[Algerien] Ali Ghalem – Die Frau für meinen Sohn

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    Inhalt: Nach Ansicht der meisten Leute kann Fatiha sich glücklich schätzen. Sie wird mit einem Mann aus ordentlicher Familie verheiratet, der selbst seit einigen Jahren in Frankreich arbeitet. Fatiha hätte eigentlich gerne ihre Ausbildung zur Schneiderin beendet, aber noch hofft sie, daß ihr zukünftiger Mann durch seine Europaerfahrung ihr das vielleicht nach der Hochzeit gestatten wird. Daß die neue Familie sehr traditionell lebt, und auch Hossin sich trotz seines Alters vor allem als gehorsamer Sohn erweist, der heiratet, weil sein Vater es so will, kann sie nicht ahnen. Die Hochzeitsnacht ist für Fatiha daher schmerzhafte, entwürdigende und demütigende Erfahrung. Sie weiß nicht, wie sie sich in dieses Umfeld einfinden soll und kapselt sich zum Verdruß ihrer Schwiegermutter Aischa immer mehr ab. Nur ihre Schwägerin Yamina und ihr Schwager Allaua verstehen, was in Fatiha vor sich geht. Nach langer, vergeblicher Arbeitssuche kehrt Hossin nach Frankreich zurück und läßt seine schwangere Frau bei seinen Eltern. Ein längerer Krankenhausaufenthalt bringt Fatiha in Kontakt mit anderen, selbständigen Frauen und ihr eröffnen sich neue Vorstellungen ...



    Meine Meinung: Ohne Beschönung und mit einem guten Blick für die Gefühle und Nöte auch und vor allem der Frauen in diesen traditionellen Regeln erzählt hier ein Mann eine vermutlich recht typische Geschichte – jedenfalls bis zu einem gewissen Punkt typisch: eine arrangierte Heirat, die keiner der Brautleute wirklich wollte, der Jungfernschaftsbeweis in der Hochzeitsnacht, ein Nebeneinanderherleben im Haus der Bräutigamseltern, die schon Lesen und Schreiben für Fähigkeiten halten, die eine Frau nicht braucht, da sie selbst ja auch ohne auskommen, eine frühe Schwangerschaft, die selbstverständlich einen Sohn zum Ergebnis haben muß. All das ist mir inzwischen in mehr als einem Roman dieser Provenienz begegnet.


    Überraschend ist, was Ghalem daraus macht. Fatiha will sich nicht einfach in ihr Schicksal ergeben, da sie freier aufgewachsen ist. Aber bei ihren Überlegungen, wie sie etwas an ihrer Situation ändern kann, stößt sie immer an – eingebildete oder tatsächliche – Barrieren und resigniert. Kleine Fluchten helfen ihr dabei, sich nicht völlig aufzugeben, dazu gehört vor allem der Unterricht im Lesen und Schreiben für ihre Schwägerin, der vor Aischa natürlich geheim gehalten werden muß. Dazu gehört auch die Versorgung mit Lesestoff durch den rebellischen Allaua, der sich den Anordnungen des Vaters längst nicht so sittsam fügt, wie sein älterer Bruder. Ghalems Sympathien liegen hier eindeutig bei den jungen Leuten, die Tradition nicht völlig ablehnen, aber sie an ihre Zeit und Bedürfnisse anpassen wollen. Daß und warum dieser Wandel so schwierig und langwierig ist, wird in der Erzählung spürbar, denn die Schwiegereltern wollen ja durchaus das, was sie für das Beste für die Familie halten, sie sind nicht wirklich bösartig, aber eben auch nicht gerade Neuem aufgeschlossen.


    Etwas gezwungen und gekünstelt wirkte im Mittelteil allerdings Fatihas Krankenhausaufenthalt. Nicht wegen dieses Aufenthalts als solches, sondern wegen der gestelzten Gespräche zwischen den sich miteinander anfreundenden Frauen dort. So wichtig diese vor allem für Fatiha waren, sie erinnerten mich an politische Diskussionen zu meiner aktiven Politikzeit einerseits, andererseits an etliches, was ich in den letzten zwei, drei Jahren an Belletristik aus (früheren) sozialistischen Ländern gelesen habe, die nie ohne belehrenden Ton (als Unterton kann man das ja nicht mehr bezeichnen) auskommt bzw. auskam. Dafür gibt es dann auch Abzüge in der Bewertung, das hätte sich eleganter lösen lassen.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen