Beiträge von Saltanah

    Ich bin zufällig auf diesen alten Thread gestoßen, wollte schauen, ob es diesen Preis noch gibt, und voilà - es gibt ihn noch!

    Letztes Jahr hat übrigens ein deutsches Buch gewonnen:

    Katja Oskamp - Marzahn, mon amour: Geschichten einer Fußpflegerin 

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    (Mit dem Untertitel hat es direkt mein Interesse geweckt. Die Bibliothek hat es leider nur in schwedischer Übersetzung, aber die werde ich mir mal angucken. Im Forum hat es Enid gelesen und für gut befunden, aber leider nicht rezensiert.)


    Die diesjährige Longlist muss ich noch genauer inspizieren. Da findet sich sicher noch das eine oder andere interessante Buch.

    Excentriske Noveller


    Der drei Erzählungen umfassende Band erschien im dänischen Original erstmals 1885.


    Franz Pander

    Der in äußerst ärmlichen Verhältnissen aufgewachsene Franz träumt von einem besseren Leben. Er sehnt sich nach Schönheit, Wohlgerüchen, Reichtum, Frauen. Um diesen Träumen näherzukommen, arbeitet er als Kellner in einem schicken Hotel. Dabei begegnet er immer wieder schönen weiblichen Gästen, die er insgeheim anbetet und er sehnt sich danach, von diesen seinerseits wahrgenommen zu werden. Aber schließlich muss er einsehen, dass er für sie nichts weiter als ein Stück lebendes Mobiliar ist...


    Fratelli Bedini

    Nach dem Tod seiner Mutter wird der achtjährige Klaus von seinem Vater an einen Zirkus gegeben, wo er zu einem Parterreakrobaten ausgebildet und forthin Giovanni genannt wird. Später wird er ein erfolgreicher Kunstreiter, aber eine (nicht unverschuldet) unglückliche Leidenschaft führt zu einem Unfall, der einen Berufswechsel erfordert. Sein bester Freund bietet ihm an, ihm als Löwendompteur zu assistieren. Aber Löwen sind nicht ungefährlich...


    Charlot Dupont

    Mit sieben Jahren wird Carlo de las Foresas bei einem Geigenvorspiel von einem Musikimpressario "entdeckt" und ab dann unter dem Namen Charlot Dupont (der laut Impressario besser beim Publikum ankommt) als Violinen-Wunderknabe gnadenlos erst Europa- und dann weltweit vermarktet. Sein Vater ist mit von der Partie und macht sich dank der hohen Einnahmen ein schönes Leben. Wie es Charlot dabei geht, interessiert höchstens seine Mutter, die er alle Jubeljahre mal sieht. Leider werden Kinder älter und irgendwann findet eine Wunderkindkarriere ihr natürliches Ende. Niemand interessiert sich für einen jungen Mann, der zwar nicht untalentiert ist, aber nie ordentlich Geige spielen gelernt hat.


    Bang erzählt von diesen drei bemitleidenswerten jungen Männern, denen das Leben (oder besser ihre Umwelt) schon in jungen Jahren übel mitspielt, in kurzen, einprägsamen Bildern. Vieles bleibt unausgesprochen, immer wieder kommt es zu längeren Sprüngen in der Chronologie, aber trotzdem bekommen die LeserInnen ein rundes Bild der äußeren und inneren Ereignisse. Bang erklärt nicht, er bewertet nicht, er gibt uns kurze Eindrücke aus dem Leben seiner Protagonisten, aber mit einem solchen Geschick, dass nichts fehlt.


    4ratten

    Für den diesjährigen SLW will ich sowohl die "Excentriske Noveller" als auch die "Stille Existenser" lesen, jeweils im dänischen Original in meiner schönen "Værker i Mindeudgave" (Werke in Gedenkausgabe) von 1912.


    Bei einem Titelvergleich musste ich allerdings feststellen, dass der Inhalt der zwei separat erschienenen dänischen Bücher nur teilweise mit den in der deutschen Ausgabe enthaltenen Erzählungen übereinstimmen. Ich versuche mal, das aufzudröseln:


    Excentriske Noveller (3):

    • Franz Pander
    • Fratelli Bedini
    • Charlot Dupont

    Diese 3 Erzählungen hat kaluma oben vorgestellt, aber zusätzlich auch "Die vier Teufel". Im Dänischen trägt "Les quatre Diables" zwar den Untertitel "Excentriske Novelle", ist aber erst 5 Jahre nach den Erzählband erschienen.


    Stille Existenser (4):

    • Min gamle Kammerat
    • Enkens søn (in meiner Ausgabe "Otto Heinrich")
    • Hendes Højhed (in meiner Ausgabe "Son Altesse")
    • Ved Vejen

    Von diesen hat kaluma nur "Am Wege", also "Ved Vejen" vorgestellt. Die ersten 3 Erzählungen scheinen in der deutschen Ausgabe nicht enthalten zu sein.


    Wo kommen also die restlichen 4 in dem deutschen Band enthaltenen Erzählungen her?

    "Fräulein Kaja", Irene Holm" und "Ein schöner Tag" sind im Original als Sammelband mit dem Titel "Under Aaget" ("Unter dem Joch") erschienen.

    "Die Raben" ist die Titelerzählung des noch einen weiteren Text enthaltenen "Ravnene".


    Alles klar? :gruebel:  :spinnen:

    Ich gehe dann mal lesen...

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    Ich habe das Buch in Ingrid Ingemarks schwedischer Übersetzung unter dem Titel "Tidernas fisk. Jakten på kvastfeningen" gelesen.


    Dieses Buch erzählt die spannende Geschichte der Entdeckung der Quastenflossergattung Latimeria. Die Ordnung der Quastenflosser war nur aus Fossilien bekannt und galt seit dem Ende der Kreidezeit ausgestorben. 1938 aber entdeckte Marjorie Courtenay-Latimer, Kuratorin des Museums von East London (einer Stadt an der Ostküste Südafrikas) im Fang eines befreundeten Fischers einen ungewöhnlich aussehenden Fisch, der auch dem Fischer völlig unbekannt war. Sie versuchte, den Fisch zu erhalten, was mangels Kühlraum und ausreichend Formalin leider nur teilweise gelang, und kontaktierte JLB Smith, einen Amateurfischkundler, der den Fisch ganz richtig als den Quastenflossern zugehörig identifizierte - eine wissenschaftliche Sensation!


    Es gab also immer noch Quastenflosser, nur wo? Jahrelang suchte JLB Smith an der südafrikanischen Ostküste entlang nach weiteren Exemplaren, interviewte Fischer, verteilte eine hohe Belohnung versprechende "Steckbriefe", allerdings lange vergeblich. Erst 1952 wurde in den Komoren (eine zwischen Südafrika und Madagaskar glegene Inselgruppe) der zweite "offizielle" Quastenflosser gefunden. Ich schreibe "offiziell", da die einheimischen Fischer ihn natürlich kannten. In einem Coup gelang es JLB Smith, den Fisch nach Südafrika zu bringen, sehr zum Ärger der Franzosen, denen damals die Komoren gehörten, und die gerne selbst im Mittelpunkt der weltweiten Aufmerksamkeit gestanden hätten. Auch sie versprachen Fangprämien, vor allem auch für einen lebenden Fisch, aber sie nach dem Fang am Leben zu erhalten, erweist sich als unmöglich.


    Es bleiben also viele offene Fragen, die Lebensgewohnheiten der Quastenflosser betreffend. Selbst die Frage, ob sie Eier legen oder aber lebend gebären, war lange ungeklärt. (Zweiteres ist der Fall.) Die Fische vor Ort zu beobachten war nicht möglich, da sie in Tiefen von 160-200 Metern leben. Das änderte sich erst dank des Deutschen Hans Fricke, der mit selbst entwickelten Forschungs-U-Booten erstmals Quastenflosser in ihrem natürlichen Habitat beobachten konnte.


    Fricke erforschte über Jahre hinweg die Quastenflosserpopulation - anhand der individuell angeordneten Flecken auf deren Körpern konnte er einzelne Fischindividuen identifizieren - und entwickelt nach und nach Befürchtungen, was die Anzahl der Fische anging. Wurde "im Namen der Wissenschaft" - denn jedes Naturkundemuseum, das etwas auf sich hielt, wollte einen Quastenflosser ausstellen können - und um die Staatskasse der gerade unabhängig gewordenen, armen Komoren aufzufüllen - die Fische wurden teuer verkauft - eine sensationell ungewöhnliche Fischgattung ausgerottet? Es entwickelt sich eine Quastenflosserschutzbewegung und die Fische werden schließlich in den Anhang 1 des Washingtoner Artenschutzübereinkommen, der den Handel mit den Tieren verbietet, aufgenommen.


    Zu einer weiteren wissenschaftlichen Sensation kommt es 1997, als nahe der indonesischen Insel Sulawesi weitere Quastenflosser gefunden werden. Diese sind ihren komorischen Verwandten zwar sehr ähnlich, gelten aber dennoch als eine andere Art der Gattung Latimeria.


    Dieses Buch habe ich innerhalb eines Tages verschlungen. Zwar wurde für meinen Geschmack stellenweise zu viel über das Privatleben der handelnden Personen erzählt, aber die Geschichte an sich war gut geschrieben und unendlich spannend. Langeweile konnte bei dieser faszinierenden Geschichte nicht aufkommen. So mancher Roman sollte sich an diesem Buch ein Beispiel nehmen! Negativ anzumerken habe ich ein paar Unreinheiten in der schwedischen Übersetzung (wie es mit der deutschen aussieht, kann ich nicht sagen), sowie die Tatsache, dass das Buch 1999 erschienen ist, die letzten 25 Jahre Quastenflossergeschichte also fehlt. Aber das kann ich Weinberg natürlich nicht vorwerfen.


    4ratten

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    Ich habe dieses im Original 2016 erschienene Buch in der schwedischen Übersetzung von Maria Björkman unter dem Titel "Våldets vändkrets" (wörtlich übersetzt "Der Wendekreis der Gewalt") gelesen.


    Moïse wurde mit einem braunen und einem grünen Auge geboren - für seine junge Mutter ist er damit von einem Dschinn besessen. Sie flieht von einer Komoreninsel zu der französischen Insel Mayotte und überlässt den Säugling einer weißen Krankenschwester, die ihn aufzieht, bis sie plötzlich stirbt. Moïse, zu der Zeit 14, schließt sich einer Straßengang an, angeführt von Bruce, "dem König von Gaza", dem großen Slum von Mamoudzou, der Hauptstadt Mayottes. Dort leben die Menschen, viele von ihnen illegale Einwanderer von den Komoren, in extremer Armut. Besonders schlimm sind die Lebensbedingungen der vielen, vielen elternlosen Kinder, die versuchen irgendwie zu überleben. Gewalt, Verbrechen, Alkohol und andere Drogen sind dabei an der Tagesordnung. Ein schwieriges Pflaster für den so behütet aufgewachsenen Moïse, besonders als sich der von Anfang an existierende Konflikt mit Bruce verstärkt.


    Dies dürfte das erste meiner Bücher gewesen sein, das auf Mayotte spielt. Ich lese gerne Bücher, die von den Lebensbedingungen in anderen, mir unbekannten Gegenden der Welt spielen, und hier wurde ich nicht enttäuscht. Das Leben auf dieser im indischen Ozean gelegenen Insel wird sehr lebendig. Hart und brutal geht es dort zu, der Kampf ums Überleben ist für einen Großteil der Einwohner eine tagtägliche Herausforderung. Inhaltlich also perfekt für mich!


    Noch besser wird das Buch durch seine Erzählperspektiven. Eine Handvoll von Personen - bis auf Moïses Ziehmutter alle männlich - wechseln sich ab, und erzählen jeweils in der Ich-Form den Teil von Moïses Leben, in den sie selbst verwickelt sind. Sprachlich ist das zumindest in der schwedischen Übersetzung hervorragend wiedergegeben; die verschiedenen Personen bekommen jeweils ihre eigene Stimme. Spannung ist reichlich vorhanden, auch wenn man frühzeitig ahnt, dass es wohl zu keinem guten Ende führen kann. Aber wie das aussehen wird ist unvorhersehbar.


    Fazit: Gerne mehr von Appanah.


    4ratten+ :marypipeshalbeprivatmaus:

    Leider habe ich auch einen Kritikpunkt: Schon im zweiten Kapitel bekomme ich Schwierigkeiten mit den saloppen Formulierungen. In Schreibers Instagram Posts passt dieser lockere Tonfall, im Buch wird es mir zu viel. Wenn ein Absatz, in dem es um die Intelligenz von Stadttauben geht, mit “So! Nämlich.” endet, muss ich kurz mit den Augen rollen. Ich versuche inzwischen, diese Einschübe zu ignorieren und mich nicht als “zu alt für die Zielgruppe” zu fühlen. Seufz. ;)

    Schade. Damit ist das Buch für mich weg vom Tisch - ich bin nämlich definitiv zu alt für solche Formulierungen in einem Sachbuch.

    Ich habe das auf Deutsch nur antiquarisch erhältliche Buch in der schwedischen Übersetzung von Fanny Alving unter dem Titel "Drottning Gåsfot" ("Königin Gänsefuß") gelesen.


    Der Ich-Erzähler Jacques, aufgewachsen in der elterlichen Bratküche, wo er seinem Vater als Bratspießdreher zur Hand geht, wird von dem den Frauen und Wein allzu zugeneigten Abbé Jérôme Coignard in Latein, Griechisch und Christentum unterrichtet. Eines Tages werden Coignard und Jacques von dem Alchemisten und Kabbalisten Herrn von Astarac engagiert, um einige griechische Texte aus dessen gigantischer Bibliothek zu übersetzen. Astarac glaubt an die Existenz von Sylphen und Salamandern, Geistwesen, die echten Philosophen wie natürlich ihm gerne in verschiedenster Art behilflich sind. Coignard zweifelt an deren Existenz, und das tut auch Jacques, nachdem sich die Salamanderin, die ihm im Halbschlaf begegnet als echte, lebende Frau erweist. Überhaupt entdeckt er gerade die Vorzüge des weiblichen Geschlechts, wobei er (natürlich) wenig wählerisch ist.

    Nach einigen amourösen Verwicklungen mit Todesfolge müssen Coignard, und Jacques zusammen mit einem weiteren Adligen und der Nichte eines von Astarac angestellten Juden fliehen. Wie schon in der Einleitung des Buches festgestellt, wird Coignard die Flucht nicht überleben.


    Angeblich soll dieser 1892 erschienene pikareske Roman zu den populärsten Romanen von France gehören. Da dies mein erstes Buch von ihm ist, kann ich es nicht mit anderen Werken aus seiner Feder vergleichen. Anfangs fühlte ich mich recht gut unterhalten und war angetan von der leicht altmodischen Sprache, aber im Verlauf der Lektüre gingen mir sowohl die Liebesabenteuer des Jünglings als auch die immer wieder eingestreuten philosophischen Ergüsse Coignards zunehmend auf die Nerven. Zwar stellenweise recht humorvoll, aber überwiegend doch gähnend langweilig - so möchte ich die Wirkung des Romans auf mich zusammenfassen. Möglicherweise versteckt sich in den Auslegungen des Abbé das eine oder andere Korn, die eine oder andere Spitze gegen Kirche und Denker, aber nichts treibt mich dazu, dem genauer nachzugehen.


    2ratten+ :marypipeshalbeprivatmaus: