Ernst Peter Fischer: Der Physiker. Max Planck und das Zerfallen der Welt

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    Der Physiker - Max Planck und das Zerfallen der Welt


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    Weiß noch jemand, wessen Profil die alte 2 DM-Münze zierte? Das war Max Planck, der Begründer der Quantenphysik und damit einer der bedeutendsten Naturforscher aller Zeiten. Einsteins etwa gleichzeitig formulierte Relativitätstheorie mag dem Begriff nach populärer sein, im Alltag spielt sie eher keine Rolle, sieht man vielleicht von ihrer Anwendung bei GPS-Geräten ab. Mit Spin-offs der Quantenphysik hantieren wir dagegen jeden Tag, sei es der PC, sei es das Handy.


    Plancks Beschreibung des thermischen Strahlungsverhaltens eines sogenannten Schwarzkörpers, an dem sich die Physiker seiner Zeit die Zähne ausgebissen hatten, beruhte auf einer widerwillig herangezogenen ad-hoc-Annahme: die in der Natur beobachteten Energien treten nur als Produkt der jeweiligen Strahlungsfrequenz und einer bestimmten konstanten Größe auf, dessen Betrag wir heute als Plancksches Wirkungsquantum kennen. Die Natur arbeitet also nicht kontinuierlich, sondern in kleinen, abgemessenen Schrittchen. Mit dieser Annahme stimmten alle Gleichungen plötzlich mit den Beobachtungen überein – was sie vorher nicht taten. Das war die Geburtsstunde des „Quants“. Die Folgen hiervon haben auf atomarer und subatomarer Ebene eine Physik hervorgebracht, die den Alltagserfahrungen völlig widerspricht, mit bizarren bis verstörenden Konsequenzen, die aber im Experiment anscheinend in der Lage ist, jede Wette auf ihre Gültigkeit zu gewinnen.


    Ernst Peter Fischer stellt den großen Physiker in den Kontext seiner Zeit und damit in eine Periode heftiger Umwälzungen auf allen Ebenen. Plancks Lebens- und Arbeitszeit umfasst Kaiserreich, Weimarer Republik, „Drittes Reich“ und eine kurze Spanne der Nachkriegszeit. Die zeitgeschichtlichen Brüche betreffen auch sein eigenes Arbeitsgebiet als theoretischer Physiker: es stellt sich heraus, dass die Entdeckung der Diskontinuität der Quantenwelt erhebliche Konsequenzen hat, die alle bisherigen Kategorien des Denkens erschüttern: Kausalität und Determinismus, Realität, Wahrnehmung und Willensfreiheit. Planck hatte mit seiner Entdeckung eine Entwicklung angestoßen, deren Konsequenzen ihm in seiner konservativen Grundhaltung zutiefst zuwider sein mussten. Das Buch zeigt auch, dass Planck bis zuletzt gegenüber der radikaleren Auslegung der Quantenphysik, wie sie insbesondere von Werner Heisenberg und Nils Bohr geprägt wurde, skeptisch blieb.


    Ungeachtet dessen gelingt es dem Autor, Max Planck als Persönlichkeit lebendig werden zu lassen, die als ein Monument an intellektueller Redlichkeit erscheint, die stets und auch unter widrigsten Umständen einem immensen Arbeitsethos verpflichtet war, auch trotz schwerer persönlicher Schicksalsschläge; Planck überlebte seine erste Frau und alle vier Kinder, der letzte wurde trotz verzweifelter Eingaben in der Folge des 20. Juli 1944 hingerichtet. Das Buch geht auch der Frage nicht aus dem Weg, wie Planck als Exponent des öffentlichen Lebens, insbesondere als Leiter der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (die ab 1948 seinen Namen tragen sollte), sich mit den Verhältnissen des „Dritten Reiches“ arrangierte. Hier werde ich den Eindruck nicht los, dass der Autor laviert. Persönliche Ablehnung bei gleichzeitiger Verzagtheit im öffentlichen Auftritt halten sich die Waage; eine gründlichere Diskussion, welchen Nutzen oder Schaden ein entschiedeneres Auftreten – oder wenigstens eine festere Haltung etwa im Falle des von ihm entdeckten und geförderten Albert Einstein – gehabt hätte, wäre an dieser Stelle wünschenswert gewesen.


    Diese Biografie vermittelt vor allem folgendes: einen Einblick in den Wissenschaftsbetrieb einer Epoche, der sich von der heutigen Situation noch deutlich unterschied; die Rekonstruktion einer Persönlichkeit von bewundernswerter Haltung und Redlichkeit, auch unter dem Eindruck des Zerfallens von sicher geglaubten Bezugsrahmen in Wissenschaft, Gesellschaft und Familie.


    Allerdings gibt es hier auch eher belanglose Dinge: ein als „Nachwort“ überschriebenes Kapitel, in dem neben Wiederholungen und Allgemeinplätzen beklagt wird, dass die Wissenschaftsvermittlung gegenüber der Öffentlichkeit unbefriedigend sei. Ob man dazu, wie hier vorgeschlagen wird, mit einem Rundfunk-Themenabend „Max Planck“, in dem Originalvortagsmanuskripte verlesen und diskutiert werden, jemanden hinter dem Ofen hervorlocken kann, bezweifle ich dann doch sehr stark. Und eine „Zeittafel“ ganz am Ende, in der biografischen Daten jeweils ein anderes Ereignis desselben Jahres gegenüber gestellt wird, nimmt stellenweise kuriose Züge an, wenn etwa in dem Jahr 1858 die Geburt Max Plancks mit einer Marienerscheinung in Lourdes konfrontiert wird.


    Fazit: nicht uninteressant, aber nicht der große Wurf. Insgesamt reicht es zu 3ratten

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