Beiträge von creative

    Ich denke auch, dass es mit diesem Beitrag in Stern-TV zusammenhängt. War übrigens sehr interessant. Man kann wirklich sagen, die Drogen haben ihr Leben zerstört. Denn auch jetzt noch - so lange Zeit später - hat der Kampf noch immer nicht aufgehört.

    Der Kunsthistoriker Max Morden kehrt an jenen Ort zurück, mit dem er aufregende und unbeschwerte, tiefschürfende und sehr prägende Erinnerungen verbindet: das Haus am Meer.
    Er hat erst vor kurzem seine geliebte Frau Anne nach einem Jahr des Kampfes gegen den Krebs verloren. Um die Trauer zu bewältigen, den unendlichen Verlust zu verarbeiten ruft er Kindheitserinnerungen wach, in denen vor allem die etwas unkonventionelle Familie Grace eine große Rolle spielt. Doch mit dieser Reise in die Vergangenheit werden auch alte Wunden aufgerissen.


    Herausragend – weil unbeschreiblich kunstvoll, ergreifend und wortgewaltig – ist der Stil dieser Erzählung. Banville jongliert mit verschiedenen Zeitebenen, lässt detailreiche Beschreibungen und kurze Momentaufnahmen von Landschaften, Gerüchen, Gefühlen und Personen einfließen, ohne auch nur an einer Stelle in Sentimentalitäten oder Gefühlsduseleien zu verfallen und fügt so das Lebensbild des Max Morden im Laufe der Erzählung mosaikartig zusammen. Max Morden ist keine sympathische Figur, er ist ich-bezogen, eitel und starrköpfig. Und doch bringt man Verständnis für ihn auf und begleitet ihn gerne auf seinem Weg zu einer Erkenntnis, die auf den letzten Seiten offenbart wird.
    Nicht zuletzt vermitteln die wunderbaren Beschreibungen des Meeres anhand vieler Metaphern die Vergänglichkeit des Lebens, die Bedeutung von Gegenwart und Vergangenheit, das Zusammenspiel von Liebe und Leiden.


    Ein ruhiges Buch, ein stimmiges Buch, ein Buch, das den Leser sehr nachdenklich zurücklässt. Äußerst empfehlenswert!


    Der Ire John Banville, geb. 1945, erhielt für diese „meisterhafte Studie über Trauer und erinnerte Liebe“ (Jury) den Man Booker Prize 2006.


    5ratten


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    Das Taschenbuch erscheint im März 2008:

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    Ich war auch sehr enttäuscht von "Die Arbeit der Nacht" und deshalb überrascht mich Dein Fazit überhaupt nicht.


    Auch dort ging es in erster Linie um eigene Befindlichkeiten eines Egoisten. Und das interessierte mich auch nicht. Und wie ich Deiner Rezi entnehme, ist es bei "Das bin doch ich" genauso, vielleicht sogar noch verstärkter.


    Aber ich kann Dich beruhigen: Es gibt durchaus sehr empfehlenswerte Bücher des Deutschen Buchpreises! (z.B. Arno Geiger "Es geht uns gut" oder "Böse Schafe" von Katja Lange-Müller!

    Cunningham beschreibt in diesem Buch jeweils einen Tag im Leben von 3 Frauen in den Jahren 1923, 1949 und am Ende des 20. Jahrhunderts, die alle durch Virginia Woolfs „Mrs. Dalloway“ miteinander verbunden sind.


    1923 in Richmond, einem Vorort von London: Virginia Woolf schreibt den ersten Satz ihres Buches – das später „Mrs. Dalloway“ heißen wird – nieder: „Mrs Dalloway sagte, sie wolle die Blumen selber kaufen.“ Die Schriftstellerin ist auf der ständigen Flucht vor ihren Kopfschmerzen und vor dem Hören von Stimmen, die sie allmählich um den Verstand bringen. Aus diesem Grund überredete sie ihr Mann Leonard, die pulsierende Hauptstadt London zu verlassen um in Richmond zu mehr Ruhe und Erholung zu kommen. Doch Virginia ist unglücklich in Richmond, sie sehnt sich nach London zurück. Während sie die Vorbereitungen für den Besuch ihrer Schwester trifft, kreisen ihre Gedanken ständig um ihre Protagonistin Clarissa Dalloway und feilt sie den ganzen Tag am Konzept dieses neuen Werkes.


    Laura Brown ist mit dem liebevoll-biederen Kriegsveteranen Dan verheiratet und lebt mit ihrem sehr anhänglichen 3jährigen Sohn Ritchie im Los Angeles des Jahre 1949 und erwartet ihr zweites Kind. Nach außen hin muss sie sich zwingen, die von ihr erwartete Rolle als treusorgende Mutter und pflichtbewusste Hausfrau zu spielen. Doch nur sich selber gesteht sie ein, wie unbefriedigend dieses Leben für sie ist. Ihre Liebe gilt den Büchern und nimmt sie die Unpässlichkeiten ihrer Schwangerschaft zum Vorwand, um noch ein wenig länger als normal im Bett zu bleiben und Virginia Woolfs „Mrs. Dalloway“ zu lesen, der sie sich innerlich sehr verbunden fühlt. Eine enorme Todessehnsucht prägt Laura Brown und spielt sie immer öfter mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen.


    Clarissa Vaughn kauft Blumen, denn sie hat sich bereit erklärt für ihren aidskranken Freund und ehemaligen Geliebten, dem Schriftsteller Richard, der sie liebevoll „Mrs. Dalloway“ nennt, anlässlich einer Literatur-Preisverleihung eine Party auszurichten. Aufgrund der Besucherliste werden immer wieder Erinnerungen wach und lässt sie so Phasen ihres Lebens Revue passieren.


    In jeweils abwechselnden Kapiteln erzählt Cunningham vom Innenleben der Protagonistinnen, aber auch der Personen in deren Umkreis, von Liebe, Glück und Freundschaft. Ruhig, kunstvoll, formvollendet und durchdacht verwebt er die Parallelen, die sich aus den ähnlichen Situationen und Gefühlslagen der drei Frauen ergeben. Jede möchte für sich ausbrechen, fühlt sich überfordert, kann oder will das Glück nicht erkennen. Eine latente Todessehnsucht und Melancholie sowie die bekannten und wiederkehrenden Namen (Clarissa, Mrs. Dalloway, Richard) runden dieses Bild ab. Eine gekonnte Wendung zum Schluss verbindet das Schicksal der Frauen überraschend.


    Virginia Woolfs „Mrs. Dalloway“ habe ich vor längerer Zeit gelesen. Es ist sicher nicht Voraussetzung zum Verständnis für „Die Stunden“ doch jedenfalls förderlich, um in Cunninghams Buch versinken zu können. Ganz große Literatur, von mir eine echte Empfehlung!


    5ratten

    Das ist die Geschichte des Musikers Johannes Elias Alder, der zweiundzwanzigjährig sein Leben zu Tode brachte, nachdem er beschlossen hatte, nicht mehr zu schlafen.


    Mit diesem Satz beginnt diese außergewöhnliche Erzählung über das kurze Leben des Elias Alder in einem kleinen vorarlbergerischen Bergdorf zu Beginn des 19. Jahrhunderts. In einer ganz beeindruckenden – betont altmodischen – Sprache und unter Einbindung des Lesers durch die direkte Anrede entführt der auktoriale Erzähler direkt in diese Zeit und an diesen Ort.


    Johannes Elias ist von Geburt an ein sonderbares Kind, mit seiner hohen Stimme, seinen gelben Augen und seiner damit verbundenen Introvertiertheit ein Außenseiter in Verhalten und Aussehen und hat es somit in seiner engstirnigen, kleinkarierten Heimat nicht einfach.
    Die Musik begleitet Elias von Anfang an und spielt eine große Rolle in seinem Leben. So überlebt der Junge nur, weil die Hebamme bei seiner Geburt das „Te Deum“ singt. Immer öfter fühlt er sich zur Orgel in der Kirche hingezogen um die in seiner Phantasie entstandenen Melodien genial zu Tone zu bringen ohne jemals das Orgelspielen oder Notenlesen gelernt zu haben.
    Als 5-jähriger verliebt er sich in seine Cousine Elsbeth, welche Liebe ihm in der Folge auch das Leben kosten wird.


    Das Herausragende an diesem Buch war für mich die Sprache. Man versinkt in dieser finsteren, dämonischen Welt und gibt sich ganz den Beschreibungen der Natur und der Orgelmelodien hin. Auch die Derbheit, die Intoleranz und die Selbstgerechtigkeit der Bevölkerung wird großartig beschrieben. Ein ganz außergewöhnliches Buch!


    5ratten

    John Irving setzt sich anhand der Schilderung der intensiven Freundschaft zwischen John Wheewright, dem Ich-Erzähler, und Owen Meany, einem Kleinwüchsigen mit Fistelstimme auch mit der Geschichte der USA der 2. Hälfte des 20. Jh. auseinander.
    Fast beiläufig wird die Biografie des Außenseiters Owen Meany erzählt: er denkt anders, er fühlt anders, er handelt anders. Owen - er selber sieht sich als ein von Gott Gesandter - ist kein Sympathieträger, doch der Leser kommt nicht umhin, Rührung, Mitleid und Freude mit ihm zu empfinden. Sein (ganz persönlicher) religiöser Glaube beruht auf seinen Erfahrungen und hat nichts mit Frömmelei zu tun. Einzelne Episoden aus seinem Leben - die scheinbar zufällig passieren - fügen sich am Ende zu einem Meisterwerk, das seinesgleichen sucht.
    Es wäre nicht John Irving, würden sich nicht rund um die beiden Protagonisten skurrile Personen scharen, abwegige Ereignisse ihren Lauf nehmen und merkwürdige Tode sich ereilen. Das Alltägliche erscheint absurd, das Absurde erscheint alltäglich, für mich Irvings bislang bestes Buch, unbedingt lesen!


    5ratten

    Anhand von 12 – stilistisch sehr unterschiedlichen - Erzählungen berichtet Arno Geiger in diesem Buch von Geschichten, die das Leben so schreibt. Enttäuschte Hoffnungen, verletzte Gefühle, zerbrochene Beziehungen, unglückliche Liebschaften, bilden den Inhalt dieser oft nur ein paar Seiten umfassenden Erzählungen.


    Arno Geiger besticht auch hier durch eine detaillierte, unglaubliche Beobachtungsgabe, prägnantem, nüchternen Stil und mit der Kunst, Alltägliches spannend und interessant zu erzählen. Seine Figuren sind Anti-Helden, meist erfolglose, gescheiterte Existenzen, die jedoch niemals pathetisch, klischeehaft oder trostlos wirken.


    Mir persönlich hat die Geschichte mit dem Titel „Doppelte Buchführung“ am besten gefallen. Während er in der Notaufnahme um das Leben eines 12-jährigen kämpft, verarbeitet der diensthabende Arzt seine eigene krisengeschüttelte Beziehung zu seinem Vater. In „Abschied von Berlin“ muss sich ein junger ehrgeiziger Österreicher von seinen großen beruflichen Träumen in der deutschen Hauptstadt verabschieden. Vor seiner Abreise schlägt aber nochmals seine große Stunde.


    Obwohl ich ansonsten kein Anhänger von Erzählungen bin, hat mir das Buch überraschend gut gefallen.


    4ratten


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    Bei mir war "Gefährliche Geliebte" mein erster Murakami und es hat mir eigentlich recht gut gefallen. Allerdings war ich am Ende doch etwas enttäuscht, da so viel unerklärt geblieben ist. Diese geheimnisvolle Shiamoto, was hat sie in der Zwischenzeit gemacht, was war mit dem Kind, usw. Das hat mich dann doch gestört dass diese Fragen nicht - zumindest andeutungsweise - aufgeklärt wurden.


    Ansonsten eine schöne Geschichte über einen midlifecrises-geschüttelten Mann, der eigentlich alles hat und dem trotzdem was fehlt, wirklich sehr eindringlich erzählt! Empfehlenswert!!


    4ratten

    Auf offener Bühne wird ein Opernsänger erschossen, der Verdächtige Frederic Delacroix – von Beruf Klavierstimmer - wird verhaftet und landet im Gefängnis. Dieser Vorfall ist der Grund, die seit Jahren getrennte Familie wieder zusammenzubringen.
    Die Kinder von Delacroix, die Zwillinge Patrice und Patricia, haben sich vor sechs Jahren – aus Flucht vor den Auswirkungen ihrer inzestuösen Liebe zueinander – in entfernte Teile der Welt abgesetzt. Das Zusammentreffen nehmen sie nun zum Anlass, ihre Gefühle, Gedanken – die nie ausgesprochen wurden – jeweils in Tagebuchform niederzuschreiben. Auf diese Weise wird die Familiengeschichte zurück bis in die Generation der Urgroßeltern offengelegt. Viele Hintergründe kommen ans Tageslicht, Enttäuschungen, Schicksale, tragische Ereignisse, überraschende Wendungen. Zudem wird auch hier – wie so oft bei Mercier - der klassischen Musik gebührend gehuldigt.


    Stilistisch ist das Buch natürlich hervorragend – Mercier versteht es, Gefühle, Leidenswege, Tragik eindringlich zu schildern. Der Knalleffekt zu Beginn, verschiedene Erzählebenen und Zeitblenden machen das Buch von der ersten Seite an spannend, alleine die Ausflüge in die klassische Musik waren mir persönlich zu ausufernd und langatmig.


    Für meine Begriffe war das Buch zu „schicksalsträchtig“. Jeder – wirklich jeder – hat einen unvorstellbaren Leidensweg durchgemacht. Nicht nur die Familienangehörigen, auch die Personen am Rande haben jeder für sich ein ordentliches Päckchen zu tragen – teilweise auch sehr an den Haaren herbeigezogen. Daher ist die Geschichte für mich realitätsfern und unglaubwürdig. Das hier beschriebene Schicksal reicht normalerweise für 17 Familien.


    Ich persönlich habe - nach "Nachtzug nach Lissabon" und "Lea" vorerst einmal genug von Pascal Mercier!


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    3ratten

    Juni, 1940. Vor den Toren von Paris steht die deutsche Armee. Anhand von einzelnen Personen/Familien – quer durch alle Gesellschaftsschichten - wird beschrieben, wie die Betroffenen panisch ihre Habseligkeiten zusammenpacken und fliehen. Die Leute reagieren ganz unterschiedlich auf die drohende Gefahr.


    Da ist z.B. die Familie Pericand, eine sehr angesehene, wohlhabende und fromme Familie. Als die ersten Bomben fallen zeigt die Mutter ihr ganzes Organisationstalent. Tafelgeschirr, Silberbesteck, Fahrräder und sämtliche Wertgegenstände werden verstaut und ein Konvoi mitsamt den Dienstboten verlässt Paris. Anders das bescheidene Ehepaar Michaud. Sie packen nur ihre wichtigsten Habseligkeiten zusammen und machen sich zu Fuß (die Züge sind längst übervoll) auf den Weg aus der Stadt. Dabei stoßen sie auf die Ärmsten der Gesellschaft, zeigen Mitgefühl und helfen, wo sie nur können.
    Auch der bekannte Schriftsteller Gabriel Corte muss sein prunkvolles Haus mitsamt dem liebgewonnenen Luxus verlassen. Für ihn stellt der Krieg eine „Störung seines Wohlbefindens“ dar. Allerdings sieht er keine Gefahr und ist sich sicher, dass ihm sein Bekanntheitsgrad sämtliche Türen öffnen wird und er auch die Obrigkeiten für seine Zwecke einsetzen kann. Unwirsch und rücksichtslos macht er sich lustig über den „Pöbel“, der durch die Straßen von Paris flüchtet, ehe er eines Besseren belehrt wird ….


    Irene Nemirovsky beleuchtet ein breites Spektrum von Charakteren angesichts der Bedrohung der deutschen Armee, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Menschliche Abgründe, motiviert von Egoismus, Neid und Hass stehen aber einer unendlichen Menschlichkeit, Einfühlvermögen, Hilfsbereitschaft, Verzweiflung und Demut gegenüber.


    Während sich der erste Teil des Buches mit den Konsequenzen rund um den Einmarsch der deutschen Truppen im Juni 1940 beschäftigt, so steht im Mittelpunkt des zweiten Teiles ein von Deutschen besetztes französisches Dorf im Sommer 1941. In jedem Haus ist ein Soldat stationiert und hat sich die Bevölkerung damit zu arrangieren. Die Gefühle den „Feinden“ gegenüber schwanken zwischen Hass, Ablehnung, Rache, aber auch Wohlwollen, Zuneigung, sogar Liebe. Es ist sehr beachtlich und beeindruckend zu lesen, dass Nemirovsky – als Jüdin - hier keine Wertung vornimmt. Dass es keine „Guten“ und keine „Bösen“ gibt und sie zum Teil sehr hart und schonungslos mit ihren französischen Landsmännern ins Gericht geht.


    Das Buch wäre als 5-teiliges Werk geplant gewesen, leider konnte Irene Nemirovksy nur 2 Teile fertigstellen. Sie starb im August 1942 in Auschwitz. Das Manuskript zu „Suite Francaise“ wurde von ihren Töchtern gerettet, entziffert und veröffentlicht. Im Anhang des Buches angeschlossene Tagebuchaufzeichnungen und Notizen zu „Suite Francaise“ geben einen eindrucksvollen Einblick in ihr Vorhaben, ihre Motivation zu diesem wahrlichen Meisterwerk und den geplanten Inhalt der weiteren 3 Teile. Ebenfalls angeschlossen ist ein Konvolut an Korrespondenz in den Jahren 1936 bis 1945 sowie ein sehr berührender Aufsatz über das Leben der Irene Nemirovsky, verfasst von Myriam Anissimov.


    Ein ganz beachtliches, großartiges Buch, ein außergewöhnliches Sittengemälde, wohl mein Highlight 2007!


    5ratten:tipp:


    Das Buch ist mittlerweile auch als TB erschienen:


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    Ich habe Tannöd sehr gerne und sehr rasch gelesen, was keine Kunst ist, denn es umfasst gerade mal gute 120 Seiten in großzügigen Kapiteln.


    Es ist sicherlich der unorthodoxe Aufbau, der dieses Buch so originell macht, der Plot selber ist eher unspektakulär. Anhand von Verhören einzelner Personen dieses Dorfes erfährt der Leser vom geschehenen Mord.


    Sehr gut getroffen ist die Bevölkerung in diesem Bauerndorf, jedes "Verhör" ist sprachlich der jeweiligen Person angepasst, man hört sie direkt reden! Ebenfalls gut getroffen ist die Mentalität dieser Leute, es wird gemunkelt, es wird getratscht, doch offiziell weiß niemand was und möchte sich um Gottes Willen nicht die Finger schmutzig machen.


    Das Ende fand ich etwas unpassend, etwas plump, zudem der Täter ohnehin vorher schon absehbar ist. Ein etwas "offeneres" Ende hätte mir in diesem Fall besser gefallen.


    Allem in allem ein sehr unterhaltsames Buch für einen Nachmittag!


    4ratten

    Leider konnte ich mich für dieses Buch bis zur letzten Seite nicht begeistern und es ist meiner Meinung nach in keinster Weise mit dem "Nachtzug nach Lissabon" vergleichbar. Hat "Nachtzug nach Lissabon" schon phasenweise Platitüden und aufgewärmte Klischees vermittelt, so schießt dieses Buch meiner Meinung nach den Vogel ab.


    Über 250 Seiten werden nichts als Banalitäten beschrieben. Jeder versinkt in Selbstmitleid, besonders der Protagonist und Vater von Lea sieht sich sehr gerne in der "Opfer- und Märtyrerrolle". Mit solchen Menschen habe ich "im wirklichen Leben" ein Problem, und auch im "Buchleben". Merciers ausgefeilte Sprache versinkt hier im Melodramatischen, Trübsinnigen, Sentimentalen und Pathetischen.
    Außerdem hätte ich mir gewünscht, ein bisschen mehr von Adrians Schicksal zu erfahren. Er bleibt zu sehr im Hintergrund und seine Vergangenheit wird nur angedeutet.


    Für mich war es leider ein Flop.


    2ratten

    Schade, dass ich die Leserunde so knapp versäumt habe! Ich habe das Buch im Rahmen des SUB-Wettbewerbes gelesen.


    Wie alt muss jemand sein, um Richtig und Falsch zu unterscheiden?
    Die jüngste Tochter der angesehenen Familie Tallis ist 13 Jahre alt, ihre ausufernde Fantasie und das eigene pubertäre Gefühlsdurcheinander lassen sie aus einer Beobachtung falsche Schlüsse ziehen und auf diese Weise zerstört sie das Leben von drei Personen nachhaltig.


    Wer McEwans Stil kennt weiß, dass solche Geschichten vermeintlich beiläufig und harmlos beginnen. Unterschwellig allerdings erreicht den Leser die Botschaft des Tückischen, der subtilen Spannung die sich stetig steigert. Ist der erste Teil des Buches auf die Innenperspektive der Beteiligten gerichtet, so wird in den beiden anderen Teilen der Krieg mit all seinen Konsequenzen sehr realistisch, bedrückend und eindringlich geschildert.
    Sehr berührend – und überraschend - ist für mich das Nachwort der mittlerweile 77-jährigen Briony, ihr Rückblick auf das gescheiterte Leben, die Erklärung ihres Versuches der Wiedergutmachung.


    Ein absolut lesenswertes Buch! Ein genialer erster Teil, hervorragender 2. und 3. Teil.



    5ratten

    Der namenlos bleibende Erzähler in diesem Buch berichtet, dass er als 9jähriger von einem Apfelbaum fiel, acht Jahre später zum ersten Mal mit einem Mädchen – unter einer Buche – zusammen war, und kürzlich wurde seine Frau von den Nationalsozialisten unter einem Baum erschossen. Am Schauplatz dieser Geschichte, dem Ghetto von Lodz im Jahr 1944, waren Bäume streng verboten.


    Jakob Heym wurde – so befand es zumindest das Kontrollorgan – nach 20 Uhr, d.h. während der Ausgangssperre – auf der Straße „erwischt“. Er hat somit beim zuständigen Wachorgan im Revier vorzusprechen, von dem allerdings noch kein Jude lebend herausgekommen ist.


    Während er durch die Korridore des Reviers schleicht, hört er Stimmen aus einem Radio. Demnach sind die sowjetischen Truppen schon nahe, die Befreiung in Aussicht. Jakob hat Glück, der Wachhabende lässt ihn laufen.


    Jakob ist sich bewusst, dass er mit dieser Radiomeldung vorsichtig umgehen muss, weiß aber auch, dass sie für viele Ghettobewohner lebensrettend sein kann. Die Selbstmordrate ist enorm hoch, die Leute geben auf und haben nicht mehr die Kraft zur Hoffnung oder zum Durchhalten.


    Jakob vertraut diese Meldung seinem Freund an. Um glaubwürdiger zu sein gibt er an, selbst ein Radio zu besitzen. Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Als Jakob erkennt, wie plötzlich Hoffnung und Lebensmut in die Ghettobewohner kommt, gibt es für ihn kein zurück mehr. Nach und nach versucht er, an Nachrichten heranzukommen, versucht, den Leuten Hoffnung zu geben, nach dem Motto „ich werde, wenn es gut geht, ein paar Gramm Nachrichten entführen und mache euch eine Tonne Hoffnung draus.“


    Jurek Becker erzählt auf tragisch-komische Weise die Geschichte des Jakob Heym. Anhand des Erzählers – der selbst Ghettobewohner war, überlebte und seine eigene Geschichte miteinfließen lässt - werden mit vermeintlicher Leichtigkeit, fast Irrwitz die Zustände im Ghetto beschrieben, wenn auch dem Leser oftmals das Lachen im Halse steckenbleibt. Der Erzähler nimmt zwischendurch immer wieder Kontakt mit dem Leser auf und weist somit nochmals eindringlich auf den Wahnsinn und die Schrecken dieser Zeit hin, besonders augenfällig wird dies mit der Beschreibung des „doppelten Endes“.


    Ein Buch, das tiefe Spuren hinterlässt, ein großartiges Buch!


    5ratten


    Zwischenzeitig habe ich auch den Film gesehen, ebenfalls großartig!


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    Karl Siebert verlässt im Jahr 1909 als 15-jähriger sein Heimatdorf. Seine Eltern waren verstorben und es gibt nicht mehr viel, was ihn in diesem Kaff halten kann. Sein Ziel ist Berlin, und er vermeint zu verspüren, dass er zu ganz Großem fähig ist, dass er es weit bringen würde.


    Während der Bahnfahrt lernt er Rieke kennen. In wunderbarem Berlinerisch zeigt ihm das resolute Mädchen , dessen Mutter verstorben ist und das sich sowohl um den alkoholkranken Vater als auch um die kleine Schwester kümmern muss, wie der Hase läuft. Sie ist das Sprungbrett für Karl in dieser großen, fremden Stadt, ohne Rieke wäre Karl bereits an der Anreise in die Stadt seiner Träume gescheitert.


    Rieke verhilft ihm zu einem Job und zu ersten Kontakten. Mit viel Ehrgeiz und Fleiß schafft es Karl, ein kleines Gepäckstransportunternehmen – in Konkurrenz zu den Dienstmännern - am Berliner Bahnhof aufzubauen. Immer an seiner Seite ist sein Freund Kalli, ein ehemaliger Matrose. Das Unternehmen erblüht, wird am jäh vom Ausbruch des 1. Weltkrieges zerstört. Karl wird eingezogen, und als er 1919 nach der französischen Gefangenschaft wieder nach Berlin kommt, hat sich das Leben dort von Grund auf geändert.


    Es sind die Personen und Charaktere, die dieses Buch so lesenswert machen. Karl, der unermüdlich und ehrgeizig versucht, seine Träume zu leben, der viele Rückschläge einstecken muss und trotzdem immer wieder aufsteht. Rieke, die etwas naive Ur-Berlinerin, die als Kind schon erwachsen sein muss, die praktisch agiert und sich keinen Träumen oder Hoffnungen hingibt. Die das Beste aus dem macht, was das Leben ihr bringt. Und nicht zuletzt Kalli, der treue Freund an Karls Seite. Der zu ihm steht, obwohl er die Meinung nicht immer teilt, der selber zurücksteckt und kein Stein in Karls Weg sein will. Die Charaktere sind weder gut, noch böse. Sie sind vielschichtig, manche Reaktionen und Handlungen rufen objektiv gesehen Kopfschütteln hervor, sind jedoch aus der Sicht des Betreffenden nachvollziehbar und verständlich.


    Zudem wird ein wunderbares Bild der Stadt Berlin gezeichnet. Die pulsierende, aufblühende, rege Großstadt in den Jahren vor Ausbruch des 1. Weltkrieges steht den Scherben, dem Niedergang nach dem Krieg, dem Verlust von Schönheit und Moral in den 20-er Jahren gegenüber.


    Ein sehr schönes Buch, in das man versinken kann und das trotz seiner äußerst kleingedruckten knapp 500 Seiten rasch gelesen ist.


    4ratten


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    Das Buch wurde1978 als Serie verfilmt. Für viele bekannte Schauspieler wurde diese Serie zum Karriere-Sprungbrett (Ursula Monn, Mathieu Carriere, Rainer Hunold, Harald Juhnke ....)


    Die DVDs sind ab November 2007 erhältlich.


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    Vier Menschen – wie sie unterschiedlicher nicht sein können – treffen einander zufällig in der Silvesternacht am Dach eines Hochhauses mit der Absicht, sich das Leben zu nehmen.


    Maureen, die 51-jährige, die seit 20 Jahren ihren schwerst behinderten Sohn pflegt, nicht weiß, ob er irgendetwas wahrnimmt, ihr ganzes Leben opfert und auf ihn ausrichtet und am Ende ihrer Kräfte steht.


    Martin, einst erfolgreicher und bekannter Fernsehjournalist, dessen Affäre mit einer Minderjährigen publik geworden ist, medial ausgeschlachtet wurde und nun vor den Scherben seiner Karriere und seiner Familie steht


    Jess, verwöhnte Göre aus reichem, konservativem Elternhaus, die seit dem spurlosen Verschwinden ihrer Schwester jeden Halt verloren hat


    J.J., Musiker, der seine Träume von der großen Musikerkarriere nach der Auflösung seiner Band begraben muss und zu allem Überfluss auch noch von seiner Freundin verlassen wurde.


    Den Aufbau des Buches finde ich ausgezeichnet. Abwechselnd werden die Lebensgeschichten, Gedanken und Motive aus der jeweiligen Perspektive des Betreffenden erzählt, zudem macht sich dieser Gedanken zu den anderen dreien. Keiner der vier hat den Weg auf das Dach leichtsinnig gewählt, doch jeder ist auch bemüht - mit Hilfe der anderen – den langen Weg hinunter – und zurück ins Leben - zu finden.


    Hornby hat sich hier einer sehr sensiblen Thematik angenommen, in der man sich sehr rasch auf gefährliches Terrain begeben kann. Doch er hat diese Gratwanderung meiner Meinung nach bravourös gemeistert! Er verpackt viel („Hornby-typischen“) Humor in die Geschichte, ohne aber ins Lächerliche zu verfallen, er verleiht der Geschichte den nötigen Ernst, ohne pathetisch zu wirken und gibt Einblicke in die Seelen der Protagonisten, ohne pseudo-psychologische Weisheiten von sich zu geben.


    Ein sehr unterhaltsames Buch, aber auch ein Buch, das sehr nachdenklich macht!


    4ratten