Rezension
Buchtitel: Etanas Söhne Teil 1 - León, Alejandro & Nathan - Band 1 - Tödliche Bedrohung
Autor: Antje Jürgens
Genre: Vampir-Roman
Verlag: tredition GmbH 2008
ISBN: 978-3-86850-509-2
Vampire. Gerade in aller Munde, und das nicht erst seit der niemandem verborgenen Serie einer bekannten Schriftstellerin, die nunmehr auch in den Kinos mehr als nur zuhause ist.
Die Skepsis, weitere Werke zum Thema von weitestgehend unbekannten SchriftstellerInnen zu lesen, ist natürlich groß, jedoch im Falle von Jürgens Roman völlig unbegründet. Denn sie baut eine ganz eigene Welt, eine Umgebung auf, die doch eigentlich irgendwo in unserer heutigen Zeit liegt, jedoch eine Rasse mit allen Problemen der Minderheiten zeichnet, die ebenso Sorben, Elsässer oder Dänen in Deutschland sein könnten.
Natürlich sind Jürgens Etanaer völlig anders, leben zum großen Teil seit Jahrhunderten auf dieser Erde und haben eigentlich genau dieselben Probleme, wie wir als Normalsterbliche auch. Nur, und das ist bezeichnend für Jürgens Welt, bei ihnen sind sie langlebiger.
Jürgens Gestalten und Personen, Umgebungen und Bräuche sind scharf gezeichnet, jedoch auch wohltuend normal und nicht übertrieben beschrieben. Die Autorin versucht in ihrem Debüt-roman, das Klischee des Genres zu verdammen, reale Hintergründe einzubeziehen und damit den Leser mitten in diese doch so nahe, aber eben auch ferne Welt zu entführen.
Wie findet ein Vampir eine passende Frau, die nicht nur, wie allgemein angenommen, durch einen Biss an ihn gebunden wird, sondern auch zu ihm steht? Kann solch ein Langzahn überhaupt normal fühlen und sich familiär binden, Kinder zeugen und für diese da sein, nur allein, unter seinesgleichen oder auch in Gemeinschaften mit ‚Nichtvampiren’ leben?
Jürgens findet ganz erstaunliche Antworten und Erklärungen, dabei auch eine Art Gegenspieler, eine Frau, die seit Jahrhunderten die endliche Gabe ihrer Unsterblichkeit, die sie in einem schwa-chen Moment von solch einem Etanaer erhielt, bewusst ausnutzt und nun ihrerseits für ihr weite-res Überleben Mitglieder dieser Rasse mit mehr oder weniger Erfolg jagt. Dabei wird sie zu-nehmend zur wachsenden Gefahr der Hauptpersonen und ein mit großem Aufwand und für ein Überleben der Rasse gemeinsam von Menschen und Etanaern zu bekämpfendes Problem.
Leon, einer der vergleichsweise jungen Etanaer, kämpft seit Jahrhunderten mit einer verlorenen und vor allem damals auch sehr unglücklichen Liebe. Dabei zerfleischt er sich gar regelrecht selbst, achtet weder sein Leben noch seine Umgebung, bis er schließlich genau bei diesem Tun jene Frau gefunden zu haben scheint, die nicht nur durch ihre eigenen Besonderheiten, die Etana einst wenigen Menschen gab, zu ihm passt, sondern nach einer Weile auch noch das nötige Verständnis für ihn und die Gegebenheiten seiner Art, seines Lebens, erlangt. Doch auch dahin ist es ein weiter Weg. Und wenn man am Buchtitel noch abzulesen meint, dass auch die anderen be-nannten Vampire tiefgründig behandelt werden, so scheint dieser Band eben jenem Leon gewidmet zu sein, vielleicht wegen der so genauen Zeichnung ein Äquivalent zu einer wirklich lebenden Person aus Jürgens Umfeld und sicher ähnlich, wie so manch anderer Verlassener unter uns.
Wie alt werden Vampire? Sterben sie überhaupt eines natürlichen Todes? Können sie an Kummer zu Grunde gehen? Und wenn ja, wann, warum und wie? Auch hier hat Jürgens, die einen spannenden Erzählstil aufzeigt, die passenden Erklärungen im ersten Band ihres Werkes. Und ihre Einlassung zu Beginn des Buches, dass sie eigentlich nur auf die Idee kam, diese Geschichte zu schreiben, weil sie nicht auf das Erscheinen des nächsten Bandes einer allseits bekannten Rei-he warten wollte, nötigt dem Leser gehörigen Respekt ab. Denn was da entstand, gleich verworren beginnt und später immer klarer erkennbar wird, das könnte man als eine neue aktuell-historisch-fiktive Abhandlung zu eben jener Rasse bezeichnen, die sich nach Anerkennung, Lie-be, Sex und Gemeinschaft sehnt, jedoch immer auf ihre Verborgenheit, die Wahrung der Ge-heimnisse achten muss, mehr noch als der normale Mensch natürliche und künstliche Feinde hat.
Schon beim ersten Blick auf das Cover, welches schlicht wirkt, aber neben vielen geheimen Zei-chen auch einen Vertreter der Etanaer zeigt, wird das Neuartige in diesem uns doch eigentlich bekannt erscheinenden Genre klar.
Wer sich bisher den Vampirstoffen verschloss oder nur die bekannten Kultfilme aus früheren Jahren kennt, sollte sich in Jürgens Buch Mut und Lust für den unbedingten Genuss weiterer Literatur über eine Rasse irgendwo zwischen Mensch und Tier, Wahrheit und Fiktion holen.
Dem, der den gerade aktuell so beliebten Stoffen huldigt, sei eine Warnung gesagt… Hier exisiert eine andere Welt. Eine, in der nicht nur die Guten und Bösen gegeneinander kämpfen, eine Zu-ordnung nach Monstern und Heiligen geschieht, sondern das normale Leben mit ein wenig Mär-chen und Fabel vermischt, und damit angenehm lesbar niedergeschrieben wurde.
Genialer Beginn einer neuen Reihe rund um die Wesen, denen Knoblauch doch eigentlich scha-den sollte, die aber selbst im Sonnenlicht existieren können.
Ein Buch zum puren Entspannen? Nein, denn die Spannung steigt von Seite zu Seite.
Ein Buch zum Empfehlen? Natürlich. Man sollte es kennen, um sich ein weiteres, ganz anderes und liebevoll gezeichnetes Bild über die Vampire und den aktuellen Hype machen zu können.
Weitere Informationen unter http://www.romane.antjejuergens.de.
© + ® der Rezension:
Stefan Jahnke, Dresden
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