Ich habe jetzt bis S. 330 gelesen, also irgendwo in Kap. 18.
Besonders erschreckend fand ich eigentlich die Darstellung der Gedanken und Gefühle des alten Kaisers. Was muß das für eine Belastung sein, auch wenn er es anscheinend mit Humor und einer gewissen Gelassenheit zu nehmen versucht. Aber das Bewußtsein, das Ende einer Ära zu verkörpern und den Untergang der eigenen Welt noch zu erleben, muß eigentlich etwas Beklemmendes haben. Wahrscheinlich kann er das wirklich nur wegen seines Alters ertragen. Und bemerkenswert ist natürlich auch die Gutsherrenart, in der der Kaiser hier vorgeht: Mal eben jemanden befördern, genauso wie er schon die Untersuchung gegen Carl Joseph wegen der Schüsse auf die Demonstranten zur „günstigen Erledigung“ angewiesen hat. So kann eine Institution wie die Armee ja auch nicht vernünftig funktionieren.
Das Kapitel gehört zu meinen Highlights bisher (mit dem Kapitel um Jacques' Tod), wobei ich es auch erschreckend fand. Er schien mir fast wie in Watte eingepackt und vom Rest der Welt abgetrennt zu sein. Drei Stellen sind mir da besonders in Gedächtnis geblieben: Erstens diejenige, dass er häufig vor seiner Umwelt den Unwissenden spielt, das passt schlicht nicht zum Bild, das ich vom Verhalten eines Kaisers habe. Dann diejenige, auf die du anspielst, die Beförderung des Friseurs, vor allem auch wegen der Diskrepanz zwischen der Freude des Kaisers, jemandem etwas Gutes getan zu haben, und dem tatsächlichen Effekt, den es auf den Friseur hat. Und schließlich seine Begegnung mit Carl Joseph.
Und diese Beziehung zu Frau von Taußig? Ist das jetzt von Carl Josephs Seite auch wieder Mutterersatz? Und für sie ein Jungbrunnen? Du meine Güte, das müßte beiden doch eigentlich hochgradig peinlich sein, wenn man sich das Umfeld vorstellt. Ein einziger ausgefallener Besuch wirft Carl Joseph schon in eine Depression, das verrät doch einiges über seinen Charakter.
Das mit dem Mutterersatz habe ich mir auch gedacht. Er sucht sich da wohl immer ähnliche Typen aus einem ähnlichen Grund (wobei ich die Frauen zumindest bei Zustandekommen der "Beziehung" als den aktiveren Part ansehe).
Interessant fand ich das Urteil von Frau von Taußig über Carl Joseph (ich finde leider gerade die Stelle nicht): Dass er schon viel Unglück erlebt, aber nicht daraus gelernt habe.
Die einzige Szene, in der er mir hier richtig gefallen hat, das war bei der Zurückweisung von Onufrijs Geld. Mag sein, daß das Reglement das wirklich verbietet, aber es hätte ja keiner mitbekommen, hätte Carl Joseph es doch angenommen. Allerdings hätte er damit seinen Burschen unter Umständen in ziemliche Probleme gestürzt, so ist es zumindest für diesen auf jeden Fall besser. Und sollte es eine entsprechende Regelung gar nicht geben und Carl Joseph hätte sie quasi aus dem Stehgreif erfunden, so wäre es noch besser, aber das kann ich mir nicht vorstellen, so schnell hätte er sich das sicher nicht ausdenken können.
Onufrij fand ich rührend in der Szene. Aber ich war auch froh, dass Carl Joseph das Geld nicht angenommen hat.
Die Welt des alten Bezirkshauptmanns ist nach dem Tod Jacques' ins Wanken geraten. Er scheint viele Dinge nicht mehr zu verstehen, auch die Meinung von Nechwals Sohn zum Beispiel nicht. Sein Verhalten gegenüber der Haushälterin sorgt bei mir immer für ein leichtes Grinsen, aber es zeigt ja irgendwie auch, dass er bei sich selbst nicht mehr zuhause ist.
Kaum vorstellbar, wie viele Überlegungen hinter den wenigen Zeilen stehen, die er an Carl Joseph schreibt. Seine Gespräche mit Skowronnek und überhaupt die Figur Skowronnek empfinde ich auch als Gewinn, nicht nur für den Bezirkshauptmann, sondern auch für den Leser, weil da einfach mal wichtige Dinge ausgesprochen werden.