Anmerkung zum Buch
Bücher sind dazu da, den Leser in andere Welten zu entführen, ihn fühlen zu lassen, was die Charaktere fühlen, mit ihren Augen Dinge zu sehen, die uns im Alltag verschlossen bleiben, dazu, uns Gedanken über etwas zu machen, was uns im realen Leben vielleicht unerheblich scheint. Viele dieser Bücher sind jedoch auch noch für etwas anderes da: zum träumen - und genauso ein Buch findet man in "Nach dem Sommer".
Die Autorin Maggie Stiefvater bringt dem Leser die Hauptcharaktere Grace und Sam gleichermaßen nahe indem sie aus der Sicht beider erzählt. Jeweils in der Ich-Perspektive geschrieben erhält der Leser sowohl einen Einblick in das Wesen der Zwei als auch in die Handlung. Diese ist gespickt von malerisch beschriebenen Kulissen, von Details, die die Umgebung zum Leben erwecken, von Sehnsüchten, Schmerz und Romantik. Ein Satz nach dem anderen füllt dieses Buch in einer Art, die beinahe wie eine Melodie klingt, welche den Leser von Strophe zu Strophe, von Takt zu Takt immer weiter in die Welt um Mercy Falls hineinzieht. Begonnen wird die Geschichte mit der ersten Begegnung der beiden Hauptcharaktere und bereits hier versprüht die Autorin eine Magie, die sich in dem gesamten Buch ausbreitet. Ob es die rätselhaften goldenen Augen eines Wolfes sind, die die Sehnsüchte in Grace fast unerträglich machen, ob es das Bild von einem Wald mit goldenen Blättern ist, ein Gedicht oder auch die Beschreibung einer Umgebung anhand von Gerüchen – all das ist es, was den Leser tief hineinzieht in diese Handlung, was ihn mitfühlen, miterleben, teilhaben lässt. Obgleich Werwölfe, genauso wie Vampire, nicht wirklich neu in der weiten Welt der Fantasy sind, hat man bei diesem Buch keine Sekunde das Gefühl, eine weitere Geschichte zu lesen, die sich in den Standard einreiht. Die Natur der Wölfe hebt sich durch die Tatsache, dass sich ihre Verwandlung nicht nach Mondphasen oder Aggressionen richtet, sondern nach den Jahreszeiten bzw der Temperatur, deutlich von dem ab, was wir aus anderen Geschichten kennen. Besonders der Umstand, dass die Wölfe nach der Verwandlung nicht durch Sprechen oder normale Telepathie untereinander und mit Menschen kommunizieren können, sondern dass hier einfache Bilder zur Verständigung dienen, macht die Geschichte nicht nur interessanter, sondern auch faszinierender. Besonders spannend wird die Geschichte um die Wölfe dadurch, dass über jedem Kapitel die aktuelle Außentemperatur vermerkt ist, so dass man gemeinsam mit Sam und Grace die Uhr ticken hört und die Seiten gar nicht schnell genug lesen kann. In einem Punkt ähneln die Wölfe jedoch denen, die wir bereits aus anderen Werke kennen: ihre Sinne sind in Menschengestalt ebenfalls ausgeprägter als die eines normalen Menschen. Das allerdings wirkt sich keinesfalls negativ aus, sondern wird genutzt, um den Leser für den Geruch des Waldes zu begeistern, um ihn in dem Strudel der verschiedensten Düfte, die uns in einem Süßigkeitenladen entgegen schlagen, Details wahrzunehmen zu lassen, wie wir sie zuvor noch nie erkannt haben.
Doch nicht nur im Aufbau und Ablauf der Geschichte hat die Autorin ein Händchen bewiesen, sondern auch in der Formung ihrer Charaktere. Mit Grace hat sie ein junges Mädchen erschaffen, das durch die ständige Abwesenheit ihrer Eltern sehr schnell erwachsen werden musste, die ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein hat, gute Noten mit nach Hause bringt, oft in die Welt der Bücher versinkt, die die Dinge nimmt, wie sie sind, weil sie das „Was wäre wenn“ für reine Zeitverschwendung hält. Einzig in der Liebe lässt sie sich fallen, genießt und lernt durch Sam, die Dinge intensiver wahrzunehmen.
Sam selbst ist, im Gegensatz zu Grace, eher der sensible, nachdenkliche, tiefgründige Typ, für den Gefühle immens wichtig sind und auch die Tatsache, dass der Partner von ihnen weiß. Häufig drückt er diese in Form von Songtexten aus, die sich zu jeder Gelegenheit in seinem Kopf formen, die auf den Punkt bringen, was er vielleicht nicht offen sagen kann und die Tiefe seiner Gefühle widerspiegeln. Doch auch für Lyrik kann er sich begeistern und so begegnet dem Leser im Laufe der Geschichte nicht nur ein bekannter großer Name.
Isabel, die arrogante Mitschülerin von Grace, ist ein Charakter den man sofort lieben kann. Sie ist sarkastisch, zickig und doch ahnt man ziemlich schnell, dass sie eigentlich doch ganz anders ist und dieses 'hinter die Fassade blicken' macht das Lesen ihrer Szenen jedes Mal spannend. Auch Beck, den man in erster Linie durch Sams Erzählungen kennenlernt ist jemand, der den Leser neugierig macht und ich bezweifle, dass ihm nur ein so kurzer Auftritt vergönnt sein soll. Nein, von ihm hören wir bestimmt noch – auf welche Weise auch immer.
Fazit
„Nach dem Sommer“ ist ein Buch, welches mich von der ersten bis zur letzten Seite begeistert hat. Voller Gefühl wird hier in einer schönen Sprache zum Träumen eingeladen und man wacht erst wieder auf, wenn man die letzte Seite hinter sich gelassen hat.