Beiträge von Bücherkrähe

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    Feminismus kommt immer mehr im Mainstream an. Stars wie Beyoncé, Taylor Swift und Emma Watson setzen sich auf verschiedene Arten für feministische Themen ein, die Modeindustrie greift neue Slogans auf, die Werbung baut feministische Ansichten in ihren Kampagnen ein. Also ist doch alles super, oder?


    Eher nicht, meint Andi Zeisler, denn „der Hochglanz-Wohlfühl-Feminismus [entzieht] den tief verwurzelten Formen der Ungleichheit die Aufmerksamkeit“ (S. 15), sprich: die eigentlichen Themen von Unterdrückung, Misogynie und vor allem auch Intersektionalität verblassen angesichts des Feierns von Jungstars, die sich für eine wichtige Sache verschreiben.


    Zeisler analysiert in mehreren Essays den Feminismus in der Popkultur und Werbung, und zeigt dabei auch auf, wie paradox diese ist: „Konzepte der verschiedenen feministischen Bewegungen [waren] in ihrem Kern stets antikapitalistisch – sie stellten Werbebotschaften, Konsumvorschriften und kommerzialisierte, an weißen Idealen ausgerichtete Standards für Sexappeal in Frage.“ (S. 83) Und machen wir uns nichts vor: Werbung geht es nicht darum, das Selbstwertgefühl und die Unabhängigkeit von Frauen zu fördern. Werbung will Produkte verkaufen oder/und das Image einer Firma positiv aussehen lassen. Doch warum werden Marken wie Dove und Nike für ihre Kampagnen gefeiert?
    Kapitalismus hat den Feminismus für sich entdeckt – nicht, um ihn zu unterstützen, sondern um ihn für sich arbeiten zu lassen. Und Konsument*innen merken es nicht, weil es durchaus clever gemacht ist.


    So wichtig Zeislers Analysen der Popkultur und des Kapitalismus auch sind, bei einigen der Probleme, die sie anspricht, gehe ich nicht mit. Bspw. kritisiert sie Emma Watson, die 2014 für ihre Rede vor den Vereinten Nationen gefeiert wurde und inzwischen auf Goodreads ein feministisches Leseprojekt, Our Shared Shelf, hat, ihre Rolle in der Neuverfilmung von Die Schöne und das Biest, einer Geschichte, die von kritischen Stimmen als Verfilmung des Stockholmsyndroms bezeichnet wird. (S. 164) Die Entscheidung Watsons für diesen Film mag in Zusammenhang mit ihrem feministischen Engagement nicht ganz zusammenpassen, doch Zeisler tappt damit in eine Falle, die Roxanne Gay in Bad Feminist anspricht: dass an Feminist*innen immer der Anspruch gestellt wird, perfekt zu sein, es darf keinen Fehltritt gebe, keine Entscheidung oder Handlung, die feministisch nicht durchdacht ist. Um Gay zu zitieren: „It’s okay when I do not live up to my best feminist self!”
    Auch was die Werbeindustrie angeht hat Zeisler in vielen Punkten recht. Allerdings muss ich auch gestehen, dass ich in einer Welt, die derartig medial geprägt ist wie die us-amerikanische und europäische, lieber auch Werbung habe, die auf bestimmte misogyne Mechanismen hinweist, als ausschließlich solche, die Sexismus und Rassismus ohne jegliche Kritik von außen reproduzieren kann. Ich würde mir hier vor allem wünschen, Kindern und Jugendlichen einen kritischen Umgang mit Werbung zu vermitteln.


    Man muss mit einer Autorin nicht immer 100%ig übereinstimmen um das Buch trotzdem zu lesen. Zeislers Texte bieten einen umfassenden, wichtigen Einblick in die komplexen Strukturen und Verbindungen von Popkultur, Mainstream und Kapitalismus mit dem Feminismus, die definitiv mehr Aufmerksamkeit bekommen sollten, da sie einen selbst tagtäglich betreffen.

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    Gay befasst sich in ihren Essays mal mehr, mal weniger offensichtlich mit Feminismus.
    In ihren sehr praktischen Analysen der Popkultur nimmt sie bspw. gehypte Filme wie Django Unchained unter die Lupe und analysiert treffend, warum auch dieser Film rassistisch ist. Rape Culture in Songs wird ebenso analysiert wie Fifty Shades of Gray. In einem Essay verurteilt Gay die Banalisierung der Sprache, mit der in den Medien sexuelle/sexualisierte Gewalt beschrieben wird, in einem anderen ist dick/fett sein ein Thema, mit dem sie sich auseinandersetzt.


    Vor allem schafft es Gay, durch ihre tlw. sehr persönlichen Bezüge zu den Themen einen Zugang zu schaffen, auch wenn man keine PoC ist, und so bei PoC betreffenden Themen die Sichtweise zu erweitern. Gerade für weiße gibt es mehr als einen Aha-Moment in dieser Essaysammlung. Dabei werden die Essays nicht trocken, sondern sind regelmäßig mit einer gut dosierten Prise Sarkasmus gewürzt. So antwortet Gay auf den Vorschlag, sich angesichts von Rape Culture und Übergrifflichkeiten zu entspannen („Lighten Up!“ – Entspann dich!): „It’s hard to be told to lighten up because if you lighten up any more, you’re going to flow the fuck away.“ (S. 189)


    Bei aller Kritik ist vor allem eine Kernaussage von Gay immer wieder wichtig (und wird auch an unterschiedlichsten Stellen wiederholt): Es ist absolut okay, nicht DIE perfekte Feministin zu sein und auch an seinen eigenen Erwartungen zu scheitern. Menschen sind als Charaktere komplex und durchaus auch widersprüchlich, und das ist so völlig in Ordnung: „…it’s okay when I do not live up to my best feminist self.“ (S. xiii) Während sie den Feminismus sehr ernst nimmt, ist sie der Meinung, dass man selbst nicht die perfekte Feministin sein muss, gerade weil wir in einer Gesellschaft leben, die von jeder*m jederzeit Perfektionismus erwartet.


    Ich gestehe: Auf Little Zank (m) warten viele blaue Strampler. Die hätte ich auch einem Mädchen gerne angezogen, während ich mich mit rosa tatsächlich schwertue - aber auch bei Mädchen. Ich mag die Farbe einfach nicht :breitgrins: Aus Protest gegen diesen Genderwahnsinn habe ich aber auch eine schrecklich knallpinke Hose aufgehoben, die Little Zank auf jeden Fall im nächsten Winter tragen wird - nur um dann die schockierten Gesichter zu sehen, wenn jemand sagt "och, die Kleine ist ja süß" und ich sage "Da freut der xj sich aber über das Komliment" :zwinker:. Und er hat ganz viele rosa Söckchen.


    Ich bin eindeutig zu inaktiv gewesen, da kommt ein Mini Zank? Wie toll, ich freu mich für dich! Bis wann muss man Babykram gestrickt haben?


    Ich kann schon verstehen, dass du einem Jungen kein Pink anziehen möchtest (obwohl es für Männer ja auch Hemden in Rosé gibt...). Aber was machst du, wenn er selbst irgendwann rosa tragen möchte? :D

    Hallo Tarí,


    mir geht's wie dir, wobei einige Elternpaare meines Freundeskreises sehr kritisch ggü. dieser Mädchen-Jungs-Einteilung sind.
    Einer meiner Exfreunde ist seit einigen Jahren Vater, sein Sohn wohnt bei ihm, und wenn der Kleine Prinzessin spielen will, darf er das ohne Wenn und Aber. Er hat ein Prinzessinnenkostüm, ein Feenkostüm, Hexenkugeln...alles "Mädchenspielzeug", aber er wollte es haben, und sein Vater lässt ihn sich ausleben. Das finde ich super. Als eine gemeinsame Freundin einmal meinte, der Kleine sei "bestimmt schwul" fragte ich sie, was daran so schlimm sei. Sie hatte keine Antwort darauf.


    Ich kann bei sowas auch nur den Kopf schütteln, und ich denke auch nicht, dass es was damit zu tun hat, ob man selbst Kinder hat oder nicht...

    Hallo Matthias,


    danke für die Blumen.
    Mein bester Freund liest es gerade und meinte, er müsse es auch immer mal wieder zur Seite legen, weil es ihm sehr nahe geht. Da sieht man mal, dass es eben nicht nur Frauen betrifft, interessiert oder nahe geht, sondern auch Männern.


    Ich wünsche dir, dass du es irgendwann lesen kannst, denn es ist wirklich toll.
    Cheerio
    Mareike

    Inhalt
    Feyre ist die jüngste Tochter ihres Vaters und die einzige, die ihre Familie nach ihrem Fall in die Armut ernähren kann, indem sie jeden Tag in den nahen Wald zum Jagen geht. Eines Tages tötet sie einen großen Wolf, der ihr ihre eigentliche Beute weggeschnappt hätte. Dummerweise war es einer der unsterblichen Fea, die jenseits der Mauer von den sterblichen Menschen getrennt leben, und mit denen die Menschen eine blutige, hasserfüllte Geschichte verbindet. Als Strafe, ein Leben für ein Leben, muss Feyre nach Prythian, in das Land der Fae, um dort für immer beim High Lord Tamlin zu leben. Doch in Prythian ist es alles andere als Sicher, eine dunkle Macht bedroht den wackligen Frieden, und während Feyre sich in ihrem neuen Zuhause einleben muss, findet sich mitten in einem seit Jahrzehnte andauernden Konflikt wieder.


    Meinung
    Die Story plätschert vor sich hin, zwei Drittel des Buches sind im Grunde nur Vorlauf für das letzte Drittel. Wer sich mit Märchen auskennt, werden die eindeutigen Parallelen zu Die Schöne und das Tier (oder auf Disney: Die Schöne und das Biest) auffallen. Maas hat es auf grandiose Weise geschafft, die Strukturen dieses Märchens in einer völlig neuen, anderen Welt umzusetzen und trotz der Ähnlichkeiten eine eigenständige Geschichte zu schaffen.


    Das Buch braucht einige Zeit, um in Schwung zu kommen, auch wenn Feyre an sich ein spannender Charakter ist. Lange Zeit bekommt man wenig von der wirklichen Bedrohung mit, man nimmt vor allem die direkte Umgebung wahr. Und die ist voller Fae, die Feyre im besten Fall nicht wohl gesinnt sind, im schlimmsten Fall direkt töten wollen.
    Doch obwohl das Buch trotz seiner bisweiligen Längen ein Pageturner ist, kann ich dieses Buch nicht ruhigen Gewissens weiterempfehlen. Nachfolgend erkläre ich warum, komme aber nicht umhin, Details der Geschichte zu verraten. Deswegen:


    *** SPOILERWARNUNG! ***


    Eine Sache, die ich im Laufe des Buches wirklich, wirklich gestört hat, ist die Reproduktion von Rape Culture. Bevor ich dazu komme, ein kurzer Exkurs dazu, was Rape Culture überhaupt ist und warum es wichtig ist, darüber zu reden und sich zu sensibilisieren
    Crashkurs Rape Culture


    Rape Culture bezeichnet eine Gesellschaft, ein soziales Milieu oder auch Gruppe, innerhalb derer sexualisierte Gewalt toleriert, geduldet, entschuldigt und/oder heruntergespielt wird. „Susann Brownmiller hatte 1975 in Gegen unseren Willen von Amerika als einer ‚rape supportive culture‘ gesprochen und sich damit auf die gesellschaftliche Haltungen bezogen, die sexuelle Gewalt trivialisieren, entschuldigen oder gar glorifizieren.“(1) In einer Rape (Supportive) Culture ist auch Victim Blaming an der Tagesordnung, was bedeutet, dass Vergewaltigungsopfer mindestens eine Teilschuld zugesprochen wird. Sei es durch die Kleidung, das Opfer trug, oder dass es sich zu nächtlicher Zeit noch auf der Straße befand, sei es Kontaktfreudigkeit, der „falsche“ Umgang von Leuten oder Freizeitbeschäftigung – all das kann dazu führen, dass dem Opfer (oft auch als Survivor bezeichnet) Mitschuld an dem an ihm begangenen Verbrechen gegeben wird. Ein Beispiel aus Berlin: „M. erzählte, was vorgefallen war, die Beamtin sagte: ‚Es ist aber auch ein komisches Hobby, nachts im Minirock durch Neukölln zu laufen, oder?‘“(2) Hier: falsche Kleidung, falsche Zeit, falscher Ort, also bist du selber schuld. Rape Culture ist nichts, was „woanders“ ist, was nur „in anderen Ländern/Kulturen“ passiert, sondern zusammen mit Sexismus etwas, das vermutlich jede Frau auf die ein oder andere Weise schon erlebt hat und/oder jeden Tag erlebt.
    Rape Culture geht Hand in Hand mit Sexismus und ist etwas, das in Jugendbüchern, vor allem in solchen, die sich an Mädchen richten, nicht unkritisch reproduziert werden sollte. Wer hinsichtlich zu Seximus, Misogynie und Feminismus aktuelle und gute Bücher lesen möchte, findet in der Fußnote ein paar meiner Meinung nach empfehlenswerte Bücher.(3)



    Rape Culture in ACOTAR


    Während des Frühlingsfestes Calanmai soll Feyre sich in ihrem Zimmer einschließen und erst bei Morgengrauen herauskommen. Grund: Tamlin wird in dieser Nacht seinen animalischen Instinkten folgen, sich eine Frau suchen die er begatten kann, und laut Lucien, seinem Freund, wird das nicht sehr sanft sein. Für die auserwählte weibliche Fae ist das natürlich eine große Ehre, weil königlicher Fae und so. Es folgen zwei Szenen, die beide einen (versuchten) sexuellen Übergriff darstellen.
    Feyre schleicht sich trotz des „Verbotes“ auf das Fest, wird von drei Fae bedrängt und kann nur durch einen ihr Unbekannten vor dem „Spaß“ gerettet werden – vermutlich einer Vergewaltigung, denn bei diesem Fest geht es nur um Sex, die bloße Anwesenheit wird als Zustimmung gesehen, ein Nein gibt es nicht. Feyre wird von dem „Spaß“ verschont, weil ein anderer Mann sie beansprucht. (4) Lucien bringt sie ins Schloss zurück.
    Dort macht sie sich nachts in der Küche etwas zu essen und wird von Tamlin überrascht, der noch „ganz animalisch“ ist und sie nach kurzer Diskussion, dass sie entgegen seinem Verbot trotzdem auf dem Fest gewesen sei und ihn ganz rattig gemacht habe, an die Wand drückt und ihr in den Nacken beißt. Es fehlt nicht viel, und Tamlin „nimmt“ Feyre – ein anderer Ausdruck fällt mir dafür nicht ein – an Ort und Stelle. Für Feyre geht das voll klar, sie findet es auch irgendwie geil, egal, dass sie einen unübersehbaren Bluterguss zurückbehält. Am nächsten Tag finden Lucien und Tamlin das alles ganz witzig, Feyre auch irgendwie. Nur ich als Leserin denke mir: ernsthaft? Das ist die Botschaft? Dass ein betrunkener Mann mich an die Wand drückt, soll erotisch sein, ich soll das toll finden? Es ist nicht im Geringsten übergriffig, sondern, mit Nomnoms Worten, „fast schon romantisch“?
    „Ganz abgesehen davon ist Feyre sowieso selber schuld. Sie hat nämlich nicht auf die Männer im Buch gehört, und ist aus ihrem Schlafzimmer gegangen. Von daher ist alles, was ihr passiert ist, zum lachen. Also zumindest für die Männer. …
    So hatte das Buch diese Nacht aber als nichts anderes als fast schon romantisch (immerhin wollte der Loveinterest eingetlich sie! Er hat nur eine andere genommen, weil sie nicht da war!…) beschrieben…“(5)


    Auch im letzten Drittel des Buches wird es nicht besser. Feyre wird von der bösen Königin gefangen genommen und muss jeden Monat eine von drei Aufgaben erfüllen, um ihren geliebten Tamlin zu bekommen. In der Zwischenzeit ist sie die Sklavenbegleiterin eines anderen königlichen Fey, Rhysand. Dieser lässt sie jeden Abend mit Farbe bemalen und steckt sie in Kleider, die nichts der Fantasie überlassen. Auf den allabendlichen Feiern setzt er sie mit dem Fae-Wein, den Menschen nicht gut vertragen, unter Drogen und lässt sie zur Belustigung aller tanzen. Reicht eigentlich schon an Demütigung und Machtdemonstration. Allerdings zieht Rhysand Feyre auch an jedem Abend in seinen Schoß um mit ihr „rumzumachen“, sie erkennt am Morgen immer an der verwischten Farbe, wo seine Hände gewesen sind. Es kam nicht zum Äußersten, sie wird nie unterhalb ihrer Hüfte berührt.(6) Na Hallelujah, dann ist der Rest ja okay. Am Ende gibt es eine fadenscheinige Erklärung dafür, denn nur so konnte man sicher gehen, dass die böse Königin auch besiegt werden kann uswusfetcpp.

    Kein empfehlenswertes Jugendbuch!

    Sexuelle Belästigungen und Übergriffe sind also okay, wenn sie Mittel zum Zweck sind. Was ist das für eine Aussage, vor allem in einem Jugendbuch, das sich darüber hinaus laut deutschem Verlag an 14 Jährige wendet? Ich werde den Teufel tun und das meiner Schwester, die in die Zielgruppe passt wie die Faust aufs Auge, zu lesen geben.
    Mir wurde gesagt, dass in Band 2 der Serie alles erklärt wird und wohl auch, dass das so nicht okay war. Ehrlich? Wenn dem so ist, hätte das noch im gleichen Buch richtig gestellt werden müssen, wo es noch im Kontext ist.
    Ich mag die Throne of Glass Serie von Maas, jedenfalls soweit ich sie bisher gelesen habe, aber A Court of Thorns and Roses kann ich beim besten Willen nicht weiterempfehlen!

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    Albert Jung wird 1922 als jüngstes von 14 Kindern geboren. Seine Mutter stirbt an den Folgen der Geburt, sein Vater nur wenige Jahre später. Albert wächst bei seinem älteren Bruder Emil auf, zu dem er ein gutes Verhältnis hat, doch sein Onkel ist Vormund und schickt ihn auf einen Bauernhof, um dort zu arbeiten. Hier fühlt sich Albert richtig wohl und erfährt zum ersten Mal, was Familie und Zugehörigkeit bedeutet. Er ist glücklich und mit Unterstützung seiner neuen Familie beginnt er eine Ausbildung zum Landwirt.
    Doch als 1939 der Zweite Weltkrieg beginnt, wird Albert von seinem Vormund „freiwillig“ zur Wehrmacht gemeldet. Norwegen, Russland, mehrmals verletzt, während eines Heimaturlaubes heiratet er. Er überlebt die Ostfront und russische Kriegsgefangenschaft. Wieder zu Hause beginnt er aus der Not heraus, in einem Bergwerk zu arbeiten, doch seine Gesundheit hat im Krieg Schaden genommen.


    Sebastian Jung ist Alberts Enkel und setzt die Erzählungen seines Vaters um. Das Besondere an Jungs Stil ist, dass die Graphic Novel wie ein Notizbuch gestaltet ist. Sie kommt in Pappeinband, und die Seiten sind liniert. Die Schrift sieht handschriftlich aus, die schwarzweißen Zeichnungen wechseln sich mit Fotos ab, mit Rot werden Highlights gesetzt.
    Auf wenigen Seiten, 128, berührt Alberts Geschichte tief drinnen. Vor allem bewegt seine persönliche Geschichte, die ihn von den ersten Lebenstagen an in eine passive Rolle, quasi auf den Zuschauerplatz in seinem eigenen Leben drängt. Das erste Drittel seines Lebens ist geprägt von Entscheidungen, die andere für ihn treffen, was er möchte interessiert keinen. Auch später folgt er eher äußeren Notwendigkeiten. Trotzdem wird ihm ein selbstbestimmtes Leben immer wichtiger, zum Ende seines Lebens immer mehr. Seine Erlebnisse während des Krieges prägten Albert, immer aufrichtig zu sein und sich gegen Krieg einzusetzen. Sie wirkten sich aber auch auf seine Fähigkeit aus, Gefühle zu zeigen. Überhaupt erfährt man wenig, was in Alberts Kopf vorgeht. Das mag daran liegen, dass die Geschichte von seinem Sohn Eberhard erzählt wird, also quasi aus zweiter Hand. Nur anhand von Erzählungen, wie Albert charakterlich war und auf verschiedene Situationen und Ereignisse reagierte, lassen sich Rückschlüsse auf seine Gefühlswelt und Wünsche schließen.


    Diese Graphic Novel hat mich mehr berührt als jede andere, und mehr als die meisten Bücher. Alberts Geschichte ähnelt der meines Großvaters sehr, der auch in jungen Jahren Wehrmacht musste (eingezogen) und schließlich an der Ostfront und in russischer Kriegsgefangenschaft landete. Auch ihn haben seine Jugend und die Kriegserlebnisse sehr geprägt, und auch er war ein Mann weniger Worte, der aber, wenn es sein musste, sehr laut und deutlich seine Meinung vertrat. Wie Albert war er vordergründig kein Mann überschwänglicher Gefühlsäußerungen, aber in den kleinen und größeren Details konnte man die Zuneigung zu seiner Frau, seinem Sohn und Enkeln sehen. Ich vermisse ihn oft und schmerzlich, und Albert hat mich die ganze Zeit an das Loch erinnert, das er hinterlassen hat. Sebastian Jung hat zusammen mit seinem Vater Eberhard seinem Großvater eine wundervolle Erinnerung gesetzt, die vermutlich auch andere an ihre Großväter denken lässt.


    Ich habe bei keinem meiner Jahreshighlights, zu denen Albert zweifelsfrei gehört, eine „uneingeschränkte Kaufempfehlung“ ausgesprochen. Hier schon. Kauf diese Graphic Novel, liebe sie, erfreue dich an Jungs Zeichenstil und an der Liebe, die er hineingesteckt hat.


    Threadtitel korrigiert. LG, Valentine

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    Titel: Vergewaltigung. Aspekte eine Verbrechens
    Autorin: Dr. Mithu Sanyal
    Verlag: Edition Nautilus
    ISBN: 978-3-96054-023-6


    [Trigger Warnung: Diese Rezension bespricht ein Buch, dessen Titel keinen Zweifel über den Inhalt lässt. Es wird explizit auf diese Inhalte eingegangen und besprochen. Aspekte des Buches bzw. des Textes können triggernd auf Betroffene wirken.]


    Ich habe für Vergewaltigung ewig gebraucht, obwohl es ein Rezensionsexemplar ist. Ich habe noch nie ein Buch zur Thematik gelesen, dass so offen, direkt und frech, dabei aber gleichzeitig so rücksichtsvoll, ernst und sachlich mit dem Thema Vergewaltigung umgeht. Trotzdem musste ich das Bucher immer wieder pausieren. Der Inhalt geht nahe. Gerade deswegen ist es wichtig, dieses Thema zu diskutieren und es aus der Tabuzone des öffentlichen Diskurses zu holen. Sanyal erzählte auf der Frankfurter Buchmesse, dass es schwer war, einen Verleger zu finden – „Ein Buch über Vergewaltigung ist notgedrungen weniger gut gelaunt, das liegt an der Natur der Sache“ (1) – und ehrlich gesagt wundert es mich wenig, dass Edition Nautilus sich dazu bereit erklärt hat. Ich bin sehr froh darüber.


    Vergewaltigung ist ein Thema, das von gesellschaftlichen Vorstellungen, Mythen und Narrativen geprägt ist, und die Veränderung dessen und eine Erweiterung der Sichtweisen gehen nur langsam voran.
    Sanyal erklärt u.a., wie das Konzept der Vergewaltigung erstmal nur auf weiße, „zivilisierte“ [sic] Frauen zutreffen konnte (was natürlich völliger Quatsch ist, was Sanyal auch im Buch aufgreift)(2), und auch dann bei weitem nicht auf alle. Die Vorstellungen und Mythen von Vergewaltigung, die bereits seit Jahrhunderten und Jahrtausenden bestehen, sind heute noch fast genauso unverändert wie in den 1970ern, als Vergewaltigung von den Frauenrechtsbewegungen aufgegriffen wurde. Beispiele gefällig? Bitte schön:
    „Vergewaltigung ist Sex; Frauen sagen nein, wenn sie ja sagen; Opfer sind schöne junge Frauen, deren Attraktivität einen Mann so erregt, dass er sich nicht mehr beherrschen kann; Alternativ sind Opfer Flittchen, die Männer bewusst provozieren und es nicht besser verdienen; So oder so trägt das Opfer (Mit-)Schuld an der Vergewaltigung, weil es den Täter durch seinen Minirock oder aufreizendes Verhalten eingeladen hat; Denn Frauen wünschen sich im Grunde ihres Herzens, vergewaltigt zu werden; Eine Frau, die sich wehrt, kann nicht vergewaltigt werden (Gleichzeitig allerdings paradoxerweise: Keine Frau kann sich erfolgreich gegen eine Vergewaltigung wehren, also kann sie sie genauso gut genießen)…“ (3)
    Mehr als einen Punkt habe ich so oder in ähnlicher Form gehört, in Medien gelesen oder auf andere Art mitbekommen und wahrgenommen. Und bei all diesen Beispielen fehlt ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung: Männer. Dass auch Männer Opfer von sexualisierter Gewalt bis hin zu Vergewaltigung werden können, wird nach wie vor nur schwer anerkannt. Hier spielen nicht nur gesellschaftliche Vorstellungen von Geschlechterrollen eine Rolle (der Mann ist stark und aktiv, die Frau schwach und passiv), sondern auch die Unwissenheit darüber, dass der Körper in einen Erregungszustand geraten kann, der keine psychische Entsprechung hat. Erektionen bei Männern sowie Orgasmen bei Vergewaltigungsopfern beiderlei Geschlechts sind kein Zeichen für Zustimmung, sondern schlicht körperliche Reaktionen auf entsprechende Reize. Das hat zur Folge, dass Menschen, denen dies widerfahren ist, sogar anzweifeln, vergewaltigt worden zu sein. (4)


    Im Diskurs darüber, wer Opfer/Survivor werden kann, wie man diese wahrnimmt und wie man sie unterstützen und stärken kann hat Sanyal auf der Frankfurter Buchmesse 2016 auf dem Blauen Sofa etwas sehr wichtiges gesagt. In der gesellschaftlichen Vorstellung muss ein Vergewaltigungsopfer bis ans Ende des Lebens schwer traumatisiert sein und bestimmte Verhaltensweisen entwickeln (Angst vor Männern, Beziehungsunfähigkeit, gestörte Sexualität, etc.). Sanyal meinte nun, dass man Opfern die Möglichkeit zusprechen müsse, ihre eigene Geschichte zu schreiben. Das heißt, jedes Opfer reagiert anders und jede Reaktion und Form der Verarbeitung ist okay.


    Sanyal will keine Kulturgeschichte schreiben, sondern einen Versuch machen, „Narrative nachzuzeichnen und Verbindungslinien sichtbar zu machen.“ (5)
    Was bei der Lektüre des Buches besonders interessant ist: in der Geschichte waren es hauptsächlich, wenn nicht bis zum Beginn der Frauenbewegungen ausschließlich Männer, die weibliche Sexualität und Vergewaltigung beschrieben haben. Die Vorstellungen, die z.B. Freud (Die versteckte Vagina wird durch Vergewaltigung erotisiert (6); Insgeheim ersehnen sich Frauen die Vergewaltigung (7)), Aristoteles (Frauen können ihr Menstruationsblut nicht kochen um damit Samen herzustellen und seien deswegen nicht so heißblütig wie Männer (8)) und Augustin (Wenn Frauen die Vergewaltigung im Nachhinein auch nur ein bisschen gut fanden, waren sie unkeuch/ehebrecherisch und damit sündig (9)) sind derart hanebüchen, ich wusste oft nicht, ob ich lachen oder mir die Haare raufen soll. Meistens war es eine Mischung aus beidem.


    Vergewaltigung ist meiner Meinung nach nicht nur das wichtigste Buch, das dieses Jahr erschienen ist, es ist überhaupt eines der wichtigsten Bücher der letzten Jahre. Wer sich mit Feminismus, Sexismus und eben auch mit Vergewaltigung und Rape Culture auseinandersetzen möchte, kommt an Mithu Sanyal nicht vorbei!
    ---
    (1) S. 11.
    (2) vgl. S. 111.
    (3) S. 39.
    (4) Vgl. S. 126.
    (5)S. 8.
    (6) Vgl. S. 26.
    (7) Vgl. S. 28.
    (8) Vgl. S. 20.
    (9) Vgl. S. 61f.

    Mia liebt ihr Cello, ihren Freund Adam, vor allem aber ihre Familie. Eines Wintermorgens kommt es zu einem tragischen Unfall, bei dem ihre Eltern sterben, ihr Bruder und sie schwer verletzt werden, und sie selbst ins nächstgrößere Krankenhaus geflogen werden muss. Sie liegt im Koma, doch ihr Geist trennt sich von ihrem Körper und so kann sie umherwandern. Sie sieht, wie Familie und Freunde ins Krankenhaus kommen und auf die nächste gesicherte Nachricht warten: wird sie leben, oder wird sie sterben? Schnell merkt Mia, dass die Entscheidung an ihr hängt, denn die Ärzte haben alles getan, um ihr einen schwierigen, aber sicheren Weg ins Leben zurück zu bereiten. Aber will sie überhaupt noch leben, wenn sie alles verloren hat?


    Dieses Buch ist nur 250 Seiten stark, aber die Geschichte hat es in sich. Es gab vielleicht 30 Seiten, bei denen ich nicht mindestens geschnieft, wenn nicht sogar Rotz und Wasser geheult habe. Man begleitet Mia in den Stunden, in denen sie versucht, zu einer Entscheidung zu kommen. Man erlebt ihre Erinnerungen, die ihr nur wieder vor Augen führen, was sie verloren hat, und man erlebt in der Gegenwart, was ihre Familie, ihre Freunde und vor allem auch ihr Freund versuchen, um ihr zu helfen. Interessant fand ich, dass ihr Großvater, ein Blutsverwandter, zu ihr sagt, es sei okay loszulassen und zu gehen und dass alle es verstehen würden. Ihre beste Freundin, keine Blutsverwandte, sagt ihr: „There are like twenty people in that waiting room right now. Some of them are related to you. Some of them are not. But we’re all your family… You still have family.”
    Ich finde es so wundervoll, dass hier auch Freunde auf eine Ebene mit Familie gehoben werden, eine Ebene, die Auswirkungen haben kann.


    If I stay geht unter die Haut, und auch wenn man manchmal denkt, Mias Eltern seien eigentlich zu cool für diese Welt (zwei Alt-Punker/Rocker, aber wie werden die denn sonst, wenn sie Kinder bekommen?), ist es lesenswert. Es ist ein Jugendbuch von einer ganz anderen Sorte als das, was mir in letzter Zeit über den Weg gelaufen ist. Trotz der Kürze ist es von einer Intensität, die einen tief bewegt. Man sollte die 250 Seiten nicht unterschätzen, es ist kein Buch für Zwischendurch.

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    Titel: Rotkäppchen und der Hipster-Wolf
    Autorin: Nina MacKay
    Verlag: Drachenmond
    ISBN: 978-3-95991-989-0


    Ganz schön was los im Märchenwald. Die Prinzen sind verschwunden, wahrscheinlich entführt, und die dazugehörigen Prinzessinnen Schneewittchen/Snow, Rapunzel, Dornröschen/Rose und Aschenputtel/Cinder machen sich gemeinsam mit Rotkäppchen/Red auf die Suche nach ihnen. Selbst ist die Prinzessin, und dabei verbreiten sie Angst und Schrecken – oder so ähnlich. Wenn eine böse Hexe ein Zusammentreffen mit den Grazien nicht überlebt, ist das Pech für die Hexe. Oder Wolf.
    Dummerweise pennt Rose a.k.a. Dornröschen gerne mal mitten im Satz ein, Cinder ist Social Media abhängig, und Snow hat ein ausgewachsenes Aggressionsproblem, gegen das Hulk ein handzahmes Lämmchen ist. Einzig Red scheint einigermaßen den Überblick zu behalten – allerdings auch nur, bis sie auf den Werwolf Ever trifft, der ihr – natürlich, wir sind im YA Fantasy Genre – den Kopf verdreht. Ab da stammelt sich auch Rotkäppchen durch den Märchenwald und folgt mit Ever einer Spur bis nach Neverland, dem Land von Peter Pan. Die anderen begeben sich ins Morgenland, wo eine zornige Prinzessin Jasmin Snow aggressionstechnisch mal locker in die Tasche steckt. Auch bei Jasmin gilt: erst prügeln und pöbeln, dann vielleicht fragen, wenn das Subjekt der Befragung nicht dummerweise stirbt. Top Strategie. Oh, und eine deftige Portion Zickenkrieg darf natürlich auch nicht fehlen.
    Währenddessen trifft Red in Neverland auf den verboten gutaussehenden Capt’n Hook, und natürlich verfällt sie ihm und weiß nicht wohin mit sich und überhaupt und was ist mit ihren Gefühlen für Ever? Eigentlich ist sie doch ihn verknallt, oder nicht? Oder doch? Bei so viel oberkörperfreien Capt’n kann ja kein Mensch klar denken, und dann sagt er noch so tolle Sachen wie: „…andererseits fühle ich mich so von dir angezogen, als seist du der große Schatz, den ich schon seit Jahren zu heben versuche.“ (S. 190)
    …Ernsthaft? Na denn… Kurz nach dieser Stelle bin ich ausgestiegen und habe zum Ende vorgespult. Rotkäppchen und der Hipster-Wolf ist im Grunde die klassische YA-Storyline mit Märchenwaldsetting:


    * Starke, weibliche Heldin? Check
    * Ist sie was Besonderes? Check
    * Verknallt sie sich in einen Typen, den sie eigentlich nicht mögen will? Check?
    * Der eigentlich auch eher schlecht für sie sein könnte? Check
    * Sieht der aber einfach zu gut aus? Check
    * Protagonistin versucht cool zu sein, wird aber unhöflich und leidet an Hirnnekrose? Check
    * Kommt da noch einer, um das Liebesdreieck zu vervollständigen? Dingdingding, Jackpot!


    Nur so als Sidenote: auf S. 55 wird (meiner Meinung nach) auf Frida Kahlo angespielt – dummerweise ist die aber keine Spanierin, wie gesagt wird, sondern Mexikanerin. Aber macht ja nichts, Mexiko war ja immerhin mal spanische Kolonie…



    Dieses Buch ist mit Abstand das schlechteste, das ich dieses Jahr gelesen habe. Eigentlich hätten zwei Aspekte sämtliche Alarmglocken zum Schrillen bringen müssen: Zum einen ist MacKays Buch „Plötzlich Banshee“ bei keiner Buchbloggerin, die ich kenne, gut angekommen. Zum anderen hat die Autorin eine „Warnung“ vorangestellt, à la „Achtung, hier wird es witzig, hihi“ – ein sicheres Zeichen dafür, dass es ganz sicher nicht witzig wird.
    Ich habe mich durch die ersten zwei Drittel gequält, dann konnte ich nicht mehr. Die Charaktere sind allesamt nervig. Der Sprachtil soll jugendlich-flapsig wirken, ist im Endeffekt aber nur peinlich und extrem gewollt. Die eingestreuten Illustrationen wirken wenig professionell und würden wenn überhaupt zu einem Kinderbuch passen. Wo wir schon bei den Illustrationen sind: Das Cover. Normalerweise bespreche ist es nicht, getreu dem Satz „don’t judge a book by its cover“, aber hier ist der Photoshop-Stockphoto-Unfall ein gutes Indiz für den Inhalt. Und der ist wild zusammengewürfelt. Im Märchenwald rennen die Protagonistinnen der Grimmschen Märchen rum, und während ich bei der Erwähnung von Brüderchen und Schwesterchen noch die Hoffnung hatte, dass es die „echten“ Märchen sind, wusste ich spätestens bei Prinzessin Jasmin, dass alles doch hoffnungslos an Disney orientiert ist. Aladdin spielt nämlich nur im Disney-Universum in einer arabisch inspirierten Welt, in 1001 Nacht aber in China. Munterlustig dazugeworfen werden noch Neverland und das Wunderland. Eine ähnliche Kombination gibt es schon, in der Serie Ever After High auf Netflix.


    Ganz ehrlich, das Geld ist in einem anderen Buch besser angelegt.

    Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass Watership Down zwar seit ein paar Jahren in meinem Regal wohnt, ich es bisher aber leider noch nicht gelesen habe. Vielleicht nehme ich seinen Tod mal als Anlass, vor allem weil eine meiner Lieblingsbands sich nach einer Figur aus Watership Down benannt hatte und sogar ein Konzept-Album dazu herausbrachte...


    Ich muss allerdings sagen, dass 96 ein stolzes Alter ist, das ich so einigen Autoren wünsche (Stephen King, G.R.R. Martin, ...).

    Titel: Trümmerkind
    Autorin: Mechtild Borrmann
    Verlag: Droemer
    ISBN: 978-3-426-28137-6
    Wertung: 3ratten:marypipeshalbeprivatmaus:


    Im Hungerwinter 1946/47 werden vier Menschen erdrosselt und entkleidet aufgefunden. Die Hamburger nennen den Täter den Trümmermörder, und die Trümmermorde werden nie aufgeklärt. Zu dieser Zeit finden die Geschwister Hanno und Wiebke einen kleinen Jungen, der offensichtlich allein ist. Sie nehmen ihn mit nach Hause und in ihre Familie auf.
    In der Uckermark verliert die Familie Anquist beim Vorrücken der Roten Armee erst ihre gesellschaftliche Stellung auf dem Hof, wird enteignet und von weiteren Schicksalsschlägen getroffen. Schließlich flieht die Familie nach Lübeck.
    In den 1990er Jahren in Köln tritt die Lehrerin Anna Meerbaum mit ihren Nachforschungen in der Vergangenheit eine Lawine los.


    In drei geschickt verwobenen Erzählsträngen schildert Borrmann die Geschichte von zwei Familien, die durch die Zeit miteinander verbunden werden. Spannend und frei von Kitsch oder Verklärung berichtet sie von der unmittelbaren Nachkriegszeit, von dem Jahrhundertwinter, der auch als Hungerwinter bezeichnet wird, und von den Widrigkeiten, denen die Familien nach dem Krieg ausgesetzt waren. Vor allem die Darstellung Hamburgs in der Nachkriegszeit ist sehr authentisch, auch wenn die Einblicke leider nur oberflächlich bleiben.
    Die Gegenwart ist nicht minder interessant erzählt. Annas Mutter Clara ist starke Alkoholikerin, abweisend und schiebt Anna die Schuld für ihr verkorkstes Leben zu. Ein durch und durch unsympathischer Charakter, der konsequent jede eventuelle positive Wahrnehmung der Person sofort zunichte macht. Die Mutter-Tochter-Beziehung zwischen Clara und Anna ist ein Beispiel, wie die Erfahrungen aus Krieg und Nachkriegszeit die nachfolgenden Generationen belasten können und ist unabhängig von der Story um die Ereignisse der Vergangenheit spannend zu verfolgen.


    Leider kann ich Borrmanns Einschätzung des „feinsinnigen Lektorats“ (Danksagung) nicht teilen, an einigen Stellen wäre ein zweites Auge wünschenswert gewesen – es sei denn, es gibt eine neue Reform bzgl. Interpunktion, die ich verpasst habe. Außerdem ist der Klappentext irreführend. Er suggeriert, dass das Findelkind aus den Trümmern im Zentrum des Romans steht, was über große Teile des Buches nicht so ist.


    Insgesamt ist Trümmerkind eine tolle Neuinterpretation der Trümmermorde, spannend als Drama und nicht vordergründig als Krimi erzählt. Wer eine Krimi-Verarbeitung vorzieht, dem sei Der Trümmermörder von Cay Rademacher wärmstes ans Herz gelegt.

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    Titel: Totenfang
    Autor: Simon Beckett
    Übersetzerinnen: Sabine Längsfeld, Karen Witthuhn
    Verlag: Wunderlich
    ISBN: 978-3-8052-5001-6
    Wertung: 3ratten


    Dr. David Hunter wird in die Backwaters an die Südküste Englands gerufen. Eine Leiche wurde nach Wochen im Wasser gefunden und er soll die heikle Bergung überwachen. Die Leiche wird zunächst für einen jungen Mann gehalten, der ein paar Wochen zuvor aus der Gegend verschwunden ist, doch bald tauchen Leichenteile auf, die auf mehr als eine Leiche hindeuten. In den verworrenen Wasser- und Landwegen der Backwaters beginnt eine spannende Mörderjagd, eingebunden in Familienfehden und Tragödien.


    Dr. Hunter stolpert von einer Leiche in die nächste
    David Hunter ist vier Jahre nach seinem letzten veröffentlichten Abenteuer wieder unterwegs und stolpert wie gewohnt von einer Leiche in die nächste. Und wie immer wirkt er dabei konsequent überrumpelt und unbedacht. Zwar wägt er seine Entscheidungen immer ab, doch scheint er sich regelmäßig für die Möglichkeiten zu entscheiden, die ihn in die nächste Katastrophe oder eben zu einer Leiche führen. Zudem macht er sich für einen Erwachsenen zu viele Gedanken um seine Außenwirkung, sowohl auf privater als auch auf beruflicher Ebene. Gerade letzteres zeugt von einer professionellen Unzulänglichkeit, die angesichts seiner Erfahrung und beruflichen Reputation, wenn auch jüngst etwas angeschlagen, nicht vertretbar ist.
    Trotzdem kann Totenfang mit einem spannenden Setting überzeugen: ein unwirtliches, von irreführenden Kanälen durchzogenes Gebiet, ungeschützt den Gezeiten und Meereswitterungen ausgesetzt. Hier Leichen loszuwerden ist leicht, denn dass sie gefunden werden ist eher unwahrscheinlich. Gerade deswegen sind es fast ein paar Zufälle zu viel, die Dr. Hunter immer beim Leichenfund dabei sein lassen.


    Sprachlich und narrativ schwach
    Interessanterweise schafft es Beckett immer wieder, eine bunte Mischung an Charakteren zusammenzustellen, nur Dr. Hunter bleibt immer gleich dumpf, ebenso wie die Frauen, denen er begegnet.
    Im Gegensatz zu den Thrillern von Chris Carter um seinen Detective Robert Hunter sind Becketts Thriller nicht von den Entscheidungen und Ermittlungen seiner Charaktere getrieben, sondern oft durch Reaktion auf bestimmte Situationen. Zudem ist Becketts Sprache im 5. Band seiner Hunter-Reihe überraschend redundant, und es lässt sich nicht feststellen, ob es am Original oder der Übersetzung liegt.


    Insgesamt ist Totenfang spannender als Verwesung (Teil 4), reicht aber trotzdem nicht an die ersten beiden Teile der Serie heran.

    Als Anne, ihres Zeichens erfolgreiche Journalistin in Hamburg, nach Innsbruck fliegt um sich um den Nachlass und die Beerdigung ihrer Großmutter zu kümmern, erwarten sie neben einem Hund einige Familiengeheimnisse. Gut versteckt findet sie die Tagebücher ihrer Großmutter, in denen sie von ihrem Aufenthalt im Nervensanatorium Schattwald während des Krieges erzählt. Gebannt liest Anne darin und wird das Gefühl nicht los, dass Schattwald auch Schatten in die Gegenwart wirft


    Der Roman wird aus zwei Perspektiven erzählt. Einmal von Anne, die aus der Ich-Perspektive die Vorkommnisse der Gegenwart schildert. Zum anderen aus der Sicht Charlottes, allerdings nicht, wie man bei Tagebüchern erwarten würde, in der 1. Person, sondern in der 3..
    Der Teil Charlottes, der von ihrer Zeit in Schattwald handelt, ist spannend geschrieben. Man bekommt ein Gefühl dafür, wie psychisch kranke Menschen behandelt zu dieser Zeit wurden. Anhand des Chef- und des Assistenzarztes sieht man zwei grundverschiedene Einstellungen gegenüber Menschen. Während für den einen der Wert und das Leben eines Menschen unantastbar sind, ist der andere ein überzeugter Nationalsozialist und hat die Propaganda des psychisch Kranken als „Volksschädling“ voll verinnerlicht.


    Die Gegenwart wirkt dagegen nur konstruiert spannend. Ann ist als Protagonistin nicht direkt unsympathisch, aber eben auch keine. Die ich mir als Vorbild wünschen würde. Ihr Selbstwertgefühl ist stark von der Anerkennung und Zuneigung anderer Männer abhängig, was sie zwar regelmäßig einsieht und an sich bemängelt, aber nicht davon abhält, jedes männliche Wesen auf einen Erotikfaktor abzuklopfen.
    Außerdem macht sie einem anderen Charakter im Buch immer wieder deutlich, dass sie im Gegensatz zu ihm Intuition nicht für eine Illusion hält – sie handelt aber sehr wenig danach bzw. sogar gegen dagegen, und das nur aus Bequemlichkeit .Ihre Handlungen wirken insgesamt naiv und nicht sehr durchdacht. Wie diese Frau es zur Ressortleiterin einer Zeitschrift gebracht hat, ist mir schleierhaft.
    Natürlich kann man entgegnen, dass es solche Frauen zu Hauf gibt, und warum sollte eine solche nicht der Hauptcharakter eines Romans sein? Weil es für diese Story und diese Art von Roman nicht passt.


    Eine andere Sache, die zuweilen störte, war die permanente Wiederholung des Aussehens eines Nebencharakters. Betont wurde immer das selbe äußerliche Merkmal, und es war kein Stilmittel, vielmehr wirkte es, als hätte die Autorin vergessen, dass sie dieses Detail bereits mehrfach beschrieben hat.


    Der Roman liest sich trotz dieser Kritikpunkte flott von der Hand und ist für zwischendurch eine spannende Lektüre.


    3ratten

    Worum geht's?
    Emi musste vor kurzem gezwungener Maßen nach Hamburg ziehen. Ihr Vater hat dort eine neue Praxis aufgemacht, bringt jetzt eine neue Freundin mit nach Hause, Emi muss an eine neue Schule und überhaupt ist „neu“ derzeit das nervigste Wort in ihrem Leben. Nervig sind auch die Menschen um sie herum, aber wie gut, dass sie denen in Gedanken die skurrilsten Todesarten an den Hals wünschen kann. Keiner ist vor ihr sicher, weder der Fußgänger im Park noch ihr Lehrer oder die Klassenoberzicke. Schließlich gerät sie mit Erik aneinander, der sich ihrer Meinung nach für den Obermacker hält, sie aber gar nicht einsieht, nach seiner Pfeife zu tanzen.
    Schließlich jagen die beiden aus Versehen fast das funkelnagelneue Chemielabor in die Luft und müssen fortan zusammen Strafdienst schieben. Um sich gegenseitig das Leben zur Hölle zu machen, stellen sie sich gegenseitig fiese Challenges – und wer kneift, muss den restlichen Strafdienst alleine verrichten…


    Wie war's?
    Als ich Monas Rezension auf Tintenhain zu dem Buch las war klar: ich muss es lesen. Egal, dass es ab 12 und damit ein Jugendbuch mit verdammt junger Zielgruppe ist, und egal, dass mein aktueller Lesestapel sechs (!) Bücher umfasst. Letztes Wochenende musste ich gleich zweimal ausnüchtern, und dafür war diese leichte, erheiternde Lektüre perfekt.


    Ich musste mich während des Lesens ein paar Mal erinnern, dass es ein Jugendbuch sein soll, denn manchmal habe ich mir bei den Handlungen der Charaktere an den Kopf gefasst. Behält man aber im Hinterkopf, dass Emi 14, 15 Jahre alt sein dürfte, passt alles zusammen.
    Emi ist eine Außenseiterin. Sie will auch nicht dazugehören, denn die meisten ihrer Mitmenschen gehen ihr gehörig auf den Keks. Sie sammelt lieber verrückte Todesarten in ihrem Schwarzen Buch, und ihre Klassenkameraden und Lehrer erträgt sie vor allem dadurch am besten, dass sie sich Todesarten für sie ausdenkt. Vor allem aber reagiert sie auf die neue Freundin ihres Vaters allergisch. Sie wird patzig bis unfreundlich und verlässt auch mal die Situation, nicht ohne vorher einige Breitseiten zu verteilen. Diese Charakterzüge und Verhaltensweisen sind den Autorinnen hervorragend gelungen, sie sind durch und durch authentisch. An einer Stelle beschreibt Emi, dass sie sich fühlt wie ein Baum, der einfach verpflanzt wurde, egal ob sie wollte oder nicht. Sie ist mit den ganzen neuen Situationen oft einfach überfordert, und ihr Vater ist keine große Hilfe.
    Erik ist ähnlich gestrickt wie Emi, allerdings ist lange nicht klar, warum er sich von allen anderen fern hält und außer triefendem Sarkasmus nichts für andere über hat.
    Die beiden Protagonisten ergänzen sich ausgezeichnet und entdecken, dass man auch zusammen sarkastisch sein kann um das gemeine Leben zu ertragen.


    Zwei Kritikpunkte gibt es dennoch. Emi lernt eines Tages ihre Mitschülerin Toni besser kennen, die reden kann wie ein Wasserfall, und für die Punkt und Komme gut gemeinte Ratschläge sind aber nicht verpflichtend. Sie bemüht sich um Emi und ihre Freundschaft. Emi allerdings ist oft ähnlich abweisend zu ihr wie zu allen anderen, obwohl sie Toni eigentlich mag. Ein anderes Mal nutzt sie Toni fast hemmungslos als Informationsquelle aus. Was Freundschaften angeht hat Emi an manchen Stellen Nachilfebedarf!
    Die neue Freundin von Emis Vater ist allem Anschein nach Veganerin. Aber ernsthaft, musste sie als derartig öko und gesundheitsfanatisch dargestellt werden? Ich war selbst mal Veganerin, und ich habe mich in dieser Darstellung null wiedergefunden.


    Insgesamt ist Für dich soll’s tausend Tode regnen eine kurzweilige Lektüre, die natürlich für Jugendliche hervorragend eignet, aber auch (junge) Erwachsene schmunzeln lässt.
    Ich hoffe, mehr von diesem Autorinnenduo zu hören, denn so frische Jugendbücher, vor allem mit dem schwarzen Humor, braucht die Welt.


    4ratten