Gotthold Ephraim Lessing - Philotas

  • Ein junger Heißsporn, Sohn des in einen Krieg verwickelten Königs, wird bei seinem ersten Treffen mit dem Feind verwundet und gerät in Gefangenschaft, wo er sich heftige Vorwürfe für die Schande macht, nicht stattdessen einen heldenhaften Tod gestorben zu sein. Zudem malt er sich aus, dass sein Vater, der König, erhebliche Positionen wird aufgeben müssen, für die viele Getreue ihr Leben ließen, um ihn, den gefangenen Sohn, wieder freizukaufen. Da erfährt der junge Prinz, dass auch der Sohn des Königs, in dessen Gewalt er sich selbst befindet, in Gefangenschaft geriet, dass der Austausch der gefangenen Prinzen bereits in die Wege geleitet sei und dass Aussicht bestehe, den Akt des Gefangenenaustauschs zu einem Versöhnungsversuch zu nutzen. Der Heißsporn will sich der Schande allerdings entziehen und seinem Vaterlande eine letzten großen Dienst erweisen: er beschließt, sich selbst zu töten, damit sein Vater seinen Gefangenen als Faustpfand nutzen kann. Es gelingt ihm, sich ein Schwert zu verschaffen und tötet sich vor den Augen des feindlichen, aber bis dahin milde gestimmten Königs. Dieser sieht nun keine andere Möglichkeit, als den Krieg fortzusetzen, um seinen eigenen Sohn freizukämpfen.


    Lessings Trauerspiel ist in einem einzigen Akt zusammengefasst, es herrscht strenge Einheit von Ort, Zeit und Handlung. Alles spielt sich im Verlaufe einer knappen Stunde im Zelt des gefangenen Prinzen ab, ganze vier Personen treten auf. Diese Tragödie hat also bestechende technische Vorzüge, und die Grundidee ist bestürzend aktuell geblieben: der junge Fanatiker, der sein Leben zum Wohle eines übergeordneten Zwecks nicht nur riskiert, sondern bewusst und zum allgemeinen Schaden wegwirft, ist eine sehr heutige Projektionsfläche der Ängste in der Modernen. Trotzdem findet man „Philotas“ selten oder nie auf den Spielplänen. Der Grund dafür wird deutlich, wenn man den Text in die Hand nimmt. „Philotas“ leidet wie einige andere frühe Dramen von Lessing an einer Textüberfrachtung. Insbesondere dem jungen Philotas werden übermäßig lange Textpassagen in den Mund gelegt, die einen schleppenden Rhythmus erzeugen.


    Für die Grundidee und die strenge Reduktion auf das Wesentliche gibt es fünf Punkte, für die Umsetzung leider nur drei.


    Was wäre aus diesem Stoff unter den Händen eines Heinrich von Kleist geworden?