Paul Scheerbart – Immer mutig!

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    Paul Scheerbart ist eine der interessantesten Figuren der Berliner Bohème um 1900. Sein ganzes Leben lang war er praktisch pleite, was ihn nicht daran hinderte, ein paar der interessantesten und einflussreichsten Texte – tja, wie soll man es nennen? – expressionistischer Phantastik jeglicher Couleur zu schreiben. Seine Romane sind meistens kurz, er hat einiges an Gedichten und kurzen Erzählungen hinterlassen, aber auch Sachtexte, etwa über die Konstruktion eines Perpetuum mobile, über Glasarchitektur oder auch eine satirisch-pazifistische Schrift über den Luftmilitarismus.


    Das Buch, das ich hier vorstellen möchte ist eine Art Erzählungssammlung, verbunden durch eine typisch Scheerbartsche Rahmenhandlung: Der Ich-Erzähler (der Dichter Scheerbart) gerät bei einer Bergtour in Lebensgefahr und wird erstaunlicherweise von einem kleinen sprechenden Nilpferd gerettet, das erstaunlicherweise an Literatur interessiert ist und Scheerbart immer auffordert, neue Manuskripte herauszurücken, um sie zu lesen. Nach kurzer Zeit stellt sich heraus, dass das Nilpferd nicht das einzige ist, das die Höhlen bewohnt. Insgesamt sind die Nilpferde zu siebt und außerdem wohnen noch unsichtbare Geisthelfer bei ihnen, die als Diener fungieren.
    Die Nilpferde lesen nun die Texte des Dichters und diskutieren mit ihm darüber, treiben ihm zunächst das allzu Pathetische und Tragische aus, und fordern von ihm Texte, die den zentralen Punkt ihrer Poetik beherzigen, dass nämlich jede Erscheinung in der Welt nur eine Möglichkeit ist und eigentlich immer auch ganz andere Form annehmen könnte. So kommen die Nilpferdchen zu der Erkenntnis, dass alles seinen Sinn hat und für allzu großen Katzenjammer kein Platz sein sollte.
    Die Texte, die wir von Scheerbart zu lesen bekommen sind ganz unterschiedlich, das reicht von Texten, die eigentlich nur mit Lautwerten spielen bis zu kleinen Lehrstücken oder Märchen, einmal sogar in mehreren Kapiteln.


    Der Humor Scheerbarts ist dabei ein recht spezieller und dürfte nicht dem gesamten Lesepublikum liegen. Im Gegensatz zu vielen anderen Romanen und Erzählungen Scheerbarts, ist Immer mutig! Vielleicht auch nicht so eingängig. Die poetologischen und allgemein philosophischen Betrachtungen der Nilpferde stehen ziemlich im Vordergrund. Zwar werden auch ein paar Details über die Lebensweise der Nilpferde in ihrem Berg zum besten gegeben; aber wenn das nicht eher den Charakter einer Opiumfantasie hat, bleibt es im Vergleich zu anderen Texten Scheerbarts doch eher zurückgenommen. Die Rahmenhandlung bleibt so sehr kommentarartig und verbindet die einzelnen sehr disparaten Geschichten nur über das poetologische Programm, das für den heutigen Leser allerdings eher schwergängig sein dürfte.


    Der Stil Scheerbarts ist sehr expressiv und zum Teil auch repetitiv. Auch das muss man mögen und ertragen können, um aus diesem Buch ein Lesevergnügen im herkömmlichen Sinn zu ziehen. Immer mutig! Ist sicherlich nicht das Buch, das ich dem- oder derjenigen empfehlen würde, die zum ersten Mal einen Blick in das Schaffen dieses ziemlich einzigartigen, wenn auch durchaus modernetypischen Dichters werfen will. Hier eignen sich eher die Romane wie Lesabéndio oder Die große Revolution. Doch für Leser, die das Experiment nicht scheuen und ein Faible für das auch formal Skurrile haben, ist Scheerbart sicher immer ein Geheimtipp.



    [size=1]Betreff etwas übersichtlicher gestaltet und amazon-Link an den Anfang gesetzt. LG, Aldawen[/size]

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()