Leigh Bardugo - Six of Crows / Das Lied der Krähen
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Inhalt
Kaz Brekker, gerissene und skrupellose rechte Hand eines Bandenchefs in Ketterdam, erhält ein Jobangebot, das ihm unglaublichen Reichtum verspricht. Der einzige Haken daran: Die Aufgabe ist praktisch unlösbar und ein Himmelfahrtskommando...
Trotzdem findet er eine Crew von fünf Gefährten, die sich ihm aus verschiedenen Gründen anschließen.
Eines gleich vorneweg: Obwohl das Buch in der Welt und nach den Ereignissen der Grisha-Trilogie spielt, kann man es auch bedenkenlos ohne Vorkenntnisse lesen. Einige große Ereignisse werden zwar referenziert, einige Figuren genannt, aber die eigentlichen Geschehnisse werden nicht verraten.
Zum Positiven
Die Charaktere sind tatsächlich alle recht unterschiedlich und somit werden wohl für jeden Leser ein oder zwei Lieblinge dabei sein. Im Laufe des Buches erfährt man noch einiges über die Hintergründe ihrer Beziehungen (Nina, Matthias) oder ihre persönliche Geschichte (Inej, Kaz).
Angenehm undramatisch ist das Vorhandensein zweier nicht heterosexueller Charaktere - damit meine ich, dass es mir nicht so vorkam, als würde die Autorin die beiden nur der Repräsentation und dem "Kästchenabhaken" wegen schreiben.
Ketterdam als Hafenstadt mit den verschiedenen Banden funktioniert auch sehr gut.
Kaz' Problem mit direktem Hautkontakt hat mir sehr gut gefallen, vor allem weil es einerseits zeigt, wie schwer Traumata zu verarbeiten sind und es andererseits auch tatsächlich Bedeutung bzw. geringfügig Einfluss auf die Handlung hat.
Ein paar Team-Momente gibt es, die mir gut gefallen haben - "No mourners, no funerals.", "Scheming-face. Definitely."
Warum haben ich Kaz' verletztes Bein und seinen Stock nicht als positives Beispiel für eine Behinderung oben aufgeführt? Tja, hätte ich getan, wenn es eine Rolle gespielt hätte. Hat es aber nicht. Gut, einige Male wird erwähnt, dass er Schmerzen hat oder dass er hinkt. Trotzdem rennt er völlig problemlos unzählige Treppen, stapft problemlos durch Schnee und Eis (hier gibt es keinerlei Erwähnung, dass er irgendwelche besonderen Probleme hätte), springt durch die Gegend etc. Einmal vermutet er sogar, dass sein Knochen wieder gebrochen ist. Und das lasse ich jetzt genauso stehen, wie es im Buch passiert.
Team-Dynamik
Durch die unterschiedlichen Perspektiven (5 der 6 Krähen) erfahren wir ihre Gedanken und Geschichten. Noch besser wäre gewesen, wenn sich auch die Erzählstimmen voneinander unterschieden hätten. Aber das stört mich nicht mal so sehr.
Mein Hauptproblem waren die Beziehungen zwischen den Charakteren: Abgesehen von zwei offensichtlichen und einer vermutlichen Liebesgeschichte entwickelt sich da gar nichts. Sie sind am Ende des Buches noch genauso weit wie am Anfang. Die beinahe einzigen anderen Aktionen sind neckische, dumme oder bissige Kommentare. Versteht mich nicht falsch, ich wollte Wortgeplänkel und Scherze, aber hier fühlen sie sich nicht verdient an, weil die Gruppe keine Gelegenheit bekommt, zusammenzuwachsen.
Und wie sollen die Beziehungen der Charaktere auch groß verändert: jedes Mal, wenn wir etwas über die Vergangenheit eines Charakters erfahren, dann geschieht das über Rückblenden. Das bedeutet, dass der Leser erfährt, was ihnen geschehen ist, nicht aber ihre Gefährten. Nicht, dass die Geschichten an sich uninteressant gewesen wären, aber hier sehe ich eindeutig verschenktes Potenzial. Sollte man vielleicht doch mal kurz darüber reden, wenn eine Krähe gerade praktisch eine Panikattacke hatte und damit fast den Plan ruiniert hätte? Nein, wozu auch. Über diese "Schwäche" schweigen wir lieber...
Charaktere
Eins vorneweg: Dass die Figuren alle 16 bis 18 Jahre alt sind, habe ich einfach mal ignoriert. Tut mir leid, aber das nehme ich ihnen nicht ab. Auch wenn ein hartes Leben einen vielleicht früher erwachsen werden lässt, die Fähigkeiten und Erfahrungen, die sie angeblich alle (bis auf Wylan) in diesem Alter angeblich haben, sind unglaubwürdig.
Die Enwicklung, die sie während der Geschichte durchmachen, ist auch sehr beschränkt und geht über die Romanze kaum hinaus.
Wenn ich ihn auch nicht sonderlich mochte, so muss ich zugeben, dass Matthias vermutlich der interessanteste Charakter ist: Ein ehemaliger Grisha-Jäger, der weiterhin Gefühle für Nina hat, und im Grunde dabei ist, sein Land und alles, woran er glaubt zu verraten? Das Ende war mir hier ein wenig zu eindeutig und einfach gemacht, aber gut.
Am besten gefiel mir persönlich Inej, die als "Wraith" ninja-ähnlich die Wände hochklettert und Leute ausspioniert. Die Beziehung zwischen ihr und Kaz ist nachvollziehbar und, wenn auch recht vorhersehbar, schön beschrieben.
Ich weiß übrigens nicht, warum alle Welt von Kaz zu schwärmen scheint. Ja, er ist kein uninteressanter Charakter - der Charm des allwissenden und alles vorausplanenden Masterminds mit tragischer Vergangenheit ist da. Aber seine Kälte gegenüber seinen "Freunden" und Bandenmitgliedern und seine mangelnde Entwicklung stören mich.
Apropos Voraussplanen:
Der Job
Kaz weiß alles, plant immer alles voras, mit fast schon hellseherischer Gabe. Das hat durchaus seinen Reiz, aber wenn das immer wieder passiert, nutzt sich das ab und wird unglaubwürdig.
Hinzukommt, dass er seiner Crew nur gerade soviel erzählt, wie sie unbedingt wissen müssen. Teilweise auch erst in dem Moment, wo sie es unbedingt wissen müssen. Zu einem gewissen Teil sehe ich Geheimnisse ein, vor allem, wenn er sich der Loyalität einzelner vielleicht nicht so sicher ist. Aber für mich wirkt es eher wie ein Trick, um ihn sowohl gegenüber seinen Gefährten als auch dem Leser gegenüber noch mysteriöser und "cooler" wirken zu lassen.
Dafür spricht auch, dass wir als Leser im Grunde fast gar nichts vom Plan erfahren. Sondern erst während der Ausführung mitbekommen, was eigentlich geplant war bzw. was abläuft. Und dabei passenderweise oft in der Perspektive derjenigen Krähe sind, die nicht weiß, was gerade geschieht. Je öfter das passiert, desto mehr fühle ich mich manipuliert.
Gefühlt läuft mir auch alles, trotz der scheinbaren Problem und Hindernisse, alles zu glatt.
Ich hätte mir zum Beispiel auch gewünscht, dass eine gewisse Aktion mehr Konsequenzen auf den Rest des Jobs hat.
Spannung und Tempo
Die ersten 200 Seiten haben sich für mich extrem gezogen - ich war schon am Überlegen, ob ich mir den Rest nicht spare. Neben der Ersteinführung von Kaz und den Krähen hat es sich einfach extrem nach Setup angefühlt. Die häufigen Rückblenden sind zwar insofern interessant, als ich erfahre, wie die Figuren so geworden sind, wie sie sich jetzt präsentieren, aber sie bringen die Handlung auch nicht wirklich vorwärts.
Dadurch, dass mir die Charaktere nicht wirklich nahe standen, fehlte ein richtiges Mitfiebern.
Und wenn ich nicht genau weiß, was eigentlich der Plan ist, kann ich auch nur schwer einschätzen, wie schlimm er gerade schief läuft. Gefühlt kommen sie immer ziemlich problemlos mit relativ heiler Haut davon...
Im letzten Drittel des Buches zieht dann das Tempo aber tatsächlich an.
Fazit
Versprochen wurde mir ein spannendes Buch mit einem unmöglichen Auftrag und einem tollen Ensemble an Charakteren.
Bekommen habe ich ein nicht schlecht geschriebenes Buch mit mäßigem Tempo, "okay'en"-Charakteren mit wenig Weiterentwicklung, schlechter Ensemble-Dynamik, dafür aber 2 1/2 Romance-Nebenplots, das mich an so einigen Stellen an eine schwache Kopie von Mistborn erinnert hat.
Das Buch ist nicht schlecht, aber über mehr als ein "in Ordnung" kommt es bei mir nicht hinaus. Allerdings scheine ich da mit meiner Meinung ja relativ allein dazustehen