Wolfgang Lohmeyer - Die Hexe - Historischer Hexenroman

  • Rezension
    Buchtitel: Die Hexe
    Autor: Wolfgang Lohmeyer
    Genre: (historischer) Roman
    Verlag: area Verlag GmbH, Erftstadt
    Auflage/Jahr 1. Auflage 2004
    ISBN: 3-89996-017-3



    Im alten Köln mitten im Dreißigjährigen Krieg achten die Stadt, der Rat, achten die Bürgermeister besonders auf eine strikte Trennung von Macht und Kirche, von freier Reichsstatt unter dem Kaiser und der kurfürstlichen und bischöflichen Macht in den Ländereien ringsum. Man ist stolz darauf, die einfache Gerichtsbarkeit ausüben zu können und zu erwarten, dass, wenn der Kurfürst und Erzbischof die Stadt besucht, er auch Glockenläuten und Prozession zu seinen eigenen Ehren nicht nur anmeldet, sondern gar vorher bezahlen muss.
    Zu jener Zeit begann der Siegeszug der Turn und Taxis als DIE Postgesellschaft in Deutschland und Europa. Damals mussten sie noch kein Familiensilber verkaufen, sondern schafften es gerade erst von ihren immensen Gewinnen an.
    Doch in Köln, geduldet vom Kaiser in Wien, gibt es da noch die Hennotsche Post.
    Gut, eigentlich dürfte es sie nicht mehr geben, denn der alte Hennot, der die Genehmigung für die meisten Linien von Köln aus bekam, der starb, noch ehe diese Genehmigung auf seine agile Tochter übertragen werden konnte.
    Cosemann, der Postmann der Turn und Taxis, sinnt auf die Übernahme.
    Nur recht ist es ihm, als er erfährt, dass zur Wahrung des Scheines Propst Hennot und seine Schwester den toten Vater andernorts ‚zwischenbestattet’ haben, um Zeit bis zur Genehmigungsübertragung durch den Kaiser zu gewinnen. Und außerdem gibt es da noch diese verrückte alte Wäscherin, die behauptet, von der Hennot verhext worden zu sein.
    Köln wollte doch eigentlich das Hexenkommissariat abschaffen… gegen den Willen des alten und auf Ruhm orientierten provisorischen Amtsinhabers.
    Interessen prallen aufeinander und bisherige Feinde finden sich.
    Die Hennot eine Hexe. Genial. Denn eine Hexe kann nicht Postmeisterin sein. Wie soll denn eine Verbrannte die Post leiten? Mit Besen, Zauberei und Asche?
    Dass alle der vorgebrachten Anschuldigungen gegen die Frau unhaltbar sind, das ändert nichts am Wunsch weniger. Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf.
    Ob der Probst, ein selbstloser Jesuit, der erkennende Bürgermeister, ein in die Hennot verliebter Schüler des Gymnasiums und ein eiligst hinzugezogener Rechtsgelehrter und Notar gemeinsam oder auch einzeln an diesem Lauf, der zur Übergabe der angeblichen Hexe an den die Blutgerichtsbarkeit ausübenden Greven des Kurfürsten führen kann, stoppen?
    Lohmeyer beschreibt jene Zeit überzeugend. Alle auch nur zur Verfügung stehenden Quellen scheint er gefunden und ausgewertet zu haben.
    Entstanden ist ein Roman, der die Jagd auf Luthers Anhänger, viel Einfalt und die verschiedensten Machtdünkel aus dem Dunkel der Geschichte holt.
    Nie langweilig, sondern mit viel Spannung geladen, die Personen gewaltig und nacherlebbar gezeichnet, die Zeit gut dargestellt wagt Lohmeyer gelungen einen Spagat zwischen dem Klischee der Hexenverfolgung und den Wünschen und Ängsten einfacher und betuchterer Menschen jener so fernen Jahre. Und doch ist da auch ein scheinbarer Bezug zur heutigen Wirtschaft und Politik. Immer dann, wenn wieder einmal das eigene Wohl einzelner über das aller gestellt wird, man nach einem Bauernopfer giert, um sich zum Ersten bei Höheren lieb Kind zu machen, zum Zweiten eine Schuld zu sühnen oder zum Dritten selbst einen Vorteil für die Zukunft erhofft.
    Kritisieren muss ich die kleine Schrift, in der die mir vorliegende Ausgabe des area-Verlages verfasst wurde. Unmöglich für eine gemütliche Lesestunde am Strand, auf dem Sofa oder im Bett, also bei nicht immer optimalen Licht- und Haltungsverhältnissen. Interessant dafür der Einband mit alter Stadtansicht von Köln, passend zu Geschichte und Zeit, und das Hardcover, das sich gut in der Hand halten lässt.
    Ein interessantes Buch und Beginn einer Trilogie, die neugierig auf mehr macht. Auch wenn nicht unbedingt jede Hexe brennen muss…


    © + ® der Rezension:
    Stefan Jahnke, Dresden
    info@stefan-jahnke.de