Beiträge von qantaqa

    So ging es mir auch. Es fing richtig gut an und wurde immer flacher. Schade eigentlich. Ich bedaure aber nicht, das Buch gelesen zu haben, denn es gab Passagen, die wirklich gut waren und unter die Haut gingen.


    Davon mal abgesehen fand ich die Lesrunde sehr schön und hat mir viel Spaß gemacht. Vielen Dank dafür an alle.


    Es ist eine im Grunde recht banale Geschichte über zwei Menschen, die nicht zusammenkommen können, aber nicht, weil sie aus verschiedenen Welten kommen, sondern weil der eine unfähig ist zu reden und Entscheidungen zu treffen und die andere darüber verbittert und abweisend wird.


    Wenn der eine reden will, will der andere nicht und umgekehrt. Wenn sie doch nur zur selben Zeit das Bedürfnis nach einer Aussprache gehabt hätten. Das macht für mich nur Sinn, wenn ich Younes und Émilie als Symbol für Orient und Okzident verstehe. Die können auch nicht wirklich miteinander reden und kommen sich so nicht näher, obwohl sie es sich wünschen.

    Seit Émilie wieder aufgetaucht ist, gefällt mir das Buch auch nicht mehr so gut. Liebe hin oder her, wie diese junge Dame sich aufführt ist ja auch jenseits des guten Geschmacks. Zuerst ist sie mit Fabrice zusammen, dann mit Jean-Christophe und jetzt heiratet sie Simon, und das alles nur, weil sie Younes liebt und er sie immer wieder abweist? So ein Verhalten finde ich nicht unbedingt angebracht. Nur weil man den Mann, den man liebt nicht haben kann, muss man sich doch nicht seinem gesamten Freundeskreis den Kopf verdrehen :rollen:


    Das hat mich auch alles sehr befremdet. Sehr unreif, die Dame, aber die Jungs nicht minder.



    Ja, da hat Simon noch Charakter gezeigt, aber später heiratet er sie selbst...


    Das wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht. Aber Du hast völlig Recht.

    Mit dem 16. Kapitel ändert sich der Erzählstil. Bisher haben wir Younes' Leben im Zeitraffer begleitet, jetzt nimmt sich der Autor die Zeit, Younes' Gefühlswelt offen zu legen. Er vereinsamt zusehends, fühlt sich ausgerenzt und nicht akzeptiert. Seine alten Freunde leben ihr eigenes Leben, da ist kein Platz für den Jugendfreund, der sowieso nie so ganz dazu gehört hat. Er wird für Dinge gestraft, die er gar nicht verschuldet hat und man bleibt unversöhnlich. Die Welt, in der er groß geworden ist, wird ihm immer fremder. Da ist es nachvollziehbar, dass er sich, derart menschlich enttäuscht, wieder an seine Wurzeln erinnert und Verbindung zu den Menschen im Schatten sucht.
    Sosa wirft er in einem wilden Ausbruch die satte Arroganz des Kolonialherren vor, der seinen Wohlstand auf dem Elend der Menschen gründet. Eine sehr ungewöhnliche Reaktion für den sonst so zurückhaltenden Younes, aber der Ausdruck eines neuen Selbstwertgefühls.


    Ob Émilie unter der Entwicklung ähnlich leidet wie Younes bleibt im Dunkeln. Es scheint Harmonie in ihrer Ehe zu geben. Hat sie sich mit den Verhältnissen arrangiert und gibt sich Mühe, das beste daraus zu machen oder waren ihre Gefühle für Younes doch nicht so tief, wie sie behauptet hat. Émilie bleibt mir ein Rätsel und meine Gefühle für sie sind weiterhin ambivalent.


    Jean-Christophe und Isabelle haben sich am Ende dann doch gefunden, was mich freut. Beide sind deutlich reifer und ernsthafter geworden und ihre Beziehung scheint auf soliden Beinen zu stehen.

    Was zuerst wie die Launen einer kapriziösen jungen Dame, die mit ihren Verehrern spielt und den verfolgt, der sie scheinbar nicht will, aussah, hat sich ganz anders entwickelt: Émilie liebt Younes und er liebt sie. Aber er bleibt so passiv, wie er es immer gewesen war, z.B. als man ihn in den Haushalt seines Onkels brachte, ihm einen anderen Namen gab, seine Freunde sich über ihn lustig machten. Er steht immer daneben und bleibt Beobachter.


    Bei der Begegnung vor der Hochzeit hat er diese Haltung auf die Spitze getrieben. Was wäre so schlimm daran gewesen, Émilie eine Antwort, irgendeine Art von Erklärung zu geben, auch wenn es nicht die Wahrheit gewesen wäre? Natürlich hätten die beiden keine Zukunft gehabt, aber warum konnte er ihr nicht einfach sagen, dass er sie nicht liebt - es hätte ihr manches leichter gemacht; so wird sie die Ungewissheit möglicherweise ein Leben lang quälen.


    Jetzt, wo er Émilie verloren hat, wird ihm seine Einsamkeit, die eigentlich schon sein ganzes Leben bestanden hat, bewusst. Seine Freunde gehen ihre eigenen Wege und wenden sich von ihm ab. Und auch Mutter und Schwester haben sich ihm entzogen (sicher nicht freiwillig, aber sie sind aus seinem Leben verschwunden). Ich hoffe, dass er sie findet.


    Ich habe das Verhalten, bzw. die Krankheit des Onkels schon auf seinen Gefängnisaufenthalt zurückgeführt, allerdings kann es auch gut sein, dass diese Krankheit schon länger in ihm steckte und diese Woche im Gefängnis dann nur der Auslöser war. Ich finde es sehr traurig, kurz meint man ja, der Onkel wäre auf dem Weg zur Besserung, er nimmt am gemeinsamen Essen teil und unterhält sich sogar wieder mit seiner Frau, aber dann fängt er auf einmal an, mit imaginären Personen zu sprechen.
    Dass Younes seinen Vater zu sehen glaubt, würde ich nicht als Geisteskrankheit einordnen. Ich denke eher, dass er sich so sehr wünscht, seinen Vater wiederzusehen, dass er dann wirklich anfängt, ihn in jeder Menschenmenge zu entdecken.


    Als ich darüber nachgedacht habe, schien mir der Wunsch, den Vater wiederzusehen, auch die wahrscheinlichste Möglichkeit zu sein.
    Ich finde überhaupt, dass man sich auch in den Lesepausen sehr intensiv mit dem Buch beschäftigen kann. Es gibt vieles, das man nochmal reflektiert und manches, das einen noch bedrückt oder aufregt. Dabei kommt das Buch so harmlos daher.


    Zitat

    Younes' "Beziehung" zu Madame Cazenave hat mich etwas überrascht, ich hatte ihn nicht so eingeschätzt, als würde er sich sofort auf eine ältere, alleinstehende Dame einlassen. Mir war gleich klar, dass diese Frau sich nicht in einen 17jährigen verliebt, sondern nur ein kleines Abenteuer sucht. Younes musste diese Erfahrung erst schmerzlich machen, traurig, wie er ihr so "hinterhergelaufen" ist.


    Ich glaube mit 17 macht man sich über soetwas keine großen Gedanken, da sagen die Hormone "Zugreifen".

    Ich schaffe es heute nicht mehr, den Abschnitt zu beenden. Aber ein paar Gedanken will ich noch formulieren, damit ich sie nicht vergesse.


    Ich finde die Art und Weise, wie Émilie Jean-Christophe gegen Fabrice ausspielt, nicht besonders charakterstark. Und dann rennt sie hinter Younes her. Was soll man denn davon halten? Der arme Younes kann einem wirklich Leid tun: wieder sitzt er in der Klemme, als Jean-Christophe in die Szene im Buchladen platzt und wieder ist er völlig unschuldig. Er hat ja nun wirklich alles getan, Émilie aus dem Weg zu gehen. Davon lässt sie sich überhaupt nicht beeindrucken. Sie glaubt fest, dass sie nur hartnäckig genug sein muss, dann wird ihre Liebe schon erwidert werden. Heutzutage würde man sowas als "Stalking" bezeichnen.


    Interessant fand ich das Gespräch zwischen Simon, Younes und Jean-Christophe. Simon wirft dem Freund Verrat an Fabrice vor. Es ist schon schofelig, dem Freund die Freundin auszuspannen, aber Émilie hat ihn ja durchaus ermutigt. Simon zeigt Charakter, indem er so für Fabrice eintritt.


    Jedenfalls ist es Émilie gelungen, die Jugendfreunde zu entzweien und die Zeit der Unbekümmertheit ist vorüber.

    Ohje, da steckt Jonas ja schön im Schlamassel - dabei kann er gar nichts dafür. Muss denn nun ausgerechnet Madame Cazenave, mit der Jonas eine kurze Mrs.-Robinson-Affäre hatte, die Mutter von Émilie sein? Madames Auftritt in der Apotheke fand ich mehr als peinlich; was muss in dieser Frau vorgehen, dass sie sich dermaßen unmöglich macht? Ist es die Tatsache, dass ihre Tochter einen Moslem liebt oder kann sie es nicht ertragen, dass ihr abgelegter Liebhaber sich mit ihrer Tochter tröstet?


    Jonas' Freunde finde ich immer abstoßender, vor allem André. Natürlich sind das junge Böcke, die ihren männlichen Konkurrenten und den Mädchen imponieren wollen. Trotzdem mag ich diese Clique nicht und Jonas passt da auch nicht wirklich hinein. Womit ich wieder bei der Frage wäre: wo gehört er überhaupt hin?

    Dieser Abschnitt verlangt dem Leser einiges ab. Dieser Wechsel zwischen den gelangweilten Lümmeln in ihrem Luxus und dem Kampf ums Überleben in den Armenvierteln macht besonders intensiv deutlich, dass Algerien aus zwei Welten besteht. Und mittendrin der Junge, nicht Younes und nicht Jonas. Die Begegnung mit dem Diener macht es deutlich: er gehört weder in die eine Welt noch in die andere.


    Es zieht ihn immer wieder zurück in das Armenviertel von Onan und die Begegnung mit der Mutter ist noch hoffnungsloser als die Begegnungen vorher: krank, fast am Ende, klammert sie sich immer noch an die Hoffnung, Issa könne eines Tages als reicher Mann wieder kommen. Was wohl aus ihr geworden sein mag. Ich hoffe, wir erfahren das noch.


    Mit der Gesundheit des Onkels steht es nicht gut; er unterhält sich mit Personen, die nicht da sind. Ist die Schizophrenie auf den Gefängnisauffenthalt zurück zu führen, oder wäre die Krankheit sowieso irgendwann ausgebrochen? Kann man Younes' Vision von seinem Vater auch als beginnende Geisteskrankheit deuten oder hat ihm da einfach nur seine Sehnsucht einen Streich gespielt? Das kann ich mir nicht so recht erklären. Was meint Ihr denn dazu?


    Nun ist der Zweite Weltkrieg endlich vorbei, aber Algerien kommt nicht zur Ruhe, im Gegenteil: die soziale Ungerechtigkeit der Kolonialisierung führt zunehmend zu Unruhen, die die Franzosen immer brutaler niederschlagen.

    Zitat

    Ein sehr aufschlußreicher Abschnitt! Da ist zunächst Issas Versuch, Geschäftsmann zu werden. Auch dabei hatte ich gleich wieder ein merkwürdiges Gefühl, letztlich aber aus den falschen Gründen, wie sich später gezeigt hat. Ich fragte mich nämlich, warum ein einfacher Bauer wie er auf die Idee kommt, sich zum Kaufmann zu wandeln. Daß er dabei prompt wieder in eine Falle tappt und das ganze Geld verliert, war da keine Überraschung. Auch seine folgende Reaktion nicht. Wieviele solcher Schläge kann ein Mensch ertragen, bevor er zusammenbricht? Sicher ist das individuell verschieden, und Issa ist kein psychischer Schwächling, aber unbegrenzt kann er eben auch nicht wegstecken und wieder aufstehen. Daß er sich an El Moro noch rächen konnte, hat mich unter den Umständen fast gefreut, auch wenn ich sicher bin, daß der nächste El Moro, nur mit anderem Namen schon irgendwo bereitsteht. Zumindest bringt dies alles Issa zu der Einsicht, daß er Younes doch besser bei seinem Bruder läßt. Hier habe ich mich wieder gefragt: Warum? Warum zu diesem Zeitpunkt?


    Ich glaube, da hat er einfach losgelassen. Und tatsächlich ist es mit Issa dann nur noch bergab gegangen. Dabei hatte er doch einiges geleistet: er hatte so viel gearbeitet und das Geld, das er für die Partnerschaft gebraucht hätte zusammen gespart und wieder folgte eine Enttäuschung - wie ein Käfer, der an einem Glas hochkrabbelt und immer, wenn er es fast geschafft hat, herauszukommen, wird er wieder hinein geschnippt. Die letzte Aktion, zu der er dann noch die Kraft aufbringen konnte, war der Mord an El Moro.


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    Das Wiedersehen mit dem Vater auf der Straße und unter diesen besonderen Bedingungen muß für Younes ein Schock gewesen sein. Schließlich hatte sich Issa nicht nur von seinen eigenen Träumen weiter denn je entfernt, sondern auch einen erheblichen Abstieg von der Person hinter sich, die Younes kannte oder zu kennen glaubte. Was für ein Gefühl muß das für einen Elf- oder Zwölfjährigen sein?


    Ich habe die Luft angehalten, als ich diese Passage gelesen habe, so schrecklich fand ich das - für beide. Für den armen Jungen, der den Vater, den er liebt und trotz allem bewundert, so am Boden sehen muss und für den armen, gedemütigten Mann, dem gar nichts mehr geblieben war, nachdem sein Sohn ihn in seiner ganzen Erbärmlichkeit im Dreck gesehen hatte.


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    Und wenn ich auch verstehen kann, daß er damit zu Hause nicht herausplatzt, so hätte ich doch gedacht, daß er mit Mahi über die Begegnung reden würde, nachdem Issa verschwunden ist. Warum tut er es nicht? Ist es ihm peinlich? Hat er nicht genug Vertrauen zu seinem Onkel?


    Ich kann mir vorstellen, dass ihm klar war, dass sein Vater es nicht gewollt hätte, dass ein "Außenstehender" von dem Elend erfahren hätte. Vielleicht war er aber auch einfach erstarrt und nicht in der Lage, diese traumatische Begegnung zu artikulieren.


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    Für Mahi und seine Frau Germaine geht ein Wunsch in Erfüllung. Sie haben keine eigenen Kinder und kommen auf diese Weise zu einem Sohn. Im Prinzip wissen sie natürlich auch, daß der Junge eine Eingewöhnungszeit braucht, aber in ihrer Begeisterung schießen sie schon mal übers Ziel hinaus. Die Verwirrung eines Zehnjährigen bei einem solchen Wechsel kann ich mir wahrscheinlich nicht mal annähernd vorstellen, denn die Unterschiede sind ja mehr als krass. Trotzdem hat er sich schnell eingewöhnt, denn wie man beim Besuch bei der Mutter merkt, fällt ihm auf dem Weg das Elend schon ganz anders auf. Und er lernt frühzeitig, was hinter dem Spruch „Kleider machen Leute“ steckt – womit er ja nicht einmal so falsch liegt.


    Zunächst dachte ich, die beiden tragen schon ein wenig dick auf und verschrecken Younes damit - aber wider Erwarten hat er sich sehr schnell in seinem neuen Heim eingelebt. Der Besuch bei der Mutter macht das deutlich.


    Ich bin gespannt, ob wir im Verlauf des Buches etwas über das Schicksal seiner Eltern und der Schwester erfahren. Der Umzug nach Rio Salado macht das eher unwahrscheinlich.


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    Ich hatte nach diesen Eröffnungen und in Verbindung mit der ursprünglichen Ausstattung von Younes' Zimmer auch vermutet, Mahi könne vielleicht zum Christentum konvertiert sein, aber so weit hat er sich von der Familie und den Traditionen dann doch nicht entfernt.


    Das hatte ich auch vermutet. Gestört hat mich besonders, dass aus Younes nun plötzlich Jonas geworden ist, so als wollte man ihn von seinen Wurzeln trennen.


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    Und nun auch noch der Zwangsumzug aus Oran nach Río Salado, weil Mahi der Beobachtung entgehen will. Wahrscheinlich kann er noch von Glück sagen, daß er „nur“ eine Woche in Gewahrsam war, noch länger, und er wäre vermutlich als völliges Wrack zurückgekehrt. So ist er noch in der Lage, Entscheidungen über sein Leben zu treffen, und auch wenn Germaine und Younes darüber nicht froh sind, so ist es sicher richtig, sich in ruhige(re) Gefilde zurückzuziehen.


    Auf seine Weise ist Mahi genauso ein Träumer wie sein Bruder. Ich hoffe, dass seine Träume nicht ebenso zerplatzen wie Issas - der Gefängnisauffenthalt war ja nur ein Vorgeschmack, was passieren könnte.


    Zitat

    Younes wird dann in den Zwanzigern sein, also ein gutes oder zumindest wahrscheinliches Alter für eine aktive Beteiligung, ich bin gespannt.


    Ich auch.

    Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Es vermittelt ein einzigartiges warmes Gefühl, wie ich es nur aus jüdischen Romanen kenne. Es tröstet und macht glücklich.


    Mir haben die kurzen Absätze über das Leben der Bienen, die den Kapiteln voran gestellt wurden, besonders gut gefallen. Parallelen zwischen einem Bienenstock und dem Leben in dem rosa Haus sind sicher nicht zufällig und der Honig kann mit der Liebe gleichgesetzt werden: ein Heilmittel für fast alles, süß, klebrig und unheimlich gut.


    Ein wirklich schönes Buch, in das man sich einfach hineinfallen lassen muss.


    4ratten

    Issa gegenüber habe ich sehr zwiespältige Gefühle: einerseits bewundere ich seinen Mut und seinen eisernen Willen, für seine Familie zu sorgen und in der fremden Stadt zurecht zu kommen. Dass es Halunken und Schlimmeres in Oran gibt, ist ihm offenbar gar nicht klar - sonst hätte er den Kleinen nicht allein im Hafen zurück gelassen. Aber er lernt, passt sich den Verhältnissen an und schafft seiner Familie einen sehr bescheidenen Wohlstand. Für einen so stolzen Mann muss das sehr wichtig sein. Und ganz besonders nach dem Gespräch mit dem Bruder. Sehr undiplomatisch hat sich der Onkel verhalten, obwohl er in der Sache natürlich Recht hat und es vernünftig gewesen wäre, die Starthilfe anzunehmen. Das hat den Trotz des Vaters erst so richtig angeheizt.
    Andererseits ist er nicht in der Lage zu sehen, dass ihm hier die Möglichkeit geboten wird, seinem Sohn ein besseres Leben zu ermöglichen. "Was für mich gut genug ist, ist auch gut genug für meinen Sohn" denkt er sich vielleicht und kann es nicht ertragen, dass sich der Sohn über den Vater erhebt. Deshalb lehnt er auch den Verdienst des Kindes ab.


    Die Frage, die sich mir am Ende des ersten Abschnitts stellt, ist die: warum ist die Freundschaft zu Ouari zerbrochen? Liegt es daran, dass er das Geld zurück gegeben hat oder bestand die Freundschaft nur in Younes' Phantasie? Schließlich hat immer nur er die Nähe des anderen gesucht, nie umgekehrt.

    Hallo, Ihr Lieben! :winken:


    Von der Bienenhüterin im Süden der USA nach Algerien in den 1930ern - das ist schon ein Riesenschritt. Den habe ich aber gut bewältigt, denn Yasmina Khadras Buch hat mich mit seiner schönen Sprache und den Beschreibungen gleich gefangen genommen. Ich habe den ersten Abschnitt noch nicht beendet, habe aber doch schon einen Eindruck gewonnen. Issa scheint ein Mensch zu sein, der mit seinem Land verwachsen ist und daraus seine Lebenskraft zieht. Dass er so wenig Hilfe wie irgend möglich annimmt, kann ich nachvollziehen; aber da scheint mir noch etwas anderes zu sein: das Verhältnis zum Bruder scheint getrübt. Das würde auch erklären, warum Issa lieber das Land verpfändet, als seinen Bruder um finanzielle Hilfe zu bitten. Der hätte sich das offenbar leicht leisten können und ihm auch geholfen, denn es ist "unser Land", wahrscheinlich der elterliche Besitz. Umso bitterer, dass das nun alles verloren ist.


    Die "Rückseite" der Stadt lässt nicht viel Gutes erahnen und ich muss an die Warnung des Händlers denken, dass die Stadt der Familie schaden wird. Auch die Worte des Erzählers lassen diesen Schluss zu:
    Da begriff ich, dass unsere Schutzheiligen uns unwiderruflich verstoßen hatten und dass fortan, bis zum Tag des Jüngsten Gerichts, das Unglück unser Schicksal war.
    Nicht nur verlassen haben die Schutzheiligen die Familie, sondern verstoßen - das assoziiere ich mit der Vetreibung aus dem Paradies und einer besonderen Schuld, die diese Strafe hervor gerufen hat.


    Ein Glossar fehlt mir auch sehr.

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    Beschreibung von Amazon:
    Er hatte ihnen das Paradies auf Erden versprochen. Und sie sind ihm gefolgt - bis in den Tod.


    Vor dreißig Jahren geriet die US-Sekte People's Temple in die Schlagzeilen der internationalen Presse. Ein regelrechtes Massaker hatte am 28. November 1978 in Jonestown (Guyana) stattgefunden, 913 Menschen starben, darunter 276 Kinder. Opfer eines charismatischen Führers, James Warren Jones. Was treibt Menschen dazu, sich in ein System der Unterdrückung und Manipulation zu begeben, das sie mit dem Leben bezahlen?


    Meine Meinung:
    Ich habe damals viele Presseberichte über das Massaker gelesen und mich gefragt, wie es möglich ist, dass Menschen sich einem Führer so radikal ausliefern, dass sie auf seinen Befehl hin sogar Selbstmord begehen. Ich bin der Antwort durch dieses Buch ein wenig näher gekommen.
    Deborah Layton, mit 16 Jahren schon ein ziemlich kaputter Teenie mit Drogenkarriere, ist das klassische Sektenopfer: auf der Suche nach einer Richtung im Leben und einem Halt, den ihr ihre Familie nicht geben kann, macht sie über ihren älteren Bruder die Bekanntschaft von Jim Jones. Wie alle Rattenfänger ist er charismatisch und versteht es, die Klaviatur der Gefühle so perfekt zu spielen, dass Debbie schnell überzeugt ist: das ist die Gemeinschaft, die ich gesucht und Jim ist der Vater, den ich mir gewünscht habe. Begeistert tritt sie dem Temple bei. Tatsächlich wird ihr freier Fall gebremst, sie fängt sich. Debbies Vetrauen wird zum ersten mal schwer erschüttert, als ihr geliebter "Father", der seinen Kindern sexuelle Enthaltsamkeit predigt, über sie herfällt und sie mehrfach vergewaltigt.
    Nach einiger Zeit schließt sich auch Debbies Mutter der Sekte an und die Familie zerfällt.
    Nur durch Charisma des Führers kann eine Sekte (oder ein totalitärer Staat - die Parallelen sind unübersehbar) nicht funktionieren. Ein feines Netz von Bespitzelung, Denunziation, Belohnung und Strafe legt sich unmerklich über die Mitglieder und zusammen mit der politischen Indoktrination wird die Gehirnwäsche vollendet. Deborah Layton beschreibt diese Entwicklung so eindrucksvoll, dass ich Gänsehaut beim Lesen hatte. Jim Jones lebt in seinen "Kindern" seine Paranoia aus, die immer bizarrere Formen annimmt. Er fühlt sich von CIA und FBI verfolgt. Der Zufluchtsort für die Gemeinschaft, das gelobte Land, wird Guyana. Dort, so tief im Dschungel, dass sogar die Indianer dort nicht leben wollen, lässt Jones Jonestown errichten. Nach und nach werden fast alle Mitglieder dorthin gebracht. So auch Debbie. Sie kommt direkt in die Hölle. Dort sind die Menschen ihrem "Father" und seinen Wahnvorstellungen völlig ausgeliefert. Harte Arbeit, schlechte Ernährung und gesundheitliche Versorgung, nächtelange Versammlungen, Schlafentzug, bewaffnete Wachen - und zunehmend "Selbstmordübungen". Es wäre natürlich einfach gewesen, sich zusammen zu rotten und diesen Verrückten zu entmachten - für Menschen, die das selbstständige Denken nicht verlernt haben. Diese traurigen Menschenwracks waren zu gar nichts mehr in der Lage als zu arbeiten und zu gehorchen.
    Der alte Kampfgeist, der sie zu einem rebellischen Teenager gemacht hatte, erwacht in Deborah und sie plant ihre Flucht, die ihr schließlich gelingt. Zurück in den USA versucht sie, die Öffentlichkeit auf die Geschehnisse in Guyana aufmerksam zu machen. Sie weiß, dass alle, die noch in Jonestown sind, in Lebensgefahr schweben. Niemand interessiert sich dafür. Erst als mehr als 900 Menschen tot sind, wendet sich der Blick der Welt für kurze Zeit auf den Dschungel und die Tragödie, die sich dort abgespielt hat.


    Ein wichtiges Buch, sehr gut und logisch aufgebaut. Das Buch ist eine Warnung, sich nicht einlullen und andere für sich denken zu lassen - für sich selbst, im kleinen Kreis, aber auch für das große politische Ganze.


    5ratten