[Somalia] Nuruddin Farah – Maps

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    Inhalt: Askar wird in dem Dorf Kallafo im Ogaden geboren, seine Mutter stirbt kurz nach seiner Geburt, der Vater ist einige Wochen zuvor als Kämpfer der Western Somali Liberation Front umgekommen. Die Äthiopierin Misra, von gemischter amharischer und Oromo-Herkunft, findet das Neugeborene und nimmt sich seiner, auch mit Billigung von Askars Familie, an. Die Beziehung der beiden ist eng, Askar fühlt sich regelrecht als Teil von Misras Körper und erträgt keine Trennung von ihr. Ihre Liebhaber, darunter seinen Onkel Qorrax und den Leiter der Koranschule Aw-Adan, verfolgt er schon als Kind mit seinem Haß. Als Askar sieben ist, bricht der somalisch-äthiopische Krieg um den Ogaden mit voller Macht aus, Askar wird zu seinem Onkel mütterlicherseits, Hilaal, und dessen Frau Salaado nach Mogadischu geschickt. Die beiden sind kinderlos und führen eine moderne, nicht nur für somalische Verhältnisse geradezu unkonventionelle Ehe, denn Hilaal kümmert sich neben seinem Dozentenjob an der Uni um Haus und Küche, während Salaado bspw. alle Besorgungen mit dem Auto macht. Zehn Jahre später taucht Misra in Mogadischu auf. Sie ist unter falschem Namen eingereist, aus Kallafo mußte sie flüchten. Man hat ihr vorgeworfen, ein Camp der somalischen Kämpfer an einen äthiopischen Offizier, mit dem sie ein Verhältnis hatte, verraten zu haben. Auch Askar glaubt an Misras Schuld und wendet sich von ihr ab ...



    Meine Meinung: Einfach ist dieser Roman nicht, was aber nicht daran liegt, daß er besonders „afrikanisch“ ist, sondern an der verschachtelten Konstruktion und Erzählweise sowie dem überbordenden Symbolismus. Auffällig ist vor allem der Wechsel zwischen den Erzählpersonen. Neben Askar als Ich-Erzähler und einem Erzähler in der dritten Personen, tritt auch noch ein dialoghaftes Gegenüber, das Askar mit „Du“ adressiert. Letzterer wirkt manchmal wie eine externe Person, manchmal eher wie eine innere Stimme Askars. Ich lese gerade diese „Du“-Form nicht besonders gerne, aber der regelmäßige Turnus erfüllt hier durchaus einen Zweck im Perspektivenwechsel, der anders nicht gleichermaßen zu erreichen wäre. Während der Ich-Erzähler nämlich recht selbstgerecht und verzogen daherkommt, ohne sich das selbst bewußt zu machen, legt der Du-Erzähler genau diese Schwächen sehr schonungslos offen. An Askar läßt er sozusagen kein gutes Haar. Der Er-Erzähler dient eher der kompakteren Vermittlung von größeren Zusammenhängen. Allein an der Erzählperspektive läßt sich somit nach kurzer Zeit schon erkennen, was man in dem jeweiligen Abschnitt als Tendenz zu erwarten hat. Das ist in der Form etwas gewöhnungsbedürftig, aber durchaus gut gelöst.


    Schwieriger ist schon das, ja, Übermaß an Symbolik. Gut, Maps ist der erste Teil der „Trilogie“ Blood in the Sun, daher sollte es nicht verwundern, daß Blut dabei einen breiten Raum einnimmt. Aber ich habe den Eindruck, daß es in Farahs Werken (bei Geheimnisse ist es mir nämlich auch schon aufgefallen) fast so etwas wie eine Obsession gibt, was speziell Menstruationsblut angeht. Möglicherweise ist das auch einfach ein religiös-kulturell bedingtes Phänomen, aber irritierend finde ich es trotzdem. Auch die Vielzahl von mehr oder weniger sichtbaren fehlenden Körperteilen (Aw-Adan hat nur ein Bein, Qorrax fehlen Finger, Salaado mußte sich die Eierstöcke entfernen lassen, eine Brustamputation gibt's auch noch) war mir reichlich dick aufgetragen. Möglich, daß das alles im Kontext einen Zweck erfüllt, der mir im Detail entgangen ist, aber weniger wäre für meinen Geschmack hier trotzdem mehr gewesen. In diesen Zusammenhang gehören auch Askars Träume, die nicht immer sofort als solche erkenntlich sind, und in denen Symbolismus und Metaphorik noch einmal eine Steigerung erfahren.


    Passend ist allerdings der Titel, der hier durchaus auf mehrere Aspekte verweist. Askar bekommt zur Beschneidung von Onkel Qorrax einen Globus geschenkt, Landkarten werden sein Hobby, denn natürlich müssen die Kampfbewegungen um den Ogaden nachvollzogen werden. Die Kluft zwischen Wahrnehmung und Realität sowie die unterschiedlichen Realitäten je nach Standpunkt werden dabei deutlich: Alle Karten zeigen den Ogaden gemäß der offiziellen Grenzen als Teil Äthiopiens, für die Somali gehört das Gebiet zu ihnen. Die Fragen um Identität und Ethnizität, die dadurch aufgeworfen werden und die sich vor allem in Misra als Äthiopierin unter überwiegender Somali-Dorfbevölkerung bündeln, sind dabei durchaus interessant thematisiert, dafür sorgt schon und vor allem Onkel Hilaal mit seinen Denkanstößen an Askar, der die Welt doch recht schwarz-weiß sieht und den Hilaal auf die Grautöne zu stoßen sucht. Maps verweist aber auch auf die innere Kartierung, die Askar für sich selbst vornehmen muß, um seinen Platz als Person, als Mann in der Gesellschaft und geographisch zu finden. Seinen äußeren Ausdruck findet dies in Askars Schwanken zwischen zwei Anmeldeformularen: für die Universität oder die Western Somali Liberation Front.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß
    Aldawen