[Nigeria] Abimbola Lagunju – Days of Illusions

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    Inhalt: Cletus Akinola Igwe und seine Familie leben in Hillview, nicht gerade das Stadtviertel der „upper class“. Cletus ist während seiner Studienzeiten aufgefallen, seine philosophischen Reden wurden als staatsgefährdend eingestuft und er selbst für eine Weile inhaftiert. Danach konnte er sein Studium nicht mehr fortsetzen und arbeitet seitdem in verschiedenen anderen Berufen. An der Uni hatte er sich in Binita verliebt, deren Vater offiziell eine Zeitung betrieb, die aber nur die offizielle Meinung der Militärregierung veröffentlichten durfte. Ihre Eltern waren von ihrem Umgang mit Cletus alles andere als begeistert, aber Binita setzte sich durch. Ihr Lehrerinnengehalt ist klein und wird nur unregelmäßig bezahlt. So schlägt sich die Familie einigermaßen durch. Aus einer abendlichen Bierlaune in Morts Etablissement entsteht – zunächst rein als Fiktion – die APE (Association for the Prevention of Extinction). Besonders der letzte Begriff ist wichtig, weil man sich einbildet, damit bei allen möglichen Organisationen, die ein F für Fund im Namen tragen, Geld lockermachen zu können. Das Gerangel um die Posten der noch gar nicht existierenden Association führt schon bald zu einer Aufsplittung in weitere Konkurrenzorganisationen, die APEX und die ASPEX. In einer davon will z. B. auch der Vermieter der Igwes ein Wörtchen mitreden. Als das herauskommt, wird Cletus der Komplizenschaft mit diesem „Ausbeuter“ beschuldigt und in der Nachbarschaft von vielen geschnitten. Und auch auf rein privater Ebene ergeben sich eine ganze Reihe von Verwicklungen aus Mißverständnissen, die zum Teil aber auch absichtlich geschürt werden. Und in denen sind zwei Frauen des Vermieters sowie Barbesitzer Mort prominent vertreten ...



    Meine Meinung: Lagunju bettet die ganze Geschichte in eine Rahmenhandlung ein: Journalistik-Studenten eines namhaften Colleges machen eine soziologische Studie darüber, wie sich die Menschen in den Vorstädten und Slums selbst wahrnehmen und vor allem ihre Rolle in der wirtschaftlichen und politischen Morast des Landes sehen. Als hauptsächlich zu Befragender wird nach einem komplizierten Auswahlprozeß Cletus Akinole Igwe bestimmt. Seine Ausführungen, in denen er sein Leben und die Einflüsse der „großen“ Politik auf dieses darstellt, bilden den ersten Hauptabschnitt. Danach kommen seine Frau Binita, dann der Vermieter, dann der Wirt Mort und zum Abschluß noch einmal Cletus zu Wort. Daraus ergibt sich zum einen ein recht vollständiges Bild davon, wie alle diese Menschen mit ihren jeweiligen Lebensumständen in Hillview gelandet sind, wie sie die Politik ihres Landes erleben (vor allem im Hinblick auf die Ökonomie und die Auswirkungen auf ihr privates Leben), wie sich die APE und ihre Fraktionen entwickeln und wie sich die Situation letztlich mehr oder weniger auflöst.


    Die Geschichte selbst ist in einem fiktiven westafrikanischen Staat angesiedelt. Damit gewinnt Lagunju einerseits Spielraum, weil er sich nicht an echten Ereignissen orientieren muß, andererseits ist auch offensichtlich, daß hier mehr als nur ein Staat Adressat sein könnte, auch wenn sicher Nigeria vorrangig Pate gestanden hat. Cletus ist dabei der Typus des absolut integren und von den politischen Machenschaften angenervten Intellektuellen, der sich mit seiner Moral unter den herrschenden Bedingungen selbst im Weg steht und seiner Familie ein besseres Auskommen vorenthält. Binita macht ihm das auch oft genug zum Vorwurf, auch wenn sie andererseits von seiner Konsequenz beeindruckt ist. Aber wie weit kann mit dieser Konsequenz wirklich gehen? Ist sie es wert, um dafür vom Vermieter auf die Straße gesetzt zu werden, wenn man sich wegen der von Vermietern üblicherweise verlangten Vorauszahlungen keine andere Wohnung leisten kann? Diese Frage stürzt Cletus durchaus in Gewissensnöte.


    Bei allem ernsten Hintergrund und geäußerter Kritik gelingt es Lagunju aber trotzdem, sein Anliegen recht witzig zu verpacken. Ich habe manches Mal über die Naivität der potentiellen APE-Mitglieder schmunzeln müssen. Und auch darüber hinaus gibt es einige Szenen, in denen man die Beteiligten nicht wirklich ernst nehmen kann. Zumindest Cletus weiß das aber auch meist selbst und verfügt über ein gewisses Maß an Selbstironie. Der Vermieter und Mort dagegen werden in ihrer Selbstdarstellung zu recht lächerlichen Figuren. Alles in allem eine ganz vergnügliche Lektüre mit aktuellen Bezügen.


    4ratten


    Schönen Gruß
    Aldawen