Beiträge von Malu

    Was für ein schöner Thread! Ich hab gerade noch einmal darin gelesen und fand die "Atmosphäre" des Austausches sehr friedlich und freundlich und die einzelnen Beiträge mit Ihren Ergänzungen und Erläuterungen, liebe Frau Riebe, sehr bereichernd. Ich freue mich schon auf den nächsten Austausch!


    :schmetterling:

    Jetzt habe ich den Roman auch zu Ende gelesen – leider war mir immer wieder etwas dazwischengekommen. Ich hätte gern die Erzählfäden, die so kunstvoll verbunden werden, ohne Unterbrechungen in Ruhe verfolgt und hätte gern noch mehr Zeit gehabt, über das Muster, das sie ergeben, über Motive und ihre Verknüpfung nachzudenken, aber es lag einfach sehr viel an für mich in den letzten zwei Wochen.


    Meine Eindrücke kann ich jetzt nur etwas unsystematisch aneinanderreihen und hoffe, dass ich alles richtig erinnere und in der Schreibaufwallung keine unerlaubten Spoiler übersehe.


    Mir sind die Personen des Romans ebenfalls sehr ans Herz gewachsen. Ich könnte jetzt keine bestimmte Figur benennen – sie sind auf ihre Weise alle bedenkens- und liebenswert. Bruno fand ich natürlich auch klasse – ein ganz außergewöhnliches Schicksal, das an ihn auch außergewöhnliche Anforderungen stellt.


    Zitat von "Spoiler"

    Sich so wie er entgegen den Wünschen seines Herzens einem tieferen Wissen zu beugen und es nicht zu verdrängen, ist schon großartig. Er kann Clara und Jakob ein Stück ihres Weges auf eine heilende Weise begleiten und darf durch sie auch Heilung erfahren. Trotzdem schafft er es, sie nicht an sich zu binden, sondern sie rechtzeitig und selbstlos in ihr eigenes Leben hinein freizugeben, obwohl ihm das fast das Herz gebrochen haben muss.


    Alle Hauptpersonen des Romans haben Schreckliches erlebt, an dem sie hätten zerbrechen können. Ich freue mich, dass Sie, liebe Frau Riebe, als Autorin es ihnen „erlaubt“ haben, gerade durch das Schwere, das sie erlebt haben, oder auch durch die Schuld, die sie – teilweise unausweichlich – auf sich geladen haben (Bruno), zum Segen für andere zu werden.


    Immer wieder wird beschrieben, wie Menschen inmitten von unentrinnbaren Zwängen und größter Not Mitmenschlichkeit, Barmherzigkeit und Mitgefühl zum Leuchten bringen.


    Das sind wunderbare Geschichten, die Mut machen und Hoffnung geben, dass das letzte Wort über den Sinn eines Menschenlebens nicht von denen gesprochen wird, die sich anmaßen, in grausamer und willkürlicher Weise darüber zu entscheiden und zu herrschen.


    So ist ein Hauptthema des Buches ein unerschrockenes Aufbrechen aus Zwängen, aber auch aus alten (vermeintlichen) Sicherheiten, und der Mut, immer wieder neu seine Wurzeln auszustrecken: in Beziehungen hinein, obwohl auch sie wieder ganz plötzlich zerbrechen können; in einen Boden hinein, der einem in jedem Moment wieder unter den Füßen weggezogen werden kann; in Erkenntnisse, die sich auch auf einmal als nicht mehr verlässlich und tragfähig erweisen können – das alles eingeflochten in die Umwälzungen einer historischen Epoche, die, was ihre weltanschaulichen Unsicherheiten betrifft, eigentlich viel mit unserer gemeinsam hat: Alte „Gewissheiten“ sind ins Wanken geraten und der Mensch ist mehr denn je darauf angewiesen, die tiefste Sicherheit für sein Handeln und seine ganze Existenz in seinem eigenen Herzen und in der grundlegenden Bereitschaft zum Loslassen – und zum Lieben zu finden.


    Liebe Frau Riebe, der schreckliche Unfall hat Ihnen, wie Sie uns schrieben, gerade durch die Gefahren des Feuers die Kostbarkeit des Lebens ganz neu zum Leuchten gebracht.


    Es würde sich sicher lohnen, dem Motiv des Feuers in Ihrem Roman nachzuspüren. Es taucht an zentraler Stelle immer wieder auf – zerstörerisch oder als Freund. Einige Beispiele (ich hoffe, ich erinnere mich richtig):


    Zitat von "Spoiler"

    Camille wird ausgerechnet in den Armen des Menschen aus einem Feuer gerettet, der einst mitbeteiligt war an dem Trauma, das ihr ganzes Leben überschattet. Durch Bruno, der damals als Scharfrichter den Scheiterhaufen unter ihrer toten Mutter anzünden musste, erfährt sie sehr viel später die ganze Wahrheit über ihre eigenen Verbrennungen und wird durch diese Wahrheit frei für Vergebung und dadurch auch für ein neues Leben.


    Kerzen schenken Clara und Luis in der Kirche das Licht für den tiefen, erkennenden Blick.


    Feuer wird für Jakob zu einer besonderen Herausforderung, der durch Brunos Vermittlung fast so etwas wie eine Initiation durchläuft: „Und wer das Feuer besiegen kann, bringt auch alles andere zustande.“ (S. 350)


    Das Feuer bahnt neben der Angst und Zerstörung, die es verbreitet, für die betroffenen Menschen auch einem grundlegenden Neuanfang im Denken, im Fühlen und im Glauben den Weg. Es wird dadurch zum Leitmotiv für den Weg nach Santiago de Compostela, der (richtig wiedergegeben?) „die Füße und das Herz verbrennt“.


    Das waren ungeordnet ein paar Eindrücke, die ich weitergeben möchte.


    Liebe Grüße und Dank an alle! :blume:


    Malu

    Zitat von "Miramis"


    Was die Rezension betrifft: nachdem dies meine erste Leserunde überhaupt ist und auch noch nicht alle fertig sind, habe ich zwar meinen Eindruck zusammengefasst, aber als "offizielle" Rezension kann man das ja wohl nicht bezeichnen :redface: war ja auch sehr persönlich.


    Diese Gedanken kann ich gut verstehen, mir geht es auch so. Ich möchte einfach auch noch mehr Erfahrungen sammeln im schriftlichen Formulieren von Leseeindrücken, bevor ich mich in dieser offiziellen Form an die Öffentlichkeit wage...


    Liebe Grüße
    Malu

    Ich bin auch noch nicht ganz fertig mit dem Lesen, freue mich aber schon auf die Lektüre des nächsten Romans - melde mich hiermit schon einmal für die nächste Leserunde an!


    Über diesen Roman werde ich noch etwas schreiben, wenn ich alles gelesen habe.


    Liebe Grüße! :blume:

    Ich habe jetzt auch die Stelle gelesen, wo die Begegnung zwischen Clara und Rossin beschrieben wird. Ich fand sie anrührend. Rossin ist ein Charakter mit vielen Facetten: Er ist geheimnisvoll, zeigt in seiner Person ein Outcast-Schicksal und hat menschliche Seiten, die sicher in seiner Berufssituation nur auf sehr indirekte Weise zum Ausdruck kommen können.


    Hier hätte ich jetzt gern eine Spoiler-Stelle eingefügt, aber das klappt nicht, das muss ich noch üben :redface: Deshalb gibt's nur eine Andeutung, die ich mir grad nicht verkneifen kann und die hoffentlich nicht zuviel verrät:


    Als er das Geld fallen lässt, musste ich an Judas denken - ein biblischer Bezug, der m.M. nach nicht unpassend ist und der zeigt, dass er wirklich nicht völlig gewissenlos ist und in welcher Not er sich befindet - trotz der schrecklichen Dinge, die er Menschen antut/antun muss.

    Das fällt zwar nicht in die Kategorie "Horror/Mystery", aber mich hat wirklich das Buch "Wir müssen über Kevin reden" von Lionel Shriver geschockt.


    Darum geht's (herauskopiert aus der amazon-Seite):


    >>"Wir müssen über Kevin reden" wurde durch Mundpropaganda ein Erfolg in Amerika und England, sorgte allseits für Aufsehen und bot Stoff für zahlreiche kontroverse Debatten. Die Autorin wurde für das große Wagnis, das sie mit diesem Roman eingegangen ist, mit dem Orange Prize ausgezeichnet, einem der wichtigsten internationalen Literaturpreise. Evas Sohn Kevin hat eine furchtbare Gewalttat begangen: In der Schule hat er mehrere Menschen getötet. Von allen verurteilt und von jetzt an auf sich selbst gestellt, findet Eva den Mut, sich in aller Offenheit den quälenden Fragen auszusetzen: Hätte sie ihr Kind mehr lieben sollen? Hätte sie das Unglück verhindern können? Hätte sie ihre Ehe retten können? Stilistisch brillant und mit erschütternder Klarheit lotet dieser Roman die Tiefen und Untiefen der modernen Gesellschaft aus. Lionel Shriver erzählt aus der Sicht einer Mutter, die sich auf schmerzhafte und ehrliche Weise mit Schuld und Verantwortung auseinandersetzt."<<


    Z.T. sehr drastische Schilderungen und zum Ende hin meiner Meinung nach immer unerträglicher...

    Zitat von "Brigitte.Riebe"


    Zu Görgl: Diese Gestalt liegt mir besonders am Herzen, weil ich sie in ihrer ganzen Not und Armseligkeit zeichnen wollte. Görgl ist nicht schlecht, aber verkrüppelt und fast ein bisschen autistisch. Unmöglich für ihn, auf "normale" Weise an ein Mädchen wie Suzanne heran zu kommen, deshalb versucht er es eben auf seine Weise. In meiner Sicht hat er ihr eigentlich gar nichts "Schlimmes" tun wollen, wollte nur "lieb" sein - "eia, eia", aber eben auf Görgl-Weise - und dass das Suzanne abstößt, liegt klar auf der Hand. Was dann geschah, war keine Absicht, aber einer dieser schrecklichen "Zufälle", die es mnachmal geben kannn - mit extremen Folgen f. Jakob.


    Liebe Frau Riebe,


    genau so habe ich das beim Lesen auch empfunden, und es freut mich richtig, dass die Figur des Görgl doch noch mehr "transportiert", als es mir auf den ersten Blick am Anfang erschien. Sorry für meine voreiligen Bedenken!! Ich hatte ja schon oben geschrieben, dass er mir auch irgendwie "am Herzen" liegt und ich fast ein bisschen "Angst" hatte :smile: dass er mit seiner ganzen Versehrtheit doch einem (Vor-)Urteil der Leser zum Opfer fallen könnte. Kann das grad nicht anders formulieren, aber sicher verstehen Sie, was ich meine. Ich finde es immer klasse, wenn man beim Lesen bei versteckten, unbewussten Vorurteilen ertappt und dann vom Autor ausgetrickst wird uund dazulernen darf :zwinker:


    Bin gespannt, wie es weitergeht. Ich bin jetzt erst an der Stelle, wo sich Clara in ihrer Not entschließt, zu Rossin zu gehen.


    Ihnen und auch allen anderen hier im Forum ebenfalls liebe Grüße aus einem (ausnahmsweise) strahlenden Sauerland


    :blume:

    Bin zwar heute noch nicht so viel weitergekommen, wie ich gehofft hatte, aber eins kann ich schon einmal sagen: Ich habe mich beim Lesen noch einmal besonders auf die von Ihnen, Frau Riebe, oben angesprochene Außenseiterproblematik konzentriert und finde es schön beschrieben, wie die Menschen, die außerhalb der gültigen gesellschaftlichen und religiösen Normen stehen, doch immer wieder Kraft finden oder Unterstützung bekommen, um den ihnen schicksalhaft zugedachten Weg gehen zu können, auch wenn sie viel Schreckliches erdulden müssen.

    Zitat von "Kapitel Zwei"

    Ich bin jetzt grad an der Stelle, wo beschrieben wird, wie Suzanne stirbt und Clara von Jean verstoßen wird.


    Ich bin gespannt zu erfahren, wie die beiden Erzählstränge (Condor und Clara/Jakob) später miteinander verbunden werden.


    Liebe Grüße!
    :schmetterling:


    [size=9px]EDIT: Hallo Malu,
    ich habe mal einen Teil als Spoiler markiert :winken: [/size]

    Liebe Frau Riebe,


    auch ich freue mich sehr, dass Sie mitmachen, danke! :klatschen:


    Leider komme ich auch nicht so zum Lesen, wie ich mir das wünsche, aber es macht sehr viel Spaß, dabei die Autorin "im Hintergrund" zu wissen! Das Lesen wird dadurch viel intensiver. Ich muss auch sagen, dass ich mir gerade durch dieses Buch den historischen Roman als neues Genre erschließe. Bisher dachte ich, dass mir eh die Hintergrundkenntnisse fehlen. Aber ich finde so gut recherchierte und spannend präsentierte Geschichtsstunden einfach toll.


    Bis bald und noch mal danke, dass Sie mitmachen! :blume:


    Malu

    Zitat von "Ingroscha"


    Sehr gut gefallen hat mir übrigens Claras Einstellung zu ihrem Garten:
    S. 31: "Was wachsen will, soll wachsen, so ihre Devise."
    Ich halte es ebenso und freue mich wie Clara über jede neue Pflanze, die sich in meinem Garten ansiedelt.


    Ja, das hat mir auch gefallen, und das trifft auf unseren Garten auch zu!


    Schön finde ich auch die Szenen, wo Clara in die Kirche geht und mit ihrem "Freund" Jakobus spricht.

    Kann man schon anfangen zu schreiben? *fragend umkukk*


    Ich trau mich mal:


    Bin jetzt auf Seite 50, habe einige der Hauptcharaktere und damit einige der Konfliktlinien kennen gelernt und bin gespannt, wie es weitergeht.


    Vor allem hoffe ich, dass die Charaktere, die bis hierhin beschrieben wurden, noch ein bisschen vielseitiger werden.


    Im Moment sieht es so aus, als würden die "Guten", die sich in Abhängigkeit von den Machthabern befinden, wirklich nur gute Eigenschaften in sich vereinigen und die "Bösen", die Calvinisten und ihre Anhänger, wirklich überwiegend negative. Wie seht ihr anderen das?


    Ich möchte noch mehr über Motive und Hintergründe erfahren, warum z.B. Jean und Margarete so sind, wie sie sind, wie sie zu dieser Glaubensstrenge gekommen sind. Dahinter muss sich doch noch etwas verbergen, was sie menschlich macht, verstehbar... Aber ich will auch nicht ungeduldig sein, bin ja erst am Anfang.


    Positiv fand ich, dass bei Margarete einmal im Ansatz aufgezeigt wurde, dass sich hinter ihrer Strenge und Ablehnung so etwas wie Überforderung verbirgt, die sie auch offen zugibt. An dieser Stelle wurde meiner Meinung nach das Konzept gut-böse durchbrochen. Das macht diese Person sympathischer und interessanter, sie bekommt mehr Facetten, man bekommt als Leser Verständnis und kann sich einfühlen.


    Bin auch gespannt, welche Rolle dem krumpen Görgl weiter zugeschrieben wird. Hoffe, dass er nicht NUR so ist, wie man es nach der ersten Vorstellung angedeutet bekommt. Wäre über positive Überraschungen sehr erfreut!


    Ich hoffe, ich habe fürs erste nicht zu viel gesabbelt und freu mich auf eure Meinungen.
    :winken: