Alexandros Papadiamantis – Die Mörderin

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    Inhalt: Frangojannoú ist eine alte Frau, die kein leichtes Leben hatte. Ihre Eltern haben sich nicht zu einer anständigen Mitgift verleiten lassen, als sie heiratete, trotzdem ist es ihr mit ungeheurer Sparsamkeit und den Einnahmen aus ihrer Tätigkeit als Hebamme und Kräuterfrau gelungen, ein kleines Häuschen zu finanzieren. Ihr Mann hätte, wenn er gekonnt hätte, eher seinen gesamten Lohn vertrunken. Nach seinem Tod mußte Frangjannoú dann auch noch selbst sehen, die Töchter unter die Haube zu bekommen, die älteste ist verheiratet, die zweite gilt bereits als „alte Jungfer“. Die beiden ältesten Söhne sind nach Amerika ausgewandert und lassen nichts mehr von sich hören, ein dritter Sohn sitzt wegen Mord im Gefängnis. An der Wiege ihres kränklich geborenen dritten Enkelkinds, einem Mädchen, sinniert Frangojannoú über die Trostlosigkeit des Lebens der Frauen aus den armen Familien. Schon länger ist sie der Ansicht, daß Eltern eigentlich froh sein sollten, wenn die Kinder nicht alle erwachsen werden, sondern vorzeitig sterben, besonders, wenn es sich um Mädchen handelt, aber die sind – wie sie findet – besonders widerstandsfähig. Und ehe sie sich Rechenschaft über ihr Handeln ablegen kann, erstickt sie ihre Enkelin. Dies ist der Auftakt zu einer Reihe weiterer Mädchenmorde, aber die Obrigkeit wird schnell darauf aufmerksam, daß Frangojannoú zufälligerweise immer bei den Todesfällen in der Nähe ist. Es beginnt eine Hatz über die Insel.



    Meine Meinung: Wer hier wegen des Themas etwas krimi-mäßiges erwartet, wird sicher enttäuscht werden, denn auch wenn recht kaltblütig gemordet wird, so sind es doch eher die psychologischen und gesellschaftlichen Aspekte, die hier überwiegen. Die Überlegungen, die bei Frangojannoú zunächst zum Verlust der Kontrolle, später aber zur bewußten Aktion führen, sind jederzeit nachvollziehbar, auch wenn man sie nicht gutheißt. Und daß die Mitgift für heiratfähige Töchter in der geradezu institutionalisierten Form und Höhe zu einem Problem wird, weil Familien sich dafür ruinieren, wird auch sehr deutlich. Das instruktive Nachwort erklärt auch, daß genau deswegen Kindstötungen von Mädchen durchaus im 19. Jahrhundert ein von der Bevölkerung angewandtes und von ihr, nicht jedoch von der Staatsgewalt toleriertes Mittel waren.


    Den Personen neben Frangojannoú widmet Papadiamantis weit weniger Raum, sie bleiben eher Staffage, vor allem die Männer und hier speziell die Gendarmen wirken eher als lächerliche Figuren. Etwas überraschend war für mich die Selbstverständlichkeit, mit der Frangojannoú davon ausgeht, daß sie recht tue und Gott ihr Handeln billigt. Möglicherweise liegt das an einem anderen Religions- und Gottesverständnis in der griechischen Orthodoxie, da kenne ich mich mit den Details aber überhaupt nicht aus. Ich könnte mir eine solche Haltung in einem, sagen wir, streng protestantischen Umfeld nicht vorstellen.


    Nach einigen eher ... befremdlichen Erfahrungen mit griechischer Literatur war dieses endlich eines, das mir richtig gut gefallen hat. Insgesamt bin ich durchaus geneigt, der auf der Rückseite des Buches gegebenen Einschätzung, daß es zu den Meisterwerken der griechischen Literatur zähle, Glauben zu schenken.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen