Huch, hat denn noch niemand das neue Stück gelesen? Na, dann mach ich mal den Anfang.
Spoiler erwähne ich nur für die "normale" Harry Potter Reihe. Zum Cursed Child wird nichts verraten, keine Angst. Der deutsche Titel scheint übrigens Harry Potter und das verwunschene Kind zu sein, zumindest lt. Amazon.
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Meine Meinung:
Ich bin zwiegespalten, aber es überwiegt die Freude, endlich diese alten, geliebten Charaktere wieder zu sehen und auf ein neues Abenteuer mit ihnen zu gehen.
Die Geschichte dreht sich um Harrys Sohn Albus Severus, der schwer damit kämpft, Harry Potters Sohn zu sein. Ob andere so viel von ihm erwarten wie er selbst von sich erwartet, steht in den Sternen, aber Albus leidet extrem unter dem Druck großartig wie sein Vater zu sein, noch dazu wo er kein Gryffindor ist. Aber er findet schnell einen Freund - ein weiterer Außenseiter - Draco Malfoys Sohn Scorpius. Die Freundschaft zwischen den beiden ist genau das, was J.K. Rowling so gut macht. Sie ist glaubhaft und liebevoll und zeigt, wie wichtig Freunde sind und dass egal ist woher jemand kommt. Wenn man sich mag, mag man sich eben. Überhaupt ist die Dynamik zwischen den beiden so ganz anders als erwartet. Scorpius ist wie eine Art Hermine der nächsten Generation, während Albus ein etwas nerviger Teenager ist. Beide müssen sich jedoch gegen Vorurteile und Gerüchte wehren, beide haben außer den jeweils anderen, keine Freunde in Hogwarts.
Aber die größere magische Welt selbst ist auch nicht ganz so friedlich wie wir uns wünschen. Hier verrate ich lieber gar nichts, weil es wirklich einige Überraschungen gab, die ich euch nicht verderben möchte. Nur so viel: Wir sehen viele alte Charaktere wieder und ich hatte alle paar Seiten Tränen in den Augen, einfach weil es so schön war, sie wieder zu sehen und zu erleben, was für Menschen aus ihnen geworden sind.
Kritikpunkte habe ich leider auch. Erstens bin ich ein bisschen enttäuscht über das Format. Die Geschichte mag von Rowling selbst stammen, aber die wenigen Beschreibungen und die Dialoge selbst dürften doch größtenteils ihren Co-Schreibern zuzuordnen sein. Teilweise kommen Gespräche sehr hölzern rüber und es fehlt einfach der Zauber der magischen Welt, weil keine Details beschrieben werden. Am meisten geärgert habe ich mich aber über Ron, der zu einem dümmlichen Witzbold reduziert wird. Schon in den Filmen ist er nicht gut davon gekommen, aber in diesem Stück trägt Ron keinen einzigen sinnvollen Satz bei, er dient nur dazu, hin und wieder einen Witz zu reißen. Das ist wirklich schade - Ron ist kein scherzender Trottel, sondern ein mutiger, liebenswerter Charakter. Nur leider merkt man das hier nicht. Ginny ist auch sehr eindimensional - sie wirkt eher wie eine Mutter für Harry und Albus als wie eine Ehefrau mit Vollzeitjob, Kindern und Freunden.
Sehr auffällig war auch, dass manche Charaktere fast gar nicht erwähnt werden. Albus Schwester Lily wird kurz erwähnt, aber über Teddy Lupin verliert niemand ein Wort. Rose - die Tochter von Ron und Hermione - kommt öfter mal vor, aber von ihrem Bruder fehlt jede Spur. Dass nicht mal jemand beiläufig erwähnt, dass es diese Kinder gibt, war schon überraschend. Klar, dass sie, aufgrund des Altersunterschiedes und des Fokus auf Albus und Scorpius, nicht unbedingt in jeder Szene dabei sein können, aber diese gänzliche Abwesenheit wirkt eher wie Schlampigkeit. Dass auch die Eltern nicht ein Wort über ihre anderen Kinder verlieren, wirft kein gutes Licht auf sie...
Das mag alles damit erklärt werden, dass ein Theaterstück nun mal Grenzen hat (daher auch mein Wunsch nach einer Roman-Version der Geschichte), aber ein bisschen mehr Mühe hätte man sich mit Ron und Ginny schon geben können. Ebenso hätte es niemandem weh getan, einen Satz zu Teddy Lupin oder Hugo zu sagen - von mir aus sind sie die Großeltern besuchen oder sonst etwas. Und eins noch - das aber als Spoiler:
Scorpius und Albus wirkten auf mich oft eher wie ein verliebtes Paar als zwei Freunde. Natürlich hatte hier wieder niemand den Mut, sie auch als romantisches Paar zu etablieren. Vielleicht lese ich zu viel rein, vielleicht sollte immer Freundschaft die zentrale Botschaft sein (war ja in den Potter-Romanen auch so), aber ich hätte es wirklich toll gefunden, wenn Scorpius und Albus sich offiziell ineinander verliebt hätten.
Aber bitte, man kann nicht alles haben. Auch in der Handlung gab es ein paar Szenen, die mir aufgestoßen sind, weil sie nicht in die Harry Potter Geschichte passen bzw. sogar bestimmten Dingen widersprechen, die in sieben langen Büchern etabliert wurden. Hier kann ich aber auch nur verspoilert genaueres erzählen.
Abgesehen davon, dass das Ende sehr dramatisch war und ich es schon ziemlich heftig fand, dass Harry den Tod seiner Eltern nochmal hautnah miterleben musste, stimmt hier etwas mit der Chronologie nicht. Hagrid kommt und holt Baby-Harry ab, aber da sollte doch (1.) Snape schon dagewesen sein, (2.) Sirius schon da gewesen sein und (3.) Hagrid sein Motorrad überlassen. Ich habe natürlich nicht alle Potter-Bücher nachgelesen seit ich das Stück gelesen habe, aber so schlecht kann meine Erinnerung nicht sein oder?
Ich würde mich sehr über Diskussionen und andere Meinungen dazu freuen, wenn sonst noch jemand das Stück schon kennt.
Und jetzt mal ganz ehrlich - beim ersten Mal lesen habe ich aber über all das hinweggesehen und nur fröhlich vor mich hin gegrinst (mit nassen Augen, versteht sich). Zu sehr hinterfragen darf man den neuen Potter nicht, dann ist es einfach eine tolle Lektüre voller Nostalgie und mit zwei zauberhaften neuen Protagonisten, die mir sehr ans Herz gewachsen sind. Es gibt auch in dieser Geschichte zitierwürdige Aussagen, Momente, in denen einem das Leserherz stehen bleibt, Entscheidungen, bei denen man die Charaktere einfach mal richtig durchschütteln will, und ein langsames Erwachsenwerden. The Cursed Child ist wie Potter-Light. Es fehlt vieles an dem Buch, aber hier gewinnt mein Herz eindeutig über mein Hirn, daher vergebe ich trotz aller Raunzereien weiter oben
Liebe Grüße,
Wendy (Scorpius-Fan)