José Echegaray y Eizaguirre – Der große Kuppler

  • Inhalt: Don Julián Garagarza und seine junge Frau Teodora haben Ernesto, einen noch wenig erfolgreichen Schriftsteller und Sohn von Don Juliáns verstorbenen besten Freund, quasi als Ersatzsohn aufgenommen. Aber angesichts des Altersunterschiedes zwischen Don Julián und Doña Teodora und dem ständigen gemeinsamen Auftreten des Ehepaares mit Ernesto beginnt die Gesellschaft über Teodora und Ernesto zu tuscheln. Man weiß zwar nichts und hat keine Anhaltspunkte für irgendetwas, aber Klatsch läßt sich ja bekanntlich nicht aufhalten. Don Severo, Don Juliáns Bruder, und seine Familie hinterbringen den dreien die Gerüchte, und mit der Zeit schafft es Don Julián nicht mehr, das alles als dummes Zeug abzutun.


    Ernesto verläßt das Haus, gerät mit einem Adligen in Streit über Doña Teodoras Ehre und sieht sich einer Duellforderung gegenüber. Diese wird ihm, ungewollt und ohne Eingreifmöglichkeit, von Don Julián aus der Hand genommen, der bei diesem Duell aber tödlich verwundet wird. Es kommt zu einem Showdown im Hause der Garagarzas, bei dem Ernesto und Teodora beteuern können, was sie wollen, jeder will ihnen einreden, sie seien eh verliebt. Und so beschließt Ernesto, wenn er der Wahrheit schon nicht zum Durchbruch verhelfen kann, die Verleumdung zur Wahrheit zu machen und nimmt Teodora nach Don Juliáns Tod mit.



    Meine Meinung: Zum Glück sind Duelle in den letzten gut hundert Jahren aus der Mode gekommen, und auch die Moralvorstellungen unserer Zeit passen natürlich nicht mehr zu dem, was Echegaray hier zugrundelegt. Das ist aber auch gar nicht der wichtige Punkt, denn im wesentlichen geht es darum, wie Klatsch, oder in seiner gefährlicheren Form die Verleumdung, überhaupt erst die Situation schafft, die er behauptet. Und dieses Thema ist sicher nach wie vor aktuell. Bemerkenswerterweise drehen sich Ernestos Versuche ein Stück zu schreiben, genau um dieses Thema, aber er scheitert immer wieder an der Form und daran, in Worte zu fassen, was aus einem beiläufigen Schulterzucken hier, einer hochgezogenen Braue dort, einer fallengelassenen Andeutung erwachsen kann. So erlebt er selbst, was er eigentlich in seinem Stück darstellen wollte.


    Da hier ein Drama und kein psychologischer Roman vorliegt, vollzieht sich Don Juliáns Sinneswandel vielleicht etwas abrupt, aber man kann sich trotzdem ganz gut vorstellen, wie die permanenten Vorhaltungen seines Bruders über den guten Name der Familie, der in Gefahr sei, über das Gerede der Leute, das „Hast Du denn Deine Frau und Ernesto noch nie richtig beobachtet?“ und ähnliche Äußerungen, ihn langsam zermürben, das Vertrauen in Frau und Ziehsohn untergraben und ihn für die Einflüsterungen empfänglich machen.


    Es wäre durchaus interessant, sich das mal auf einer Bühne anzusehen, aber ich kann mich nicht erinnern Echegaray schon mal irgendwo im Repertoire gesehen zu haben.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen

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