Beiträge von creative

    Adrian Weynfeldt ist der letzte Spross einer großbürgerlichen, finanziell sehr gut gestellten Familie. Er selber ist unverheiratet, seine große Liebe Daphne verstarb bei einem Autounfall kurz nachdem die Beziehung beendet wurde. Seine Eltern sind bereits gestorben. Sein Leben ist ganz der Kunst gewidmet, auch im Privaten verbringt er die Zeit, wenn nicht alleine, mit den betagten ehemaligen Freunden seiner Eltern oder mit jungen (Möchtegern-)Künstlern, die sich bestens darauf verstehen, seine Großzügigkeit, seine Gutgläubigkeit und vor allem seine finanziellen Mittel und seine bedeutenden Beziehungen im Kunstmilieu auszunutzen.
    Eines Abends tritt Lorena in sein Leben, eine Frau, die ihn an seine unvergessene Daphne erinnert. Als er am nächsten Morgen Lorena von einem Selbstmordversuch abhalten kann, wird er eher ungewollt verantwortlich für deren Leben.


    Martin Suter erweist sich als Meister der deutschen Sprache. Sehr treffend, feinzüngig und voller Ironie skizziert Martin Suter den Charakter des Kunstmäzens Adrian Weynfeldt, sowie das Künstlermilieu im Allgemeinen. Eingebettet in den ihm ererbten guten Namen und materiellen Reichtum führt er ein sehr bequemes Leben. Nach außen hin oberflächlich, kumpelhaft und fast schon naiv erkennt er sehr wohl die Zusammenhänge und weiß auch, warum die Freundschaften zu ihm aufrecht erhalten werden. Doch er will nicht anecken, nicht auffallen, er genießt es, von allen geliebt zu werden und so spielt er den freigebigen Gönner. Die neue Bekanntschaft Lorena schafft es beinahe, dieses Leben aus den Fugen und ihn in den Dunstkreis von Kunstfälschung geraten zu lassen. Die Story selber war absehbar, das Ende fand ich persönlich etwas zu platt, doch habe ich die paar Stunden in der Welt des Adrian Weynfeldt sehr genossen.


    4ratten


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    Als Joanna Hunter sechs Jahre alt war, wurden vor ihren Augen ihre Mutter, ihre ältere Schwester und ihr kleiner Bruder grauenvoll ermordet. Das kleine Mädchen konnte sich retten, indem sie vor dem Verbrecher davonlief.
    Inzwischen ist Joanna Hunter Mitte 30, Ärztin, verheiratet und Mutter eines kleinen Sohnes. Traumatisiert von diesem schrecklichen Erlebnis in ihrer Kindheit versucht sie, sich eine eigene Familienidylle aufzubauen, was ihr auch recht gut gelingt. Doch der insgeheime Vorwurf damals nicht alles versucht zu haben, um ihren kleinen Bruder zu retten, überschattet ihr Leben.
    Als – nach 30 Jahren Haft – der Mörder ihrer Familie wieder auf freien Fuß gesetzt wird, wird Joanna Hunter von ihrer Vergangenheit eingeholt. Sie verschwindet unter sehr mysteriösen Umständen. Der Hartnäckigkeit ihres Kindermädchens Reggie – das ebenfalls eine sehr schwierige Kindheit hinter sich hat und sehr an Dr. Hunter hängt - und dem Einsatz des Detektives Jackson Brodie sei Dank, dass Mrs. Hunter wieder ihren Platz in der Welt findet.
    Was vorerst als Kriminalroman anmutet, entpuppt sich jedoch als weitschweifender Roman über die Einzelschicksale mehrerer Protagonisten, die alle schwere Verluste und menschliche Tragödien zu beklagen haben. Die Fäden der vorerst parallel geführten Handlungen kreuzen sich im Laufe des Buches immer mehr und führen letztendlich zusammen. Der Erzählstil auf mehren Zeitebenen lässt dem Leser oftmals einen „Vorsprung“ und wird ein- und dieselbe Szene im nächsten Kapitel aus einer anderen Sicht geschildert.
    Obwohl der Roman über weite Strecken hin sehr spannend ist, würde ich ihn nicht unbedingt als „Kriminalroman“ einordnen. Selbst Detektiv Jackson Brodie wird weniger in seiner Rolle als Privatdetektiv, als vielmehr in der Rolle eines Menschen, dessen Schwester einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist, beleuchtet. Ich habe mich deshalb für die Kategorie "sonstige Belletristik" entschieden.


    „Lebenslügen“ ist nach „Die vierte Schwester“ (2005) und „Liebesdienste“ (2007) der dritte Roman rund um Detektiv Jackson Brodie. Ich kenne die beiden Vorgänger-Bücher nicht und meine auch, dass es für das Verständnis von „Lebenslügen“ nicht unbedingt erforderlich ist.


    Kate Atkinson, geb. 1951 in York, studierte Englische Literatur und Amerikanistik an der Universität in Dundee. Nachdem sie in verschiedenen Berufen arbeitete begann sie in den 1980-er Jahren mit dem Schreiben. Mit ihrem Roman „Familienalbum, 1995) gelang ihr der große Durchbruch. Sie lebt mit ihren beiden Töchtern in Edinburgh.


    3ratten


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    "Das Evangelium nach Pilatus" hat mir sehr, sehr gut gefallen! Nach "Oskar und die Dame in Rosa" meiner Meinung nach sein bestes Buch.
    "Monsieur Ibrahim..." hat mir auch sehr gut gefallen, überhaupt haben mir in diesen Büchern die philosophischen Ansätze sehr gut gefallen. Allerdings hat er das in "Die Schule der Egoisten" meiner Meinung nach "übertrieben". "Milarepa" hat mir persönlich dann den Rest gegeben, mit dem konnte ich gar nichts anfangen und brauchte dann mal eine Pause von Schmitt. :rollen:

    „Am darauffolgenden Tag starb niemand.“ Mit diesem Satz beginnt José Saramago sein neuestes Gedankenexperiment. Was wäre, wenn nicht mehr gestorben wird? Die anfängliche Euphorie weicht schon bald den anstehenden Problemen und fordert Politik und Gesellschaft heraus, denn jede Sonnenseite hat auch eine Schattenseite, in diesem Fall sogar mehrere. Die Wirtschaft zeigt sich als erfinderisch, so bemühen sich Bestattungs- und Versicherungsunternehmen um ein neues Standbein, Krankenhäuser und Pflegeheime sind völlig überfordert, von der Politik werden Lösungen gefordert und auch die Kirche hat plötzlich akuten Erklärungsbedarf …


    Nach 7-monatiger Pause kehrt der Tod zurück. Mittels Schreiben an den Fernsehintendanten des Landes verkündet der Tod – in diesem Fall in weiblicher Gestalt namens „die tod“ - zurückzukehren und ab nun die Menschen eine Woche vor dem Ableben in Form eines Briefes auf violettem Papier vorzuwarnen, damit noch sämtliche Angelegenheiten auf Erden erledigt werden können. Doch auch diese Variante stößt die Menschen in Chaos und Angst.


    Gekonnt und gewohnt stilsicher – in verschachtelten Sätzen und ohne Redezeichen - manövriert Saramago den Leser in dieses namenlos bleibende Land ohne Tod, das beliebig jedes Land der sogenannten „zivilisierten Welt“ sein kann und wird nicht müde, seiner ironisch-zynischen, unerbittlichen Kritik an Politik, Bürokratie und an der „zivilisierten“ Gesellschaft insgesamt Luft zu machen und dem Leser einen Spiegel vorzuhalten.


    Eine großartige Idee wurde zu einem großartigen Buch verarbeitet, das zwar etwas schwerfällig zu lesen ist, dessen Lektüre aber unbedingt lohnt!



    5ratten


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    Erika Pluhar - Verzeihen Sie, ist das hier schon die Endstation?


    Nelly Tomasova, Tschechin, „am Ende der besten Jahre“, Sekretärin in einem kleinen Theater in Prag besucht zum ersten Mal Wien, die Heimatstadt ihrer Mutter. In der Straßenbahn fragt sie einen älteren Herrn, Rudolf Smelik, nach der Endstation der Linie. Aus diesem zufälligen Kontakt ergibt sich ein Gespräch, das bis in die Morgenstunden des nächsten Tages andauern sollte.
    Sind es vorerst nur Belanglosigkeiten und alltägliche Nettigkeiten, die die beiden austauschen, über die gemeinsame Liebe zur Kunst und zum Theater vertieft sich das Gespräch immer mehr und legen beide ihre - sehr bewegten - Lebensgeschichten offen. Die Reise in die Vergangenheit führt in das Prag der Vor-Wende-Zeit ebenso wie nach Afrika in die Sahel-Zone. Längst verdrängte Erlebnisse, Konflikte und Gefühle werden ausgesprochen und aufgearbeitet, aus anfänglicher Scheu und Scham wird ein tiefgreifendes Gespräch zweier einsamer, verwandter Seelen, die einander unvoreingenommen zuhören können.


    Das Buch ist in einem einzigen Dialog geschrieben, auf einen Erzähler wird verzichtet, die Rahmenhandlung ergibt sich aus dem Gespräch.


    Ein ruhiges, ein sehr sensibles Buch, ein Buch das mich sehr tief berührt hat!



    Erika Pluhar , geb. 1939 ist eine österreichische Schauspielerin, Sängerin und Autorin.


    4ratten:marypipeshalbeprivatmaus:


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    Ich habe das Buch ja lange genug vor mich "hergeschoben" - einerseits hat mich der Seitenumfang von 800 Seiten etwas abgeschreckt, andererseits klingt ja auch der Klappentext nicht gerade umwerfend .... ich habe das Buch mit in den Urlaub genommen und dort nahezu verschlungen. Den obigen Rezensionen kann ich mich nur anschließen, es wurde eigentlich schon alles gesagt. Zudem möchte auch ich betonen, dass dieses Buch - trotz der 800 Seiten - an keiner Stelle langweilig ist.


    Es liest sich recht flott, 100 Seiten sind binnen kürzester Zeit absolviert und so gesehen erscheint der Seitenumfang gar nicht mehr so abschreckend. Mich haben die Schilderungen dieser unvorstellbaren Armut, dieser unbeschreiblichen Zustände zutiefst berührt. Ich habe das Gefühl, dass nur einer, der es selber erlebt hat, so schreiben und beschreiben kann. Vergleicht man die Biografie des Autors mit dem Lebensweg des Bela, so scheint die Vermutung nahe liegend, dass Szekely eigene Erlebnisse eingeflochten hat. Und dennoch würde ich das Buch nicht als "trist" bezeichnen. Immer wieder blitzen Hoffnungsschimmer durch und man bangt und hofft mit Bela, dass sich der Kampf lohnt, dass er letztendlich nicht ganz Opfer der Umstände wird und dass vielleicht doch irgendwo eine Person auftaucht, die es "gut" mit ihm meint. Überdies erfährt man viel Interessantes und Wissenswertes über die politischen/gesellschaftlichen Zustände im Ungarn der Zwischenkriegszeit!


    Ein ganz tolles Buch, ein Lesehighlight 2008!


    5ratten

    Ich sehe diese "Fortsetzung" auch eher skeptisch und werde sie wahrscheinlich nicht lesen. Das Besondere an diesem Buch war der Stil, die Form. Alles andere war weder neu noch spektakulär. Deshalb vermute ich auch in der Fortsetzung einen "lauwarmen" Aufguss, mal sehen, was die Kritiken sagen!

    Ich habe die Sendung "Druckfrisch" damals auch gesehen. Es ging aber - soweit ich mich erinnere - weniger um das Buch (als Empfehlung oder Kritik) als vielmehr um die Person der Siri Hustvedt. Sie kam sehr charismatisch, sympathisch und humorvoll rüber! Sie hat sehr viel Autobiografisches in dieses Buch einfließen lassen.

    @Dorsi :breitgrins:


    Die Handlung war ähnlich, auch stilistisch konnte man das Können der Hustvedt zumindest passagenweise erkennen. "Was ich liebte" empfand ich als eine Komposition, durchdacht, authentisch und hervorragend gezeichneten Charakteren. Genau das habe ich bei "Die Leiden eines Amerikaners" vermisst. Es tauchen viele Personen auf, die kaum einen Bezug zur Handlung hatten und genauso schnell wieder verschwanden. Die Protagonisten selber blieben mir bis zum Schluss fremd, zu ihnen konnte ich überhaupt keine Beziehung aufbauen, schon gar nicht "mitleiden".


    Ich erinnere mich, dass das Buch sehr vielversprechend begann, doch nach und nach verloren sich die Handlungsstränge im Nirgendwo. Aber ich will hier niemanden vom Lesen abhalten, bildet euch selber eine Meinung!!

    Bisher habe ich nur "Was ich liebte" und "Die Leiden eines Amerikaners" gelesen. Wie man meiner Rezi entnehmen kann, hielt sich meine Begeisterung für Letzteres eher in Grenzen. "Die unsichtbare Frau" subt bei mir noch, aber mein bisheriger Favorit bleibt einstweilen "Was ich liebte"

    Auf oben genannter Homepage hat Jelinek auch einen Text mit dem Titel Im Verlassenen ( Aktuelles - 2008 ) reingestellt betreffend die unfassbaren Geschehnisse in Amstetten. Sehr lesenswert!

    Ich bereue die Lektüre keineswegs! E.-E. Schmitt KANN schreiben, das hat er ja auch bereits in vielen anderen Büchern bewiesen. Die Thematik ist sehr interessant, meine Kritik bezieht sich eigentlich eher auf jenen Teil, in dem das Leben des Adolf H. beschrieben wird. Hier hätte ich mehr etwas mehr erwartet. Ansonsten ist das Buch jedenfalls empfehlenswert!!

    Bernhard Schlink gerät in diesem Buch vom Hundertsten ins Tausendste, vielleicht greift er ein wenig zu viele Themen auf, vielleicht werden zu viele Schauplätze besucht, vielleicht spielt der Zufall eine zu große Rolle. Alles wirkt ein wenig konstruiert - Dinge, die mich normalerweise sehr stören. Doch bei diesem Buch nicht. Dieses Buch hat mich auf ganz eigene Art richtiggehend gefesselt.
    Schlink hat eine ganz besondere Gabe, Dinge, Atmosphäre und Gedanken auszudrücken ohne sie direkt in Worte zu fassen. Der rote Faden der "Heimkehr" - in welchem Zusammenhang auch immer - zog sich konsequent durch das Buch, sodass ich nie das Gefühl hatte, dass sich die Geschichte verliert.
    Einzig über die Botschaft, die Schlink ganz offensichtlich transportieren will, bin ich mir noch nicht im Klaren. Da ist mir die Story ein wenig zu offen, manche Gedanken nur angedeutet und nicht "fertig gedacht" - aber es kann und sollte vielleicht auch dem Leser überlassen werden.


    Für mich ein sehr lesenswertes Buch, das sich trotz der sehr ernsthaften, nachdenklichen Thematik und der vielen philosophischen Ansätze überraschenderweise sehr rasch liest.


    4ratten

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    8. Oktober 1908: "Adolf Hitler durchgefallen." Ein einzelner Satz steht am Anfang der Katastrophe, die ein Jahrhundert erschüttert hat. Was aber, wenn die Aufnahmekommission der Wiener Kunstakademie damals anders entschieden hätte? Was, wenn der zwanzigjährige Aspirant, der sich prächtig aufs Kollorieren von Architekturpostkarten verstand, tatsächlich Maler geworden wäre? Könnte es sein, daß dieser junge Mann etwas mit uns zu tun hätte? Rückhaltlos und ohne Scheuklappen wirft Eric-Emmanuel Schmitt in seinem neuen, bislang umfangreichsten Roman die verstörende Frage nach den Bedingungen auf, die einen Menschen zu dem machen, was er ist. Parallel zu der Geschichte des Diktators Adolf Hitler erzählt der Erfolgsautor eine Lebensgeschichte im Konjunktiv, die Biographie des Kunstmalers Adolf H., in der ein Mensch sich unter der humanen Gewalt der Kunst zu einem uns Unbekannten entwickelt. Adolf H. Zwei Leben ist nicht nur eine tiefsinnige Reflexion über das Verhältnis von Kunst und Politik, Genie und Wahnsinn, es lädt uns auch dazu ein, über das Ungeheuer nachzudenken, das in jedem von uns selbst wohnt.


    Die Idee der Story finde ich sehr gut - "was wäre wenn ...." ist ein guter Aufhänger, der neugierig macht und den eigenen Gedanken natürlich auch freien Lauf lässt. Und die These bezieht sich nicht nur auf die Person des Adolf Hitler, sondern auf das gesamte 20. Jahrhundert.


    Hitlers "wahre" Geschichte fand ich sehr beeindruckend, sehr gut erzählt. Hitler wird nicht NUR als grausam und böse beschrieben, Hitler "menschelt" in der einen oder anderen Form, und v.a. ist Hitler zutiefst einsam und voller Komplexe. Verharmlosend finde ich das nicht, diesen Teil (jedes 2. Kapitel) habe ich mit großem Interesse und großer Spannung gelesen.


    Anders erging es mir leider mit der Geschichte des Adolf H. Dieser ist "normal", ein bedeutender Künstler, ein Freund der Juden (er heiratet sogar eine Jüdin), hat 2 Kinder, muss Schicksalsschläge einstecken, doch geht seinen Weg.


    Ich zweifle zutiefst daran, dass sich die Geschichte auch nur annähernd so hätte zutragen können. Schmitt suggeriert mir indirekt, dass Hitler nur aufgrund der "widrigen Umstände (sprich: böser Vater, zu früh verstorbene Mutter, Misserfolg in der Kunstakademie, sexuelle Komplexe, usw) zu dem geworden ist, was er wurde. Dem muss ich doch zutiefst widersprechen, denn es bedeutet einen Freibrief für alle, die "Pech" im Leben hatten.


    Zudem fand ich die Story des Künstlers Adolf H. sehr langatmig, uninteressant, farblos. Etwas gekürzt, etwas prägnanter hätte dem Buch meiner Meinung nach gut getan. Alleine die wirklich gut geschriebenen und sehr gehaltvollen letzten Kapitel (rund um Heinrich, Israel etc.) werten diese Geschichte auf.


    Dass "in jedem von uns" ein kleiner Hitler steckt, diese These vermittelt Schmitt recht glaubwürdig, ebenso interessant fand ich die These vom altruistischen und vom egozentrischen Diktator.


    Sehr interessant zu lesen fand ich das angehängte "Arbeitstagebuch", in dem E.E.Schmitt seine Gedanken, Motivationen und auch seinen "persönlichen Leidensweg" während des Schreibens rund um das Buch niederschrieb.


    Meine Beurteilung schwankte während des Lesens zwischen 2 Sternen n (für den langweiligen/-atmigen Mittelteil in Sachen Adolf H.) und 4 Sternen für den absolut gelungenen Schluss.


    3ratten


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    Das Buch ist vielleicht kein ganz großer literarischer Wurf,


    Natürlich, aber in Anbetracht, dass es "buchstabiert" wurde - im wahrsten Sinne des Wortes - vielleicht doch?


    Es beschäftigte mich nicht nur damit, wie ich selber mit damit umgehen würde, sondern auch, wie allgemein mit diesen Patienten umgegangen wird. Wieviel bekommen (Wach-)Koma Patienten mit? Nichts - oder vielleicht doch alles??

    Jean-Dominique Bauby, Chefredakteur des Magazins „Elle“ erlitt im Jahr 1995 43-jährig einen Gehirnschlag und war von da an vollständig gelähmt, unfähig zu sprechen, zu schlucken oder auch nur irgendeine Bewegung zu machen – mit Ausnahme seines linken Augenlides. Und das bei vollem Bewusstsein. „Locked-In-Syndrom“ nennt man diese „Gefangenschaft“ eines wachen Geistes in einem gelähmten Körper. Der Körper ist eingesperrt wie in eine Taucherglocke, der Geist ist frei wie ein Schmetterling.


    Das Blinzeln war sein einziges Tor zur Außenwelt und mithilfe eines ausgeklügelten Spezialalphabetes – geordnet nach der Häufigkeit der Buchstaben in französischen Wörtern – diktiert er der Lektorin Claude Mendibil alles, was ihn bewegt, von der Alltagsroutine im Krankenhaus, dem Verhalten der Besucher, das Heranwachsen seiner Kinder, seinem eigenen bisherigen Leben bis hin zu Gedanken über die Zukunft. In seinen Ausführungen ist kein Platz für Sentimentalitäten, noch weniger für Selbstmitleid oder Bitterkeit. Ganz im Gegenteil. Viel Humor und Sarkasmus, eine erstaunliche Beobachtungsgabe und Wahrnehmungsschärfe sowie der vermittelte Lebensmut machen dieses Buch zu einem ganz besonderen Juwel!
    Nur 3 Tage nach der Veröffentlichung des Buches starb Jean-Dominique Bauby am 9. März 1997.


    Das Buch wurde 2007 von Julian Schnabel verfilmt. Der Film „Schmetterling und Taucherglocke“ erhielt bei den Filmfestspielen in Cannes den Preis für die beste Regie, sowie 2 Golden Globes. Er läuft derzeit in den Kinos.


    5ratten


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    Siri Hustvedt
    Die Leiden eines Amerikaners
    OT: The Sorrows of an American
    416 Seiten
    ISBN 978-3498029852



    Auch in ihrem neuen Roman entführt uns Siri Hustvedt – wie schon in ihrem Bestseller „Was ich liebte“ - in die Künstlerszene von New York. Waren es einst die Maler, so finden wir uns in „Die Leiden eines Amerikaners“ in der Welt der Schriftsteller – direkt und indirekt - wieder.


    Der Icherzähler Erik ist Psychiater und geschieden. Er ist eine sehr sensible Person und daher gehen ihm die Probleme seiner Patienten oft näher als ihm lieb ist. Auch der Tod seines kürzlich verstorbenen Vaters nagt an ihm. Gemeinsam mit seiner Schwester Inga, die den Verlust ihres Gatten, des Schriftstellers Max, verarbeiten muss, macht er sich daran, den Nachlass des Vaters zu durchstöbern. Dabei stoßen sie auf ein Konvolut von Briefen, die tieferen Einblick in das bewegte Leben des Vaters – eines Nachkommen norwegischer Einwanderer – geben. Die Reise in die Vergangenheit des Vaters ist zugleich eine Reise in die Geschichte der USA .
    Gekonnt verknüpft Hustvedt die Vergangenheit mit der Gegenwart, spielt mit Zeitebenen und Schicksalen. Im Mittelpunkt stehen Menschen und ihre Beziehungen zueinander. So wird Eriks neu zugezogene Nachbarin, die alleinerziehende Miranda mit ihrer Tochter Eglatine, von ihrem Ex-Mann wie von einem Stalker beobachtet, Eriks Nichte Sonia trägt seit dem 11. September Ängste und traumatische Gefühle mit sich und ist unfähig, darüber zu sprechen. Die Personen in Hustvedts Roman haben allesamt Verluste erlitten und versuchen, durch das Aufspüren der eigenen Wurzeln diese Verluste zu verarbeiten und eine eigene Identität zu finden.


    Nüchtern, sachlich und ehrlich beschreibt Hustvedt ihre Personen. Die Charaktere sind keine Helden, auf Effekte und Überraschungsmomente wird verzichtet. Liebhaber von komplexen, ruhigen Familiengeschichten werden an diesem Buch Freude haben.


    3ratten


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    Ich kam vor einiger Zeit in den Genuss des Hörbuches und kann mich Papyrus' Eindruck nur anschließen. Eine sehr anrührende Geschichte, ohne Sentimentalitäten. Ein Genuss, nicht nur für Hundebesitzer!

    4ratten

    Ich habe das Buch nun auch beendet und stehe dem Gelesenen fast fassungslos gegenüber.


    Ich hatte extreme Probleme mit Eva, der Mutter von Kevin. Unter diesen Voraussetzungen eine Mutterschaft einzugehen halte ich für fast fahrlässig, wäre es wohl besser gewesen, sie wäre kinderlos geblieben. Ihr Verhalten fand ich auf weite Strecken hin ebenfalls unverständlich, wie kann ein erwachsener Mensch nur so egoistisch, egozentrisch, unnachgiebig und eigensinnig sein. Für eine Mutterschaft die denkbar schlechtesten Voraussetzungen! Dass nun Kevin ein so schwieriges Kind ist, schreibe ich schon dem Verhalten und der Einstellung von Eva zu, ich kann eigentlich nicht glauben, dass ein Kind von Grund auf böse ist.


    Dieses Buch wirft sehr viele kritische Fragen auf. Inwieweit ist die Erziehung schuld? Kann man als Eltern so etwas verhindern? - Ich bin normalerweise seeeehr vorsichtig damit, den Eltern die Schuld zu geben, wenn ein Kind auf die falsche Bahn gerät, so viele Einflüsse entziehen sich der elterlichen Aufsicht. Doch in diesem Fall bin ich fast schon geneigt zu sagen, dass Eva und auch Franklin zumindest eine Teilschuld trifft. Aber im Nachhinein ist man immer klüger.


    Das Buch ist sehr realistisch geschrieben, es hätte sich in der Tat so zutragen können. Mir gefällt, dass sich die Schriftstellerin nicht der gängigen Klischees bedient sondern sogar mit diesen "aufräumt". So distanziert sie sich davon, dass gewalttätige Filme und Computerspiele die Wurzeln allen Übels sind oder dass der Privatbesitz von Waffen solche Taten fördert. Es sind vielmehr die Langeweile, die Übersättigung an Dingen, das Fehlen von Herausforderungen, was Kevin zu dieser Tat schreiten ließ.


    Insgesamt habe ich das Buch recht gerne gelesen, wenn es auch für mich ein bisschen "zu amerikanisch" - sprich "fast hysterisch" war. Manche Wiederholungen (v.a. die Schilderung der vielen Amokläufen in div. Schulen) hätte man sich vielleicht sparen können, das Buch wäre dadurch etwas straffer, aber es ist ansonsten durchaus sehr lesenswert!


    3ratten:marypipeshalbeprivatmaus: