Beiträge von Cabriofahrerin

    427 S. · geb · Klett-Cotta · ISBN-13 9783608937077 · 22,90€



    Unheilbarer Krebs - welch ein Martyrium!

    " Lieferservice" - Kapitel eins des Romans "Glückliche Ehe"
    Die Betitelung passt perfekt zum anschließenden Inhalt. In flapsigem Schreibstil stellt uns der Autor Rafael Yglesias die beiden Freunde Bernhard Weinstein, 25 Jahre, und Enrique Sabas, 21 Jahre, vor. Sie sitzen zusammen in einer Kaffeebar. Bernhard schwärmt von Margaret Cohen, einem hübschen Mädchen mit außergewöhnlichen Qualitäten. Enrique traut Bernhard nicht so recht; er hält die Existenz Margarets für Fiktion. Doch ein Treffen wird arrangiert: "auf seine Bestellung erscheint die Traumfrau, von der er gar nicht gewusst hatte, dass er von ihr träumt". Locker-leicht liest sich der Text.
    "Ahnung" ist - nach dem federleichten ersten Kapitel - ein düsteres und ernsthafteres. Margret und Enrique sind nun 27 Jahre glücklich verheiratet. Sie haben zwei Jungs, Gregory und Max (16 Jahre alt). Die Familie gehört zur oberen Mittelklasse New Yorks und kann ihr Leben sorglos genießen.
    Doch drei Jahre zuvor hat das Schicksal in aller Härte zugeschlagen: Bei Margaret wurde Blasenkrebs diagnostiziert. Seit einem halben Jahr kann sie keine Nahrung mehr aufnehmen. Alle medizinischen Maßnahmen und technischen Möglichkeiten sind erschöpft. Nichts kann mehr helfen.
    Rafael Yglesias beschreibt den Krankheitsverlauf in aller Härte und brutaler Offenheit. Wir sehen Margaret nackt und abgemagert vor uns; ihr Körper ist durchlöchert von den Versorgungsschläuchen. Wir lesen von den vielen Operationen, dem persönlichen Einsatz Enriques, der nahezu rund um die Uhr bei seiner Frau ist. Er hat sie zeitweise gepflegt; nun kann er sie nur noch "in den Armen halten, ermutigen, trösten, aufheitern und lieben". Dabei empfindet er Furcht wie noch nie zuvor.
    Die zeitlebens aktive Margaret nimmt ihre Erkrankung anfangs an. Sie kämpft mit all ihrer Kraft dagegen an. Als alles aussichtslos erscheint, fordert sie Operationen, die die Ärzte kaum noch für sinnvoll erachten. Aber nun am Ende kann sie nicht mehr. Sie bittet ihren Mann: "Ich will sterben. Du musst mir dabei helfen."
    In den "Erinnerungen" setzt sich inhaltlich das vorsichtige Kennenlernen der Beiden bis zur ersten Verabredung fort. So alternieren die weiteren Kapitel: Fokussierung auf den weiteren Leidensweg Margarets im Wechsel mit der weiteren Entwicklung der Beziehung. Diese thematischen Kapitel fand ich zwar teilweise langatmig, aber sie sind wohl als bewusst eingesetztes Stilmittel des Autors zu verstehen: Der Leser kann Luft holen, er kann das Gelesene verarbeiten, Kraft tanken und wieder zu Margaret zurückkehren.
    Das Buch kann man nicht so leicht abschütteln. Es fordert Aufmerksamkeit und Respekt. Da der Tod unausweichlich ist, wird das Lesen für manchen zu einer seelischen Belastungsprobe werden. Ein mutiges Buch.

    Da birst das Moor, ein Seufzer geht hervor aus der tiefen Höhle ...


    Ruth Galloway, 40 Jahre alt, unverheiratet, ist Archäologie-Dozentin an der University of North Norfolk, Spezialgebiet Forensik. Zusammen mit zwei Katzen bewohnt sie eines von drei kleinen Häusern am Rand des Salzmoors. Sie fühlt sich wohl, ja geradezu hingezogen zu dieser unerbittlichen, trostlosen Landschaft.
    Zwei kleine Mädchen, Lucy Downey und Scarlet Henderson, sind innerhalb von zehn Jahren verschwunden. Detective Chief Inspector Harry Nelson arbeitet mit vollem Einsatz an den Fällen. Als er dann noch zwölf rätselhafte anonyme Briefe erhält, wendet er sich an Ruth. Kann sie vielleicht einige Teile deuten (wir erfahren in diesem Zusammenhang viel über nordische Mythologie) und Hinweise zu den verschwundenen Kindern finden?
    Detective Nelson und Ruth fahren ins Salzmoor zum Ort des Knochenfundes - dabei handelt es sich um einen "schmalen Arm mit einem Taufarmband". Sind das die Reste eines Säuglings? Ist es eine Moorleiche, oder sind es die Überreste der vermissten Lucy? Der Horror ... Was mag noch alles zum Vorschein kommen?
    Die Autorin beobachtet Handlungsorte und Personen mit scharfem Auge. Ruths einsames Haus, ihren Arbeitsplatz an der Uni, ihre Beziehung zu Eltern und Kollegen kann sich der Leser gut vorstellen. Die Novemberstimmung im Moor ( "ein gottverlassenes, unwirtliches Sumpfland") und die ihm eigene typische Flora und Fauna fängt die Autorin mit ihrer einfühlsamen Beschreibung sehr gut ein und spricht dabei alle unsere Sinne an: Wir spüren förmlich die Nässe, das Undurchsichtige, und die leise wahrgenommenen Geräusche klingen wie verstärkt. Unser Schaudern, Frösteln und Gruseln erreicht seinen Höhepunkt, wenn wir erfahren, dass sich an dieser Stelle ein henge befindet - ein steinzeitlicher kreisförmiger Erdwall, der als Kultstätte für Gaben und Opferhandlungen schon in der Eisenzeit diente. Eine perfekte Kulisse für einen spannenden forensischen Thriller.

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    Was geschah wirklich am 26.9.1980?


    2009: Der jetzige Präsident des BKA wendet sich an den ehemaligen Zielfahnder Georg Dengler, der nach 10-jähriger Tätigkeit seinen Dienst frustriert verlassen hat. Dengler soll die Akten zum größten Attentat in der Geschichte der BRD, den Bombenanschlag vom 26. 9. 1980 auf dem Münchner Oktoberfest, noch einmal untersuchen. Er erhält Einsicht in alle Akten, und mit Hilfe seines Freundes, des Journalisten Leopold Harder, kann er auch in Zeitungsartikeln aus dem Jahr 1980 recherchieren. Doch je mehr Informationen er sammelt, desto undurchdringlicher werden die Geschehnisse. Dengler fragt sich, warum man ausgerechnet ihm den Fall anvertraut hat, und warum ausgerechnet jetzt? Der Fall war doch eigentlich schon abgeschlossen und in der Versenkung verschwunden.
    Wie brisant das Attentat ist, wird Dengler immer bewusster. Was geschah da 1980 auf den nationalen und internationalen Ebenen der Politik? Konnte der Anschlag etwa für manchen Politiker oder manche Partei Gewinn bringend sein?
    Hinter Denglers Rücken laufen unfassbare Aktionen, von denen er selbst nichts ahnt - hier sind wir als Leser im Vorteil.
    Der Verfassungsschutz bildet ein Arbeitsteam.
    Gleichzeitig fühlt sich die parlamentarische Staatssekretärin Charlotte von Schmolke - dank ihres bedeutungsschweren Namens konnte sie die Karriereleiter nur herauffallen - unter Druck. Die Wahlen stehen vor der Tür. Öffentlichkeitsheischend, gleichzeitig total frustriert von ihrer Arbeit (denn man hat sie wie eine "Puppe" benutzt und ihr alles vorgekaut) muss und will sie etwas ändern ...
    Das Buch ist in vielen kurzen Textsequenzen strukturiert. Orte und Personen ändern sich; dennoch verliert der Leser nie den Handlungsfaden, weil der Autor mit seinem klaren, direkten, nüchternen Schreibstil immer wieder Anknüpfungspunkte bietet. Der journalistisch berichtende Handlungsverlauf, der zeitnahe Geschehnisse wie Weltwirtschaftskrise, die Wahl Barack Obamas, ja sogar die Schweinegrippe mit einbezieht, bewirkt, dass der Leser immer mittendrin ist. Was Wolfgang Schorlau schreibt, ist präzise dokumentiert: Das kann alles nur wahr sein (also: Fiktion vom Feinsten).
    Und es ist unfassbar. Denn internationale Machenschaften, die gegenseitige Infiltration von Politik, Geheimdienst und globaler Wirtschaft haben nur das eine Ziel: Jeder will seine eigenen Interessen durchsetzen, und dazu ist jedem jedes Mittel recht.
    Ein beeindruckender POLIT-THRILLER: Absolut lesenswert, spannungsgeladen von der ersten bis zur letzten Zeile. TOP!


    [size=1]EDIT: Amazonlink eingefügt. LG, Saltanah[/size]

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    Lebkuchen zur Adventszeit


    Nürnberg 1387: Agnes und Benedicta leben unfreiwillig im Kloster Engelthal, dem der Ruf voran eilt, ein Ort der wahrhaftigen Engel zu sein. Gebete, Gebote, Verbote, Demut und Unterwerfung werden von den Nonnen verlangt. Beide sehnen sich nach der Welt außerhalb der Klostermauern.
    Julian, der Neffe der Priorin, begegnet bei seinen häufigen Besuchen im Kloster Benedicta, und beide empfinden sofort gegenseitige Zuneigung. Nun ist es um Benedicta geschehen. Sie will raus aus diesem Gefängnis. Doch sie ist Nonne, sie hat einen heiligen Eid geschworen ...
    Alljährlich zur Fastenzeit backt das Nürnberger Predigerkloster Pfefferkuchen. Da aber das gesamte Küchenpersonal erkrankt ist, soll nun das Kloster Engelthal einspringen.
    Hier kommt die große Chance für Benedicta und Agnes: Sie kennen ein Lebkuchenrezept. Damit gewinnen sie allgemeine Anerkennung.
    Julian und Benedicta gestehen ihre Liebe der Priorin. Sie hilft ihnen zu einem neuen Leben außerhalb der Klostermauern. Doch leicht ist das Leben wahrhaftig nicht. Viele unerwartete Ereignisse brechen über Benedicta und Agnes herein ...
    Für den Leser entwickelt sich das alles fesselnd und unterhaltsam zugleich.
    Die Erzählweise ist locker, klar und leicht verständlich. Manche Passagen sind amüsant und humorvoll. Worte aus dem Mittelalter, z. B. "Zelter" für "Pferd", vermitteln dem Leser den Zeitgeist. Der Handlungsverlauf fließt schnell. Immer neue, z. T. völlig unerwartete Handlungsperspektiven spulen sich ab. Langatmige detaillierte Ortsbeschreibungen fehlen völlig. Die vielen Dialoge - manche sind spitz und schnippisch - treiben das Geschehen vorwärts. Man will dran bleiben. Zusätzlich hat die Autorin Sybille Schrödter manchen Personen einen Schleier unausgesprochener Geheimnisse übergeworfen. Die Neugierde ist geweckt.
    "Die Lebküchnerin" ist ein ansprechender, netter, unterhaltsamer Roman - ganz passend zur Vorweihnachtszeit.



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    Zu wenig Spannung - zu viel Philosophie


    Ägypten zur Zeit Thutmosis III.:
    Der vierjährige Huy, Sohn einfacher Bauern, darf die Tempelschule in Iunu besuchen, um Schreiben und Lesen zu lernen. Sein reicher Onkel Ker übernimmt großzügig die Kosten.
    Über sein anfängliches Heimweh kommt er schnell hinweg, da er Thutmosis, Sohn des Fürsten Nacht als vertrauensvollen guten Freund kennenlernt. Zu Fest- und Feiertagen wird er in der Adelsfamilie mit Mutter und zwei Töchtern wie ein Sohn des Hauses gastfreundlich aufgenommen.
    Huy ist ein intelligenter Bursche mit guter Auffassungsgabe. Er wird sowohl von den Priestern als auch von den Mitschülern geschätzt. Bis auf einen: Senefer, ebenfalls Sohn eines Adelgeschlechts. Er ist neidisch auf Huy und mobbt ihn, wann immer er eine Gelegenheit dazu findet. Einmal provoziert er Huy dermaßen - er schimpft ihn einen Sumpfbewohner -, dass es zu einem handfesten Streit kommt und Senefer Huy tödlich verletzt.
    Huy wird in seine Heimatstadt ins Haus der Toten gebracht. Als die Priester den Leichnam untersuchen und für die Bestattung vorbereiten wollen, erwacht Huy zu neuem Leben. Während seiner Zeit des "Komas" hat er eine Wandlung "durchlebt". Er ist der "Auserwählte" der Götter, die ihm Gaben mitgegeben haben, die ihn zu Höherem befähigen.
    Seine Familie, die eher glaubt, er sei von Dämonen besessen, distanziert sich von ihm. Huy kehrt sehr bald in die Tempelschule zurück und darf nun, als Auserwählter, die bedeutenden fünf Bücher Thots studieren.
    Bis zu diesem Ereignis hat mir das Buch sehr gefallen. Die Handlung war fesselnd, die Stimmung von Alltagssituationen atmosphärisch dicht beschrieben. Der Speiseplan lockte zum Probieren.
    Und das außergewöhnliche Ereignis - die Auferstehung Huys von den Toten zurück zu den Lebenden - ist glaubhaft und überzeugend dargestellt: kein fauler Zauber oder Mystik.
    Doch dann folgen ewig lange Seiten philosophischer Gedankengänge. Ein sehr komplexer Text, den ich trotz wiederholten Lesens kaum verstanden habe. Selbst Huy sagt, dass er "keinen Schimmer von Verstehen" hat und ein "wirres Durcheinander in seinem Geist" herrscht.
    Schade, ich bin leider mit einer anderen Erwartungshaltung an dieses Buch heran gegangen und wurde letztlich enttäuscht ...

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    Krimi voller Esprit und Bonmots


    Thomas Raab erhielt 2008 für sein erstes Buch "Der Metzger muss nachsitzen" den Glauser-Preis in der Sparte "Debüt". Außerdem wurde er für den LITERAturpreis für Belletristik (2008) nominiert.
    Mit seinem dritten Buch "Der Metzger geht fremd" beweist Thomas Raab erneut sein Können.
    Im landschaftlich unberührten Schwabenländle lässt es sich Danjela Djurkovic im Kurhotel Sonnenhof gut gehen. Als ihr Lebensabschnittsgefährte, der Restaurator Willibald Adrian Metzger, einen Anruf von ihr erhält, in dem sie ihm von einer nackten Leiche im Schwimmbad berichtet, macht er sich sofort auf den Weg. Da nicht im Besitz eines Führerscheins, ist er auf Busse und Bahnen angewiesen. Für die nächsten Tage wird die Pension Regina seine Unterkunft; diese liegt leider fünf Kilometer vom Kurbad entfernt. Immerhin: Um seine Geliebte Danjela zu besuchen, darf er das Fahrrad des Hausherrn benutzen. So rast Metzger alsbald unter Lebensgefahr bergab (denn es ist ein Rad mit 21 Gängen ohne Rücktrittbremse, und er selbst ist wohlbeleibt ...). Zunächst hält er sich, "den Körper in Abfahrtsposition", doch schließlich landet er "im flüchtigen Handstand" in einem Heuhaufen.
    Derweil lädt Prof. Dr. Winfried Berthold alle Gäste und Angestellte des Sanatoriums in den Speisesaal. In einer nie gekannten Art weist er seine disziplinlosen Patienten zurecht: Er besteht auf Einhaltung der Hausordnung. Nur bei strikter, pünktlicher Anwendung der Therapien könnten sie gesund und erholt nach Hause kommen. Und nicht tot, wie leider Herr August David Friedmann ...
    In diesem Kurbad erlebt man mehr Freud denn Leid. Hier treibt's jede mit jedem; sogar der Professor ist kein "Kostverächter", sondern ein "Lustmolch". Der Eindruck, eher in einem "Swingerclub" als in einem Kurhaus zu sein, verdichtet sich bei Adrian Metzger schnell, und deshalb würde er seine Geliebte gern mit nach Hause nehmen. Sie aber möchte lieber dreist herumschnüffeln, um Beweise für ihre Mord- und Totschlagtheorien zu finden. Nach einer abenteuerlichen Kletterpartie über die benachbarten Balkone dringt sie in das Zimmer des Toten August David Friedmann ein und findet unter dem Bett einige fragwürdige Gegenstände ...
    Ein paar Leichen, abgeschnittene Finger, Eheringe, die man nicht sogleich zuordnen kann, undurchschaubare Verhältnisse in der Familie Friedmann - all dies gibt dem Roman einen kriminalistischen Touch. Zwei Nebenschauplätze, die auch optisch (drucktechnisch) abgetrennt sind, bleiben dagegen inhaltlich lange unklar. So ist dieses Buch kein spannender Krimi, der nur so voll abstruser Gewaltszenen strotzt, sondern er brilliert mit anderen Qualitäten:
    Es ist das artistische Spiel des Autors, mit Worten und Sätzen zu jonglieren. Er bringt nahezu auf jeder Seite den Leser zum Lachen. Das schafft kaum ein Komödiant während seiner Abendveranstaltung. Ob es sich um die Beschreibung der Landschaft, des Frühstückbuffets, des zickigen Verhaltens der Damen handelt - nahezu alles ist ein wenig komisch beschrieben, ohne dabei lächerlich zu wirken. Verdrehte Redewendungen oder Vergleiche sind nicht zu toppen.
    Diesen Roman sollte man wie ein Dessert genießen: langsam lesen und jedes Wort auf der Zunge schmelzen lassen. Viel Vergnügen!


    [size=1]EDIT: Betreff angepasst und Amazonlink eingefügt. LG, Saltanah[/size]

    Wo blühen die Zitronen??


    Als Italienfan habe ich mich sehr auf den Krimi von Massimo Carlotto und Marco Videtta gefreut.
    Den Inhalt des ersten Drittels empfand ich als atmosphärisch und inhaltlich überfüllt mit typischen Italien-Klischees: Zwei priviligierte Familien, die des Avvocato Antonio Visentin und die der Contessa Selvaggia Calchi Renier werden vorgestellt. Sie nutzen ihre Stellung aus, um für sich Gewinn und Vorteile zu erzielen. Ihre beiden Söhne lieben Giovanna Barovier. Filippo, der Sohn der Contessa, hatte eine Affäre mit Giovanna, und er liebt sie immer noch. Sie verlobt sich aber mit Francesco, Sohn des Avvocato. Am Vorabend ihrer Hochzeit mit Francesco wird sie ermordet.
    Im Dorf und in den Familien liegt vieles im Argen, und so läuft die Suche nach Giovannas Mörder in alle Richtungen: Kriminalität im Drogen- und Prostituiertenmilieu, ein von Giovanna aufgedeckter Giftmüllskandal (die Camorra ist mit im Geschäft), Korruption, Ausländerfeindlichkeit, Globalisierung (die Chinesen kommen, Unternehmen sollen nach Rumänien ausgelagert werden) - all dies und noch mehr packen die Autoren in ihr Buch. Wäre weniger mehr gewesen?
    Als völlig überraschend eine vermisste Person wieder auftaucht, bekommt der Roman Schwung, und neue Themen, die zur Aufklärung des Mordfalls dienen können, geraten ins Blickfeld.
    Das Autorenduo hat mit seinem Buch ein schäbiges, schmutziges Bild von Italien gezeichnet. Nirgendwo darin habe ich meine eigenen vielfach erlebten Eindrücke eines nicht ganz so hoffnungslos verkommenen Landes finden können.
    Insgesamt ist dieses Buch durchaus lesenswert, aber meiner Meinung nach ist es eher ein gesellschaftskritischer Roman denn ein Krimi. Jedenfalls sollten Krimi-Fans ihre Erwartungen an einen fesselnden, spannungsgeladenen Krimi nicht zu hoch stecken.

    "Stories" - Geschichten, die das Leben schreibt

    Ferdinand von Schirach hat ein Buch mit elf Geschichten veröffentlicht, die er selbst erlebt hat - als Verteidiger in Strafprozessen. Gebunden an seine Schweigepflicht, wird er die Ereignisse verändert haben, um den Schutz der realen Personen zu wahren. Als Verteidiger ist er parteiisch und steht auf der Seite seines Mandanten. Als Erzähler ist er frei.
    Von Schirach hat mit seiner Auswahl für den Leser ein Kaleidoskop unterschiedlichster Straffälle ausgewählt. Wir lesen von einer Ehe mit tödlichem Ende, von dem Diebstahl einer wertvollen Teeschale, einem Kannibalen, Kriminalität im Drogen- und Prostituiertenmilieu und anderen Taten.
    Gemeinsamkeiten aller dargestellten Fälle sind ihre absolut unerwarteten Verläufe, die psychischen Veränderungen der handelnden Personen und eine unbeschreibliche Brutalität.
    Manche Fälle verlaufen "im Sande". So entlastet ein Mann seinen angeklagten kriminellen Mitbruder durch eine geschickte Zeugenaussage. Ein anderer Mann mit eindeutigem Hang zum Kannibalismus entzieht von Schirach sein Mandat.
    Während man die meisten Geschichten mit Distanz lesen kann, sind andere dabei, denen man sich gefühlsmäßig nicht entziehen kann. Das Leid ist manchmal so stark, dass man es selbst spüren kann.
    Wir erleben die nach außen hin intakte Ehe eines anerkannten Mediziners, der nach 48 Jahren physischer und psychischer Demütigung seinen Lebenszustand nicht mehr aushält und seine "geliebte" Ingrid umbringt. Da von Schirach gemächlich und präsise beschreibt, wie es zu der Tat kommen konnte, wird sie zu einer zwingenden, nicht mehr abwendbaren Konsequenz. Auch diese überzeugende Erzählweise ist allen beschriebenen Fällen zu eigen.
    Furchtbar zu lesen ist, wie zwei Kinder in einer mutterlosen Familie aufwachsen: Ein liebloser, strenger Vater verlangt von ihnen bedingungslose Disziplin und Verzicht. Obwohl Vermögen vorhanden ist, müssen die Kinder sich ihr Taschengeld erarbeiten, z. B. indem sie Löwenzahn ausstechen.
    An manchen Stellen klärt von Schirach den Leser sehr kurz, aber ausreichend informativ über das deutsche Rechtssystem, insbesondere den Prozessverlauf auf.
    Auch die immer wieder diskutierte Frage nach dem Sinn von "Strafe" spricht er an und erörtert das rechtsphilosophische Problem (vgl. S. 17).
    Das Buch liest sich sehr schnell. Von Schirachs Sprachstil ist klar; seine Sätze sind meist kurz und einfach.
    Sicher lesen wir tagtäglich von neuen kriminellen Geschehnissen, aber so stark, wie von Schirach seine Erzählungen aufbereitet hat, indem er uns ins Innerste der Handelnden schauen lässt, bleibt Nachdenkenswertes hängen. Sind wir parteiisch geworden? Stehen wir mehr auf der Seite des Kriminellen als auf der der Opfer?
    Bilden Sie sich selbst ein Urteil, indem Sie dieses Buch lesen.

    Balsam für die Seele


    François Lelord, der zunächst als praktizierender Psychologe arbeitete, bevor er die Schriftstellerei begann, hat schon mehrere internationale Bestseller verfasst (deren Inhalte aber nicht aufeinander aufbauen). Seine Lebensweisheiten, seine Anleitung zum Glück und zu einem erfüllten Leben möchte er in seinen Büchern auf amüsante, unterhaltsame Weise weitergeben. So entstand die Idee zu seinem Protagonisten Petit Hector und seinen Erlebnissen. Nun bringt er sein neues Buch "Hector & Hector und die Geheimnisse des Lebens" heraus.
    Petit Hector, ein Einzelkind, lebt wohlbehütet mit Maman Clara und Vater Hector zusammen. Sie sind die "BestenElternderWelt". Papa ist Psychiater, Maman arbeitet als Schriftstellerin. Sie gehören zur Upper class.
    Petit Hector ist ein Kind wie aus dem Bilderbuch: sensibel, angepasst, einsichtig und klug.
    In dieser Familie spricht man viel miteinander. Dabei ist alles auf den kleinen Jungen zentriert, der seinen Alltag sehr bewusst erlebt und seine Beobachtungen den Eltern mitteilt. Zu allen Unbilden des Lebens finden sie Hilfen, und sie vermitteln ihrem Kind reichlich Lebensweisheiten. Am Ende jedes Kapitels fasst Petit Hector sie (kursiv gedruckt) zusammen.
    Besonders nett ist der Waldspazierung von Vater und Sohn. Letzterer eröffnet seine für ihn schweren Sorgen und kommentiert drastisch: "Mir reicht das mit den Sorgen."
    Phantasievoll beschrieben wird auch, wie Maman und Petit Hector den Zoo besuchen. Dort entdecken sie, dass die Lebensweisheit, dass man immer die guten Seiten des Lebens zu sehen versuchen solle, auch für Löwen gelten kann. Das ist eine amüsante, ungewöhnliche - und überzeugende Beobachtung.
    Die Beschreibungen der kindlichen Erlebnisse - Zoobesuch, Schummeln in der Schule, Fußballspiel mit Freunden und Amandine, das einzige Mädchen, das Petit Hector interessiert - erinnern mich sehr an die liebenswerten Bestseller von René Goscinny mit Illustrationen von J. J. Sempé aus den Sechziger Jahren: Le petit Nicolas (Der kleine Nick).
    Diese Bücher werden von Groß und Klein gelesen, und wenn man sich in sie verliebt hat, kann man sich nicht mehr davon lösen. Man will sie nicht nur lesen, sondern auch besitzen. So erhalten sie einen besonderen Platz im Bücherregal.

    Ohne Geld läuft gar nichts!


    Unter Führung des Protagonisten Parker überfällt eine kleine Gruppe Gangster einen Geldtransport in Massachusetts. Da die Polizei schnell vor Ort ist, müssen sie den größten Teil ihrer Beute verstecken und fliehen. Presse und Fernsehen berichten ausführlich von diesem Aufsehen erregenden Verbrechen.
    Dann trennen sich die Wege der Männer - aber alle wollen sie nur möglichst rasch das Geld holen.
    McWhitney arbeitet wieder in seiner Bar.
    Nick Delesia wird von der Polizei verhaftet, als er mit einem "schmutzigen" Schein bezahlt (denn die Seriennummern aller Scheine waren registriert). Nachdem er einen Marshall erschießt, kann er aus dem Gefängnis entfliehen.
    Parker plant mit seiner Freundin Claire, getarnt als Ehepaar Willis, einen Kurzurlaub in der Nähe des Tatortes. Hier möchte er die Situation auskundschaften.
    Aber nicht nur die Gangster zieht es an den Tatort:
    Die Polizei startet einen Großeinsatz und kontrolliert mit Straßensperren die Bevölkerung.
    Auch Sandra Lozcalzo, eine Kopfgeldjägerin, ist zur Stelle. Sie gibt aber keineswegs der Polizei Hinweise, sondern verspricht sich größeren Profit, wenn sie sich an Parker hängt.
    Zeitweise wird die urige Frühstückspension Bosky Rounds zum turbulenten Hauptschauplatz, denn bei der geschwätzigen Mrs. Bartlett findet sich der harte Kern der Akteure ein. Hier laufen Polizisten, Sandra Lozcalzo, das Ehepaar Willis und andere einander über den Weg, ohne sich zu begegnen - geschweige denn zu erkennen.
    Dieser Krimi ist ein Lesegenuss. Er kommt ohne Blut und Folter aus. Das Plot-Konzept - Überfall auf einen Geldtransport - ist zwar nicht gerade neu, sondern schon oft literarisch und filmisch variiert worden. Aber Richard Stark gestaltet es auf originelle, den Leser fesselnde Weise. Im Vordergrund seines Erzählens stehen die Charaktere der Gangster: Keiner traut dem anderen, jeder möchte alleine "Kasse machen" - und dennoch kommen sie wieder zusammen. Dabei scharen sie immer mehr Personen um sich, die ihnen bei ihrem Coup helfen sollen. Sie schmieden Pläne - aber irgendwie kommt es immer anders als vorhergesehen. Und: Ohne Geld läuft gar nichts ... Das ist alles sehr reizvoll zu lesen.
    Bei manchen Textpassagen hat man den Eindruck, dem Autor (und dem Übersetzer) sitze der Schalk im Nacken. So wird Mrs. Bartlett von ihren Gästen im Stillen liebevoll "Mrs. Apfelkuchen" und ihre Pension "Quartier für Hänsel und Gretel" genannt. "Laubgucker" heißen die Touristen ... und es gibt noch viele weitere solch witzige Einfälle zu beschmunzeln.

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    Lovestory - ein Jo-Jo-Spiel


    Die 48-jährige Rina zieht mit ihrer Tochter Noa, dem Hund und der Katze in eine kleine Wohnung mit Balkon in einen Stadtteil Haifas. Ihr älterer Sohn Michael führt ein eigenständiges Leben. Ihr Lebensabschnittsgefährte, Jakob, steht ihr immer treu, geduldig und hilfreich zur Seite.
    Rina ist keine Emanze - im Gegenteil: ihre eigene Psyche ist labil, ihr Psychologe hält sie für zartbesaitet. Ihre Intuition, ihr humorvoller Kontakt zum Gott, den sie wie eine lebendige Person erlebt, die Botschaften ihrer toten Schwester Seffi und die Deutungen des Kaffeesatzes ihrer "Privathexe" Masal helfen ihr bei wichtigen Entscheidungen. Diese Art Lebenshilfe gefällt mir sehr gut und zeichnet Rinas Charakter weich und liebenswert.
    An einem Freitagmorgen zwingen starke Schmerzen im Oberkörper Rina zu einer ärztlichen Untersuchung. Die Diagnose ist furchtbar: ein schwer zu operierender Tumor.
    Nach ausgiebiger Recherche lässt sie sich von Dr. Eres Green operieren. Wie eine Prinzessin fordert Rina ein Krankenzimmer für sich alleine; die Schwestern sind ihr zu ruppig und nervig - ja, sie stören sie sogar bei ihrer wohlverdienten Ruhe. Jedes Wehwechen muss von ihrem Operateur begutachtet und behandelt werden.
    Und so verliebt sie sich wie eine pubertierende 14-Jährige in ihren Arzt. Sie schickt ihm ein kindisches Gedicht, und schon wird ihre Liebe von Eres erwidert.
    Aus dem Krankenhaus entlassen, vertieft sich die Liebe des Paares. Der treue Jakob verlässt Rina. Eres erklärt ihr seine Liebe, und nun wartet sie nur darauf, dass er seine Frau Klara und Tochter Avi verlässt, um sie zu heiraten. '
    Rina verhält sich wie ein Dummchen. Wieder und wieder ist sie sauer auf Eres, weil er die Trennung von seiner Familie nicht konsequent durchzieht. Aber mit kleinen Schmeicheleien lässt sie sich dann doch wieder einlullen.
    Mir hat das Buch zu Anfang sehr gefallen, aber die öde, langweilige, kitschige und schmalzige Beschreibung der Paarbeziehung hat mich nicht überzeugt. Das Verhalten Rinas zu ihrer Umwelt, insbesondere ihre oberflächliche Schwärmerei für Eres, passt nicht zu den anfangs beschriebenen positiven Eindrücken. Für mich ist das Buch ein Flop.


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    Wechseljahre - Zeit für neue Verhältnisse


    Clara (51) und Werner Backmann (61) sind seit 30 Jahren verheiratet. Sie gehören mit ihrem Haus an der Algarve zur Upper Class. Man spielt Golf, fährt einen Land-Rover und ist Mitglied im Lions Club. Ihre Ehe ist nur noch ein Arrangement.
    Werner ist immer schon ein arroganter Macho gewesen, der die kostenlose Rundum-Versorgung durch seine Frau für selbstverständlich hält.
    In der Öffentlichkeit behandelt er sie despektierlich. Da sie ein "Heimchen" ohne Selbstvertrauen ist, wehrt sie sich nicht gegen seine Unverschämtheiten. Eine Trennung kommt für sie nicht in Frage. Die soziale Absicherung ist ihr immer noch lieber. Sie ertränkt ihren Kummer mit Alkohol, Koffein und Nikotin.
    Werner fliegt nach Brasilien, wo er seine Traumfrau trifft. Nach seiner Rückkehr will er sich sogleich von Clara trennen. Statt sich zu freuen, dieses Ekelpaket endlich loszuwerden, fällt diese noch tiefer in Depressionen.
    Auf leisen Sohlen betritt sie langsam ihr neues Leben. Sie bevollmächtigt einen Anwalt, ihre Forderungen gegen Werner zu vertreten, kauft sich einen VW-Bulli und erwirbt im öden Alentejo ein großes Grundstück mit einer heruntergekommenen Hütte. Schnell wird sie mit den einheimischen Bewohnern warm, besonders mit Joao (74-jährig) und seiner Ehefrau Ana.
    Mit Joaos Hilfe renoviert Clara ihre Hütte. Sie wird selbstbewusst. "Ich selbst mochte mich. Und ich mochte das Leben, das ich mir eingerichtet hatte." (S. 196)
    Natürlich erlebt Clara eine kleine Romanze, und Heike und Celeste, zwei überkandidelte Freundinnen, wollen sie gerne "an den Mann bringen" und nerven sie ziemlich.
    Mit einem möglicherweise unsicheren Zukunftsprojekt endet die Handlung.
    Dieser unterhaltsame, leicht zu lesende Roman ist aus Claras Sicht in der Ich-Form geschrieben. Claras Weg zu neuen Verhältnissen verläuft langsam. Das Ergebnis - Leben auf dem Lande - entspricht völlig ihrem Wesen und Charakter. Immer wieder hält Clara inne und reflektiert über sich selbst mit spitzer, ironischer Feder. Das ist amüsant und witzig.
    Portugals Alentejo ist eine karge, von Olivenbäumen geprägte Landschaft; sie ist dünn besiedelt, nur die älteren Einheimischen sind geblieben. Diese strahlen eine Herzlichkeit aus, die förmlich ansteckt. Diese Stimmung wiederzugeben ist Barbara Haskamp durch ihre genaue Beobachtungsgabe und die entsprechende Beschreibung sehr gut gelungen.
    Wohltuend ist, dass dieser Roman sich von anderen Frauenbüchern absetzt, indem er nämlich nicht das übliche Klischee der Frauen bedient, die nach der Trennung von ihrem Angetrauten endlich im Turbo-Gang abheben, um alles zu erleben, was ihnen bisher versagt war: jede Menge Bubis mit Geld, Auto und Designerklamotten, Sex im Rausch und zusätzlich noch den Top-Arbeitsplatz, der immer schon auf sie gewartet hat ...
    Als interessierte Leserschaft werden sich wohl überwiegend Frauen im Alter 40 plus angesprochen fühlen.


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    Reiseweltmeister - und wo bleibt der Pokal?


    Wenn man sich zunächst das Inhaltsverzeichnis des Buches "Daheimbleiben kann jeder" von Thomas Baumann durchliest, wird man wegen des gigantischen Ausmaßes (sieben Seiten Überschriften mit je einem Kurzkommentar) erschlagen. Hinzu kommt, dass die Formulierungen einen falschen Eindruck vom Inhalt des Buches nahelegen: Man glaubt, man habe das ultimativ-lockere Urlaubsunterhaltungsbuch in Händen, in dem ein "Brüller" dem andern folgt. Das trifft aber nicht den Kern. Der Autor hat vielmehr umfassend über das Thema Reisen - im allerweitesten Sinne - recherchiert und die unterschiedlichsten Texte dazu verfasst bzw. kompiliert, was er anderswo fand.
    Nicht nur im Urlaub sind wir Deutschen Weltmeister, sondern auch im Meckern: "Gott schütze uns vor Sturm und Wind und Deutschen, die im Urlaub sind" (S. 174). Das Loben fällt uns in allen Bereichen schwer. Dennoch möchte ich in meiner Rezension den Schwerpunkt auf meine positiven Impressionen von diesem Buch legen und die amüsanten, kurzweiligen, phantasievollen, zutreffenden (bisweilen auch absurden und unverständlichen) Beobachtungen loben.
    Mal sind es Beschreibungen eigener Reiseerlebnisse des Autors. Mal sind es Berichte über Kreuzfahrtschiffe, über Auktionen von Fundsachen, über Zwangsneurosen, über die Arbeit deutscher Botschaften im Ausland und ganz, ganz viel mehr.
    Manche Kapitel sind ausgesprochen unterhaltsam, vor allem, wenn man sich irgendwie im Text selbst wiederfindet. Im Kapitel "Paranoia vor der Abfahrt" zum Beispiel ist für jeden etwas dabei, denn wer ist nicht schon mal wieder nach Hause zurückgefahren, um sich zu überzeugen, dass der Stecker des Computers tatsächlich herausgezogen ist?
    Einen Handlungsreisenden als Promoter zu bezeichnen ist schon eine nette Idee, aber diese Spezies nach Versionen für West- und Ostdeutschland zu differenzieren ist lustig.
    Ich kann aber leider auch nicht verschweigen, dass manch auf den ersten Blick pfiffige Kapitelüberschrift viel mehr verspricht, als die nachfolgende eher langweilige Beschreibung halten kann: vgl. "Hit the road, Jack!" oder "Die sich mit Geländewagen ins Gelände wagen" - was könnte man hier nicht an zeitkritischen Skurrilitäten erwarten ...
    Dies ist ein Buch für Häppchen-Leser und für alle Eventualitäten. Man kann die Kapitel in beliebiger Reihenfolge lesen und es auch mal mittendrin weglegen, um sich dem wahren Reiseleben zu widmen, zum Beispiel dem Zwiegespräch eines Ehepaares auf der Sitzbank nebenan während eines Fluges oder dem Familienleben am Strand


    EDIT: Amazonlink eingefügt. LG, Saltanah

    Eine Chance zum Glauben an Gott


    Als ich das Buch "Die Hütte - ein Wochende mit Gott" in Händen hielt, hatte ich ein Déja-Vu: Es klingelt an der Tür - ich öffne - draußen stehen Zeugen Jehovas - ich höre ihnen freundlich zu, beende ihren Vortrag möglichst schnell - schließe die Tür wieder.
    Genauso fühlte ich mich mit diesem Buch: ein bisschen lesen, aber mich nicht wirklich in meinem gewohnten Alltag berühren lassen. Aber dann hat mich ein Satz auf Seite 16 geraderzu herausgefordert, das Buch zu lesen: "Falls Sie auf diese Geschichte stoßen und sie schrecklich finden, soll ich Ihnen von Mack ausrichten ... 'Tut mir leid ... aber sie wurde nicht in erster Linie für Sie aufgeschrieben'."
    Mack lebt mit seiner tiefgläubigen Frau Nan und seinen Kindern in Oregon. Am Labor Day-Wochenende geht er mit seinen drei jüngsten Kindern campen. Am Tag der Heimfahrt geschehen zwei entsetzliche Unfälle: Sein Sohn Josh kentert mit dem Kanu und ertrinkt fast, und seine Tochter Missy wird während seiner Abwesenheit von einem Serienkiller entführt. In einer Hütte findet das FBI klare Beweise für ihre Ermordung.
    Mack kann mit der Frage, welche Schuld er trage, warum er nicht besser auf Missy aufgepasst habe, nicht umgehen und fällt in tiefste Depressionen. Die Frage "Wie konnte Gott das zulassen?" verstärkt seine Hassliebe zu Gott.
    Im tiefsten Winter erhält Mack einen unfrankierten Brief mit der Einladung, zu einem Treffen zu kommen - ausgerechnet in die Hütte, in der Missy starb. Der Absender lautet "Papa", und dabei denkt Mack zunächst an einen makabren Scherz, dann aber, dass es ein Brief von Gott sein könnte (Auf diese Idee wäre ich in meinem ganzen Leben nicht gekommen ...). So macht er sich auf den Weg.
    Als er sich der Hütte nähert, geschieht ein Wunder: Der Schnee schmilzt, die Hütte verwandelt sich zu einem gepflegten Blockhaus, die Umgebung wird schlagartig zum Paradies. (Hier sträuben sich meine Nackenhaare.)
    Die Tür wird aufgerissen, eine dicke Frau "schloss ihn in die Arme. Sie hob ihn in die Höhe und wirbelte ihn herum wie ein kleines Kind." Nun lernt Mack drei Personen kennen, die mal als Mensch, mal als Gott auftreten. Elouisa ist zugleich Frau, Papa und der wirkliche und wahrhaftige Schöpfergott. Sarayu ist eine kleine asiatische Frau, die Tränen sammelt (!), aber gleichzeitig auch der Heilige Geist. Die dritte Person ist ein Handwerker - und manchmal Jesus. Alle zusammen verkörpern sie Gottes Dreifaltigkeit. Während Mack sich mit ihnen unterhält, wechselt ihr Geschlecht bisweilen innerhalb eines Satzes ( "er" ... "sie").
    Da sie allwissend sind, kennen sie auch Macks Lebensgeschichte. Jedoch wollen sie nicht zeigen, dass sie damit den Menschen überlegen sind.
    Es bereitet ihnen große Freude, Macks Darstellungen zuzuhören. Die Diskurse drehen sich um Theologie, Mythologie, Zusammenhänge zwischen Liebe und Vertrauen, Gut und Böse, Wahrheit und Freiheit. Ich finde den Text dadurch thematisch stark überfrachtet: "Mack hatte große Mühe, das zu begreifen, was er da hörte" (S. 116) - so erging es mir auch. Alles drehte sich in meinem Kopf, ich fühlte mich dizzy.
    Ich habe dieses Buch mit großem Respekt vor dem Autor William Paul Young gelesen. Im letzten Kapitel "Die Geschichte hinter DIE HÜTTE" erfahren wir von seiner grausamen Kindheit und Jugendzeit. Er hatte keine guten Voraussetzungen für sein Leben. Und so stand er dem letzten aller Abgründe sehr nahe: dem Selbstmord. Mit der Idee, ein Buch für seine Kinder zu schreiben, hat er den Weg zum Leben wiedergefunden.
    Das Buch findet bei den Amerikanern riesengroßes Interesse. Viele von ihnen, v. a. im berühmten "Bible Belt", leben ihre Religion aktiv. In Deutschland dagegen steigt die Zahl der Kirchenaustritte.
    Ich bin ein zu rationaler Mensch, um an Phänomene zu glauben, die man weder sehen noch wissenschaftlich beweisen kann. Wer will, mag das für ein oberflächlich-vordergründiges Weltbild halten, aber eben in dieser Sichtweise unterscheiden sich Gläubige von Ungläubigen. Für alle die Menschen, die in Gott ihren Ansprechpartner haben, der ihnen Trost und Halt geben kann, freue ich mich.
    Dies Buch wurde vielleicht auch als Ansporn veröffentlicht, beim Leser Glauben anzustoßen, aber ich hatte kein Erweckungserlebnis ...


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    EDIT: Betreff angepasst und Amazon-Link eingefügt. LG Seychella

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    Melange mit Esprit


    Manfred Wieningers Roman "Rostige Flügel" ist ein weiterer Marek-Miert-Krimi. Er setzt sich bewusst von den aktuellen Krimis ab. Sein Inhalt ist nicht angefüllt mit "literarischer Blutsäuferei" (S. 47).
    Die Handlung wird aus der Sicht des liebenswürdigen, kauzigen Privatdetektivs Marek Miert erzählt. Er wohnt, wie gehabt, in einem abrissreifen Haus im Rotlicht- und Migrantenmilieu in der fiktionalen österreichischen Kleinstadt Harland. Der Autor charakterisiert Marek Miert (wie auch alle weiteren handlungsbezogenen Personen - alles Individuen, die nicht irgend welchen Trends folgen) detailliert, wenn nicht sogar pingelig, wobei er zunächst die körperliche Erscheinung und die Bekleidung betont. Privatdetektiv Miert kommt erst in die Gänge, wenn er des Morgens seine Melange konsumiert hat; des Tages Arbeit beschließt er mit einem Quantum Rotwein.
    Weitere beispielhafte Attribute für den kultigen Marek Miert sind "Hände wie Klodeckel", "Anzuggröße Minivan", "italienische Importschuhe, handgefertigt aus Lederimitat und einem bisschen Spucke" usw.
    Doch nicht nur hierbei kann der Leser sich an Wieningers Sprachvermögen ergötzen. Immer wieder spielt er mit einem anderen sprachlichen Stilmittel, nämlich dem Paradoxon. Wer kennt nicht die absurde Ballade vom Auto, das, als es dunkel war, aber der Mond helle schien, blitzeschnelle langsam um die Ecke fuhr? Und diese Klaviatur beherrscht auch Manfred Wieninger perfekt und virtuos: "Stille, laut wie Weihnachten", "Meeresschildkröte ohne Flossen"; dazu witzige Wendungen wie "ein Ende mit Schnecken", "mit der Kirche ums Kreuz fahren".
    Es ist Februar, der Monat der Depressionen und anderer Katastrophen, als Marek Miert, der eigentlich immer pleite ist, zwei Arbeitsaufträge erhält.
    Bei dem ersten verfolgt er Herrmann Frischauf, einen Buchhändler. Er pirscht ihm in den Auen bei Harland nach, bis beide etwas ungeschickt und von Marek Miert unbeabsichtigt zusammenstoßen. Frischauf hält sich schon über einen längeren Zeitraum in diesem Gebiet auf, wo er die Überreste eines Zwangsarbeiterlagers entdeckt hat.
    Der zweite Fall verwickelt Marek Miert in eine Prügelei, die ihn auf direktem Wege in die Untersuchungshaft bringt. In seiner Zelle lernt er den Afghanen Dr. Achmed Adin kennen. Dies gibt dem Autor die Gelegenheit, ausgiebig zu politisieren und Österreichs Asylpolitik zu kritisieren. Ich persönlich finde so einen Krimi keine passende Plattform dafür - das vorherige Lachen bleibt mir im Halse stecken -, verstehe aber des Autors Anliegen.
    Trotz dieses kleinem persönlichen Missfallens möchte ich dieses Buch weiterempfehlen. Es wird allen Lesern, die Spaß an ironischen, alternativen, regional gefärbten Krimis haben, gefallen.


    EDIT: Amazonlink eingefügt. LG, Saltanah

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    Kunst - eine Hure der Galeristen


    Luise Jacobs Buch "Gesellschaftsspiele" ist ein Roman über die aktuelle Kunstszene.
    Leo Becker, 37 Jahre alt, ist der Protagonist. Nach zehn Jahren freiem künstlerischen Schaffens wird er entdeckt. Eine Ausstellung seiner Werke in einer Galerie bringt den Durchbruch und Erfolg. Leo erhält die einmalige, sensationelle Chance, einige seiner Bilder in New York in der MET auszustellen. Vier Bilder müssen noch fetiggestellt werden, aber Leo ist wie gelähmt; er hält den Druck nicht aus und kann seine Arbeit nicht vollenden..
    Das Gesellschaftsspiel hat längst begonnen, und alles ist auf Leo fokussiert. Er hat sich korrumpieren lassen; nur das Geld zählt. Er wird am Marktwert seiner Bilder gemessen. Alle Strategien sind darauf ausgerichtet, den Preis nach oben zu treiben..
    Umgeben ist er von vielen Menschen - falschen Freunden -, die wie Statisten zu diesem Spiel gehören. Man trifft sie überall, sie wollen dabeisein, sehen und gesehen werden und nichts verpassen. Man begegnet ihnen in Bars, auf Partys und in anderen Ausstellungen. Wenn man ihnen die Maske vom Gesicht zöge, so bliebe nur Oberflächlichkeit und Belanglosigkeit..
    Louise Jakobs zeigt in einem - im gesamten Romantext verteilten - Psychogramm, wie sehr Leo in diesem Spiel leidet: Er ist erfüllt von Selbsthass, Leere, Selbstzweifeln, Schuldgefühlen und vor allem Einsamkeit.
    Es gibt nur drei Menschen, die ihm zeitweise etwas bedeuten:
    Da ist sein Freund Tobias, der ihm ehrlich seine Meinung sagt ( "Du willst ein Held sein und spuckst denen, die dich feiern, ins Gesicht.").
    Glückliche Jahre hat Leo mit seiner Frau Rachel verbracht. Sie ist eine Frau mit Minderwertigkeitskomplexen, und erst mit dem Erfolg ihres Mannes wird sie zu seiner ehrgeizigen Managerin. Allerdings steht sie in seiner schlimmsten Lebensphase, als zehn Tage vor dem Beginn der Ausstellung in New York seine Bilder noch nicht fertig sind, nicht zu ihm. Deswegen hängt Leo völlig ab, und Alkohol und Drogen führen ihn auf direktem Weg ins Krankenhaus.
    Leos dritter und letzter Anlaufpunkt ist seine ehemalige Freundin Ebba. Während eines gemeinsamen Abends sprechen beide über Leos Arbeit. Er öffnet sich ihr und spricht über seine Ängste und Selbstzweifel. Er hofft diese Beziehung nach seiner Ausstellung in New York wieder aufnehmen zu können.
    Beide Frauen lieben ihn, aber Rachel weiß, dass Leo sich schon längst von ihr getrennt hat. Ebba hingegen hat für sich entschieden, dass sie ihr frühere Beziehung zu Leo nicht wieder aufnehmen will.
    Das Buch beginnt mit einem Prolog: Leos Beerdigung. Ich finde dieses Stilmittel sehr gut, weil man beim Lesen des Romans viel intensiver auf mögliche Anzeichen achtet, die auf den Tod hinweisen könnten.
    Das Cover gefällt mir teilweise: Zwei Diagonale schneiden etwas von der Schrift "Gesellschaftsspiele" weg. Ist dies ein Hinweis auf die Zerrissenheit desProtagonisten?
    Mein Fazit: Da das Thema Künstlerszene überhaupt keinen Reiz auf mich ausübt, fand ich das Buch langweilig.
    Interessiert habe ich mich allerdings sehr für die Psyche des Protagonisten. Er kann ohne das leicht verdiente Geld nicht leben und willigt kurz nach seiner Ausstellung in die Vorbereitung einer Retrospektive seiner Schaffenszeit ein ... Er ist die goldene Spinne in seinem eigenen Netz.


    EDIT: Betreff angepasst, Amazonlink eingefügt sowie Namen der Autorin korrigiert. LG, Saltanah

    "Dem Leben näher kommen"


    Michaela Vieser hat einen herzerfrischenden Roman über ihren (sicherlich außergewöhnlichen) einjährigen Aufenthalt in einem japanischen Kloster geschrieben.
    Sie hat den Roman aus ihrer Perspektive (Ich-Form) geschrieben, allerdings nicht in der zeitlichen Abfolge ihres Aufenthaltes, sondern nach den Erlebnissen, die während des ganzen Jahres zu ihrem Alltag gehörten.
    Ihr Schreibstil ist flüssig, mit viel indirekter Rede und handlungsorientierten Beschreibungen. Diese sind klar und gut verständlich.
    Ihre Darstellungen der für sie völlig unbekannten Menschen in ihrem Umfeld, das eigene Verhalten und Einleben in diesen Lebenskreis sind sehr feinfühlig,oft sogar mit einem kleinen Augenzwinkern beschrieben. Das erheitert den Leser.
    Gleichzeitig gewinnt er den Eindruck, dass Michaela selber mit dem ehrfürchtigen, respektvollen Verhalten, das stets von ihr eingefordert wurde, entspannt umgeht. Sie selber ergreift oft die Initiative und möchte Lehren des Buddhismus kennenlernen und typische Rituale einüben. Dabei bringt sie sich selber auch ein, indem sie z. B. Englischunterricht für die japanischen Kinder des Klosters anbietet.
    Gut vorbereitet durch Sprach- und Kulturstudium reist Michaela nach Japan. Doch sie stellt sehr schnell fest, dass es an sprachlichen Feinheiten fehlt. Das führt zu Missverständnissen. So fragt sie z. B. nach der Toilette und wird zum Tempel geschickt.
    Im Kloster selbst leben nur vier Mönche (drei mit Familie), ansonsten Männer, Frauen und Kinder, die hier dem Glauben näher sein möchten. Sie leben im Einklang mit Gebet und Arbeit innerhalb eines festen Tagesablaufs, der natürlich auch für Michaela gilt.
    Ein Besuch im Klosterbüro, in dem Wado, einer der Mönche, seiner Arbeit nachgeht, rückt auch ihr Bild von Rückständigkeit zurecht. Die Mönche sind mit allen modernen Arbeitmaterialien ausgerüstet. Wado stehen Computer, Internet, Fax etc. zur Verfügung.
    Kalligraphie, Schwertkampf, Teezeremonie, Ikebana u. a. sind Michaela völlig neu, und sie erarbeitet sich, mit Unterstützung der japanischen Meister, mühselig ein kleines Wissen. Besonders reizvoll sind die Reisen, die ihr die Mönche ermöglichen. So besucht sie andere Kloster in Kyoto und Tokio.
    Der Höhepunkt ihres Aufenthaltes ist sicher die Begegnung mit dem Zen-Meister, der sie in die Meditation einführt.
    Die Erkenntnisse, Erfahrungen und eigenen Verhaltensänderungen, die Michaela aus ihrem Japan-Jahr mit nach Hause nimmt, vermittelt sie dem Leser sehr gut: Alles dient dem Ziel, eine Gesellschaft auf der Basis von Demokratie, Gleichheit und Frieden zu schaffen.
    Äußere Lebensziele sind unwichtig; dagegen sind Dankbarkeit, Harmonie, Respekt und Mitgefühl von großer Bedeutung. Diese Tugenden hält ja nicht nur der Buddhismus hoch, sondern sie gehören auch zu den Grundwerten des Christentums.
    Die Lektüre dieses Buches halte ich für sehr lohnend, öffnet sie uns doch auch die Augen angesichts des westlichen Werteverfalls.


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    EDIT: Betreff etwas angepasst und Amazon-Link eingefügt. LG Seychella

    Das Wetter: heute so - morgen so


    " Ne, was hatten wir dieses Jahr für einen heftigen und lang andauernden Winter. Selbst in den Mittelgebirgen lag so lange Schnee wie seit Jahren nicht mehr." Natürlich können solche im Supermarkt vorgetragene Thesen nicht unbedingt über viele Jahre hinweg bewiesene Gültigkeit beanspruchen. Aber beim Allerweltsthema Wetter wollen wir alle mitreden, und an diesem zwischenmenschlichen Kommunikationsbedürfnis setzt Sven Plöger an:
    Sein Buch ist ein allumfassendes, sehr informatives und stets wissenschaftlich untermauertes Sachbuch - keine leichte Kost; das Lesen erfordert schon volle Konzentration. Dennoch wird jedermann in der Lage sein, es zu lesen, denn es erfordert weder Vorwissen noch schwingt es sich zum Niveau eines Studiums der Meteorologie auf. Ich habe mir die klare Struktur des Buches zu Nutze gemacht (drei Teile mit vielen Unterkapiteln) und mir meine Lektüre entsprechend portioniert: So konnte ich mich auf angenehme Weise nach und nach mit dem gesamten Inhalt auseinander setzen. Besonders hilfreich fand ich in diesem Zusammenhang "Das Buch im Buch", in dem man sehr kompakt noch mal einen Überblick erhält.
    Kapitel 1 heißt: "Den Klimawandel verstehen". Hier stellt Sven Plöger die Kategorien "Wetter" und "Klima" gegenüber und beschäftigt sich mit den Faktoren, die unser Klima beeinflussen, wie etwa dem Treibhauseffekt.
    Kapitel 2 widmet Plöger den "Stimmen der Interessengruppen", denn Medien, Forscher, Regierungen - alle wollen gehört werden, wenn es um das Klima geht.
    In Kapitel 3 - "Die Chancen für morgen" - stellt der Autor dar, dass die Problematik des Klimawandels eine globale ist: Die Abschmelzung der Pole, die Erwärmung der Weltmeere, der FCKW-Ausstoß usw. betrifft alle Kontinente, alle Staaten, alle Wirtschaftssysteme, alle Menschen. Deshalb müssen wir alle uns verständigen und versuchen, einen Konsens zu finden. Dabei darf man nicht übergehen, dass jedes Land seine berechtigten eigenen politischen Schwerpunkte hat; die heftigsten Auswirkungen des Klimawandels - Unwetter, Überschwemmungen, Stürme, Tornados - erleben ja ausgerechnet die ärmsten Länder, die gerade kein Geld haben, um zu ihrem eigenen Schutz aufwändige und langfristige Strategien zu initialisieren, z. B. das Investment in alternative Energiequellen. Die Verantwortung bleibt also bei den reichen Ländern.
    Und gerade in diesem Zusammenhang fand ich das Unterkapitel "Was kann ich selbst tun" besonders informativ, denn auch ich, so habe ich gelernt, kann mit meinen Möglichkeiten, im Kleinen zu handeln (etwa Energie einzusparen), zu einem besseren Klima beitragen.
    Fazit: Dies war das erste Sachbuch, das ich gelesen habe. Es war eine ungewohnt anstrengende Lektüre. Auch wenn Plögers Aussagen nicht unbedingt neu sind und selbst ich als Laie vieles schon vorher einmal gehört hatte (man schätzt ja schließlich auch Sven Plögers ausschweifende Erläuterungen im Anschluss an die Tagesthemen), so kann ich sagen, dass das Buch die Lektüre lohnt. Bemerkenswert fand ich auch, dass Sven Plöger insgesamt eine weniger pessimistische Perspektive einnimmt, als ich es bisher getan hatte; zumindest in meinem Fall hatte das Buch also sogar eine gewissermaßen entspannende Wirkung.


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    EDIT: Betreff etwas angepasst und Amazon-Link eingefügt. LG Seychella

    Zehn Blicke zur Tür hinaus
    Ich habe das Buch "Mehr als du denkst" von A. Prinz in einem Rutsch gelesen. Das Buch stellt uns 10 verschiedene Persönlichkeiten - Frauen und Männer, die in unterschiedlichen Zeitepochen lebten - vor. Allen gemein ist ihr starker Charakter, der von Eigenständigkeit und Unabhängigkeit geprägt ist. Brauchen sie wirklich den Halt der Religion?
    Was alle verbindet ist die Sinnsuche.
    Das Buch beginnt mit der Kurzbiografie des Jesus von Nazareth und verstärkt die bewusste Themenkonzentration: Wendepunkte im Leben, Bewältigung von Lebenskrisen durch die Hinwendung zu Gott. Die 2. Geburt wird als Beginn eines religiösen Lebens dargestellt.
    Einige der hier im Buch vorgestellten Persönlichkeiten waren mir unbekannt. Es war sehr lehrreich, etwas über deren Leben zu erfahren.
    Etwas enttäuscht hat mich die Kurzbiografie des heiligen Franz von Assisi.
    Wir waren im Herbst 2008 in Assisi und haben die ihm zu Ehren errichtete Kirche besichtigt. Diese ist über und über geschmückt mit Fresken, die das Alte und Neue Testament abbilden, aber auch den Lebensweg des Franziskus. Sein Lebenswendepunkt wird in einem Fresko dargestellt: Er trennt sich von seiner reichen Familie. Er legt seine Kleidung ab und will von nun an in Armut leben. Das Buch kann die Ernsthaftigkeit und Macht seiner Entscheidung, die mich in Assisi emotional überwältigt haben, nicht annähernd wiedergeben. Im Gegenteil, ich finde die Beschreibung des Franz als verwöhntem jungen Mann, der auf der Suche nach aufregenderen Erlebnissen ist, geradezu unpassend.
    Da ich mich nicht als religiös bezeichne, war dieses Buch zunächst ein Angang, aber im Nachhinein verdient es seinen Platz im Bücherschrank.
    Vielleicht sollte man sich das Buch ab und zu vornehmen, um einzelne Biografien, die man in freier Reihenfolge wählen kann, zu lesen. Man wird zum Nachdenken angeregt.
    Der Bucheinband ist unscheinbar. Er zeigt in blassem Blau eine geöffnete Zimmertür. Aber die Symbolik gefällt mir, trotz ihrer Unscheinbarkeit. Die historischen Persönlichkeiten werden in Situationen dargestellt, in denen sie in ein neues Leben hinaustreten, und der Leser des Buchens darf bei der Lektüre in ihr Leben eintreten. Vielleicht hat er dabei selber das Glück, hinter der Tür einen neuen Sinn im Leben zu finden. Denn es gibt ja in unserer Welt "mehr als du denkst" ...

    Sex and Crime, Mystery und Psycho


    Christian Mørk beginnt sein Buch mit einem grausamen Mord in einem Haus in Dublin: "Sklavenschwestern von eigener Tante ermordet". Er erzeugt gruselige Spannung und legt hier Handlungsstränge, die viele Lösungsungen ermöglichen und Höchstspannung auslösen.
    Danach sackt der Leser in ein literarisches Loch.
    Im Ort taucht ein ausnehmend hübscher Mann auf, der ein auffälliges rotes Motorrad fährt. Er wird zum Anziehungspunkt aller Frauen einschließlich der Zwillingsschwestern und der Tante.
    "Darling Jim", so nennt ihn eine Geliebte, erzählt in den örtlichen Lokalen Geschichten. Mørk beschreibt das Äußere Jims mit den Attributen eines Wolfs. Diese geben Jim den Charakterzug eines reißenden Tieres.
    Die Gruselgeschichte, die Jim zum Besten gibt fasziniet die Frauen. Der begehrte Jim nutzt seine bevorzugte Situation voll aus,


    Dieser Teil des Buches zieht sich über ca. 150 Seiten hin. Teilweise hat mich die Handlung nicht sonderlich interessiert, teils hat mich die sprachlich niveaulose, manchmal ordinäre Wortwahl angeödet.
    Da mich das Buch aber am Anfang so fasziniert hatte, hielt ich mir vor Augen, dass Christian Mørk ja doch irgendwie gut und spannend schreiben kann, und hoffte, dass es vielleicht irgendwo wieder besser werden würde. Also weiter lesen ...
    Und tatsächlich wir erfahren, warum die Nichten bei ihrer Tante im Haus leben und wie es zu dem entsetzlichen Blutbad kommen konnte.
    Diesen Teil des Buches hat Mørk sprachlich besser und spannend ausgestaltet.


    Hier rundet sich der Krimi und nimmt den Spannungsbogen und die Handlungsstränge des Anfangs gekonnt wieder auf. Die Erwartungen an einen mitreißenden Krimi. erfüllen sich doch noch.
    Schließlich gelingt es Christian Mørk im letzten Teil, "Der gelähmte Prinz", Fantasy und Reality zu verknüpfen - und das sehr überzeugend und glaubwürdig.


    EDIT: Spoilerkästen eingefügt. LG, Saltanah