Leider hat mir "Zur See" bei Weitem nicht so gut gefallen wie die anderen beiden Romane von Dörte Hansen, ich bin mir nach der Lektüre sogar sicher, dass ich nicht noch mal ein Buch von ihr lesen möchte, und das hat im Wesentlichen zwei Gründe:
Ich kann mit den Figuren dieses Romans nicht viel anfangen. Die dysfunktionale Familie Sander mit ihren eigenwilligen Charakteren ist ziemlich unsympathisch, noch schlimmer ist dann nur der weinerliche Pastor, der sich durchgehend selbst bedauert, es aber nicht schafft, irgendetwas in seinem Leben zu verändern. Die anderen vorkommenden Männer (Jens, Ryckmer und Hendrik Sander) scheinen sich auch von ihrem Schicksal treiben zu lassen, handlungsfähig erscheinen nur die Frauen der Familie (Hanne und Eske), die aber vor allem gut darin sind, Urteile über andere Menschen zu fällen, und sich selbst nicht wirklich kritisch betrachten.
Ist die Abstammung "aus altem Inseladel" (S. 187) Grund genug, auf alles und alle herabzusehen? Natürlich sind die Auswirkungen des Tourismus in touristisch erschlossenen Gebieten oft nicht schön (und das nicht nur auf Inseln), aber letztendlich sind es doch auch die Menschen vor Ort, die diese Erschließung mit vorantreiben und von ihr profitieren. Den Verlust alter Lebenweisen dann nur den TouristInnen anzukreiden und voll Verachtung auf diese hinabzublicken finde ich arrogant, zumal sich hier die Frage nach den Alternativen stellt, denn den im Roman so oft beschworenen Walfang als Existenzgrundlage gibt es nun mal nicht mehr. Hier wird Strukturwandel sehr deutlich abgelehnt und einer guten alten Zeit nachgetrauert, die bei genauerem Hinsehen dann doch nicht so gut war. Das ist inkonsequent und darüber habe ich mich in der Dauerschleife dieses Romans zunehmend geärgert, zumal es leider keine wirkliche Handlung gibt (geschweige denn eine Entwicklung der Figuren), die von dem Gejammer über die bösen TouristInnen ablenkt, die in ihrem Urlaub in Horden die Insel überfallen und den armen InsulanerInnen auf den Geist gehen.
Ich habe aufgrund des Klappentextes durchaus mit einem ernsthaften Buch gerechnet, hätte mich aber über die dort beschriebene "große[...] Wärme" gefreut, stattdessen bleibt nach der Lektüre eher die Kälte als dominierendes Element dieses Romans zurück, die auch im Text immer wieder beschrieben wird: "Es müsste eigentlich ein Wort für diese Kälte geben." (S. 167).