich qualvoll erstickt. Der Mörder lässt der Polizei einen kryptischen Hinweis auf die Stelle, an der der Sarg vergraben ist, zukommen. Alles deutet auf eine Art Ritualmord hin, auf die Vorgehensweise eines psychopathischen Serienmörders. Der ermittelnde Kommissar Menkhoff und seine Partnerin Reithöfer stellen schnell fest, dass es im Umfeld der Toten so einige Menschen gibt, die scheinbar etwas zu verbergen haben…


    Meine Meinung:


    „Der Sarg“ ist der erste Roman, den ich von Arno Strobel gelesen habe.
    Die Grundidee hat mir sehr gut gefallen. Der Autor greift hier eine Urangst auf, denn lebendig begraben zu werden ist für so gut wie alle Menschen eine unheimliche und grauenvolle Vorstellung.


    Die Geschichte ist gestaltet als eine Mixtur aus Krimi und Psychothriller. Die aus der Perspektive des Kommissars Menkhoff geschilderten Passagen muten an wie ein klassischer Kriminalroman, der uns die Ermittlungsarbeiten der Polizei näher bringt. Menkhoff ist eine interessante Figur, er hat seine ganz persönlichen Probleme und häufig Mühe, sein cholerisches Naturell in Zaum zu halten. Aus diesem Grund bekommt er auch kräftig Gegenwind von einigen seiner Polizeikollegen, doch seine Ermittlungspartnerin Jutta Reithöfer sowie sein Vorgesetzter Brosius halten zu ihm.


    Die aus Eva Rossbachs Sicht erzählten Kapitel stellen den Psychothriller-Anteil des Buches dar. Die Zeichnung der ängstlichen, unsicheren und zurückgezogen lebenden Eva fand ich sehr gelungen. Der Blick in Evas Psyche wirkt wirklichkeitsnah und glaubwürdig, was auch den gründlichen Recherchearbeiten des Autors zuzuschreiben ist.
    Eva ist eine Unternehmenserbin, die sich aber kaum um ihre Firma kümmert und alles dem Geschäftsführer überlässt. Sie leidet unter ihren Erinnerungslücken und unter den wiederkehrenden Alpträumen. Eva merkt schnell, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist. So lässt sie sich von ihrer besten und einzigen Freundin Wiebke sogar überreden, einen Psychiater aufzusuchen. Und dann werden die Ereignisse immer seltsamer…


    Arno Strobel ist dramaturgisch und im Plotaufbau stark, die Geschichte wirkt stimmig und falsche Fährten werden geschickt gelegt. Der Schreibstil ist spannend und fesselnd, ich hatte stellenweise große Probleme, das Buch wieder aus der Hand zu legen. Auch wenn ich nach ungefähr der Hälfte des Buches langsam ahnte, worauf der Autor hinaus will, war ich doch stetig gespannt darauf, wie das Ganze enden würde.


    Im Gegensatz zu den Hauptcharakteren bleiben die Nebenfiguren allerdings relativ blass. Sie agieren teils erkennbar nur als Mittel zum Zweck, um falsche Fährten zu legen oder dem Leser etwas zu vermitteln. Dabei fand ich ihr Verhalten auch nicht immer ganz nachvollziehbar.
    Des Weiteren wirkten auch die Dialoge auf mich teilweise hölzern und zu wenig lebendig und realitätsnah geschrieben. Damit hatte ich insbesondere zu Beginn des Buches meine Probleme, doch entweder es ist im Laufe der Geschichte besser geworden oder aber es hat mich einfach nicht mehr gestört, da ich mich daran gewöhnt habe.


    Alles in allem ist „Der Sarg“ aber ein solider Spannungsroman, der mich durchweg fesseln konnte. Nicht zuletzt die kurzen Kapitel machen das Buch zu einem Pageturner, den ich ungern aus der Hand legte. Deshalb war es sicherlich nicht mein letztes Buch von Arno Strobel.


    4ratten

    Inhalt:


    Die Klimaforscherin Mavie Heller wird an das Klimainstitut IICO auf La Palma berufen. Freudig nimmt sie das Angebot an, doch ihr Berufsstart verläuft alles andere als reibungslos. Insbesondere ihr Kollege Thilo Beck, der sie in ihre neuen Aufgaben einweisen soll, verhält sich sehr abweisend gegenüber Mavie. Gerade als sich die Chemie zwischen den beiden etwas verbessert, verschafft sich Mavie unerlaubt Zugang zu einem streng geheimen Programm namens Prometheus, das beeindruckend genaue Vorhersagen des Wetters an jedem beliebigen Ort zu jedem beliebigen Zeitpunkt liefert. Und die Vorhersagen sind verheerend: es soll schon in naher Zukunft zu einer furchtbaren Klimakatastrophe mit Überschwemmungen und Dürren kommen, die zahllosen Menschen den Tod zu bringen droht. Als Mavies Spionage ans Licht kommt, wird sie unehrenhaft entlassen, unter der Auflage, über ihre Entdeckung völliges Stillschweigen zu bewahren. Kurz darauf stirbt Mavies beste Freundin Helen, eine Journalistin und die einzige Person, der Mavie von ihren Beobachtungen im Institut erzählt hat. Es sollte aussehen wie ein Unfall, doch Mavie und Helens Bruder Philip wissen, dass es kein Unfall gewesen sein kann – jemand muss Helen getötet haben. Zusammen wollen sie dem Geheimnis auf den Grund gehen, um Helens Mörder zu finden und die Katastrophe zu verhindern.


    Meine Meinung:


    Sven Böttcher entwirft hier ein bedrückendes und nicht unrealistisch wirkendes Zukunftsszenario, in dem die große Klimakatastrophe unmittelbar bevorsteht, was von einer mächtigen Organisation mit aller Macht vertuscht werden soll.
    Zunächst fällt auf, dass der Roman (soweit ich dies beurteilen kann) sehr gut und detailliert recherchiert ist. Es werden umfangreiche Informationen und Fakten zum Klimawandel in die Geschichte eingeflochten, was für einen „Unwissenden“ wie mich sehr interessant zu lesen war. Dabei bleibt der Autor in seiner Schreibweise stets verständlich, auch wenn einige Passagen durch die Informationsdichte größere Konzentration erfordern.


    Die Story hält einige interessante Wendungen bereit und enthält ein paar interessante Ideen und witzige Momente.


    Die Figuren bleiben aber meiner Meinung nach ein wenig blass, insbesondere Mavie und Philip, die mir die ganze Geschichte über relativ fern blieben. Interessanter fand ich da schon Thilo Beck, der einige interessante Grauschattierungen aufweist. Auch einige andere Nebenfiguren blieben mir in Erinnerung, wie beispielsweise ein größenwahnsinniger Nobelpreisträger, den die beiden Protagonisten sich zum Verbündeten machen wollen, oder auch Mavies gutmütiger, aber undurchsichtiger Mentor Fritz Eisele sowie Mavies Vater, ein paranoider Anhänger von Verschwörungstheorien, dem seine für schlechte Zeiten angelegten Vorräte nun sehr zupass kommen.


    Insgesamt legt Sven Böttcher hier einen spannenden und realistisch anmutenden Science Fiction-Öko-Thriller vor, der mir ein paar kurzweilige und nebenbei auch lehrreiche Lektürestunden geschenkt hat.


    4ratten


    Aber in diesem Abschnitt wird auch nochmal ganz klar, dass Ben kein Soldat mehr ist (auch wenn er Sam letztlich umgebracht hat). Er ist einfach zu sauer auf das Programm, "Vater und "Mutter. Er sagt , dass er sich rächen will, die Frage ist nur wie er das anstellen will. Ich kann es auf jeden Fall verstehen. Man merkt auch, wie schwer es Ben fällt, beim Telefonat mit seiner "Mutter", "ich hab dich auch lieb" zurück zu sagen.
    Ich finde es auf jeden Fall gut, dass Ben/Zach Sam noch getötet hat, weil wenn er tatsächlich mit ihr geflohen wäre, das wäre mir zu Friede Freude Eierkuchen Happy End. So musste es ja enden.


    Ja, ich fand Sams Tod auch stimmig. Ansonsten wäre mir die Wandlung von Zach schon fast wieder zu drastisch gewesen. Die vier Jahre harter Ausbildung und die dazugehörige Gehirnwäsche lassen sich bestimmt nicht so leicht abschütteln. Klar, dass er da noch seinen Instinkten folgt. Also, das passt schon so. :smile:


    Zitat von pankratz

    Wieso die Eltern allerdings immernoch nicht wirklich wollen, dass Zach sie besuchen kommt verstehe ich nicht ganz...


    Das ist mir auch nicht so ganz klar geworden. "Mutter" hat ja von einem Umzug gesprochen. Vielleicht wechseln sie immer mal wieder ihr Hauptquartier und Zach darf den momentanen Standort nicht kennen.
    Hm, da könnte man schon wieder sehr schön spekulieren... :breitgrins:

    Inhalt:

    Boy Nobody ist sechzehn und ein Auftragskiller. Er ist tätig für ein Programm, das angebliche Staatsfeinde der USA liquidiert. Seine Eltern wurden einst von seinem besten Freund Mike getötet; das letzte Bild, das er von seinen Eltern in Erinnerung hat, ist sein blutend auf einen Stuhl gefesselter, verängstigter Vater. Seither hat Boy Nobody seine Eltern nie wieder gesehen und hat sich stattdessen dem Programm verpflichtet. Seine neuen Bezugspersonen nennt er Mutter und Vater; mit ihnen kommuniziert er hauptsächlich über ein verschlüsseltes Smartphone.


    Seine Aufgabe ist es, sich das Vertrauen einer nahestehenden Person des späteren Zielobjekts zu sichern, so dass er in dessen Umfeld gelangt und so den Auftragsmord unbemerkt ausführen kann. Gefühle und Erinnerungen hat Boy Nobody ganz tief in sein Unterbewusstsein verbannt; er mordet konzentriert und eiskalt, wie er es während seiner zweijährigen Ausbildung beim Programm gelernt hat.


    Doch eines Tages erhält er einen besonders brisanten Auftrag: sein nächstes Zielobjekt ist der Bürgermeister von New York und Boy Nobody soll über dessen Tochter Sam an ihn herankommen. Dafür hat er lediglich fünf Tage Zeit, viel weniger als für seine anderen Aufträge. Schnell findet er sich an der exklusiven Privatschule von Sam, in die er hineingeschleust wird, zurecht und fügt sich unauffällig in die Klassengemeinschaft ein. Doch Sam erweckt ungeahnte Gefühle in dem sonst so kaltschnäuzigen Auftragskiller, so dass er letztendlich sogar seine Mission gefährdet…


    Meine Meinung:


    „Boy Nobody“ ist ein äußerst spannender Jugendroman, der sich mit seinen kurzen Sätzen und seiner einfachen Sprache sehr schnell und angenehm lesen lässt. Die Seiten flogen nur so dahin und ich musste mich oftmals bremsen, um im Rahmen der Leserunde nicht zu schnell davon zu rauschen.


    Sehr gut hat mir die Entwicklung des Boy Nobody gefallen: von einem kalten und gefühllosen Auftragskiller wandelt er sich immer mehr hin zu einem nachdenklichen Teenager, der sich ein Zuhause und Geborgenheit ersehnt. Da der Protagonist als Ich-Erzähler durch die Geschichte führt, können wir seine Abenteuer hautnah miterleben. Schon nach wenigen Seiten begeht er seinen ersten Mord; er tötet den Vater seines besten Freundes Jack, einem erfolgreichen Geschäftsmann, der anscheinend die Regierung gegen sich aufgebracht hat. Dieser Mord wird fast beiläufig geschildert, was den Schrecken beim Leser nur noch verstärkt.


    Die Gründe für die Liquidierungen haben Boy Nobody nicht zu interessieren, er befolgt einfach nur seine Befehle, wendet die in der Ausbildung gelernten Tricks und Kniffe an und macht sich ansonsten keine weiteren Gedanken. Genauere Nachfragen werden vom Programm nicht gewünscht – vielmehr verlangt es bedingungslose Loyalität.


    Doch alles ändert sich durch Boy Nobodys Begegnung mit Sam, der Tochter des Bürgermeisters von New York. Diese weckt ungeahnte Gefühle in dem Teenager und er bekommt plötzlich Skrupel und Zweifel an seinem Auftrag, zumal Sams Vater ihn an seinen eigenen Vater erinnert. Immer wieder kommen ungewohnte, lange verdrängte Erinnerungen in ihm hoch, immer öfter sehnt er sich nach einem Zuhause. Und nach Sam, die ihn fasziniert und in die er sich allmählich verliebt, auch wenn er sich das nicht eingesteht. Als das Programm dann auch noch das Zielobjekt verändert, wird die Situation immer brenzliger und Boy Nobody stellt heimlich eigenmächtige Nachforschungen an.


    Bei diesen Nachforschungen begleiten wir den Protagonisten und wissen durch die Ich-Perspektive immer genauso viel wie Boy Nobody selbst. Das lädt zum Mitdenken und Spekulieren ein und hat mir viel Spaß gemacht. Mit jeder beantworteten Frage entstehen zahlreiche neue, so dass Boy Nobodys Auftrag bis zum Schluss mysteriös und geheimnisvoll bleibt. Außerdem schafft es der Autor, dass der Leser mit einem Auftragskiller mitfiebert, was auch nicht selbstverständlich ist.


    Fasziniert hat mich die sorgfältige und äußerst professionelle Arbeitsweise des Programms. Die Telefonate erscheinen stets so, als ob sie zwischen einem normalen Teenager und seinen liebenden Eltern stattfinden. Geschickt verschlüsselte Apps, Videospiele und Facebook-Profile dienen der Kommunikation und der gegenseitigen Information zwischen Boy Nobody und seinem Auftraggeber. Die vielen Details über die Arbeitsweise des Programms fand ich sehr interessant.


    Insgesamt handelt es sich um ein sehr spannendes und psychologisch gelungenes Jugendbuch.
    Zwar gibt es ein paar übertriebene und unrealistische Kampfszenen und ein paar seltsame Zufälle, die aber meinen positiven Gesamteindruck nur ein wenig trüben.


    Das Ende ließ dann einige Fragen offen, besonders, was die Ziele und den Zweck des Programms sowie das Schicksal von Boy Nobodys Eltern betrifft. Deshalb freue ich mich schon jetzt auf den geplanten zweiten Band, der von Boy Nobodys weiterem Schicksal erzählen soll.


    4ratten