Den kann ich selbstverständlich nicht liefern. Mag sein, dass es eine Erfindung ist, um das Mittelalter zu verteufeln und den Leuten zu erzählen, dass früher alles schlimmer war.
Es war ursprüngliche eine von mehreren verleumderischen Vorwürfen, mit denen die bürgerlichen Vertreter der Französischen Aufklärung in Flugschriften gegen den adligen Feudalismus kämpften. Man nannte diese erfundenen Zustände später immer öfter "mittelalterlich".
Zitat
Aber ich zitiere hier, was Falcones zum ius primae noctis im Nachwort schreibt:
Was im Usatges (engl. Online-version) steht, ist folgendes:
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85. If anyone violently rapes a virgin, either let him marry her if she and her parents are willing and let them give her dowry to him or let him give her a husband equal to his rank. If one violently ravishes a women who is not a virgin and makes her pregnant, let him do the same.
Das bedeutet, das Opfer durfte nicht gegen seinen Willen verheiratet werden (übrigens eine Errungenschaft, die auf die Bedingung des Konsens unter den Ehepartnern für das Zustandekommen einer Ehe zurückgeht, und der ist genuin christlich und von "der Kirche" gegen die germanische Sitte durchgesetzt worden, nach der ausschliesslich der Vater oder Vormund bestimmte, wen die Tochter heiraten musste/durfte!). Es ging in dieser Regelung darum, die Ehre des Mädchens und seiner Familie wiederherzustellen, nicht um Geld! Eine Entschädigung durch Geld oder Güter hätte das Mädchen zur Prostituierten gestempelt!
Weiter steht da:
Zitat
87. Likewise concerning the possessions and property of adulteresses if the adultery is committed against the husband’s will, let them and their lords have equal portions of all the adulterous wives’ property. But if, God forbid!, this adultery is committed with the will, order, or assent of the husbands, let their lords have full right and jurisdiction in such cases.
88. However, if the women do not carry this out by their free will but from the fear or order of their husbands, let them be exempt from the actions of their husbands and their husbands’ lords and not subject to the loss of any of their own property. And if these same women desire it, they may separate from their husbands and yet nevertheless let them not lose their dowry or wedding gift.
89 Husbands can accuse their wives of adultery or even of the suspicion of it and then they must clear themselves by their affirmation on oath and by judicial battle if there are clear indications and evident signs in these. Moreover, wives of knights should do so by oath and likewise by judicial battle between knights. Wives of townsmen and burghers and noble bailiffs, by judicial battle between foot champions. Wives of peasants, by their own hands through the ordeal of boiling water. If the wife is victorious, let her husband honorably keep her and make compensation to her for all expenses which her retainers have incurred in this suit and judicial battle. But if she was defeated, let her come into the custody of her husband with everything she has.
Ansonsten gibt es keine weiteren Hinweise im gesamten Text zum Thema "Jungfrau", "Mädchen", "Braut", "Hochzeit". Ergo: In den Usatges de Barcelona steht nichts von einem "ius primae noctis".
Wenn man die Gesetze zusammenfasst, dann bedeutet das, dass im Falle des unfreiwilligen/Gewaltsamen Beischlafs mit einer verheirateten Frau (also auch einer Braut!) eine Entschädigung zu erfolgen hatte, die auch so aussehen konnte, dass die Frau sich von ihrem Mann trennen und einen Ehemann von Rang des Täters fordern konnte. Das heißt, wenn eine Leibeigene von ihrem Grundherrn missbraucht wurde, konnte sie dadurch sogar in den Adel aufsteigen! Und weil das sicherlich nicht gewollt war, verhinderten diese Gesetze geradezu den Missbrauch Abhängiger.
Seit 1462 gab es Unruhen unter den Leibeigenen Katalaniens (Guerra dels remences), die erst 1486 beigelegt werden konnten. Damals wehrten sich die Leibeigenen dagegen, dass die Adligen sie durch immer schärfere Abgaben und Strafen an die Scholle binden wollten. Seit dem 13c fand nämlich Landflucht statt und als im 14/15c die Seuchen ("Pest") und eine Klimaverschlechterung dazukamen, war die Getreideversorgung nicht mehr sicher. Also hielt man die Bauern auf dem Land fest. Das führte dann wohl auch zu Übergriffen. Aber gesetzlich legitimiert waren diese angeblichen "Herrenrechte" nie und nirgends!!!!
Es lässt sich leicht erklären: in den Sitten der germanischen Völker gilt (wegen der männlichen Erblinie) der außereheliche Verkehr der Frau als eine der schwersten Schanden, die einer Familie zustoßen kann. Es wäre also ein extremer Verstoß gegen das Rechtsverständnis dieser Menschen und eine ganz üble Form von Willkür, wenn Herren die Frauen und Töchter ihrer Untergebenen geschändet hätten. Das mag durchaus vorgekommen sein, aber es war eine Straftat. Ein Adliger hätte ein unverheiratetes Mädchen oder Frau nach den Gesetzen im Usatges dann selbst heiraten oder ihr einen adligen (!) Ehemann verschaffen müssen. Oder im Falle einer verheirateten Frau für entsprechende Wiederherstellung ihrer Ehre sorgen müssen. Eine Braut, die in der Hochzeitsnacht von ihrem Herrn missbraucht worden wäre, hätte ihren Mann verlassen können und ihre Familie hätte vom Täter das Recht auf eine Verheiratung mit ihm oder einem seinem Stand entsprechenden Mann erzwingen können. Das war damals kodifiziertes Recht, das man auch als Leibeigener einfordern könnte. Wer behauptet, dass das doch nur Papier gewesen sei, entwertet damit jede schriftliche Fixierung von Gesetzen als sinnlos.
Außerdem fand der Aufstand wegen drückender Abgaben und unrechtmäßiger Übergriffe fast 150 Jahre nach dem Beginn der Handlung statt. Und allein schon der gesunde Menschenverstand sagt, dass Menschen sich nicht sechs Generationen lang dermaßen auf der Nase herumtanzen lassen. Das "Argument", die hätte sich nicht getraut oder hätten nicht gekonnt, ist vorgeschoben und historisch nachweislich grober Unfug! Dann ist nämlich jede Verschriftlichung von Recht und Gesetz schon immer sinnlos gewesen. Warum hätte man das denn dann tun sollen?
Andererseits waren Behauptungen über unrechtmäßige (und am liebsten s.e.x.uelle!) Übergriffe von Grundherren immer einen sehr wirkungsvolle Methode, Menschen aufzuwiegeln. In den deutschen Bauernkriegen, denen Propagandakriege mit Flugblättern vorausgingen, war das genauso und man kann nicht alles für bare Münze nehmen, was in diesen Flugblättern stand!
Wenn Falcones behauptet, das "ius primae noctis" hätte es damals in Katalanien gegeben, dann ist diese Behauptung schlichtweg eine Geschichtsfälschung.
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Andrerseits waren Frauen eben auch weit weg davon, gleichberechtigt zu sein.
Männer auch!
Die Gesellschaften funktionierten anders, die Menschen dachten ganz anders über sich und die Welt, auch "Gelcihberechtigung" wurde ganz anders wahrgenommen und ich finde es immer wieder äußerst arrogant, wenn wir heutigen "Erstweltler" uns für die Fortschrittlichsten halten.
Ich hab mich 2205 3 Monate in Indien aufgehalten. Die Menschen leben zT in bitterstem Elend und der "Boom" kommt nur ganz ganz wenigenzu gute!!! In Zentral Indien, das einmal eine Kornkammer war, geht alles zugrunde, gerade weil man die armen Bauern mit gentechnisch verändertem Saatgut große Hoffnungen gemacht hat. Ich könnte dir viele Geschichten erzählen, wie der globale Kapitalismus auch und vor allem die Dritte Welt und die Schwellenländer Kaputt macht, und überall bleiben nur ein paar Reiche, die die letzten Paradiese ausbeuten -- das ist unsere moderne Welt!
Als wir wieder in Frankfurt gelandet sind und mit der Bahn in die Stadt gefahren sind, war ich total schockiert: In Indien bin ich auf Menschen getroffen, die in ihrer scheinbar rückständigen Welt bei aller Armut fröhlich waren, liebenswürdig, höflich, offen. Die haben uns immer wieder beschämt mit ihrer Liebenswürdigkeit. Dann kamen wir nach Deutschland zurück und begegneten kalten, verschlossenen genervten Gesichtern.
Ich möcht wirklich nichts idealisieren, aber diese Erfahrung fand ich schockierend!
Wir sollten mal drüber nachdenken, ob unser Hang, die Vergangenheit immer als eine brutalere, schrecklichere, rückständigere, dümmere Form der Gegenwart hinzustellen nicht bloss eine Krücke ist, damit wir uns überhaupt noch wohlfühlen in unserem goldenen Käfig.