Charlotte Roth - Die Wintergarten-Frauen: Die Sehnsucht brennt

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    Nachdem mir der erste Teil der Trilogie um die Wintergarten-Frauen nicht besonders gut gefallen hat, weil ich die Protagonistinnen etwas zu schrill und die Handlung teilweise sehr unrealistisch fand, bin ich vom zweiten Teil positiv überrascht. Die Geschichte der "Wunderweiber", des Varieté-Ensembles, das Nina von Veltheim mittlerweile aufgebaut hat und das im legedären "Wintergarten" in Berlin auftritt, wird hier weitererzählt, im Fokus steht dabei neben Nina selbst ihre Hauptattraktion und Freundin Jenny Alomis, die Schlangenfrau, deren persönliche Geschichte in diesem Band erzählt wird.


    Charlotte Roth gelingt es auch in diesem historischen Roman gut, das Zeitkolorit der ausgehenden 1920er und beginnenden 1930er Jahre einzufangen, und dabei die zunehmende Krisenstimmung, die das Leben der Menschen stark beeinflusst, herauszustellen. Gleichzeitig wird die Handlung durch die Rückblenden auf Jennys Geschichte, die nach dem Ersten Weltkrieg aus Riga fliehen musste und das Geheimnis ihrer Herkunft eigentlich mit niemandem teilen will, auch in die größeren historischen Zusammenhänge eingebunden.


    Die Figuren sind durchaus typisch für die Art, wie Charlotte Roth ihre Romane anlegt: Starke Frauen, die ihr Leben eigentlich allein meistern können und wollen, dann aber trotzdem einen Mann an ihrer Seite dulden, und eher weiche, verständnisvolle Männer, die so nicht unbedingt glaubwürdig in die historische Epoche passen, in der der Roman spielt. Bei der Wintergarten-Frauen ist dieses Schema auf die Spitze getrieben, vor allem innerhalb der Familie von Veltheim.


    Nina von Veltheim ist mittlerweile eine erfolgreiche Choreografin und Agentin am Varieté, diese Karriere ist ihr aufgrund purer Willenskraft gelungen. Auch von privaten Rückschlägen lässt sie sich nicht umwerfen, ihren Lebensgefährten Anton heiraten will sie natürlich auch nicht, und als es zur Krise zwischen beiden kommt geht Nina in der Art eines Panzers ihren Weg auch alleine weiter. Der verständnisvolle Anton, der ihr immer wieder entgegegenkommt, wirkt neben dieser Naturgewalt von einer Frau etwas blass.

    Ähnlich sieht das Verhältnis zwischen Ninas bester Freundin Jenny und Ninas Bruder Carlo aus, Jenny ist die Bestimmende in der Beziehung und zieht denn auch den Schlussstrich, weil sie sich nicht als Ehefrau eines brandenburgischen Landwirts sehen kann. Der treue Carlo steht aber weiterhin bereit, um ihr aus den Krisen des Lebens hinauszuhelfen und dafür zu sorgen, dass sich am Ende das eine oder andere Problem in Luft auflöst.


    Natürlich passt diese Konstellation vom Rahmen her in die Frauenbewegung der 1920er Jahre, und es wird auch immer wieder betont, dass aufgrund der im Ersten Weltkrieg gefallenen Männer die Frauen ihren Aktionsrahmen erweitern mussten, aber ganz realistisch erscheint soviel Frauenpower nicht immer. Hinzu kommt, dass die Bösen auch etwas holzschnittartig geraten, sowohl Antons wieder auftauchender Antagonist Rudolf Kante, der schon im ersten Band nicht gut wegkam, als auch Ninas neuer Auftraggeber Fritz Aschinger fallen nicht unbedingt durch Vielseitigkeit auf. Das ist ein bißchen schade, denn Figurengestaltung kann Frau Roth eigentlich besser.


    Insgesamt hat mir dieser zweite Band der Wintergarten-Frauen-Trilogie aber gut gefallen, und ich werde sicher auch den im Dezember erscheinenden dritten Band lesen, zumal dann mit Sonia Spielmann auch die dritte Freundin im Bunde wieder etwas stärker in der Handlung präsent sein soll.


    4ratten