Beiträge von Juva

    Die Begeisterung für Terry Pratchetts Erzählkunst hat bis zum Ende des Romans angehalten, ich finde es insbesondere toll, wie er alle Figuren mit kleinen Eigenheiten ausstattet, die sie wirklich lebendig machen, egal ob das nun die im Fokus stehenden Hexen, die sehr unterhaltsamen "Wir sind die Größten" oder auch die wirklich nur am Rande vorkommenden fiesen Tanten von Tiffanys Freund Roland sind. Selbst Horace der Käse kann fast mit einer Persönlichkeit punkten.


    Ich werde sicher demnächst den nächsten Ausflug in die Scheibenwelt machen und mich dann freuen, wenn ich alte Bekannte wieder treffe.


    5ratten

    Beim dritten Band von Elisabeth Herrmanns Thriller-Trilogie rund um Judith Kepler bin ich etwas hin- und hergerissen: Einerseits war das Buch echt spannend, und die Protagonistin hat im Vergleich zu den Vorgängerbänden noch einmal gewonnen, auch weil sie oft etwas menschlicher erscheint. Auch dass Quirin Kaiserley ein bißchen mehr an den Rand des Geschehens gewandert ist finde ich nicht schlecht, der Fokus liegt hier eher auf anderen ProtagonistInnen.


    Der Thrillercharakter des Romans wird in diesem Band nocheinmal deutlicher als bei den Vorgängern, und die Manipulationen und Machtspielchen der Geheimdienste wirken realistisch. Zu konstruiert waren mir hingegen die Beziehungen der Figuren, die sich fast alle untereinander schon kennen und bereits eine Vorgeschichte haben. Insbesondere der Erzählstrang rund um Isa Kellermann, die (nicht nur) als Beamtin des Verfassungsschutzes zu einer zentralen Akteurin wird, erschien mir zunehmend abstrus und die am Ende enthüllte Motivation hinter ihrem Handeln sehr voraussehbar, die dahinter stehende Wendung der Geschichte unglaubwürdig.


    Der Schluss hat mir dann wieder sehr gut gefallen und rundet die Geschichte rund um Judith Kepler gut ab. Insgesamt kann ich diesen wirklich spannenden Thriller mit kleinen Abstrichen empfehlen, man sollte aber die beiden Vorgängerbände gelesen haben.


    4ratten


    Meine war denn wohl doch ein bisschen zu anspruchsvoll, wie es scheint. aber macht nichts, einige Bücher sind ja gelesen worden. :)

    Obwohl ich mir (mal wieder) vorgenommen hatte, diesmal mit meinen Monatsrundenbüchern früher fertig zu sein, kommt bei mir wieder noch einiges auf den letzten Drücker nach. Mit Pratchett bin ich auf den letzten Metern, der zweite Snöfrid ist auch in Arbeit, nur bei Maya Angelou hänge ich noch etwas. Ich will aber alle meine Monatsrundenbücher noch schaffen! ;)


    Mir hat das Motto sehr gut gefallen und ich finde es nicht zu anspruchsvoll. Tatsächlich habe ich gestern, am Welttag des Buches, noch daran gedacht, wie gut die Monatsrunde dazu passt.

    Persönlich kam mir aber der historische Hintergrund zu kurz. Ich denke zum Teil liegt das auch daran, das es in Finnland erst seit einigen Jahren überhaupt möglich ist, offen über die Verwicklungen der NS Zeit zu erzählen und zu schreiben. Das spiegelt auch wieder, warum sie erst als alte Frau darüber spricht.

    Da gebe ich Dir absolut recht, insbesondere wenn man sich damit beschäftigt hat wünscht man sich eine stärkere Einbindung der historischen Debatte.

    Insgesamt hätte dieses doch eher kurze Buch etwas mehr Umfang und damit auch ein bißchen mehr geschichtlichen Hintergrund vertragen können.

    Ich habe mir die anderen Tiffany-Weh-Romane auch direkt auf den Kindle geladen (teils deutsch, teils englisch) weil ich die Figur toll finde, aber auch alle um sie herum, besonders natürlich Nanny Ogg und Oma Wetterwachs.

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Terry Pratchetts "Der Winterschmied" erzählt von den Folgen, die sich für die junge Hexe Tiffany Weh ergeben, nachdem sie mit dem Winterschmied getanzt und dieser sich in sie verliebt hat. Schneeflocken, die ihr ähnlich sehen, sind da noch ziemlich harmlos, bei Eisbergen wird die ganze Sache schon gefährlicher.


    Auch bei diesem Roman bin ich wieder begeistert von Pratchett fantasievoller und detaillierter Erzählweise, er schafft es dadurch, seine Figuren wirklich lebendig erscheinen zu lassen. Richtig unterhaltsam sind für mich die Passagen, in denen von Tiffanys Lektüre eines Liebesromans berichtet wird. Um ihr in der Angelegenheit mit dem Winterschmied zu helfen haben ihr die Größten (kleine, blau tätowierte Männer in Kilts) nämlich einen Liebesroman besorgt, und Tiffanys pragmatische Art, dessen Inhalt zu hinterfragen, hat mir vor Lachen wirklich die Tränen in die Augen getrieben

    Zitat

    Der Titel in feurig roten Buchstaben lautete SPIELZEUG DER LEIDENSCHAFT von Marjorie J. Leibchen. [...] Das Titelbild zeigte eine jungen Frau mit dunklem Haar und recht knapper Bekleidung, wie Tiffany fand. Haare und Kleid flatterten im Wind. (S. 218)

    Da kommen ja schon einige Gedanken an die Nackenbeißerlesenacht, oder? Man kann sich die Art des Liebesromans jedenfalls gut vorstellen.

    Zitat

    Ich habe ältere Schwestern, und einiges davon weiß ich schon, dachte sie. Aber bei einigen Dingen lag Marjorie J. Leibchen auf geradezu lächerliche Weise falsch. Die Mädchen des Kreidelands liefen nicht oft vor jungen Männern weg, die reich genug waren, ein eigenes Pferd zu besitzen - zumindest nicht für lange und nicht, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, sie einzuholen. Und Megs, Heldin des Buches, hatte offenbar keine Ahnung von Landwirtschaft. Kein junger Mann würde sich für eine Frau interessieren, die weder eine Kuh behandeln noch ein Ferkel tragen konnte. Welche Hilfe wäre sie auf dem Hof? Dadurch, dass sie mit kirschroten Lippen in der Gegend herumstand, wurden weder die Kühe gemolken noch die Schafe geschoren!

    Apropos: Wusste Marjorie J. Leibchen irgendetwas über Schafe? Das Buch spielte im Sommer in einer Schafzucht, nicht wahr? Wann also scherten sie die Schafe? Das zweitwichtigste Ereignis bei einer Schafzucht, und es wurde nicht einmal erwähnt? Es konnte natürlich sein, dass sie eine Rasse wie den Kleinen Wärmer oder das Tiefland-Kurzhaar hielten, die nicht geschoren werden mussten, aber die waren selten, und ein vernünftiger Autor hätte bestimmt darauf hingewiesen.

    Und die Szene im fünften Kapitel, als Megs die Schafe sich selbst überließ, um mit Roger Nüsse zu sammeln... wie konnte man nur so dumm sein? Die Schafe hätten weglaufen können, und wieso glaubten Megs und Roger eigentlich, im Juni irgendwo Nüsse zu finden?

    Tiffany las noch ein bisschen weiter und dachte: Oha, ich verstehe. Hmm. Ha. Es ging also gar nicht um Nüsse. Im Kreideland nennen wir so etwas "nach Kuckucksnestern suchen". (S. 218 ff.)

    Ich würde sehr gerne mal eine Nackenbeißerlesenacht zusammen mit Tiffany Weh haben, das wäre bestimmt sehr unterhaltsam. ;) Terry Pratchett ist auf jeden Fall ein genialer Beobachter.

    Zitat

    Warum glaubt Megs, einen der beiden Männer heiraten zu müssen?, fragte sich Tiffany. Und überhaupt, sie verbrachte zu viel Zeit damit, sich bedeutungsvoll irgendwo anzulehnen und einen Schmollmund zu ziehen. Musste denn da niemand arbeiten? Und wenn sie immer so angezogen war, holte sie sich früher oder später eine Erkältung. (S. 220)

    Und nicht nur der Liebesroman, auch das Treiben der Hexen wird lustig geschildert, in der Scheibenwelt findet man vieles abgebildet, was man aus dem wahren Leben kennt. Ich bin jedenfalls schon gespannt, wie die Geschichte mit Tiffany und dem Winterschmied ausgeht, derzeit fehlen mir noch ca. 130 Seiten.

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Nicolas Mahler liefert in seinem kurzen Büchlein "Kafka komplett" eine gezeichnete Biografie Kafkas, die durch Zitate Kafkas selbst wie auch wichtiger Zeitgenossen (etwa Max Brod) ergänzt wird, und die teilweise wirklich witzig, aber nie respektlos daherkommt.


    Mit dem Namen Franz Kafka verbinden sicherlich viele LeserInnen eher albtraumhafte Szenarien, die direkt aus Kafkas Werken entsprungen sein könnten - Nicolas Mahler zeigt in seiner kongenialen Verbindung von Kafkas Leben und Werk, dass Kafka viel mehr ist, und dass es sich lohnt, sich mit dem Literaten wie auch seinen Werken auseinander zu setzen. An den sehr reduzierten, dabei aber durchaus pointierten Zeichnungen hat mir besonders gut gefallen, dass viele davon Ähnlichkeiten zu Skizzen aufweisen, die Kafka selbst angefertigt hat. Das gibt den LeserInnen - neben den Zitaten aus seinen Briefen und Werken - das Gefühl, dem Künstler selbst ein bißchen über die Schulter schauen zu können.

    Mahlers Werk ist nicht die erste Comic-Biographie Kafkas, so liefert beispielsweise die Graphic Novel "Kafka" von David Zane Mairowitz und Robert Crumb ebenfalls einen guten Überblick über Kafkas Leben und Werk. Diese ist aber in ihrem Stil viel dominanter, bei Mahler gefällt mir gerade die Offenheit, die seine sehr reduzierten Zeichnungen erzeugen, da diese viel Raum für eigene Gedanken zu Kafka und den mit seinem Werk gemachten Lektüreerfahrungen ermöglichen.


    Mahlers Buch ist aus meiner Sicht sowohl für Kafka-Fans empfehlenswert, die hier eine etwas andere Art der Annäherung an den Autor finden werden, als auch für LeserInnen, die sich einen ersten Überblick über sein Leben und Werk verschaffen wollen. Dies hängt zum einen mit den wirklich tollen Zeichnungen, zum anderen mit der wirklich gründlichen Recherche des Zeichners zu Kafka zusammen.


    5ratten

    Zur Sargasso Sea - ich fand die Sprache gar nicht so schwer zu lesen. Ich habe das Buch auch ohne die Fußnoten gelesen, die im Anhang waren. Was genau fandet ihr verwirrend? Den ständigen Perspektivenwechsel?

    Ich habe mir teilweise echt an den Rand geschrieben, wer hier meiner Ansicht nach gerade erzählt - und einmal auch wirklich falsch gelegen. Mit den ungekennzeichneten Perspektivwechseln hatte ich echt Schwierigkeiten, weil die Figuren dafür (zumindest in der Übersetzung) zu wenig Eigenarten in der Sprache haben, die sie unterscheidbar machen.

    Eigentlich finde ich es gut, dass Rochester hier quasi "entromantisiert" wird, denn ich finde, er ist auch Jane gegenüber gemein und bevormundend. Klar ist das zeittypisch, trotzdem eignet er sich damit nicht unbedingt zum romantisch verklärten Helden unglücklicher Umstände.


    Und damit bin ich dann gedanklich direkt wieder beim Vergleich Bronte - Austen, deren männliche Hauptfiguren den Frauen gegenüber einfach etwas fairer sind und diese weniger abwerten, als Rochester es bei Jane tut (wenn auch vielleicht in guter Absicht).

    Juva

    Wer hat deine Ausgabe übersetzt?

    Bei mir ist die Übersetzerin Brigitte Walitzek

    Bei meiner Ausgabe auch.


    Ich denke, dass es Jean Rhys tatsächlich darum ging, durch den Bezug zu Jane Eyre Interesse für ihren Roman zu erwecken, um dann eben einen ganz anderen Ansatz von Berthas und Rochesters Geschichte zu zeigen. Für die Themen, die sie in ihrem Roman aufgreift, hätte sie sonst (besonders unter Berücksichtigung des Erscheinungsjahrs 1966) wahrscheinlich nicht unbedingt ein Publikum gefunden. Selbst für uns, die wir heute für Themen wie Postkolonialismus und Unterdrückung von Frauen ganz anders sensibilisiert sind, ist der Roman ja nicht unbedingt leicht zugänglich. Ohne den Bezug zu Jane Eyre wären wahrscheinlich viele LeserInnen nicht unbedingt bereit, sich mit diesem schwierigen Buch zu beschäftigen.

    Nachdem mir der erste Band der Krimireihe um Judith Kepler richtig gut gefallen hat, hatte ich mit dem zweiten Band "Stimme der Toten" so meine Probleme. Ich mag Judith als Protagonistin gern und finde sie auch glaubwürdig gezeichnet, aber rundherum war einiges doch sehr konstruiert (etwa ihre Beziehung zu Larcan), beispielsweise auch die Geschichten rund um Kaiserley und Kellermann (die man noch aus dem ersten Band kennt), bei denen zufällig in beiden Fällen auch noch der mehr oder weniger kompetente Nachwuchs ins Spiel kommt.

    Ziemlich überflüssig finde ich die Nebenhandlung um das Dorf Schenken, zumal relativ schnell absehbar ist, was dort auf Judith wartet (warum merkt sie das selbst nicht, sie ist doch sonst ziemlich fix im Kopf), und man sich gleichzeitig auch denken kann, welche Funktion Frederik dort hat. Der Handel rund um Tabea erscheint mir jedenfalls an den Haaren herbeigezogen, so als wollte die Autorin irgendwie rechtfertigen, dass sich Judith in ganz offenbar höchst kriminelle Aktionen hineinziehen lässt.

    Diese vielen Nebenhandlungen blähen den Roman aus meiner Sicht unnötig auf, etwas mehr Stringenz hätte der Handlung durchaus gut getan. Dass ich trotzdem bis zum Ende gelesen habe hängt neben der Protagonistin damit zusammen, dass die Autorin einfach gut schreiben kann, das ist einer der ganz großen Pluspunkte dieser Krimireihe.


    Insgesamt finde ich diesen zweiten Teil der Reihe um Judith Kepler durchwachsen, hoffe aber auf eine Steigerung im dritten Teil.


    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    HoldenCaulfield und b.a.t. : Da würde ich mich gerne anschließen, das Buch von Edelbauer kenne ich noch nicht, aber Kafka habe ich immer mal wieder (und nicht nur als Pflicht mit meinen SchülerInnen) gelesen und finde die Idee mit der Doppellesung auch spannend.


    Sollen wir dann vielleicht Juli für Jane Austen anpeilen?