Beiträge von Juva

    Als großer Stephen-King-Fan wollte ich mir auch die Sammlung seiner Kurzromane "Frühling, Sommer, Herbst und Tod" nicht entgehen lassen, bin allerdings nicht wirklich glücklich über dieses Buch - dafür ist die Qualität der einzelnen Geschichten zu unterschiedlich.


    Die erste Geschichte "Pin Up" und die dritte Geschichte "Die Leiche" haben mir richtig gut gefallen und ich habe sie gerne gelesen, gerade "Die Leiche" sicher auch, weil mir die Verfilmung gut gefallen hat. Sie hatten für mich aber auch die für King typischen detaillierten und liebevollen Charakterisierungen seiner Figuren, die für sich genommen schon ein spannendes Element in die Handlung bringen. Die anderen beiden Geschichten haben mir lange nicht so gut gefallen, was vielleicht auch an den unsympathischen Protagonisten lag, deren Geschichten mich einfach nicht so mitnehmen konnten. Und besonders "Der Musterschüler" war mir dann als Kurzroman doch auch wieder zu lang, hier hätte der Autor eher auf den Punkt kommen können.


    So bleibe ich wohl doch eher bei Kings Romanen, auch wenn ich noch die eine oder andere Geschichtensammlung von ihm auf dem SUB habe - hier fällt die Bilanz dann doch zu gemischt aus.

    Ich habe Lucy Worsleys Biographie von Agatha Christie gelesen, weil mich die Meinungen hier neugierig darauf gemacht haben, und ich bin nicht enttäuscht worden.


    Da ich vorher wenig über Agatha Christie wusste war die Lektüre durchaus aufschlussreich, es hat mir insbesondere gut gefallen, dass die Autorin sich aufgrund umfangreicher Recherche mit allen Facetten Christies befasst hat, auch mit den eher negativen Seiten ihrer Persönlichkeit. Dadurch wird ein vielseitiges Bild der bekannten Krimiautorin gezeichnet, deren Leben ein Stück weit ja auch ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Entwicklungen von der Jahrhundertwende bis in die zweite Hälfte des 20. Jhdts. war. Der Weg, den Agatha Christie von der Tochter aus gutem, aber verarmten Hause, bis zur emanzipierten Autorin, die trotzdem ein Stück weit den Denkmustern ihrer Herkunft verhaftet blieb, gegangen ist, wird spannend und nachvollziehbar geschildert. Dass ihr mysteriöses Verschwinden dabei eine zentrale Stellung einnimmt überrascht nicht, zumal es gleichzeitig eine entscheidende Wendung ihres Lebens darstellt.


    Diese Biographie war nicht mein erstes, und ganz sicher auch nicht mein letztes Buch von Lucy Worsley. Ich finde, diese Autorin hat eine tolle Art, eine sichere Recherche in einen gut lesbaren Text zu verpacken, der - obwohl ein Sachtext - teilweise spannend wie ein Roman daherkommt. Für Liebhaber literarischer Biographien unbedingt zu empfehlen!


    5ratten

    Zum Schluss. Das war jetzt aber wirklich der letzte Roman den ich von Lily Gold gelesen habe. Es war letzten Endes ehrlich gesagt ziemlich langweilig.

    Also das hat man in Deinen Beiträgen ja kaum gemerkt... ;)


    Gut, dass Du es wenigstens für die beiden Challenges brauchen kannst - ich glaube, ich hätte es bei der Lesetreppe unter "abgebrochen" notiert (das fehlt mir nämlich noch).


    Klar, natürlich muss man dann nicht auch noch pan oder bi sein. Hätte nur einen Twist in die Handlung gebracht und sich damit z.B. abgehoben von dem andren Buch der Autorin.

    Das hätte dann zumindest den Eindruck widerlegt, dass sie erst mit Copy&Paste und anschließend mit "alle ersetzen" arbeitet.

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    Ich hatte mich auf die Lektüre von Stephan Schmidts "Die Spiele" gefreut, da ich die Romane, die der Autor unter seinem Psyeudonym Stephan Thome veröffentlich hat, fast durchgängig sehr gerne gelesen habe, weil bei ihm Handlung und literarischer Anspruch gut kombiniert sind. Für diesen Kriminalroman trifft das leider nicht zu, daher bin ich ziemlich enttäuscht.


    Der Journalist Thomas Gärtner wird in Shanghai verhaftet, weil er einen mosambikanischen IOC-Funktionär ermordet haben soll, der sich wegen der Entscheidung über die Vergabe der olympischen Spiele 2032 in der Stadt aufhielt. Bald wird klar, dass die beiden Männer eine gemeinsame Vergangenheit haben - zu der auch Lena Hechfellner gehört, die als Mitarbeiterin der deutschen Botschaft in die Angelegenheit involviert ist.


    Für einen guten Krimi fehlt diesem Roman als erstes ein vernünftiger Spannungsbogen - der ganze Roman besteht aus Zeitsprüngen, die mal wenige Tage und mal Jahrzehnte betragen können. Natürlich wird im Verlauf der über 400 Seiten auch auf diese Weise aufgedeckt, wer der Täter ist und was hinter dem Mord steckt, aber es passiert so gut wie nichts. Dafür werden im Text so viele Informationen zu China, Mosambik, Politik, Journalismus usw. dargeboten, als wollte der Autor das Fleißsternchen für die beste Recherche abräumen. Hätte er daraus mal lieber ein oder mehrere Sachbücher gestrickt, dann müsste man sich mit diesem Roman nicht so abquälen. Dass ein Schriftsteller, der in Taiwan lebt und eine taiwanesische Ehefrau hat, sich äußerst kritisch mit China und seinem politischen System auseinandersetzt, ist erwartbar - genauso erwartbar ist aber auch, dass LeserInnen, die zu einem solchen Krimi greifen, entweder selbst nicht völlig ahnungslos in dieser Hinsicht sind oder sich zumindest in der Lage sehen, Dinge zu recherchieren, die sie nicht verstehen. Keinesfalls muss der Autor hier allen LeserInnen die Welt - sprich: das böse China - erklären, das lässt den Roman leider ziemlich übergescheit erscheinen.


    Dass Stephan Schmidt/Thome gute Figuren entwerfen kann, die einen Roman auch in Phasen ohne große Handlungsschritte tragen können, hat er in seinen füheren Romanen bewiesen. Hier übertreibt er es aber auch damit, es werden viel zu viele nebensächliche Informationen eingebracht, die für die Handlung irrelevant sind: So muss ich einfach nicht wissen, dass der chinesische Kommissar eine Geliebte und offenbar Errektionsstörungen hat, die mithilfe einer Intimrasur und eines Rollenspiels zu beheben sind. Apropos Sexszenen: Die kann der Autor überhaupt nicht und braucht der Roman auch nicht, konnte denn hier kein Lektor helfend eingreifen?


    Insgesamt finde ich den Roman enttäuschend, langatmig, geschwätzig und belehrend - hier wollte der Autor einfach zu viel: zu viele Themen, zu viele Schauplätze, zu viele "zufällige" Verknüpfungen. Dass der Roman sprachlich ansprechend verfasst ist, hilft da leider auch nicht wirklich weiter.


    2ratten

    Was mich glaube ich am meisten stört ist das Zusammentreffen dieser ganzen Klischees mit dramatischer Kindheitsgeschichte. Das ist alles so überladen mit Betty Sue Klischees. Das ist so so anstrengend zu lesen.

    Und zieht sich wie Kaugummi. Die Swedish Mountain Men waren aber schon so träge erzählt. Denke 100 Seiten weniger wären eine Hilfe gewesen. Hier sind es auch so 400 Seiten.

    Also ist die Autorin tatsächlich die Königin der Klischees - vor allem macht sowas Figuren ja nicht zwangsläufig glaubwürdiger oder sympathischer. Klingt alles ziemlich gestelzt und anstrengend... :/

    Die Geschichte des Romans "Wie Sterben geht" von Andreas Pflüger, die sich mit Nina Winter alias Elsa Opel alias Anja Gabriel beschäftigt, hat mich durchaus gut unterhalten - ein spannender Spionage-Thriller, der die Atmosphäre der 1980er-Jahre gut wiedergibt, besonders die Schilderungen Moskaus zur Zeit des Kalten Krieges haben mir gut gefallen. Allerdings war mir das Ende definitiv zu weichgespült und zu sehr auf Happy-End getrimmt - das passte für mich nicht, ich hätte mir ein ehrlicheres, schnörkelloseres Ende gewünscht.


    Eigentlich sitzt Nina als Analystin in den Büros des BND in Pullach herum und scheint sich zu langweilen, als die sowjetische Quelle "Pilger" gerade sie als neue Führungsoffizierin beansprucht. Die Gründe für diesen Wunsch werden erst am Ende des Romans aufgedeckt.

    Nach einem Schnellkurs in Spionagetechnik wird Nina, die aufgrund ihres Studiums perfekt Russisch spricht, als Kulturbeauftragte der Botschaft nach Moskau geschickt und nimmt ihren Job als Kontaktperson für "Pilger" auf. Nicht geplant war, dass dieser auch seinen Sohn mit einbindet, und noch weniger, dass Nina sich in diesen verliebt. Damit bekommt der Handel um diplomatische Geheimnisse schnell eine sehr persönliche Komponente...


    Die Geschichte des Romans ist spannend und glaubwürdig erzählt, wenn man vom Ende absieht, das lässt definitiv zu wünschen übrig. Die Figuren sind überwiegend gut gestaltet - Nina ist zwar als Protagonistin durchaus so weit sympathisch, dass man ihre Geschichte gespannt weiterverfolgt, etwas weniger Superheldinnenpotential hätte aber nicht geschadet - sie ist schon sehr talentiert und makellos, das ist auf Dauer ein bißchen langweilig, weil ja klar ist, dass sie sich aus jeder noch so schwierigen Situation selbstverständlich herausmanövrieren wird.


    Ich hätte mir gewünscht, dass Andreas Pflüger es beim Spionageroman belassen hätte - diese Komponente passt - und den Romantikteil entweder rausgelassen oder auf ein Minimum begrenzt hätte, der passt für mich nicht dazu und mindert die Gesamtwirkung dieses spannenden Romans vor allem im Endteil beträchtlich.


    4ratten

    Wichtige Atribute der Männer also:
    Zack - voll Schottisch, mega viele Muskeln

    Liam - Silberfuchs und Sexy Prof.

    Josh - messerscharfe Wangenknochen und die dunkelsten Augen die die Welt je gesehen hat. Intensivster Blick ever.

    Also die Autorin scheint ja schon irgendwie die Königin der Klischees zu sein... Ich finde diese Beschreibungen schon aus der Ferne gruselig.


    Mutig, dass Du Dich nach den "Three Swedish Mountain Men" nochmal an ein Buch der Autorin traust - auch wenn der Unterhaltungswert für die MitleserInnen hier natürlich großartig ist. ;)

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    Der Roman "Geister weinen nicht" von Ane Riel ist für mich mal wieder ein Beispiel eines Buches, bei dem für mich die Covergestaltung und der Klappentext - einschließlich der Kurzzitate - überhaupt nicht zum Inhalt passen. Ich hatte mit einer Krimihandlung gerechnet, durchaus auch mit humorvollem Einschlag, und habe stattdessen ein melancholisches, gerade zum Ende hin wirklich trauriges Buch über zwei verlorene Leben bekommen. Dass gegen Ende dann noch ein übernatürlicher Einschlag hinzukommt macht das Ganze nicht wirklich besser.


    Alma lebt ein tristes Leben ganz für sich allein, seit ihr Ehemann Otto gestorben ist, der Kaufmann stellt ihr wöchentlich ein Warenpaket vor die Tür, und wenn die Müllabfuhr kommt versteckt sich Alma, weil sie keine Menschen sehen will. Das ändert sich als ein kleiner Junge mit einem Hund an ihrem Haus vorbeikommt - Alma lockt die beiden mit Keksen an, kann sich wegen ihrer Schwerhörigkeit aber nicht mit dem Jungen verständigen. Trotzdem freut sie sich auf seine Besuche, weil sie das Einzige sind, was ihrem Dasein noch einen gewissen Sinn verleiht. Daher ist es dramatisch für sie, als der Junge (den sie nach ihrem Ehemann Otto genannt hat) nicht mehr auftaucht - und sie beginnt, sich Gedanken über die letzten Tage ihrer Ehe und die Umstände von Ottos Tod zu machen.


    So trostlos und traurig wie die Inhaltsangabe ist leider der gesamte Roman. Es wird schnell klar, dass Almas gescheitertes Leben darauf zurückzuführen ist, dass ihre Tochter als Kind Opfer eines Unfalls war, und Alma den Verlust nie verkraftet hat. Das macht Alma aber nicht zur einer sympathischen Protagonistin, deren Geschichte man gerne verfolgt - im Gegenteil, je mehr ich über sie erfahren habe, desto abstoßender erschien sie mir. Ich habe den Roman trotzdem zuende gelesen, weil er nicht besonders umfangreich ist und ich wissen wollte, was aus dem Jungen geworden ist, die Protagonistin Alma war mir ziemlich gleichgültig.


    Ich kann diesen Roman nicht weiterempfehlen, insbesondere möchte ich diejenigen warnen, die sich aufgrund des Covers wie ich auf einen netten Krimi freuen sollten - Finger weg, das ist dieses Buch leider nicht!


    2ratten

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    Sollte Nora Bossongs Roman "Reichskanzlerplatz" angesichts der aktuellen Nominierung für die Longlist des Deutschen Buchpreises 2024 nicht eher in der Kategorie "Gegenwartsliteratur" auftauchen? Meiner Ansicht nach nicht, ich habe mir das Ebook bereits vor der Nominierung aufgrund der Inhaltsbeschreibung, die mich ansprach, heruntergeladen, und für mich handelt es sich um einen historischen Roman, auch wenn er den LeserInnen durchaus Denkansätze zu aktuellen Debatten ermöglicht.


    Der Roman spielt in den Jahren 1919 bis 1944 und erzählt die Geschichte Hans Kesselbachs, der aus einem konservativen Elternhaus stammt (die Tatsache, dass sein Vater als kriegsversehrter Berufsoffizier des Ersten Weltkrieges den alten Zeiten nachtrauert, beeinflusst die Geschichte des Protagonisten nachhaltig) und in der Schule Hellmut Quandt begegnet, dem ältesten Sohn des Industriellen Günter Quandt, der die junge Magda Ritschel zu seiner Frau und damit zu "Madame Quandt" macht. Erst nach dem Tod Hellmuts, zu dem sich Hans so sehr hingezogen fühlte, dass man ihn eigentlich als Liebe seines Lebens bezeichnen könnte, beginnt Hans eine Affäre mit dessen Stiefmutter - sie sucht etwas, das sie in ihrer Ehe nicht findet, er will seine Homosexualität überspielen und gleichzeitig die nostalgische Erinnerung an Hellmut aufrecht erhalten.

    Doch Hans vermag Magdas Interesse nicht dauerhaft zu fesseln - als sie beginnt, sich für die Nationalsozialisten zu begeistern und dann schließlich Joseph Goebbels in ihr Leben tritt, rücken Hans und Magda immer weiter auseinander, auch wenn sie sich noch gelegentlich sehen. Dabei spielt immer wieder Opportunismus auf beiden Seite eine Rolle: Magda sucht gerade in Zeiten, in denen ihr Mann sie schlecht behandelt, nach Bestätigung, Hans ist aufgrund seiner Homosexualität dauerhaft gefährdet und will sich die einflussreiche Freundin erhalten.


    Hans ist der Ich-Erzähler im Roman, der sprachlich durchaus altmodisch und damit passend zum Thema anmutet. Er ist kein sympathischer Protagonist: zwar kann man seine Haltung und seine Handlungen an vielen Stellen verstehen, aber als kritische/r LeserIn eben nicht gutheißen - er geht Konflikten konsequent aus dem Weg, dient sich dem Regime, von dem er nichts hält, an, und behält diesen anbiedernden Kurs auch bis zum Ende bei. Die Chance, ein anderes Leben zu führen, nimmt er nicht wahr, obwohl er als Diplomat durchaus die Chance hätte, sich ins Ausland abzusetzen.

    Hinzu kommen die vielen kleinen Begebenheiten mit Magda, in denen seine Hinweise und Handlungen ihren Weg in die Arme der Nationalsozialisten und die Entwicklungen zur "Ersten Frau" des Dritten Reiches, begünstigen und unterstützen. Die Autorin verwebt hier die tatsächliche Biographie von Magda Goebbels gekonnt mit der Geschichte ihres fiktionalen Protagonisten, der zu den richtigen Zeiten an den richtigen Stellschrauben dreht, um den Irrweg in den Fanatismus zu ermöglichen. Und damit verdeutlicht sie gerade, dass es gerade im Hinblick auf den Nationalsozialismus eben oft die kleinen Rädchen im Getriebe, die MitläuferInnen waren, die fatale Entwicklungen ermöglicht haben.


    An dem im Titel genannten "Reichskanzlerplatz" bezog Magda nach ihrer Scheidung von Günter Quandt ihre erste eigene Wohnung, die mit ihrer Entscheidung für den Nationalsozialismus und ihrer Förderung von dessen Aufstieg in engem Zusammenhang steht. Damit bezeichnet diese Adresse eine der zentralen Weichenstellungen in ihrem Leben, was ich äußerst passend finde, weil es für die ProtagonistInnen dieses Romans immer wieder um solche Weichenstellungen geht, bei denen dann natürlich auch die Frage mitschwingt "Was wäre gewesen, wenn diese Entscheidung anders ausgefallen wäre?"


    Mir hat der Roman "Reichskanzlerplatz" von Nora Bossong sehr gut gefallen, weil er gut recherchiert und sprachlich ansprechend und überzeugend gestaltet ist. Darüber hinaus bindet er die LeserInnen durch die Fragen, die aufgeworfen werden, durchaus mit ein, sich eigene Gedanken zu machen und Aspekte kritisch zu hinterfragen.


    5ratten

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    Thilo Wydras Doppelbiographie "Eine Liebe fürs Leben: Alma & Alfred Hitchcock" erzählt die Geschichte des beruflich wie privat fast lebenslang miteinander verbundenen Paares und enthält viele Informationen sowohl zum Leben als auch zum Werk der Hitchcocks, darüber hinaus lässt es sich wirklich gut lesen.


    Alfred Hitchcock, der von seinen Freunden "Hitch" genannte weltberühmte Regisseur, war nur einen Tag älter als seine Ehefrau Alma, die er passenderweise an einem Filmset kennenlernte - da waren beide 23 Jahre alt und Alma Reville die deutliche erfolgreichere und filmerfahrenere der beiden. Hitchcock wartete mit der konkreten Annäherung an seine Angebetete denn auch, bis er sich zu einer höheren Position emporgearbeitet hatte, aber nach ihrer Heirat wurden sie für den Rest ihres Lebens ein eingespieltes Team: Nachdem Alma bei viele Filmen ihres Mannes noch konkret mitgearbeitet hatte (und dementsprechend auch im Vor-/Abspann genannt wurde), zog sie sich in den 1950er Jahren offiziell zurück, blieb aber die Beraterin ihres Mannes hinter den Kulissen und damit auch nicht unerheblich an seinem Erfolg beteiligt. Hitchcock selbst würdigte Almas Anteil an seinem Leben und seinem beruflichen Werdegang in einer Rede, die er anlässlich einer Ehrung für sein Lebenswerk 1979 hielt:

    Zitat

    Daher bitte ich Sie, hier nur die vier Menschen aufzählen zu dürfen, von denen ich das meiste an Zuneigung, Anerkennung und Ermutigung erfahren habe... und dazu noch beständige Zusammenarbeit.

    Die erste der vier ist die Cutterin, die zweite Drehbuchautorin, die dritte ist die Mutter meiner Tochter Pat, und die vierte die beste Köchin, die jemals Wunder in einer häuslichen Küche vollbracht hat... und sie alle heißen Alma Reville. (S. 393)

    Die Verbundenheit zwischen Alma und Alfred Hitchcock, die aus diesen Worten spricht, wird auch im Verlauf der gesamten Doppelbiographie immer wieder beschworen. Trotzdem geht der Autor Thilo Wydra auch auf die Schattenseiten Alfred Hitchcocks ein - besonders seine vermeintliche Obsession für seine blonden Hauptdarstellerinen - belegt anhand der Quellen aber glaubwürdig, dass diese Vorwürfe vor allem auf Behauptungen Tippie Hedrens basierten, die von den Medien gerne aufgegriffen wurde, während "Hitchs" langjährige Freundschaften zu einigen seiner Stars (etwa Grace Kelly oder Ingrid Bergmann) für gute, vertrauenswürdige Verhältnisse sprechen, in die immer auch Alma mit eingebunden war.


    Neben zwei in das Buch eingefügten Bildteilen sind den einzelnen Kapiteln jeweils Abbildungen vorangestellt, die vielen Fotos ergänzen den Text sehr schön. Thilo Wydra hat eine angenehme Art, zu formulieren, allerdings mit einer kleinen Ausnahme: Es hat mich gestört, dass immer wieder Vorausdeutungen eingebaut werden. Bei einer Biographie bereits verstorbener Personen ist den LeserInnen durchaus klar, dass der Autor bereits weiß, wie es weitergeht - es ist ziemlich überflüssig und unnötig, darauf immer wieder hinzuweisen.


    Abgesehen von diesem kleinen Kritikpunkt kann ich die Doppelbiographie von Alma und Alfred Hitchcock für Filminteressierte empfehlen, mir hat sie jedenfalls sehr gut gefallen.


    5ratten

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    In seinem sehr unterhaltsamen Sachbuch "Mythos Nationalgericht. Die erfundenen Traditionen der italienischen Küche: Warum Parmesan politisch ist" räumt Alberto Grandi tatsächlich mit den Mythen rund um die italienische Küche auf - ob es um die mediterrane Lebensweise oder die kocherprobten Nonnas geht - und hat viele seiner Landsleute damit wohl ziemlich verärgert. Das ist bei Lektüre des Buches durchaus verständlich: Grandi liefert viele Informationen rund um "typisch italienische" Lebensmittel, die eher ernüchternd wirken, und das in einem oft satirisch anmutenden Tonfall - doch gerade das macht das Buch so unterhaltsam.


    Die Grundannahme Grandis, die er in Bezug auf verschiedene Gerichte und Lebensmittel auch immer wieder belegt, ist die, dass die italienische Küche noch keine fünfzig Jahre alt ist - die meisten Spezialitäten stammen aus den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jhdts., es kann also keine Rede davon sein, dass sich die italienische Küche im Laufe von Jahrhunderten entwickelt hat, geschweige denn, dass bestimmte Rezepte bis zu den Römern zurückverfolgt werden können. Andere Buchautoren waren da weniger genau, wie er auch schon in seiner Einführung bemerkt:

    Zitat

    Bevilaqua beginnt sogar noch vor den Römern, und wenn man ihn nicht gebremst hätte, hätte er sicher auch Ötzi noch erwähnt, den ersten Sternekoch Italiens, denn schließlich hatte der kurz vor seinem Tod noch Hirsch und Steinbock zubereitet und gegessen. (S. 14)

    Grandi selbst möchte rationaler an das Problem herangehen, und derartige Romantisierungen außen vor lassen:

    Zitat

    Ich versuche also, die Geschichte der italienischen Küche so zu erzählen, wie es sich eigentlich gehört, möglichst ohne Mythen und Legenden; schließlich handelt es sich ja nicht um Götter des Olymps, sondern um das uralte Menschheitsproblem, den Bauch vollzukriegen, und es lässt sich einfach kein realer historischer Grund denken, warum die Bevölkerung des Landstrichs, den wie heute Italien nennen, dies besser als andere Völker der Erde hingekriegt haben sollte (ich würde sogar das Gegenteil behaupten...). (S. 25)

    In den Kapiteln zu unterschiedlichen, vermeintlich "typisch italienischen" Nahrungs- und Genussmitteln verdeutlicht Grandi dann, dass eine üppige und geschmackvolle Küche im Bereich des heutigen Italien für den größten Teil der Bevölkerung aufgrund der Armut lange Zeit gar nicht zu verwirklichen war. Vielmehr trieb diese Armut große Gruppen von Auswanderern fort, die dann in ihren neuen Lebensräumen einige der typischen Gerichte entwickelten und quasi re-importierten. Bei vielen Lebensmitteln sorgten zudem ab den 1980er Jahren systematische Vermarktungsstrategien für ihren Kultstatus, die mit der tatsächlichen Herkunft wenig zu tun hatten. Das erläutert Grandi kenntnisreich und in teils sarkastischem Tonfall, wodurch ich mit gut unterhalten gefühlt habe.


    In den Anmerkungen zur Bibliographie greift Grandi selbst das Dilemma der LeserInnen auf, die in vielen Fällen offenbar entweder für oder gegen seine Sichtweise sind, indem er diese in zwei Abschnitte unterteilt, die auch hinsichtlich des Umfangs unterschiedlich ausfallen: der zweite Abschnitt der Bibliographie für die Skeptiker wird als wissenschaftlicher und umfangreicher betitelt.


    Nach der Lektüre dieses Sachbuches habe ich nicht weniger Lust auf die italienische Küche, werde manche Produkte aber bestimmt mit anderen Augen sehen. Alberto Grandis Auseinandersetzung mit der italienische Küche ist kenntnisreich und unterhaltsam, ich hatte damit einige vergnügliche Stunden.


    5ratten

    Ich gehe ausschließlich danach, was mich interessiert, und das können sowohl Empfehlungen aus dem Feuilleton als auch wenig anspruchsvolle, unterhaltsame Bücher sein.


    Von der diesjährigen Longlist habe ich die folgenden drei Bücher auf dem SUB:


    Michael Köhlmeier - Das Philosophenschiff

    Ronya Othmann - Vierundsiebzig

    Iris Wolff - Lichtungen


    "Reichskanzlerplatz" von Nora Bossong lese ich gerade, und es gefällt mir wirklich gut. Ich habe innerhalb eines Tages 40% des Ebooks (insgesamt ca. 270 Seiten) gelesen, es ist zum Glück kein anstrengendes Buch. Bis zum Wochenende werde ich wohl damit durch sein und es dann im Forum rezensieren.

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    Klappentext:

    Unter der sengenden Sonne der Lombardei im Jahr 1935 begegnet Francesca zum ersten Mal Maddalena, die von allen im Ort nur »Malnata« genannt wird: »Die Unheilbringende«. Francesca – zu Konformität und Gehorsam erzogen – ist sofort fasziniert von dem barfüßigen Mädchen, dessen Hände immer schmutzig sind, die Augen voller Trotz. Entgegen allen Warnungen freundet sich Francesca mit Maddalena an und lernt mit der Zeit, den Lügen der Erwachsenen zu misstrauen. Doch in einer Gesellschaft, die keinen Platz hat für weibliches Freiheitsdenken, ist jedes falsche Wort und jede unfolgsame Tat eine Gefahr …


    Mit Francesca, der Ich-Erzählerin des Romans, und Maddalena, die für Francesca zur wichtigsten Person in ihrem Leben wird, hat Beatrice Salvioni zwei starke Protagonistinnen geschaffen, denen es gelingt, sich von der sie einschränkenden Gesellschaft frei zu machen und ihre eigenen Wege zu gehen. Und das, obwohl beiden immer wieder gedroht wird, falls sie nicht still sind und sich anpassen.


    Bereits der Prolog des Romans macht deutlich, dass etwas Schreckliches geschehen ist, dass insbesondere Francesca Gewalt angetan wurde. Der Hauptteil des Romans erzählt dann, wie sich die beiden Mädchen kennengelernt haben und durch welche Entwicklungen sie schließlich in dieser Notlage am Ufer des Lambro gestrandet sind. Im Epilog wird deutlich, dass für beide Mädchen die Entwicklung, die sie durchlaufen haben, nicht mehr rückgängig zu machen ist, und dass ihre Freundschaft die einzige Konstante in ihrem Leben ist. Beide beweisen großen Mut, gerade deshalb ist es schade, dass man als LeserIn nicht erfährt, was aus Francesca und Maddalena wird.


    Aber vielleicht geht es auch gerade um diese Momentaufnahme einer großen und bedingungslosen Freundschaft, die von Beatrice Salvioni in ihrem intensiven und wunderschön formulierten Roman zum Ausdruck gebracht wird. Ich bin der Geschichte jedenfalls gespannt und oft atemlos gefolgt, weil sie mich nicht mehr losgelassen hat, und das wahrscheinlich gerade weil es oft keine schöne, sondern eine traurige und gewalttätige Geschichte ist.


    5ratten

    Breña : Abgesehen vom fragwürdigen Inhalt sind das wieder zwei Textstellen bei denen ich den Eindruck habe, dass Bram Stoker in wörtlicher Rede einfach nicht so gut ist, da wird es immer schnell ziemlich pathetisch. Wahrscheinlich ist es gut, dass durch die vielen Briefe und Tagebucheinträge weniger wörtliche Rede als in anderen Romanen vorkommt...

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    Der Roman "Eine fast perfekte Frau" von Toni Jordan führt die LeserInnen zurück in den Kreis der Familie, die in "Dinner mit den Schnabels" im Zentrum der Aufmerksamkeit stand. Kylie, die älteste Tochter der Familie Schnabel, hat sich schon als Kind um vieles gekümmert, als Mutter Gloria nach der Trennung von ihrem Mann mit den drei Kindern allein zurück blieb. Aus dieser unruhigen Zeit stammt Kylies Bedürfnis, ihr Leben schön geordnet, geplant und ruhig zu führen - das im vorliegenden Roman hart auf die Probe gestellt wird.


    Die Horrorwoche beginnt mit der Mitteilung, dass die kleine und altmodische Apotheke, in der Kylie arbeitet, in einen großen Pharmakonzern eingegliedert werden soll. Dann entdeckt sie über die Partnerfunktion ihres Fitnessarmbands, dass ihr Freund Colin neuerdings nachts Sport zu treiben scheint:

    Damit ist eine handfeste Beziehungskrise vorprogrammiert, und bei der Trostverabredung mit ihrer Schwester und einer Freundin taucht dann auch noch Kylies Mutter Gloria auf und schafft es, sich auf ihren Stilettos den Knöchel zu brechen, woraufhin sich Kylie sofort genötigt sieht, Gloria versorgen zu müssen. Und Kylie wäre nicht Kylie, wenn sie all diese Probleme nicht systematisch und organisiert angehen würde, aber leider lassen sich nicht alle ohne weiteres lösen...


    Ich mochte die Familie Schnabel und insbesondere die Matriarchin Gloria, die immer ihren Kopf durchsetzen will, und in ihrer ältesten Tochter eine ebenbürtige Gegnerin findet, schon in "Dinner bei den Schnabels" wirklich gern. Dass hier Kylie im Zentrum steht und sich die Familie eher drumherum gruppiert ist auch gut, denn der Roman ist eben deshalb oft wirklich lustig, weil sie für eine so intelligente Frau manchmal erstaunlich weltfremd und begriffsstutzig ist (siehe obiges Zeit), weshalb es auch einige Zeit dauert, bis Kylie sich eingestehen kann, dass sie nur "Eine fast perfekte Frau" ist.


    Mir hat dieser nette und unterhaltsame Familienroman, der sich mit der Frage beschäftigt, was man im Leben eigentlich möchte und was wichtig ist, sehr gut gefallen, und ich habe beim Lesen immer mal wieder laut lachen müssen, weil Toni Jordan eine tolle Art zu schreiben hat.


    5ratten