[Nigeria] Nkem Nwankwo – Mein Mercedes ist größer als deiner

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    Inhalt: Onuma Okudo hat es geschafft. Nach einer akademischen Ausbildung hat er einen gut bezahlten PR-Job in der Hauptstadt Lagos. Die Raten für den Jaguar fressen aber das Gehalt fast auf, so daß ihm nur ein Quartier in einem wenig attraktiven Viertel bleibt. Angesichts ständig überfüllter Busse ist ein eigenes Auto jedoch nicht nur Statussymbol, sondern zugleich die sicherste Möglichkeit, Frauen zu finden, die nicht nur einer Mitfahrgelegenheit nicht abgeneigt sind. Ein Besuch im heimatlichen Dorf endet für Onuma in einem Desaster. Betrunken von einer Tanzveranstaltung im Nachbardorf heimkehrend übersieht er eine Kurve, er selbst und seine Begleiter können das Auto zwar unverletzt verlassen, aber bei den Rettungsversuchen stürzt der kostbare Jaguar ab. Onuma macht sich verzweifelt auf den Weg nach Lagos, organisiert durch einen Betrug in der Firma Geld, mietet einen Bergungswagen und erlebt am Unfallort die nächste Katastrophe: Von seinem Wagen ist nur noch ein Gerippe übrig, säuberlich ausgeschlachtet. Dieser Verlust stürzt ihn in eine tiefe Depression, sehr zum Leidwesen der Familie, die ihn nun durchschleppen müssen. Rettung scheint sich anzubahnen, als Onuma bei eine Wahlkampagne helfen soll – dumm nur, daß der Gegner ausgerechnet ein Cousin ist, der auf Familiensolidarität pocht. Und so verdichten sich in Onumas Gedanken das Erlebte und das Erwünschte zu einer simplen Konsequenz: Tu anderen, bevor sie dir etwas tun.



    Meine Meinung: Für den Hintergrund ist nicht ganz unwichtig, daß der Roman 1975 entstand, zu einer Zeit, in der der Ölboom in Nigeria große Hoffnungen weckte. Nur daraus wird die grenzenlose Fetischisierung des Autos erklärbar, wie sie Onuma praktiziert – stellvertretend für eine ganze Schicht urbaner Afrikaner mit guter Ausbildung, die die von den Kolonialisten hinterlassenen Verhaltensmuster übernommen und für sich adaptiert haben, und daher durchaus spöttisch als „schwarze Europäer“ bezeichnet werden.


    Nwankwo erzählt seine Geschichte als modernes Märchen, der Roman beginnt daher ganz folgerichtig mit den klassischen Worten Es war einmal .... Was danach folgt, ist allerdings alles andere als märchenhaft, sondern kritisch und bissig im Hinblick auf die sich entwickelnden Strukturen sowohl in der Stadt also auch auf dem Dorf, obwohl letzteres noch einen gewissen Halt in den überlieferten Traditionen hat. Aber Postengezänk und Profitgier zeigen ihre Auswüchse auch schon längst hier. Den Abstieg vom zwar nicht ganz sauberen PR-Mann in festem Arbeitsverhältnis zum Kriminellen verdeutlichen auch die Überschriften der drei Hauptabschnitte des Buches: Die Wurzeln, die dich halten bis zum Absturz des Jaguars zeigen den erfolgreichen Onuma, der den traditionsverhafteten Dorfbewohnern mal so richtig zeigt, was Sache ist, Unwirkliche Stadt mit den Bemühungen in Lagos Geld, Ersatzteile und den Bergungskran aufzutreiben, eine Phase, in der das normale Stadtleben, das Onuma sonst genossen hat, für ihn ohne seinen Wagen jeglichen Reiz verloren hat und ihn gar nicht mehr recht erreicht, und schließlich Das zerbrochene Bild, das vor allem das zerstörte Selbstbild meint, das Onuma nach seinem Verlust von sich hat, und das er auf alle erdenklichen Arten wiederherzustellen sucht, denn wichtig ist nur das, was man nach außen darstellt, nicht, wie man dazu gekommen ist. Wer ein Auto hat, ist per se erfolgreich, und je größer das Auto, desto erfolgreicher.


    Daß man nebenbei gleich auch noch erfährt, wie – und da ist Nigeria kein Einzelfall (gewesen) – pseudo-demokratische Wahlkämpfe durchgeführt werden, die die Fassade nach außen aufrechterhalten, während dahinter skupellos Posten verschachert und Gelder verschoben werden, ist dann noch ein weiterer spannender Aspekt, den der Moralist Nwankwo mit ätzender Kritik überzieht.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen