Paul Heyse – Novellen

  • Gelesen habe ich eine Auswahl der auf Project Gutenberg von ihm verfügbaren Novellen, nämlich:



    [li]L'Arrabbiata: Als Fährmann zwischen Sorrent und Capri soll Antonio den Pater übersetzen, aber an jenem Tag will auch Laurella, wegen ihres abweisenden Wesens L'Arrabbiata genannt, mitfahren. Die Rückfahrt unternehmen die beiden jungen Leute allein, und Antonio nutzt die Gelegenheit, Laurella seine Liebe zu gestehen. Es gibt noch ein bißchen Hin und Her, bis die beiden schließlich zusammenfinden.[/li]
    [li]Ein Ring: Die alte Tante erzählt die Geschichte eines ganz besonderen Rings, den sie in Ehren hält, und zu dem eine Liebesgeschichte gehört – eine Liebe zu einem jüngeren Mann, die gesellschaftlich skandalös gewesen wäre. Und an der sie nur bedauert, daß es nichts zu bedauern gibt.[/li]
    [li]Der letzte Zentaur: In einer Zecherrunde berichtet ein Maler, warum er Zentauren so echt darstellen kann, er hat nämlich den letzten Zentauren persönlich getroffen. Dieser landete nach Jahrhunderten, die er im Eis eingefroren zugebracht hat, mitten in einem Jahrmarkt in einem Alpendorf und sorgt dort für einige Verwicklungen, zumal der Erzähler der einzige ist, der genug Griechisch kann, um mit ihm zu reden, während der Pfarrer um das Seelenheil seiner Schäfchen und Jahrmarktsbudenbesitzer ob dieser Attraktion um ihre Einnahmen bangen.[/li]
    [li]Die Einsamen: Die Geschwister Teresa und Tommaso leben in einer abgeschiedenen Mühle, die Tommaso erst vor wenigen Jahren übernommen hat. Eigentlich ist er Fischer, aber nach dem Tod eines Freundes bei einer Ausfahrt – am Vorabend von dessen erstem großen Auftritt als Sänger – hat er sich mit einem Geheimnis zurückgezogen.[/li]
    [li]Andrea Delfin: Aus einer einflußreichen venezianischen Familie stammend, die aber vor den Inquisitoren, die die Tyrannei in der Stadt aufrechterhalten, vertrieben und quasi ausgerottet wurde, ist Andrea zurückgekehrt, um Rache zu nehmen. Die ohne Spuren ausgeführten Attacken auf zwei der Inquisitoren versetzen die Stadt schnell in einen bleiernen Zustand. Noch ein Schlag gegen die Institution müßte sie zum Einsturz bringen, aber Andrea rechnet nicht mit der Tücke des Schicksals.[/li]


    Heyse hat insgesamt an die 180 Novellen verfaßt, die sehr unterschiedlicher Qualität sein sollen. Formal zumindest waren diese hier meines Erachtens durchweg gut. Die erste Novelle war die inhaltlich Schwächste. Ich kann mit diesem zaudernden Hin und Her und Rühr-mich-nicht-an-Spielchen einfach nichts anfangen. Die Binnenerzählung des letzten Zentauren hat komische Aspekte, auch wenn sie durchaus ernsthaft die Frage danach stellt, ob die Veränderungen unserer Wahrnehmung durch religiöse Interpreationen ein Gewinn sind. Daher ist wohl auch die Rahmenerzählung notwendig, in der Heyse die Binnenerzählung ins Traumreich rückt, so erspart man sich lästige Diskussionen um Ketzerei.


    In Die Einsamen wie auch in Andrea Delfin ist es vor allem die Frage nach tatsächlicher und moralischer Schuld und wie ein Mensch mit dem Wissen um seine Verfehlungen umgehen kann. Ist es rechtens, die Schwester unter der eigenen Schuld leiden zu lassen? Was ist, wenn der Rächer zu einem bloßen Mörder wird? Sinkt er dann auf die Stufe seiner Opfer herab oder womöglich sogar noch tiefer? Das hat Heyse vor allem in Andrea Delfin wirklich gut ausgearbeitet. Hatte ich nach dem eher schwachen Start noch Bedenken, wie sich das weiterentwickeln würde, so kann ich nun feststellen, daß die Lektüre insgesamt durchaus fesselnd war. Ich denke, da werde ich bei Gelegenheit noch die ein oder andere Novelle hinterherschieben. Als Gesamtwertung über dieses Fünferpack gibt es von mir


    4ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen