Ayi Kwei Armah – Die Schönen sind noch nicht geboren

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Inhalt: Der Mann, der den ganzen Roman über nicht anders genannt wird, ist Angestellter bei der nationalen Eisenbahn, wohl in der ghanaischen Küstenstadt Sekondi-Takoradi. Mehr schlecht als recht fristet er mit seinem Gehalt den Lebensunterhalt seiner fünfköpfigen Familie, für den ganzen Monat reicht das Geld eigentlich nie, weshalb dann die „Fastenwoche“ anbricht. Eines Abends kommt ein Holzhändler ins Büro, der den Mann bestechen will, damit Waggons für seine Holzlieferungen geschickt werden, bevor die gefällten Bäume verrotten. Der Mann erklärt, nichts für ihn tun zu können, weil er für die Frachtplanung nicht zuständig sei und lehnt das Geld ab. Der Holzhändler ist über diese zur Schau gestellte Integrität schwer erschüttert. Auch der Mann wird nachdenklich, ob er – angesichts der Wünsche seiner Familie – richtig gehandelt hat. Schließlich nehmen doch alle mit, was sie kriegen können, warum sollte er das nicht auch tun? Aber seinen inneren Widerstand kann er nicht überwinden, was ihm Vorwürfe seiner Frau und seiner Schwiegermutter einbringt. Die beiden planen, ihren Namen als Strohleute für den Minister Komsoon (einen früheren Klassenkameraden des Mannes, der als Dockarbeiter angefangen und Parteikarriere gemacht hat) herzugeben, der nicht selbst als Käufer einer Fischereiflotte auftreten kann. Die beiden Frauen wittern Oberwasser über den Mann, aber dann kommt der Staatsstreich, der Kwame Nkrumah und seine Anhänger von der Macht fegt. Komsoon muß flüchten ...



    Meine Meinung: Der Roman ist ein Klassiker der postkolonialen afrikanischen Literatur, auf den (und vor allem dessen Titel) immer wieder mal irgendwo angespielt wird, daher bin ich froh, ihn nun endlich gelesen zu haben. Es ist allerdings kein stilistisch ganz locker herunterzulesendes und erst recht kein „schönes“ Buch, ein solches zu schreiben lag sicher auch nicht in Armahs Absicht. Elf Jahre nach der Unabhängigkeit und zwei Jahre nach dem Sturz des ersten Präsidenten Kwame Nkrumah waren die Menschen in Ghana reichlich desillusioniert und dies bringt Armah sehr drastisch zum Ausdruck. Wenn doch alle nur den eigenen Vorteil suchen, hat es dann irgendeinen Sinn persönlich integer zu bleiben? Ist es das wert? Und: was ist die Alternative, wenn bei jedem Machtwechsel doch gnadenlos aufgeräumt wird, nur damit sich neue Herren bedienen können? Ist das Risiko nicht zu hoch? Gerade, daß Armah einen solchen integren Menschen zum Helden des Romans erhebt, ihn aber auch namenlos bleiben läßt, macht die Absicht deutlich: Ja, es macht einen Unterschied. Ja, es ist auch Anstrengungen wert. Und es betrifft jeden und verlangt jedem etwas ab, wenn es insgesamt irgendwie besser werden soll.


    Armah ist aber nicht nur drastisch, was die Geißelung der Korruption und Selbstbedienung angeht, die beim Busschaffner anfängt und beim Minister noch lange nicht aufhört. Er ist auch drastisch, was die rein äußeren Lebensumstände angeht. Obwohl der Mann eine feste Anstellung und ein regelmäßiges Gehalt hat, lebt er mit seiner Familie in hygienischen Verhältnisse, die einfach ekelerregend sind, und an seinem Arbeitsplatz, auf den Straßen und Wegen ist es nicht besser. Der Gestank und die Fäkalien tropfen fast aus dem Buch. Das ist nicht angenehm zu lesen, aber wie gesagt: einen „schönen“ Roman wollte Armah sicher auch nicht schreiben.


    Im übrigen ist der Roman auch ein gutes Beispiel dafür, welche Funktionen Literatur in diesen Ländern hat – im Vergleich zur Masse der Literatur bei uns. Es geht eben nicht um Unterhaltung, sondern um (Gesellschafts-)Kritik, Anprangerung von Mißständen, politisches Wirken. Natürlich gibt es auch hier Autoren mit einem solchen Anspruch, aber sie schreiben gemeinhin nicht unter Gefahr für Leib und Leben. Das gilt zwar auch nicht unbedingt im Falle von Armah, aber es gibt hinreichend andere Beispiele. Und wenn ich mich als Autor schon solchen Bedrohungen aussetze, dann muß es sich doch wenigstens lohnen, für weichgespülte Kritik tut es das nicht. Daher kann ich das Aufsehen, das dieser Roman erregt hat, gut nachvollziehen.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen