Beiträge von Juva

    Ich bin jetzt in Kapitel 28, direkt nach Janes Flucht aus Thornfield, angekommen. Auch wenn Janes strenge Moralvorstellungen manchmal etwas unpassend wirken, finde ich es gut, dass sie nicht auf Rochesters Pläne eingegangen ist, denn die Beziehung zwischen den beiden wirkt nicht "rund". Dass Jane mit ihren 18 Jahren, die vorher ja auch nur wenige Menschen getroffen hat, die es gut mir ihr meinten, sich in Rochester verliebt, der nicht nur gut zu ihr ist, sondern sie auch ernst nimmt (was für sie ja durchaus wichtig ist), finde ich verständlich. Trotzdem nimmt sie die Asymmetrie dieser Beziehung vorrangig in wirtschaftlicher Hinsicht wahr, obwohl er sich ja auch sonst bevormundet. Und da dauert es schon ziemlich lange, bis die sonst so reflektierte und altkluge Jane merkt, wie der Hase läuft. Zwischenzeitlich war mir das ein bißchen zu viel himmelblau und rosarot und manche Aspekte einfach zu doof, etwa Rochesters Versuch, Jane eifersüchtig zu machen.


    Auch die Instrumentalisierung der Natur zur Unterstützung der Handlung wurde mir in der letzten Passage, die ich gelesen habe, zwischen den Kapiteln 20 und 28, etwas zu aufdringlich. Zwar findet diese im gesamten Roman statt, scheint aber zunehmend mit der Holzhammermethode eingesetzt zu sein. Wo anfangs der Regen, der an die Scheiben klopft, oder das winterliche Schneetreiben noch die Atmosphäre der Geschichte unterstützen, waren mir der sommerliche, nächtliche Obstgarten zu idyllisch und der am Vortag der Hochzeit aufkommende ungewöhnliche Sturm zu platt.


    Insgesamt funktioniert die Genremischung weniger gut, je weiter der Roman voranschreitet, und da mit der Entdeckung Berthas und Janes Weggang aus Thornfield nun auch die beiden Themen "Liebe" und "Grusel/Unheimliches" erstmal wegfallen, stellt sich die Frage, welcher zentrale Handlungsstrang bleibt.

    Von den Schülerinnen in Lowood wird außer Jane nur Helen Burns näher vorgestellt, deren Schicksal eher dazu dienen dürfte, die sozial- und schulkritische Komponente des Romans zu unterstreichen, als individuelle Figuren zu beleuchten.


    Ich lese die Übersetzung von Andrea Ott. Ich habe noch eine ältere Taschenbuchausgabe mit der Übersetzung von Bernhard Schindler, die ich aber deutlich umständlicher und altmodischer finde, die von Andrea Ott gefällt mir besser.


    Mittlerweile bin ich in Kapitel 20 angekommen und ich finde es immer wieder erstaunlich, wie die Autorin mit verschiedenen Genres jongliert, mal scheint es sich um einen Entwicklungsroman zu handeln, mal tauchen Anzeichen einer Gruselgeschichte auf, dann wieder mäandert die Handlung hin zum Gesellschafts- und schließlich auch zum Liebesroman. Diese kleinen Aspekte werden so gekonnt verknüpft, dass sich die LeserInnen nie sicher sein können, in welche Richtung sich das Ganze weiterentwickelt.


    Janes Ansichten sind für ihre Zeit sehr modern und sie hebt sich damit von anderen zeitgenössischen Romanfiguren ab:

    Zitat

    Es heißt, Frauen seien im Allgemeinen still und friedlich, aber Frauen empfinden genauso wie Männer, sie wollen genauso wie ihre Brüder ihre Talente anwenden und sich bewähren; sie leiden unter allzu strenger Einengung, unter völligem Stillstand genauso, wie die Männer leiden würden, und es ist engstirnig, wenn ihre bevorrechteten Mitmenschen fordern, sie sollten sich damit begnügen, Pudding zu kochen und Strümpfe zu stricken, Klavier zu spielen und Taschen zu besticken. Es ist gedankenlos, sie zu verurteilen oder auszulachen, wenn sie mehr tun oder lernen wollen, als Sitten und Gebräuche für ihr Geschlecht vorsehen. (S. 131 f.)

    Bei solchen Passagen wird auch klar, warum Charlotte Bronte ihren Roman nur unter einem Pseudonym veröffentlichen konnte, das nicht verriet, dass sie eine Frau war. Solche Äußerungen einer Frau hätte man damals nicht zugelassen.


    Spannend finde ich auch Janes Ansichten zur Ehe:

    Zitat

    Alles dreht sich um ein und dasselbe Thema, die Werbung, und verspricht in ein und derselben Katastrophe zu enden, der Ehe. (S. 240)

    Ich habe gestern die ersten 60 Seiten (bis einschließlich Kapitel 5) geschafft, also Janes Schicksal bei den Reeds und den ersten Tag in Lowood verfolgt.

    Ich finde Jane für ihr Alter ungewöhnlich mutig und reflektiert, natürlich musste sie aufgrund ihrer traurigen Lebensumstände früh schlechte Erfahrungen sammeln, trotzdem passen manche Schlussfolgerungen, insbesondere bezogen auf den Zusammenhang zwischen Armut und Erziehung, eher schlecht zu einer Zehnjährigen, etwa wenn Jane im dritten Kapitel folgendes ausführt:

    Zitat

    Ich konnte mir nicht vorstellen, wie arme Menschen hätten gut sein können. Und dann würde ich mit der Zeit sprechen wie sie, mich benehmen wie sie, bekäme keine Erziehung und wüchse zu einer dieser armen Frauen heran [...]; nein, ich war nicht heldenhaft genug, mir die Freiheit um den Preis meiner gesellschaftlichen Stellung zu erkaufen. (S. 27)

    Bezogen auf die damaligen gesellschaftlichen Umstände ist dies sicher eine treffende Feststellung, und die Protagonistin wird dadurch auch als intelligent und willensstark charakterisiert, trotzdem finde ich das etwas dick aufgetragen. Würde ein Kind, das in so lieblosen Verhältnissen lebt wie Jane im Hause der Reeds, tatsächlich die gesellschaftliche Stellung jeder kleinen Hoffnung auf eine liebevolle Umgebung vorziehen?

    Mit der Betrachtung des Verlaufs der Spanischen Grippe und den verschiedenen Theorien, wo sie denn nun wirklich ihren Ausgang genommen hat, wird es nochmal deutlich wissenschaftlicher, bleibt aber trotzdem gut verständlich. Hier werden etwa nochmal die Überschneidungspunkte zwischen Menschen- und Tierseuchen (dabei werden insbesondere einige Vogelarten als besonders gefährliche Virenträger thematisiert) behandelt und auch die Entwicklung bestimmter Virenstämme sowie deren Auswirkungen auf die verschiedenen Ausbrüche der Pandemie thematisiert. Ich fand das ausgesprochen spannend, hätte einiges ohne die Vorkenntnisse aus der Corona-Zeit aber vielleicht nicht auf Anhieb verstanden und nochmal googlen müssen. ;)


    Zum Schluss wird der am Anfang begonnene Bogen aber passend beendet, indem die Nachwirkungen der Pandemie beleuchtet werden. Komisch ist aus heutiger Sicht natürlich der Ausblick auf mögliche künftige Pandemien (aus Sicht der Autorin, also von 2017 aus), weil wir ja alle dort erwähnten Aspekte kennen, von den staatlich angeordneten Maßnahmen über die Überlegungen, wie Herdenimmunität in der Bevölkerung hergestellt werden kann, bis hin zu den Menschen, die dem Impfen kritisch gegenüberstehen.


    Insgesamt lohnt sich die Lektüre dieses medizinhistorischen Sachbuchs auf jeden Fall, zumal die Autorin es versteht, auch kompliziertere Zusammenhänge gut nachvollziehbar darzustellen.


    5ratten

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    "Nachts erzähle ich dir alles" ist das erste Buch, das ich von Anika Landsteiner gelesen habe, aber ganz sicher nicht das letzte. Der Roman ist schafft den Spagat zwischen netter Urlaubsstimmung und ernsten Themen, ohne zu belasten, und gibt den LeserInnen durchaus auch Anlässe zum Nachdenken, weil auch gesellschaftlich aktuelle Themen aufgegriffen werden. Darüber hinaus ist die Geschichte sprachlich ansprechend verpackt und die Figuren sind überzeugend dargestellt.


    Léa führt ihr eigenes Café in München, nimmt sich aber nach der Trennung von ihrer Lebensgefährtin auf den Rat ihrer Mutter hin endlich den lange fälligen Urlaub, den sie im ehemaligen Landhaus ihrer Großeltern an der Cotê d´Azur verbringt. An ihrem ersten Abend dort trifft sie im dunklen Garten eine junge Frau, Alice, mit der sie ins Gespräch kommt. Da Alice noch in derselben Nacht stirbt ist Léa die letzte Person, die Alice gesprochen hat, und deshalb eine wichtige Ansprechpartnerin für ihren Bruder Émile, der herausfinden will, was mit seiner Schwester geschehen ist. Léa und Émile lernen sich besser kennen, und Léa muss sich auch mit ihrer eigenen Geschichte sowie der ihrer Mutter und deren bester Freundin auseinandersetzen, wobei unerwartete Parallelen auftauchen. Letztendlich müssen aber alle ProtagonistInnen selbst entscheiden, wie sie mit ihren Lebensentwürfen (und ihren Verlusten) umgehen wollen.


    Nach Lektüre des Klappentextes hatte ich durchaus mit einer (kleinen) Krimihandlung gerechnet, aber es wird relativ schnell klar, dass die Handlung so nicht funktioniert.

    Die ernsten Themen, die bei den Nachforschungen zu Alices Tod thematisiert werden, werden durchaus nicht heruntergespielt, aber immer wieder von idyllischen Urlaubsbildern aus Südfrankreich eingerahmt, sodass keine ganz bedrückende Atmosphäre entsteht. Léa und Émile sind sympathische, aber nicht zu glatte ProtagonistInnen, und die sich bald andeutende Beziehungsgeschichte zwischen den beiden ist nicht himmelblau und rosarot, letztendlich bleiben beide Individuen, die als erwachsene Menschen auch ihre eigenen Entscheidungen treffen.


    Ich habe Anika Landsteiners Roman gern gelesen, weil er für mich perfekt die Balance zwischen Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit hält. Natürlich werden einige Klischees bedient, aber trotzdem rutscht der Roman nie ins Triviale ab, sondern behält gerade durch das Spiel der Figuren miteinander bis zum Schluss seinen Reiz.


    5ratten

    Ein tolles Buch! Nicht nur die Rezepte (die leider für meinen Alltag im Moment zu aufwendig sind), sondern besonders die von dir genannten Bilder aus dieser wunderbaren Stadt.

    Ich finde das Buch auch von der Gestaltung her toll, die Rezepte aber zum großen Teil doch viel aufwendiger als in "Simple", meinem liebsten Ottolenghi-Kochbuch. Bisher habe ich in "Jerusalem" lieber geblättert als daraus gekocht. :S

    War es da nicht so, dass manche Schüler stark abhängig von der Schulverpflegung waren und man unter anderem deshalb von Schulschließungen abgesehen hat

    Das und die zum Teil zuhause beengtere und ungesündere Atmosphäre haben eine Rolle gespielt. Wichtiger waren aber die Aspekte, dass man zu dem Schluss gekommen ist, dass Kinder keine Pandemietreiber waren und dass man sie durch den Schulbesuch besser im Auge behalten und bei Symptomen direkt behandeln konnte. Das hat sich nachträglich als richtige Entscheidung erwiesen.

    Mit "Die Welt im Fieber" werde ich sicher noch fertig, auch weil das Buch richtig spannend ist. Den Caesar habe ich abgebrochen, das ist mal wieder so ein Beispiel eines doch recht trockenen Sachbuchs. Vielleicht gebe ich ihm irgendwann noch mal eine Chance, im Moment geht er leider gar nicht.

    Das ist jetzt schon ein bißchen gemein - die liegen tatsächlich alle (!) auch auf meinem SUB, aber angesichts der Tatsache, dass ich auch noch meine Tamkatzn-Bücher bis Ende März durch haben muss sollte ich wohl erstmal nicht mehr als vier Bücher anmelden. ;)

    Schöne Idee, ich habe direkt sowohl kurze Bücher als auch welche mit kurzem Titel gefunden:


    Gwendolyn Brooks - Maud Martha (140 Seiten plus 11 Seiten Nachwort)

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Bram Stoker - Der Zorn des Meeres (149 Seiten plus Nachwort, gesamt 169 S.)

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Anthony McCarten - Jack

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Dörte Hansen - Zur See

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links

    Ich habe jetzt über die Hälfte des Buches gelesen und finde einerseits die Informationen zur historischen Pandemie unglaublich interessant (bis hin dazu, welche Erkrankungen zeitgleich unterwegs waren und deshalb damit verwechselt worden sein könnten), andererseits sind die Parallelen zur Corona-Pandemie oft erschreckend, insbesondere im Hinblick darauf, welche Schlüsse man bereits damals gezogen und in Maßnahmen umgesetzt hat. So waren etwa verschiedene Regelungen zum "Social Distancing" bereits im Kontext der Spanischen Grippe (die mit Spanien wenig zu tun hatte) im Einsatz, man hat sich aber beisielsweise in New York gezielt dagegen entschieden, die Schulen zu schließen, und damit gute Erfahrungen gemacht. Eigentlich nicht überraschend, dass sich da Vergleiche aufdrängen, und gleichzeitig erstaunlich, welche Schlüsse man vor 100 Jahren schon gezogen hat, obwohl der Hintergrund der Pandemie damals nicht wissenschaftlich erfasst werden konnte.

    Das Buch geht auch wirklich interessant weiter. Die Autorin weist darauf hin, dass uns das Leben um 1918 doch sehr fremd ist, obwohl uns nur gut 100 Jahren davon trennen, diese Unterschiede sind in Bezug auf den Umgang mit der Pandemie wichtig. Zum Ersten Weltkrieg als einer Voraussetzung der Pandemie macht sie nur einen erfreulich kurzen Schlenker (das Wesentlich kennt man ja entweder schon oder kann es woanderes nachlesen), um dann zur eigentlichen Pandemie und ihren Symptomen zu kommen. Dabei wechselt sie häufig die Schauplätze ihrer Betrachtungen, wodurch natürlich der Charakter der Spanischen Grippe als weltumspannendes Phänomen noch deutlicher hervorgehoben wird.


    Ich mag ihre knappe, sachliche, informative Sprache, die sich auch in der Länge der Kapitel widerspiegelt. Diese sind sehr übersichtlich und vergleichweise kurz, dabei aber mit Informationen vollgepackt, und trotzdem nie trocken oder langweilig.

    Ich habe heute endlich mit meinen zweiten Tamkatzn-Buch angefangen und die ersten 40 Seiten in einem Rutsch weggelesen, hoffentlich geht das so gut weiter.


    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links

    Anika Landsteiner - Nachts erzähle ich dir alles


    Klappentext:

    Léa flieht vor ihrem Leben. Sie tauscht den deutschen Sommer gegen den südfranzösischen und fährt auf das alte Familienanwesen an der Côte d’Azur. Doch ihr Plan, dort zur Ruhe zu kommen, geht nicht auf: Am Abend ihrer Ankunft unterhält sie sich mit einer jungen Frau, die noch in derselben Nacht ums Leben kommt – und Léa ist die letzte, die sie gesehen hat. Plötzlich steht Émile, der Bruder der jungen Frau, vor Léas Tür. Ihn quälen viele Fragen, weil er erfahren hat, dass seine Schwester schwanger war. Nacht für Nacht erzählen sie sich von ihren längst nicht mehr heilen Familien, sie streiten mit Haut und Haar über Schuld, Angst und Schweigen. Während Léa versucht, zurück ins Leben zu finden, setzt Émile alles daran, zu ergründen, was zum Tod seiner Schwester geführt hat. Wie kann man Abschied von der Vergangenheit nehmen, ohne zu vergessen?


    Bisher gefällt mir an dem Roman vor allem, dass er die LeserInnen wirklich mit nach Frankreich nimmt, die Handlung plätschert auch dann, wenn es um ernstere Themen geht, ganz angenehm vor sich hin, das ganze Buch hat eine gewisse Leichtigkeit. Nach der Beschreibung im Klappentext hatte ich mir doch etwas Anstrengenderes vorgestellt und bin positiv überrascht. Es kann natürlich sein, dass die anstrengenden Teile noch kommen - bisher ist Alice, die junge Frau, die Léa begegnet ist, auch noch nicht gestorben, aber sie liegt auf der Intensivstation. Auf jeden Fall habe ich große Lust, gleich direkt weiterzulesen.

    HoldenCaulfield Ja, zum Glück. Trotzdem ist es immer wieder schockierend wie oft toxische Verhaltensmuster und/oder Gewalt in Nackenbeißer als romantisch oder verständlich verkauft werden. :cursing:

    Unter diesem Gesichtspunkt kann ich mit meinem langweiligen Nackenbeißer, der ja auch schon einige Jahre auf dem Buckel hat, durchaus zufrieden sein - die Heldin kann genausogut schießen wie der Revolverheld, wird zwar immer mal wieder von ihm gerettet, aber nie zum Sex gezwungen. Und sie könnte selbst entscheiden, sich von ihm scheiden zu lassen, weil sie auch finanziell unabhängig ist, hier begegnen sich beide also schon weitgehend auf Augenhöhe.