Beiträge von Twilight

    Sehr gute Ideen dabei. Und mir fallen auf Anhieb gleich mehrere Titel ein, denen eine solche Behandlung nur gut tun würde.

    Die Eroberungs- und Befreiungskriege Algeriens im 19. und 20. Jahrhundert bilden den Hintergrund für diesen vielschichtigen Roman. Assia Djebar verarbeitet in diesem Buch die längst nicht abgeschlossene Kolonialgeschichte ihres Landes. Vorherrschende Perspektive ist dabei die der Frauen - Frauen als Opfer und Täter, Frauen auf der Suche nach ihrer Identität.


    Die Frauen der algerisch-berberischen Kultur stehen im Mittelpunkt dieses weiten Panoramas über fast zwei Jahrhunderte. Die blutige, brutale Geschichte der Kriege gegen die französischen Kolonisatoren wird hier nicht in Form eines Nationalepos oder Heldenmythos aufgearbeitet. Stattdessen werden die Menschen im Hintergrund in den Mittelpunkt gerückt - und es wird deutlich, dass niemand unbeteiligt bleiben kann. Djebar versucht, den häufig analphabetischen, unterdrückten und im öffentlichen, veröffentlichten Leben kaum wahrnehmbaren Frauen eine Stimme zu geben. Es sind einfache Frauen, die sie hier zu Wort zu kommen lässt - Bauersfrauen, Witwen einfacher Soldaten.


    Den Krieg zu beschreiben fällt schwer. Je mehr die Frauen, die Djebar zu Wort kommen lässt, erlebt und erlitten haben, desto stummer werden sie. Entsprechend gebrochen ist auch der Stil des Romans, entsprechend schwer zu fassen der Inhalt. Historische Berichte über Schlachten und Feldzüge wechseln ab mit den persönlichen Erinnerungen von Mädchen und Frauen, unterschiedlichste Szenen aus verschiedenen Epochen sind scherenschnittartig aneinander gesetzt. Zwischendurch meldet sich immer wieder die Autorin selbst zu Wort, reflektiert über das Gehörte und ihr eigenes Verhältnis dazu. Sie setzt sich mit ihrer eigenen Existenz als Schriftstellerin auseinander, mit ihrem Verhältnis zur eigenen Muttersprache und zur Sprache der Feinde, dem Französischen, in der sie ihre Bücher schreibt.


    Faszinierend ist dabei der Gegensatz zwischen diesen einzelnen Passagen. Die stilistisch ausgefeilten, oftmals sogar poetischen und mit einem theoretischen, eurozentristischen Weltbild unterlegten Berichte von Offizieren und Kriegsberichterstattern sind beängstigend zu lesen. Die Auslöschung eines ganzen Stammes durch Ausräuchern in einem Höhlensystem ist nunmal eine grauenvolle Begebenheit, auch wenn sie noch so bejubelt wird. Noch beängstigender wirken sie allerdings im Kontrast zu den eingestreuten Erzählungen der Frauen, die voller Demut daherkommen.


    Umso befreiender wirken dann die menschlichen, lebensbejahenden Anekdoten. Wenn der Vater der Erzählerin seine Frau plötzlich in der Öffentlichkeit gegen jede Tradition beim Namen nennt, damit zu ihr steht und ihr in einer feindlichen Welt eine Identität gibt, ist dies unglaublich berührend. Und die französischen Schulen, die auch den Mädchen die Chance auf Bildung und damit des Ausbruchs aus den Traditionen geben, machen Hoffnung. Studierte Mädchen müssen keinen Schleier tragen, suchen sich ihre Männer selbst aus und können in der Welt selbständig ihren Weg gehen - allerdings um den Preis, dass die französische Sprache ihre Muttersprache(n), das Berberische und das Arabische, langsam aber sicher als Mittel des Ausdrucks überwindet. Die Sprache und Schrift der Eroberer erweisen sich letztendlich als stärker als die alten Erzählungen, Gesänge und Tänze, und eine Balance ist schwer zu finden.


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    Hallo allerseits,


    wir haben heute das schöne Wetter genutzt und waren lieber in der Sonne, wer weiß wie viele so schöne und vor allem halbwegs warme Tage wir noch kriegen. Jetzt werd ich mich aber noch ein wenig mit meinem Buch auf die Couch verziehen. Mein Mann schaut Wahlberichterstattung, und das halte ich ja gar nicht aus.

    So, ich habe den ersten Teil vom Drachenläufer jetzt beendet. Muss schon sagen - harter Tobak. Amir ist mir nicht wirklich sympathisch, obwohl sein Verhalten Hassan gegenüber andererseits schon irgendwie verständlich ist, vor allem in der "Schlüsselszene". Seine Sticheleien und Quälereien später, die nur dazu dienen, sein eigenes Gewissen zu entlasten, sind allerdings hart an der Grenze. Was ich mich die ganze Zeit schon frage ist, woher Hassan diese absolut bedingungslose Ergebenheit und Loyalität, ja sogar Liebe ihm gegenüber nimmt. Und das, obwohl er weiß, dass er von Amir niemals das Gleiche erwarten kann. Weil er der Sohn eines Dieners und selbst ein Dienstbote ist? Weil er zu einer verfolgten Minderheit gehört? Wie muss man aufwachsen, was muss man erleben, damit man so wird?


    Auf jeden Fall sind Amir und sein Vater jetzt gerade in den USA angekommen. Bin sehr gespannt, wie es weiter geht.

    Guten Morgen :breitgrins:


    Ich war gestern so schnell weg, das ist mir schon lange nicht mehr passiert. Und hab dann 12 Stunden tief und fest geschlafen, um vor nicht allzu langer Zeit mit Kaffee und Frühstück geweckt zu werden. So stell ich mir ein schönes, erholsames Wochenende vor :smile:


    Mit meinem Buch bin ich dementsprechend gestern abend auch nicht mehr richtig weiter gekommen. Jetzt werd ich erstmal ein paar Stunden Holz schneiden, damit wir's im Winter schön warm haben, freu mich aber jetzt schon darauf, mich mit Tee und dem "Drachenläufer" auf die Couch zu lümmeln. Zum Glück wird's inzwischen schon relativ früh dunkel.

    Tierische Krimis sind ja in letzter Zeit besonders beliebt. Seien es Schafe, Hunde, Katzen oder, wie in diesem Fall, Schweine - so lange die vierbeinigen Kollegen erfolgreich gegen allerlei Gelichter vorgehen und uns so beweisen, dass sie ja doch die besseren Menschen sind, finden diese Bücher reißenden Absatz.


    Mit “Tartufo” hat Wolfgang Zdral allerdings eins der gelungeren Beispiele dieses “Genres” vorgelegt. In diesem Mordfall kommt die Rolle des Ermittlers einem Schwein zu - allerdings keinem gewöhnlichen Hausschwein, sondern einem echten Trüffelschwein mit erstaunlicher Nase und noch erstaunlicherem Stammbaum. Leonardo pflegt als Einkommensgarant und Freund seines Herrchens Matteo Gobetti einen für seine Rasse eher untypischen Lebenswandel, mit Futter “A la carte”, einer eigenen Weinsammlung für verschiedenste Gelegenheiten und eigenem Zimmer im Wohnhaus. Als Matteo allerdings tot am Fuß eines Steihangs gefunden wird, die versammelte Sippschaft und Nachbarschaft wie ein Schwarm Geier über das Erbe herfällt und der zuständige Kommissar sich als überhebliches Ekel und dazu noch vollkommen unfähig herausstellt, ergreift Leonardo selbst die Initiative.


    Mit der Hilfe von befreundeten Artgenossen macht er sich als erstes auf die Suche nach der legendären Trüffelkarte, einem Verzeichnis der besten Fundplätze für die kostbaren Pilze und Garant für Gobettis Reichtum. Die Schnitzeljagd aus Hinweisen, die Matteo vorsorglich gelegt hat, ist allerdings nur dank der rohen Kräfte der Wildschweine Hannibal und Diogenes, der Kenntnisse des Verdi-verrückten Jungschweins Caruso und der olfaktorischen Fähigkeiten seiner Kollegin Cleopatra zu lösen. Mehr als einmal greift die Schweinebande selbst ganz handfest ins Geschehen ein, um die Bösen zur Strecke zu bringen oder den Guten aus der Patsche zu helfen.


    Herrlich unkorrekt erweist sich diese Schweinebande tatsächlich als die “besseren Menschen”. Den Menschen an Geist und Körper haushoch überlegen legen sie Eigenschaften an den Tag, die der Normalbürger seinen Schnitzellieferanten nie im Leben zugetraut hätte. Sie sind ausgefeilte Charaktere und werden in all ihrer Verschiedenheit sehr differenziert dargestellt. Die menschlichen Mit- und Gegenspieler, deren es ja auch so einige gibt, wirken dagegen allerdings leider sehr flach und klischeehaft. Der Charme des gelungenen Gegensatzes von Mensch und Tier wurde so leider über weite Strecken verspielt, auch wenn die Schweine für sich genommen wirklich entzückend sind.


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    Fast 200 Seiten hat es gedauert, bis mir bei der Lektüre dieses Verwirrspiels aus Literatur und Verbrechen aufgefallen ist, dass ich das Buch vor Jahren schon einmal gelesen haben muss. Dies ist allerdings sicher kein Indiz dafür, dass dieses Buch nicht (be)merkenswert wäre - eher schon ein Zeichen meines schlechten Gedächtnisses. Ganz im Gegenteil, obwohl mir doch einiges bekannt vorkam, hat es mich doch auch beim Reread vollends gefesselt.


    Für Bücher, die andere Bücher und Buchliebhaber zum Thema haben, kann ich mich ohnehin begeistern. Und so war dieser Thriller um den Bücherjäger Lucas Corso, der im Auftrag Anderer biliophile Schätze aller Art “auftreibt”, ein gefundenes Lektürefressen. Den Leser erwartet eine gelungene Mischung aus Krimi, Thriller, Mystery, Verschwörungstheorie und Actionreißer, das Ganze verpackt in eine intelligente und vielschichtige Handlung.


    Gleich zwei Geschichten rund um geheimnisvolle Manuskripte werden hier verwoben. Zum Einen soll Corso im Auftrag des Antiquars La Ponte ein Original-Manuskripts von Alexandre Dumas aus den “Drei Musketieren” auf seine Echtheit überprüfen - eine Aufgabe, die sich als schwieriger erweist als sie zunächst zu sein scheint. Immerhin wird der Vorbesitzer des Manuskripts kurz nach dem Verkauf tot aufgefunden.


    Viel brisanter ist aber der zweite Auftrag, den Corso zu erfüllen hat. Der reiche Literaturmagnat Varo Borja hat ein Exemplar der “Neun Pforten ins Reich der Schatten” in seinem Besitz - ein Buch, das mit Hilfe der darin enthaltenen dämonischen Holzschnitte die Beschwörung des Teufels ermöglichen soll. Gemeinsam mit seinem Urheber wurden allerdings bis auf drei Exemplare alle Ausgaben der okkulten Schrift auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Corso soll nun für Borja die Bestätigung beschaffen, dass sein Buch keine Fälschung ist.


    Schnell merkt Corso, dass er seine Suche nicht alleine unternimmt. Ziemlich zwielichtige Gestalten kreuzen immer wieder seinen Weg, und spätestens als er nur um Haaresbreite einem Anschlag auf sein Leben entkommt, ist er sicher, dass sein Verfolgungswahn berechtigt ist. Und obwohl seine Verfolger originalgetreue Verkörperungen von Dumas-Romanfiguren zu sein scheinen, weiß er lange Zeit nicht (ebenso wenig wie der Leser), hinter was diese denn nun eigentlich her sind: Dem Dumas-Manuskript oder den “Neun Pforten”? Ständig an seiner Seite ist unter anderem ein geheimnisvolles junges Mädchen. Während sie ihm zu Beginn scheinbar zufällig immer wieder über den Weg läuft, schließt sie sich Corso später ganz offen und sogar gegen seinen Willen an, um ihn bei seiner Suche zu unterstützen. Unklar bleibt nur ihre Rolle in der ganzen Geschichte: Ist sie nun eine (ausgesprochen charmante) Verkörperung des Teufels selbst, oder doch eher Corsos Schutzengel?


    Auf den ersten 50 Seiten ist das Buch zunächst ziemlich langatmig; es dauert halt seine Zeit, bis die Protagonisten der beiden Handlungsstränge, ihre Vorgeschichten und die Hintergründe der beiden Bücher, um die sich alles dreht, vorgestellt sind. Nebenbei erfährt man auch noch eine Menge Wissenswertes über die Kunst des Buchdrucks, die Inquisition und den Schriftsteller Alexandre Dumas. Wenn die Handlung dann allerdings erst mal Fahrt aufnimmt, tut sie das mit viel Schwung - mit jeder Spur, die Corso aufnimmt, steigt die Spannung und wird auch durch die diversen Verfolgungsjagden, Morde und Mordversuche und andere Actionsszenen nicht abgebremst. Dennoch zielt der Stil nicht so sehr auf pure Action oder gar Grusel ab und ähnelt von daher weniger einem “echten” Thriller. Vielmehr steht das Enträtseln einer über weite Strecken sehr verwirrenden, ineinander verschachtelten Intrige im Vordergrund - an der sich der Leser z.B. über das Enträtseln der enthaltenen Bilderrätsel beteiligen kann, aber nicht muss.


    Für meine Begriffe großartig gelungen sind auch die Charaktere des Romans. Besonders Lucas Corso ist mir mit seiner kaltblütigen, gefühlsarmen und hochintelligenten Art wirklich ans Herz gewachsen - vielleicht weil ich auch eine Vorliebe für die ähnlich gestrickten Ermittler in klassischen Hardboiled-Krimis habe. Er ist wahrhaftig kein Gutmensch oder Charmebolzen, aber dafür authentisch und glaubwürdig - und er trifft auf ebensolche Typen, bei den Bösen ebenso wie bei den Guten. Gerade das gekonnte Verwirrspiel um die Identität mancher Figuren führt den Leser auf so manche falsche Spur. Vor allem in den Charakterzeichnungen der verschiedenen Bibliomanen, denen Corso im Laufe seiner Recherchen begegnet, finden sich jede Menge schräge Typen, die bereit sind, (fast) jeden Preis für ein paar bedruckte Seiten zu bezahlen - bis hin zum eigenen Leben oder dem Leben anderer.


    Die eine große Schwäche des Romans ist leider, wie so oft, der Schluss. Während die Dumas-Geschichte noch halbwegs zufriedenstellend aufgeklärt wird, bleibt von der Geschichte um die “Neun Pforten” leider nicht viel übrig, was nicht abgeschmackt und aufgesetzt wirkt. Man bekommt das Gefühl, dass Perez-Reverte sich in seiner eigenen Fantasie verheddert hat und den Knoten der eigenen verwickelten Handlungsstränge nur noch mit Hilfe eines - leider ziemlich plumpen - Schwertstreichs hat auflösen können. Schade, dass ein solch spannender Parforceritt so armselig enden muss.


    Allerdings stimmt dieses Ende auch nicht mit dem Film zum Buch überein, “Die neun Pforten” von Roman Polanski und mit Johnny Depp als Lucas Corso. Aber dieser nimmt ohnehin nur einen Handlungsstrang aus dem Buch auf und lässt damit sehr viel an Nuancen links liegen, die zum Verständnis der Handlung eigentlich notwendig wären. Film und Buch sind damit - wieder mal - nicht wirklich vergleichbar, und man sollte auf keinen Fall eins am anderen messen.


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    Seit Shakespeares Zeiten ist die englische Schauspielertruppe namens “The Great Will” auf der Suche nach Publikum von Hafen zu Hafen unterwegs. Doch die modernen Zeiten machen ihnen ihr Auskommen zunehmend schwieriger, und ihr Schiff, die “Almighty Word”, steht kurz vor dem endgültigen Auseinanderbrechen. Und so wird 1914 als Rettungsanker das Angebot angenommen, anlässlich der Eröffnung des Panamakanals auf der anderen Seite des Atlantiks aufzuspielen.


    Die Chefin der skurrilen, über Jahrhunderte inzestgeprägten Truppe ist die “Gräfin”, Witwe eines Lebemanns und Wüstlings, der Jahrzehnte lang die finanzielle Absicherung der Mitglieder übernommen hat. Die geheime Mission dieser “Gräfin”, die ihr von ihrem sterbenden Mann aufgetragen wurde, ist es, den “geheimen Namen ihres Schicksals” zu finden. Sie glaubt, dass in Caliban, der Figur aus Shakespeares “Sturm”, der Schlüssel liegt - und sie macht sich nach dem Panama-Ereignis mitsamt ihrer Truppe auf den Weg in den tiefsten Süden, in die Einsamkeit Patagoniens, um dort Calibans Insel wiederzufinden. Dort treffen sie allerdings zunächst nur auf alleingelassene Missionare und müssen außerdem den Genozid an den übrig gebliebenen feuerländischen Indianern miterleben.


    Eigentlich ist es das Erlösungsthema, das immer wieder und in den unterschiedlichsten Zusammenhängen aufscheint. Die heidnischen Indios werden, nach dem Versagen der Missionare, mit Hilfe eines Massakers endgültig von ihrem Unglauben erlöst. Die Erlösung von Calibans Insel von der Barbarei erfolgt durch die Ankunft der Schauspieler, und auch ganz England soll durch diese Reise irgendwie erlöst werden - vielleicht von der Abkehr von einer Kultur, die sich am edelsten in den Werken ihres größten Dichters manifestiert. Eindeutig ist aber die Erlösung der Gräfin, die schließlich in der Symbiose zwischen Engländern und “Wilden” eine “neue Dichtung” entstehen sieht.


    Insgesamt war dies eine für mich sehr ungewöhnliche, um nicht zu sagen seltsame Lektüre - und ich bin mir nicht ganz sicher, ob das Buch mir wirklich gefallen hat. Der streckenweise unerträglich pathetisch Stil ist mir übel aufgestoßen, und es war mir zu überladen mit Metaphern und Verweisen, die in die glorreiche englische Geschichte, die Geschichte der Theatertruppe, in die Stücke Shakespeares und auf reale historische Vorkommnisse in Südamerika verweisen. Häufig handelt es sich dabei nur um Andeutungen, die den Leser dann ratlos zurück lassen; Shakespeares “Der Sturm” ist an sich schon ein derart bedeutungsschwangeres Stück, dass es in der Interpretation nicht noch derartig penetrant zusätzlich verschlüsselt werden muss.


    Dennoch: sprachlich hat es immer wieder sehr schöne, sogar berührende Passagen. Die Unterschiede zwischen der poetischen, in der Vergangenheit verhafteten Welt der Schauspieler und der ganz im entsetzlichen Heute stattfindenden Tragödie der Feuerland-Bewohner werden auch sprachlich deutlich gemacht. Viele Erzählebenen, Rückblicke und eingebettete Anekdoten machen das Lesen weiter interessant. Dennoch hätte dem Roman an vielen Stellen mehr Stringenz und Eindeutigkeit und weniger Abgehobenheit gut getan.


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    Nein, ich seh das nicht so. Sei mir nicht bös, aber das klingt für mich schon wieder nach Gejammer auf sehr hohem Niveau.


    1. Niemand wird gezwungen, sich 10, 20 oder mehr Schundromane im Monat reinzuziehn - jeder kann lesen, was und so viel er möchte. Jeder kann und darf den Unsinn konsumieren, der publiziert wird. Wenn es einen Markt dafür gibt, wird's natürlich auch publiziert - was muss mich das interessieren, wenn ich andere Vorlieben habe? Wenn ich ein Tschaikowski-Klavierkonzert kaufen will, such ich ja auch nicht im Charts-Regal. Und wenn die Leute den Tipps von Frau Heidenreich hinterher rennen, ist das noch allemal besser als wenn sie gar nicht lesen würden.
    2. Will sich hier ernsthaft jemand beschweren, dass es zu viel Auswahl an Büchern gibt?
    3. Der Massenmarkt ist nun mal kein Qualitätsmarkt, wieso sollte das bei Büchern anders sein als bei anderen Dingen? Dennoch gibt es gerade mit den neuen Medien unendlich viele Möglichkeiten, auch an vergriffene Bücher zu kommen - viel mehr als früher, und ein Buch geht heute auch durch viel mehr Hände als früher. Es gibt Internetshops, Online-Antiquariate, Tauschbörsen, jeder Minibuchladen kann heutzutage jedes gewünschte Buch innerhalb weniger Tage auftreiben. Wo ist das Problem?
    4. Bücher kann man genau so konsumieren wie jedes andere Kulturgut. Natürlich wurde im 18. Jahrhundert nicht so viel gelesen wie heute - weil es damals bei weitem nicht jeder konnte, und weil das Angebot tatsächlich elitär war. Willst Du etwa dahin zurück? Heutzutage ist Lesen für viele Menschen schlicht und einfach Unterhaltung, wie ein Film oder ein Computerspiel. In meinen Augen ist das völlig legitim.
    5. Wer soll entscheiden, welches Buch sich "lohnt" und welches nicht?

    Hallo allerseits,


    was für eine gute Idee! Und das, wo ich mir fest vorgenommen hab, endlich mal ein so richtig faules Wochenende zu machen, mit nix tun außer schlafen, lesen, essen und was man sonst noch so zur Entspannung tun kann. Nach mehreren 60-80-Stunden-Wochen hab ich mir das verdient... :zwinker:


    Zu meiner Lektüre: Ich lese gerade "Drachenläufer" von Khaled Hosseini, ein Buch, das vielen schon bekannt sein dürfte. Bin allerdings erst auf Seite 40 oder so und kann deshalb noch nicht viel dazu sagen.


    Klappentext:
    Im Jahr 1975 ist Amir zwölf Jahre alt. Um seinem Vater seine Stärke zu beweisen, will er unbedingt bei einem Wettbewerb im Drachensteigen gewinnen. Dazu braucht er Hassans Hilfe. Hassan ist sein bester Freund. Obwohl sein Vater der Diener von Amirs Vater ist, hat die innige Freundschaft der Jungen allen Herausforderungen standgehalten. Bis zum Ende dieses erfolgreichen Wettkampfes, als Amir sie auf schreckliche Weise verrät.
    Die dramatische Geschichte einer Freundschaft, eine Geschichte von Liebe und Verrat, Trennung und Wiedergutmachung vor dem Hintergrund der jüngsten Vergangenheit Afghanistans.


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    Der erste Band hat mir sehr viel besser gefallen, ja. Nicht nur war der eigentliche Fall spannender (und vielleicht auch besser erzählt), auch die Einführung dieser Kommissarin war gut gelungen. Es subben ja bei mir noch einige Bände aus der Reihe, und ich hoffe sehr dass die auch wieder lohnender sind.

    Maria Kallios 5. Fall


    Nach Band 1 der Maria Kallios-Serie habe ich jetzt erst mal Band 5 gelesen, was irgendwie nicht besonders viel Sinn macht. Aber sei's drum, da die Fälle untereinander abgeschlossen sind, ist dies wohl zu verschmerzen. So werde ich die Karriere der finnischen Kommissarin wohl erstmal rückwärts verfolgen müssen.


    Maria Kallios ist inzwischen zur Hauptkommissarin aufgestiegen und tritt nach einer längeren Babypause ihren Job wieder an, während ihr Mann sich zu Hause um den Nachwuchs kümmert. Nicht nur trägt ihr dieses Arrangement Kritik als “Rabenmutter” ein, es hat sich auch während des Mutterschutzes auch ein ungeliebter Kollege auf ihrem Sessel breitgemacht, der seinen Posten als Chef nur ungern wieder verlässt.


    Viel schwerer als all diese Kalamitäten wiegt aber gleich der erste Mordfall, mit dem sie sich zu befassen hat - hat sie das Opfer doch kurz vor seinem Tod noch kennengelernt. Der Industrielle Juha Merivaara, Besitzer einer Fabrik für ökologische Bootslacke, wird nach der Geburtstagsfeier seiner Frau auf einer kleinen Insel vor der Küste Finnlands ermordet aufgefunden. Genau ein Jahr zuvor hatte es an der gleichen Stelle einen weiteren Todesfall gegeben, der damals als Unfall abgetan worden war; nun ermittelt Maria Kallios allerdings in einem Doppelmord. Angesichts der Umstände des Todes kann der Täter eigentlich nur aus dem Familienkreis stammen; als allerdings seltsame Verbindungen des scheinbar vorbildlichen Familienunternehmens in dubiose Kreise aus Sowjetzeiten auftauchen, scheint doch mehr dahinterzustecken.


    Dieser Krimi hat wieder einige der Vorzüge, die die Serie auszeichnen: Eine energiegeladene Powerfrau mit interessantem Vor- und Privatleben als Ermittlerin, ein Fall, hinter dem mehr steckt als zunächst vermutet, viel Zwischenmenschliches innerhalb des Ermittlerteams. Dennoch will beim Lesen über weite Strecken nicht so richtig Spannung aufkommen. Dies liegt wohl vor allem daran, dass sich die Ermittlungen relativ lange auf einen Verdächtigenkreis konzentrieren, der für den Leser schon recht früh so gut charakterisiert ist, dass keine großen Überraschungen mehr zu erwarten sind. Dennoch verstrickt Kallios sich in persönlichen Sym- und Antipathien, und sie und ihre Kollegen hangeln sich von Verhör zu Verhör, ohne wirklich weiterzukommen. Das ist auf die Dauer ermüdend und flacht den Spannungsfaden unnötig ab, auch wenn die Konflikte innerhalb der Industriellenfamilie glaubwürdig und interessant in die Handlung eingebettet sind.


    Insgesamt wohl (hoffentlich) einer der schwächeren Krimis aus der Maria Kallios-Reihe; ich hoffe, die anderen Bände haben mehr zu bieten.


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    Den Nachfolger von “Wenn Stern auf Stern aus der Milchstraße fällt” wollte ich schon lange mal lesen, haben mich doch van der Posts Beschreibungen des Lebens in der Kalahari und des konfliktbeladenen Lebens der vielen in Südafrika ansässigen Völker ebenso wie sein poetischer Stil und sein profundes Wissen über die Region schon vor vielen Jahren sehr beeindruckt.


    Gerade wegen des zeitlichen Abstands der Vorgängerlektüre war ich sehr dankbar, dass der Autor auf den ersten Seiten einen relativ ausführlichen Abriss der Geschehnisse liefert, auf denen die Handlung dieses Buches aufbaut. Es ist die Geschichte von Francois Joubert, der auf Hunter’s Drift, der Farm seines Vaters im tiefsten Innern Südafrikas aufwächst, in völliger Freiheit, größter Nähe zur Natur und vor allem in Partnerschaft mit den schwarzen und farbigen Einwohnern der Region. Am Ende von “Wenn Stern auf Stern…” hat eine Invasion einer marxistischen “Befreiungsarmee” stattgefunden, die die weißen Siedler nicht nur vertreiben, sondern ausrotten will. So auch auf Hunter’s Drift; die Farm ist zerstört, alle Bewohner sind massakriert.


    Nur Francois und Nonnie, die Tochter eines befreundeten englischen Farmers haben das Massaker überlebt. Bei ihnen ist allerdings Francois’ Freund Xhabbo vom Volk der Buschleute mit seiner Frau Nuin-Tara, und nur dank deren überlegener Überlebensfähigkeit in der Natur besteht die Chance auf eine Flucht aus dem umzingelten Gebiet. Die Odyssee dieser vier samt Francois’ Hund Hintza bildet den Inhalt dieses Buches. Nicht nur müssen sie den Terroristen entkommen, die mit Spürhunden, Spurenlesern und Hubschraubern auf der Suche nach ihnen sind, sie müssen sich auch bis zum Meer durchschlagen, um auf Rettung hoffen zu können. Dieser Weg zieht sich über qualvolle Monate hin, sie durchqueren Steppen- und Wüstengebiete, aber sie überleben alle Angriffe und Krankheiten. Am Ende wird alles gut; in einem wunderbaren, triumphalen Finale treffen sie im letzten Moment endlich wieder auf Menschen, die ihnen wohlgesonnen sind.


    Vordergründig kann man dieses Buch vor allem als spannende Abenteuergeschichte lesen, in der sich unsere Helden gegen übermächtige Widerstände durchsetzen müssen, die in Menschenform oder als Teil der Natur auf sie lauern. Banditen und Terroristen wollen ihnen ebenso ans Leder wie wilde Tiere, das unbarmherzige Klima der Wüste oder tödliche Krankheiten. Darin eingewoben ist aber auch eine atemberaubende Erzählung darüber, welche Kräfte durch Freundschaft, Mut und Verständnis zwischen unterschiedlichsten Menschen in schwierigen Situationen freigesetzt werden können. Und es ist natürlich ein faszinierender Bericht über die absolut fremdartige Kultur der Buschleute, die in einer Umgebung überleben können, die für jeden anderen den sicheren Tod bedeutet.


    Obwohl dieses Buch handlungsmäßig nahtlos an den Vorgänger anschließt, hat es bei mir doch einen völlig anderen Eindruck hinterlassen. In “Wenn Stern auf Stern…” ist das unbeschwerte Aufwachsen des jungen Francois in der faszinierenden Landschaft des südafrikanischen Busches das Hauptthema. Dort ist er umgeben von einer Vielzahl unterschiedlichster Menschen, die ihm alle ein Stück Lebensweisheit und Lebenstüchtigkeit, aber auch Liebe und Geborgenheit mitgeben. Grundtenor ist der gegenseitige Respekt von unterschiedlichen Kulturen und Lebensweisen, der für ein friedliches Miteinander unerlässlich ist. Diese Stimmung kippt in diesem Buch völlig. Die vier sind völlig allein und auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen, und jeder einzelne muss all seine Kräfte und Fähigkeiten aktivieren, um diese endlose Wanderung zu überstehen. Leider bietet dieser Band dadurch auch nicht so viel Hintergrundwissen über die gesellschaftliche Situation in Südafrika.


    Insgesamt ist dies aber ein absolut faszinierendes, poetisches und eindrückliches Buch. Die vier Charaktere sind hervorragend und glaubwürdig beschrieben, und die Missverständnisse, die sich aus den unterschiedlichen Kulturen ergeben - z.B. die Interaktionen zwischen Nonnie und Nuin-Tara - haben mich mehr als einmal zum Schmunzeln gebracht. Wer sich für derartige Literatur erwärmen kann, dem seien auch noch die Sachbücher und Reiseberichte von Laurens van der Post empfohlen, z.B. seine Suche nach den Buschleuten, die er in “Der verlorene Stern der Kalahari” beschreibt.


    :morgen:
    Leute, ich brauche 'ne Runde Mitleid! Das Wetter ist wunderbar, ich habe frei, es ist Lesewochenende und - ich bin ganz furchtbar erkältet. So, dass die Nase entweder ununterbrochen läuft oder aber vollkommen verstopft ist (was schlimmer ist, kann ich gerade nicht sagen) und mein Hals tut auch weh. Insgesamt bedeutet das, dass ich weder das Wetter genießen, noch richtig in ein Buch versinken kann - und schlafen geht auch nicht. Also bin ich schon seit einer Ewigkeit auf, aber trotzdem todmüde.So, genug geklagt, jetzt versinke ich erst mal in Selbstmitleid.


    Liebe Saltanah,


    Du hast mein vollstes Mitleid, schon allein deshalb, weil es mir ebenso geht. Gestern war ich ja noch "fit" genug, um mich von meinem Holden zum Kaffeetrinken an die Donau kutschieren zu lassen (für nen strammen Spaziergang war ich schon wieder zu kurzatmig), aber heute sind zu der total verstopften Nase auch noch Lungen- und Kopfschmerzen und eine allgemeine Mattigkeit hinzugekommen. Ich lieg in eine Wolldecke gewickelt auf der Terrasse in der Sonne und bin eigentlich sogar zu ko zum lesen.


    So bin ich mit meinem "Pfingstbuch" "Noreas Geschichte" auch noch nicht besonders weit, erst auf Seite 150 ca. Bisher gefällt mir die Geschichte aber sehr gut, sie erinnert mich sehr an meine erste Fredriksson-Lektüre. Das war damals "Abels Bruder", der zweite Band aus der "Kinder des Paradieses"-Trilogie, für die der Norea-Band den Abschluss bildet. Es ist ein sehr eigenwilliger, aber auch sehr poetischer Blick auf die Schöpfungsgeschichte.

    Hallo allerseits,


    da keins meiner aktuellen Bücher zum Thema passt, werde ich mir ein weiteres aus dem SUB klauben: "Noreas Geschichte" von Marianne Fredriksson.


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    Klappentext:
    Norea ist die Tochter von Adam und Eva, eine Gestalt aus den alten Menschheitsmythen - und ein Kind mit ganz besonderen Gaben. Denn Norea sieht das "Verborgene". Sie kann in die Zukunft schauen, in die Herzen der Menschen blicken und über die Grenzen hinaussehen, die wir höchstens im Traum überschreiten.
    Eva spürt von Anfang an, dass dieses spätgeborene Mäechen von all ihren Kindern das glücklichste ist. Von klein auf fühlt Norea sich eins mit der Natur, mit den Tieren und Pflanzen. Doch dieses sichere Gefühl für die Einheit der Schöpfung schützt sie nicht vor harten Schicksalsschlägen.


    Allerdings werde ich die nächsten Tage wohl vor allem draußen verbringen, bei dem Traumwetter was draußen herrscht.

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    Geschichten aus Palästina


    Das Leben unter einer andauernden Besetzung ist wahrscheinlich für kaum jemanden vorstellbar, der es nicht erlebt hat. Dauernde Repression, Entrechtung und Angst, durchsetzt mit regelloser Willkür von Seiten der Besatzer und unvorhersehbaren Ausbrüchen akuter Gewalt von beiden Seiten - dies ist die Atmosphäre, in der die Palästinenser in den besetzten Gebieten seit Jahrzehnten leben.


    Umso bemerkenswerter ist es, wenn eine Palästinenserin ihre Erfahrungen dermaßen unverkrampft und mit Sinn für die täglichen Absurditäten des Alltags schildert, wie Suad Amiry es in diesem Band tut. Viele der beschriebenen Situationen sind dermaßen grotesk, dass sie wie Slapstick anmuten. Wenn sie beschreibt, wie einem verunglückten Israeli fast das Herz stehen bleibt, als er bemerkt dass er von einer moslemischen Palästinenserin gerettet und in die Klinik gefahren wird; wenn sie blumig ihre Reaktion schildert, als sie nach siebenjährigem illegalem Aufenthalt in Ramallah und ebensolangem Warten auf ihren Pass immer noch nur wohlklingende Worte, aber kein Stück Papier in den Händen hält, sie dank der Identitätskarte ihres Hundes aber unangefochten nach Jerusalem fahren kann; oder wie während des ersten Golfkrieges alle Israelis Gasmasken bekommen, während die Palästinenser ungeschützt die Giftgasangriffe des Iraks befürchten müssen - dann bleibt einem mehr als einmal das Lachen im Halse stecken.


    Wie sehr eine solche Existenz nicht nur den Einzelnen, sondern ein ganzes Volk zermürben und radikalisieren kann wird besonders durch die Leichtigkeit, sogar Beiläufigkeit deutlich, mit der der tägliche Terror beschrieben wird. Plötzlich versteht man, wie die Palästinenser es zwar einerseits schaffen, sich mit der Besatzung zu arrangieren und so viel Alltagsnormalität wie möglich aufrechtzuerhalten, wie sie aber auch jede sich bietende Gelegenheit zu Widerstand und Ungehorsam nutzen. Wobei wichtig ist zu betonen, dass Amiry nicht zur Verteidigung palästinensischer Bombenleger und Attentäter schreibt; sie schreibt gegen die Gewalt der Israelis gegen ein ganzes Volk und um den psychischen Ausnahmezustand darzulegen, in dem diese Menschen leben. Das Spannungsfeld von Angst und Misstrauen auch untereinander einerseits und dem Zwang, zusammenzuhalten gegen den gemeinsamen äußeren Feind entlädt sich in Verhaltensweisen, die fast schon schizophren anmuten.


    Die unfreiwillige Komik in diesen Alltagsepisoden ergibt sich aus der Differenz dieses Alltags zu dem, was wir als “normal” empfinden. Unsentimental und unverblümt beschreibt Amiry, was sie erlebt hat und womit Millionen von Menschen sich bis heute arrangieren müssen. Diese Lektüre hat mir subjektiv mehr Wissenswertes über den israelisch-palästinensischen Dauerkonflikt vermittelt als manches soziologische Essay.

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    Kanada ist nicht nur das Land der englisch- und französischsprachigen Einwohner, auch gälisch - schottisches Gälisch - ist dort nach wie vor lebendig. Die 200jährige Geschichte eines schottischen Einwandererclans lässt Alistair MacLeod in dieser wunderbar poetisch-melancholischen Familiengeschichte wieder auferstehen.


    Cape Breton im Südosten Ontarios ist das Land, das Calum MacDonald um 1780 bei seiner Emigration aus dem von Hungersnöten gebeutelten Schottland in Besitz nimmt. Seitdem hat sich der Clan in ganz Nordamerika und darüber hinaus verbreitet, das Zusammengehörigkeitsgefühl als Familie ist allerdings nach wie vor das Bindeglied zwischen all diesen Menschen. Erst die jüngste Generation hat sich zumindest teilweise einen gewissen Wohlstand erarbeitet, allerdings ist die Vergangenheit als Fischer, Bauer, Leuchtturmwärter oder Minenarbeiter noch sehr lebendig.


    Dieser Gegensatz wird sensibel aufgezeigt durch das Brüderpaar Calum und Alexander MacDonald. Alexander hat studieren können und sich eine sichere, gutsituierte Existenz als Kieferchirurg aufgebaut, während Calum, der weitaus älter ist und seit dem frühen Verlust der Eltern schon als Teenager auf eigenen Beinen stehen musste, aus einem Leben als Minenarbeiter in den kanadischen Uranminen in eine Gefängnisstrafe und die Existenz als Alkoholiker abgerutscht ist. Eine Begegnung zwischen diesen beiden ungleichen Brüdern bildet die Rahmenhandlung der Erzählung, in der Alexander als Ich-Erzähler die Geschichte des Clans und seiner eigenen engeren Familie aufblättert.


    Wesentliches Element ist dabei einerseits die Verbundenheit zwischen den Menschen und dem eigenen Land, dem sie ihren Lebensunterhalt abringen und der Landschaft, durch die sie seit ihrer Kindheit geprägt wurden, und andererseits die Verbundenheit zwischen den Clanmitgliedern. Kleine Episoden, wie sich die MacDonalds überall auf der Welt plötzlich wieder- und anerkennen illustrieren diese Verbundenheit ebenso wie die gemeinsame, gälische Sprache und die vielen Geschichten, Legenden und Lieder, die teilweise aus der schottischen Heimat mit herüber gekommen sind und sich teilweise auch aus der Erinnerung an vergangene Generationen gebildet haben. Diese Grundhaltung des “Sich umeinander kümmerns” heißt dabei nicht Verlust der eigenen Identität, sondern der selbstbewusste Rückgriff auf Traditionen, die den Einzelnen erst in der Gemeinschaft als Ganzes erleben. Chancen für ein besseres Leben werden in der neuen Heimat dabei ebenso genutzt, wie in der Verteidigung dieser Gemeinschaft auch Einzelschicksale zerschlagen werden.


    Zyniker mögen dieses Konglomerat von unzerstörbarem Gemeinschaftssinn und den poetischsten Landschaftsbeschreibungen, die ich seit langem gelesen habe, als kitschig empfinden. Aber die Welt der MacDonalds ist kein Idyll, Schicksalsschläge, Un- und Todesfälle werden intensivst erlebt und beschrieben. Letztendlich klingt aber in jedem Unglück, in jeder Episode der letzte Satz des Buches durch: “Wir sind alle bessere Menschen, wenn uns jemand liebt.”


    Alistair MacLeod wird von Michael Ondaatje als der “größte zu entdeckende Schriftsteller unserer Zeit” gelobt. Diese Reise in die Welt der schottischen Emigranten und in die Großartigkeit kanadischer Landschaften ist auf jeden Fall ein lohnender Ausflug.

    Ich hab das Buch im Rahmen der "Lesenacht der kurzen Bücher" gelesen, und dafür hatte es entschieden zu wenig Gehalt, sowohl seiten- als auch inhalts- und lesespaßmäßig.


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    Als in dem kleinen englischen Dorf Sowerbridge die alte Lavinia Fanshaw und ihre Betreuerin brutal ermordet in ihrer Villa aufgefunden werden, scheint der Schuldige schnell festzustehen: der Ire Patrick O’Riordan. Nicht nur wurde der Mord mit seinem Werkzeug begangen und der Schmuck der alten Dame findet sich in seinem Besitz, er ist auch bei der Polizei kein Unbekannter.


    Sobald der junge Mann in Untersuchungshaft sitzt, entlädt sich der ganze, über Jahre angestaute Hass der Dorfgemeinschaft über seine Familie. Vorurteile gibt es viele: Die zugewanderten Iren sind faul, schlampig und ein Schandfleck für den guten Ruf der Einheimischen. Nur Siobham Lavenham, selbst Irin und mit einem Engländer verheiratet, glaubt nicht an diese einfache Lösung und bedrängt die Polizei mit unbequemen Fragen. Erst als das Haus der O’Riordans in Flammen aufgeht und in den verkohlten Überresten noch eine Leiche gefunden wird, wendet sich das Blatt.


    Dies ist gewohnter Walters-Krimistoff: tief im Milieu des ländlichen England angesiedelt, steht nicht in erster Linie der Initialmord im Vordergrund, sondern vielmehr die vielschichtigen und schwer durchschaubaren Beziehungen der Überlebenden. Dennoch fragt man sich am Ende dieses nur gut 140 Seiten schmalen Bändchens: Wie, das war’s schon? Nach zwei Stunden hatte ich das Gefühl, tatsächlich ein Mängelexemplar in der Hand zu halten: Da müssen doch Seiten fehlen, das ging ja alles viel zu schnell! Wird am Anfang das vorurteilsbeladene Konfliktpotential innerhalb des Dorfes noch halbwegs ausführlich dargestellt, überspringt die Autorin am Ende scheinbar ganze Episoden, die nicht nur zur Aufklärung der Morde, sondern auch zum Verständnis der Hintergründe essentiell gewesen wären. Plötzlich ist die Lösung da und wird durch einige konstruiert wirkende Dialoge in das ohnehin schon mehr als karge Gesamtbild eingefügt - das ist einfach unbefriedigend.


    Auch das, was Minette Walters in anderen Krimis schon so glänzend zur Schau gestellt hat, nämlich die Ausarbeitung der Figuren zu lebendigen, sich entwickelnden Charakteren, kommt hier naturgemäß viel zu kurz. Sowohl die O’Riordans als auch die Dorfbewohner oder der ermittelnde Kommissar bleiben ihren Rollen klischeehaft und scherenschnittartig verhaftet. Die einzige Ausnahme ist Siobhan, aber auch bei ihr ist viel Potenzial verschenkt worden.


    Insgesamt hatte ich bei diesem Krimi das Gefühl, dass Minette Walters unter Termindruck eine Plotskizze aus der Schublade geklaubt, diese kurz überarbeitet und dann zur Veröffentlichung freigegeben hat. Viele gute Ansätze, am Ende aber mehr als unbefriedigend, vor allem im Vergleich zu ihrem sonstigen Niveau.