Beiträge von bibliophil

    Ich setze mich bestimmt nicht privat mit Faschisten an einen Tisch. Das habe ich auch nicht geschrieben. Mir geht es um eine generelle Kommunikationskultur, die Meinungsfreiheit zulässt und gleichzeitig klare Standpunkte, die sich auch nach anderen Seiten abgrenzen.

    Ich will auch niemanden bekehren. Missionarischen Eifer hatte ich nie. Aber die Frage, ob ich Lust habe oder nicht, mich für eine nachhaltige Debattenkultur einzusetzen, die darf nicht im Vordergrund stehen. Wenn wir als Demokraten unsere freie Welt erhalten wollen, dann reicht Lust oder Unlust nicht aus. Es ist eines jeden demokratischen Bürgers Pflicht, in meinen Augen, dass er für seine Weltsicht auch einsteht.

    Cancel Culture ist auch so ein Kampfbegriff der Rechten. Niemand ignoriert, aber deshalb muss man mit Rechten trotzdem nicht reden.

    Betrachtet man diesen Begriff "Cancel Culture" genauer, dann stellt man fest, dass es ein Begriff der Liberalen aus den USA ist. Rübergeschwappt nach Deutschland in den letzten Monaten. Er ist also faktisch da und durch seine Verbreitung im Netz wird er wahrgenommen. Wie so oft, wird in den Debatten nicht beachtet, was die Debatten selbst anrichten und über ihre Teilnehmer aussagen.

    Du hast Recht, wenn du den Gebrauch des Begriffs "Cancel Culture" durch Leute wie Dieter Nuhr, Lisa Eckardt oder Ken Jebsen kritisierst. Diese Leute haben Macht und Möglichkeiten. Diese Leute können ihre Meinung immer verbreiten.

    Das Dilemme besteht m.M.n. in der Beschränktheit unserer (Online-)Debatten. Es wird gar nicht mehr bis zum Kern einer Sache vorgedrungen. Man cancelt sich schon vorher ab, weil man nicht bereit ist zuzuhören. Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass ein langes, intensives Gespräch sehr viele Menschen klarer auf die Welt blicken lässt.

    Hallo! Ich bin neu hier im Forum und bin über diesen Thread gestolpert. Dann habe ich nachgelesen und bin begeistert darüber, dass ich hier in einem Forum gelandet bin, dass sich deutlich positioniert. Die Reaktion von Suse finde ich auch sehr in Ordnung.

    Mir ist nur eine Sache im Verlauf des Threads unangenehm aufgefallen. Es gab nur eine Userin, die sich getraut hat, einen klitzekleinen Einspruch zu erheben. Und zwar, in dem sie schreibt, dass man nicht pauschal alle Kritiker von was auch immer als "Nazi" bezeichnen sollte.

    Die Reaktion der Leute, die hier in dem Thread schreiben, war ein Paradebeispiel. Keiner ist inhaltlich auf den Kommentar eingegangen. Er passte nicht in eure Denkschemata. Warum nicht, kann ich nur vermuten.


    Seit meiner Zeit auf dem Gymnasium und bis heute, mittlerweile bin ich 33, habe ich mich immer offen, öffentlich und offensiv gegen Rassismus, Antisemitismus, Islamophobie, Homophobie und jegliche Form von Ausgrenzung und Gewalt gestellt.

    Studiert habe ich Philsophie und Politik. Gelernt habe ich dabei, dass ich nicht alles akzeptieren muss, was ich toleriere. Ich muss nicht akzeptieren, wenn andere Menschen auf Demos gegen die Corona-Maßnahmen auftreten, aber ich kann es tolerieren, weil es in einer Demokratie dazugehört, andere Meinungen zuzulassen. Schon Voltaire schrieb: "Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, daß Sie sie äußern dürfen."


    Natürlich müssen demokratiefeindliche Reden und Taten strafrechtlich verfolgt werden. Aber reicht uns das? Können wir uns zufrieden geben ohne Debatte und Austausch? Wollen wir Verdrängung ohne Veränderung? Wir müssen doch wissen, wie einer tickt, der anders denkt. Warum? Um seinem Denken die morschen Säulen zu entziehen.

    Cancel Culture ist doch keine Lösung, genauso wie Ignorieren keine ist. Ich bin heute Lehrer und mir begegnet häufig rechtes Gedankengut in den Klassen. Es wäre doch fatal, wenn ich darüber hinweghören würde. "Das ist falsch und du bist blöd!" Das war noch nie eine gute Methode in der Pädagogik.


    Ich schreibe das nicht, weil ich Nazibeiträge auf literaturschock zulassen will. Ich schreibe das, weil ich zur Achtsamkeit ermahnen will. Nicht jede andere Meinung ist automatisch falsch oder unangebracht oder nicht bedenkenswürdig.

    Klare Ansage gegen Nazis! Aber eben Ansage und nicht Ignorierung.