Andreas Pittler - Mischpoche – Wiener Kriminalgeschichten

  • Die Informationen innerhalb der Spoilermarkierungen kann man getrost mitlesen. Sie enthalten keinen Geheimnisverrat, sondern reißen die Geschichten nur kurz an.


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    Andreas Pittler: Mischpoche – Wiener Kriminalgeschichten, Meßkirch 2011, Gmeiner Verlag GmbH, ISBN 978-3-8392-1188-5, Softcover, 324 Seiten, Format: 12 x 20 x 2,3 cm, EUR 11,90, Kindle-Edition: ASIN: B005EKI0TE, EUR 9,99.


    „Ja, Herr Oberstleutnant, Sie haben richtig g’hört. Zwei Frauenschenkel. Einfach abgeschnitten und in Packpapier eing’wickelt. Die liegerten da bei uns am Kommissariat.“ (Seite 257)


    Polizeioberst David Bronstein von der Wiener Mordkommission, Abteilung „Leib und Leben“ ist eine fiktive Figur. Die Kriminalfälle aus den Jahren 1919 bis 1933, um die es in den 14 Kurzgeschichten geht, sind authentisch. Auch die illustren Persönlichkeiten, mit denen es Bronsteins Ermittlerteam zu tun bekommt, sind in der Mehrzahl historisch verbürgte Persönlichkeiten … vom Bundeskanzler Johannes Schober über den Schriftsteller Hugo Bettauer bis zu Wiens Bürgermeister Karl Seitz. Neben Mord und Totschlag spielt hier auch die Politik eine wichtige Rolle


    1933: Das Ende (Seite 7)
    Los geht’s 1933. Durch eine Geschäftsordnungskrise kommt es am 4. März zur so genannten „Selbstausschaltung“ des österreichischen Parlaments. Bundeskanzler Engelbert Dollfuß nutzt die Chance, um autoritär zu regieren. Als die Opposition trotz Parlamentsauflösung am 15. März die Nationalratssitzung wieder aufnehmen will, gilt das als nicht genehmigte Versammlung und muss von der Polizei aufgelöst werden. Auch David Bronstein wird zu diesem Einsatz abkommandiert, ob ihm das nun passt oder nicht. Und er fragt sich, wie es denn so weit kommen konnte. 1919 war nicht nur er von der neuen Republik begeistert gewesen. Wo auf dem Weg ist die Sache schief gegangen? Bronstein denkt zurück … an Privates, Berufliches und Politisches.


    1919: Entscheidung in der Hörlgasse (Seite 29)
    15. Juni 1919: Bei einer Demonstration der Kommunisten schießen die städtischen Ordnungshüter in die Menge. Bronstein ist vor Ort, allerdings mehr privat als beruflich: Seine Lebensgefährtin Jelka, eine überzeugte Kommunistin, ist unter den Demonstranten …


    1920: Jung und Alt (Seite 51)


    1921:Tödlicher Mulatsag (Seite 70)


    1922: Nacht über Simmering (Seite 104)


    1923: Der Salon der Sadisten (Seite 119)
    Bronstein traut seinen Ohren nicht, als die 13-jährige Brigitte von der gängigen Bestrafungspraxis an ihrer Sprachenschule berichtet. Das sind keine Erziehungsmethoden, das sind perverse Sexspiele vor zahlendem Publikum! Seine Ermittlungsstrategie ist riskant …


    1924: In der Sache Wondratschek (Seite 147)
    Die Bayerische Regierung möchte einen gewissen Adolf Hitler nach einem Putschversuch nach Österreich abschieben. Aber die hiesige Regierung will ihn auch nicht. Jetzt ist guter Rat teuer. Eine Geschichte, die ihm sein geschwätziger Kollege Pokorny erzählt hat, bringt Bronstein auf eine Idee …


    Ausgerechnet der Geistesblitz eines jüdischen Polizisten verhindert Hitlers Abschiebung aus Deutschland. Das hat was!


    1925: Er und sie (Seite 173)
    Schriftsteller Hugo Bettauer hat eine Zeitschrift auf den Markt gebracht, die einigen Mitmenschen zu modern und gewagt ist. Jetzt bekommt er Morddrohungen, und seine Sekretärin macht sich Sorgen um ihn. Bronstein findet die Dame zwar attraktiv, nimmt sie aber nicht ernst. Ein Fehler …


    1926: Pülcher vom Grund (Seite 191)


    1928: Mord in der Symphonie (Seite 211)


    1929: Eine Bank reißt ein Bankel (Seite 230)


    1930: Unerhört (Seite 245)


    1931: Stückchenweise (Seite 257)
    Der Hilfsarbeiter Eduard Fuchs findet im Schnee zwei abgetrennte Frauenbeine. Wer die Tote ist, findet die Polizei schnell heraus. Einen Verdächtigen hat sie auch gleich, und der legt prompt ein Geständnis ab. Doch das, was er erzählt, kann so nicht stimmen …


    1932: Waffenbrüder (Seite 280)
    Lokführer Andras Nemeth weiß von Güterwaggons voller Waffen, die im Bahnhof von Udine stehen und nach Norden gehen sollen. An wen genau? Bronstein geht der Sache nach – mit Methoden, die nicht im Lehrbuch stehen.


    Diese ungewöhnliche Mischung aus Fakten und Fiktion, aus Krimi und (Kriminal-)Geschichte, liest sich spannend und amüsant. Polizeioberst David Bronstein ist trotz seiner Alleingänge kein Supermann, sondern ein sympathischer Mensch mit Stärken und Schwächen.


    Dass er Jude – oder jüdischer Abstammung - ist wird wohl erwähnt, spielt für die Geschichten selbst aber kaum eine Rolle. Er scheint vollständig assimiliert zu sein, feiert Weihnachten und kümmert sich nicht darum, welche Nahrungsmittel koscher sind und welche nicht. Schweinsbraten und Innereien stehen ganz selbstverständlich auf seinem Speiseplan.


    Wie kommt das Buch dann zu seinem Titel „Mischpoche“? Vielleicht sollte man wissen, dass David Bronstein eigentlich ein Serienheld ist. Bereits in vier Romanen, die im echomedia-Verlag erschienen sind, hat er ermittelt. Die Titel dieser Romane lauten: Tinnef, Chuzpe, Ezzes und Tacheles. In diese Reihe passt die Mischpoche natürlich perfekt.


    Ein bisschen Erfahrung mit dem österreichischen - besser noch: spezifisch wienerischen -Idiom sollte man schon haben, wenn man sich an diese Lektüre macht. Denn sonst wird man schnell das Gefühl haben, etwas Entscheidendes zu verpassen. Zwar ist das Glossar (Seite 321) sehr nützlich und ausführlich, aber man kann dort unmöglich alles erklären.


    Wer Freude an Dialekten und Akzenten hat, dürfte sich trotz aller Ernsthaftigkeit des Themas beim Schmunzeln ertappen, wenn hier Vokabeln und Redewendungen verschriftlicht werden, die man zwar kennt und gegebenenfalls verwendet, aber normalerweise weder schreibt noch liest.


    Im Anhang (Seite 307) werden kurz die realen Hintergründe der 14 Geschichten erläutert, was vor allem für die Leser hilfreich ist, die in der Geschichte der ersten Österreichischen Republik nicht ganz so sattelfest sind.


    Mischpoche bietet Krimis mit Unterhaltungswert und Erkenntnisgewinn – was will man mehr? Okay, vielleicht Tinnef, Chuzpe, Ezzes und Tacheles …


    Der Autor:
    Andreas Pittler, Jahrgang 1964, studierte Geschichte, Germanistik und Politikwissenschaft und arbeitete als Redakteur bei verschiedenen österreichischen Tages- und Wochenzeitungen. Seit 1994 ist er in der Pressestelle des österreichischen Parlaments in Wien tätig. Pittler hat zahlreiche Sachbücher und Kriminalromane veröffentlicht. Für sein schriftstellerisches Schaffen wurde er 2006 mit dem „Silbernen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich“ ausgezeichnet.