Worum geht’s?
Mia Corvere verliert mit 10 Jahren alles: Ihren Vater an den Strang, ihre Mutter und Bruder an das Gefängnis, und sie selbst muss um ihr Leben rennen. 6 Jahre später wird sie von ihrem Meister, der sie zur Assassinin ausgebildet hat, zur Roten Kirche geschickt, der Kirche der Assassinen, um dort ihre Ausbildung zu beenden. Der Weg dorthin gestaltet sich schwierig, und auch das Leben unter all den Mörderinnen und Mördern gestaltet sich zwar spannend, aber auch erwartungsgemäß sehr gefährlich. Immer an Mias Seite ist Herr Freundlich, die Katze die keine Katze ist, und in den Schatten auf sie aufpasst. Doch auch er kann Mia nur bedingt vor den Gefahren und den Erfahrungen bewahren, die sie in der Roten Kirche macht.
Wie war’s?
Nevernight wurde diesseits und jenseits des Atlantiks in den höchsten Tönen gelobt. Die Welt, die Charaktere und vor allem die Sprache sollen unfassbar bezaubernd, außergewöhnlich und originell sein. Die Story packend bis man seine Nägel auf die Haut runtergekaut hat.
Entsprechend groß waren meine Erwartungen – die nicht erfüllt wurden. Die Sprache fand ich eher sperrig und schleppend als außergewöhnlich, die Story zog sich ewig hin, und die ersten 550 Seiten sind maximal Mittelmaß. Die Charaktere sind bis auf Herrn Freundlich bei weitem nicht so faszinierend wie man erwarten möchte, und auch wenn Sympathien für den ein oder anderen wachsen, ist es bei den wenigsten so, dass man sie vermissen würde. Die Story fühlt sich ebenso wie die meisten Charaktere austauschbar an, teilweise fühlte mich an Hogwarts erinnert – nur mit etwas mehr Blut.
Zudem gab es ein paar kleine, aber feine Details, die mich Korinthenscheißer zumindest anfangs gestört haben.
Es gibt drei Sonnen. Drei. Ich bekomme immer noch nicht in meinen Kopf, wie das astrophysisch funktionieren soll. In der Leserunde meinte jemand, „das ist halt Fantasy“ – frei nach dem Motto „in der Fantasy gelten andere Regeln und Gesetze!!“ Finde ich trotzdem komisch, denn die Schwerkraft scheint ja einwandfrei zu funktionieren! Aber gut, ich habe mich recht schnell daran gewöhnt…
Ein anderer Punkt, der mich etwas genervt hat, war der Name eines Charakters: Adonai. Adonai ist die Bezeichnung der Juden für Gott, da das Tetragram JHWH, das Nichtjuden gerne mit Jaweh übersetzen, eigentlich unaussprechbar ist. Adonai ist also, wenn man so will, eine heilige Bezeichnung. Ja, sie bedeutet übersetzt „Herr“ oder „Mein Herr“, also etwas „profaneres“ als Gott. Trotzdem. Kein Mensch würde auf die Idee kommen, einen Charakter Allah zu nennen, auch wenn der Name Jesus in spanischsprachigen Ländern durchaus gängig ist. Ich bin weder religiös noch gläubig. Von mir aus darf jeder glauben was er mag, solange er seine Mitmenschen nicht beeinträchtigt. Dazu gehört für mich auch, die für manche Menschen heiligen Namen nicht zu profanisieren. Vielleicht rege ich mich mehr darüber auf als ich sollte, vielleicht sehen das jüdische Leser*innen ganz anders oder nicht so eng. Aber ich für mich finde es komisch.
Der Showdown zieht das Tempo schließlich kräftig an und, man verzeihe mir dieses Klischee, die Ereignisse überschlagen sich. Wie man es trotzdem schaffen kann, selbst dort noch Längen einzubauen, ist mir ein Rätsel und zeugt in diesem Fall von einem besonderen Talent des Autors.
Die letzten Seiten konnten das Buch für mich nicht retten, und ich werde den nächsten Teil nicht lesen. Der einzige Handlungsstrang, der mich reizen würde, ist höchstens Nebenhandlung, wenn er nicht sogar nur aus kurzen Einwürfen besteht. Das reicht nicht für das Fortsetzen einer Serie.
Insgesamt verstehe ich den Hype nicht, aber gut ;D